136
Markttrend erfolgen, ist nach Änderung der gesetzlichen Regelungen des 4. FMFG
und des AnSVG sowie der Erneuerung des Verbotes der Marktmanipulation und der
Konkretisierung des Verbotes durch die europäischen Regelungen derart allgemein
nicht mehr vertretbar. Der Begriff des Markttrends gibt keine Hilfestellung für die
zweifelsfreie Klassifizierung von Maßnahmen als zulässig bzw. unzulässig. Kurspflegemaßnahmen erfolgen immer gegen den Markttrend. Marktmanipulationen
können sowohl mit als auch gegen den Markttrend durchgeführt werden.
L. Die weiteren Marktprinzipien nach § 8 MaKonV
§ 8 MaKonV enthält materielle Kriterien, anhand derer die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Marktpraxis festgestellt werden soll. Die in § 8 MaKonV enthaltenen
Kriterien beschreiben die Hauptfunktionen der Börsen und Märkte, die jederzeit
schnelle, kostengünstige und sichere Geschäfte vermitteln und eine effektive Preisbildung gewährleisten sollen.517 Die Vorschrift ist unmittelbar nur an die BaFin
gerichtet.518 Mittelbar gibt die Vorschrift auch den Marktteilnehmern Kriterien an
die Hand, wann ein Marktverhalten nicht nach § 20a Abs. 1 Nr. 2 WpHG zu beurteilen ist. Es stellt sich daher die Frage, ob die Marktprinzipien gem. § 8 MaKonV
geeignet sind, eine Unterscheidung von Marktmanipulation und Kurspflege zu ermöglichen.
I. Die Marktliquidität
In § 8 Abs. 1 Nr. 2 MaKonV wird darauf abgestellt, dass eine Gepflogenheit nur
dann als zulässige Marktpraxis anerkannt werden kann, wenn die Liquidität und
Leistungsbereitschaft eines Marktes nicht beeinträchtigt werden. Um als zulässige
Gepflogenheit eines Marktes zu gelten, müssten Kurspflegemaßnahmen die Liquidität des Marktes fördern. Im Umkehrschluss daraus müssten Marktmanipulationen
die Liquidität und Leistungsbereitschaft eines Marktes einschränken. Wäre dies der
Fall, wäre das Prinzip der Marktliquidität dazu geeignet, Marktmanipulationen und
Kurspflegemaßnahmen voneinander abzugrenzen.
1. Die Definition der Marktliquidität
Der Begriff der „Marktliquidität“ beschreibt in der finanzwissenschaftlichen Theorie
im Wesentlichen folgende Sachverhalte: In einem liquiden Markt muss ein positiver
Zahlungsmittelbestand existieren und die Wirtschaftssubjekte müssen zu jedem
517 Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1048 f.
518 Vogel in Assmann/Schneider, WpHG, § 20a, Rn. 153.
137
Zeitpunkt in vollem Umfang in der Lage sein, den fälligen Zahlungsverpflichtungen
nachzukommen.519 Des Weiteren müssen ein hohes Deckungsverhältnis von Vermögensgegenständen und ein hoher Liquiditätsgrad bestehen und letztlich muss für
die Wirtschaftssubjekte die Möglichkeit zur Transformation von Vermögensgegenständen in Geldmittel existieren.520 Ein Markt ist folglich liquide, wenn die Wertpapiere in hinreichendem Umfang angeboten und nachgefragt und damit gehandelt
werden; er ist leistungsfähig, wenn er jederzeit schnelle, kostengünstige und sichere
Geschäfte bzw. effektive Preisbildung gewährleistet.521 Gemäß dieser Definition ist
die Liquidität eines Marktes an drei Faktoren gebunden: Ausführung von Order und
Aufträgen ohne zeitliche Verzögerung, die Irrelevanz der Ordergröße (Volumen
einer Transaktion) und die Stabilität der Preise.522 Darüber hinaus bestimmt sich die
Marktliquidität auch durch die Kontinuität und Tiefe des Marktes. Die Kontinuität
ist hoch, je kleiner die Preisunterschiede mehrerer Transaktionen über einen bestimmten Zeitraum ausfallen. Die Markttiefe bezieht sich auf einen Zeitpunkt. Sie
wächst mit der Anzahl der Marktteilnehmer, die bereit sind, ihre Transaktionen eng
am gegenwärtigen Marktpreis auszuführen.523
2. Zweck und Notwendigkeit von Marktliquidität
Die Liquidität eines Marktes bestimmt, wie der entsprechende Handel abgewickelt
wird, insbesondere ob die Preisentwicklung stabil ist, wie schnell eine entsprechende
Order ausgeführt werden kann und folglich ein Handelspartner zur Verfügung steht.
Dementsprechend hängen die Präferenzen institutioneller Investoren für ein bestimmtes Aktienhandelssystem entscheidend von der permanenten und kostenminimalen Handelbarkeit ihrer Aktienoptionen in dem System ab. Ein hohes Maß an
Handelsmöglichkeiten zu niedrigen Kosten gewährleistet eine ausgeprägte Transaktionsbereitschaft bei den Investoren und führt zu Wettbewerbsvorteilen gegenüber
anderen Systemanbietern.524 Folglich sind die Betreiber von Aktienhandelssystemen
bestrebt, das Potential an Handelbarkeit auszuschöpfen und die Liquidität eines
Marktes zu maximieren. Dies bedeutet, je liquider ein Markt ist, desto mehr institutionelle Anleger und Investoren werden sich für die dort gehandelten Werte interessieren und entsprechend investieren, da es sich um einen attraktiven Markt mit hohen Renditechancen handelt. Nur durch entsprechende Liquidität ist und bleibt ein
Kapitalmarkt attraktiv für Investoren.
519 Averdiek-Bolwin, Aktienbörsen, S. 81.
520 Averdiek-Bolwin, Aktienbörsen, S. 81.
521 Begr. MaKonV, BR-Drucks. 18/05 vom 07.01.2005, S. 21.
522 Averdiek-Bolwin, Aktienbörsen, S. 81.
523 Meißner, Kursstabilisierung, S. 49.
524 Averdiek-Bolwin, Aktienbörsen, S. 80 f.
138
3. Die Beeinflussung der Marktliquidität durch Marktmanipulationen
Manipulative Handlungen führen nicht dazu, dass Preisunterschiede mehrerer
Transaktionen über einen bestimmten Zeitraum anders ausfallen. Schwankungen des
Marktes, die aufgrund anderer Faktoren entstehen wie einer allgemeinen Konjunkturflaute oder die branchenspezifische Ursachen haben, sind von Marktmanipulationen unabhängig.525 Ebenfalls unabhängig von einzelnen manipulativen Eingriffen in
die Preisbildung sind der Zahlungsmittelbestand und die Möglichkeit der einzelnen
Wirtschaftssubjekte, ihren Zahlungsverpflichtungen jederzeit nachkommen zu können. Diese Faktoren hängen von den Wirtschaftssubjekten selbst ab und deren persönlicher Solvenz. Sicherlich kann ein Verfall von Börsenpreisen dazu führen, dass
die Solvenz einzelner Kapitalmarktteilnehmer schlechter wird. Die Verschlechterung ist dann aber nicht nur auf Manipulationen, sondern auch auf andere von den
Manipulationen unabhängige Faktoren zurückzuführen.
Anders verhält es sich mit der Markttiefe. Hierauf können Marktmanipulationen
einen erheblichen Einfluss haben. Wird das Angebot oder die Nachfrage durch Manipulationen verknappt, z.B. durch „Cornering“526 oder „Abusive squeezes“527, kann
dies gegen § 8 Abs. 1 Nr. 2 MaKonV verstoßen. In diesen Fällen werden durch die
Marktmanipulationen das Angebot verknappt und die Möglichkeiten, Vermögensgegenstände in Geldmittel umzuwandeln, eingeschränkt. Der Liquiditätsgrad verringert sich. Es wird für die Marktteilnehmer schwieriger, Handelspartner zu finden,
die weiterhin Handel in dem Markt mit verringerter Liquidität betreiben wollen. Die
Handelspartner sind nicht mehr bereit, die gewünschten Preise für die Wertpapiere
zu bezahlen. Die Leistungsfähigkeit des Marktes sinkt durch die Manipulationen.
Die Ausführung von Order und Aufträgen wird in einem solchen Falle zeitlich verzögert. Die Relevanz der Ordergröße nimmt auf einem weniger liquiden Markt zu528
und die Stabilität der Preise wird durch die Manipulationen gefährdet.
4. Die Beeinflussung der Marktliquidität durch Kurspflegemaßnahmen
Durch Kurspflegemaßnahmen sollen markttechnisch bedingte Kurssausschläge oder
Zufallsschwankungen abgeschwächt und dadurch ein ruhiger Absatz der neu emittierten Wertpapiere gewährleistet werden.529 Wer kurz nach einer Emission folglich
525 Meißner, Kursstabilisierung, S. 49.
526 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.374, 16.404; Zieschang in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 263 StGB, Rn. 133; siehe oben S.129.
527 Begr. KuMaKV, BR-Drucks. 639/03 vom 05.09.03, S. 12; Dier/Fürhoff, AG 2002, 604, 608;
Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.374, 16.404; Sorgenfrei in Park, Kapitalmarktstrafrecht, §§ 20a, 38 I Nr. 4, 39 WpHG, Rn. 40; siehe oben S. 130.
528 Siehe oben S. 113.
529 Bruchner/Pospischil in Lutter/Scheffler/Schneider, Konzernfinanzierung, Rn. 11.48; Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2047; Schwark, FS für Kümpel, S. 485, 493; Vogel, WM 2003, 2437,
243; Weber, NZG 2000, 127 f.
139
Liquidität schafft, z.B. als „Designated Sponsor“530, fällt nicht unter die Vorschrift
des § 8 Abs. 1 Nr. 2 MaKonV. Dementsprechend heißt es in Erwägungsgrund (2)
Durchführungs-Richtlinie 2004/72/EG531, dass Marktpraktiken, die zu einer Erhöhung der Liquidität führen, eher anerkannt werden als solche Marktpraktiken, welche die Liquidität verringern.
Sinkt jedoch der Börsenkurs kurz nach einer Emission ab, auch wenn dies bloß
auf der Tatsache beruht, dass sich noch kein Gleichgewichtspreis gebildet hat, wird
ein beauftragtes Wertpapierhaus oder Kreditinstitut die Nachfrage am Markt steigern, indem das Angebot der Papiere verknappt wird. Der Kursverfall soll durch
Zukäufe verhindert werden.532 Wird das Angebot an Aktien jedoch verringert, kann
es für den Marktteilnehmer, der die Aktien nachfragt, schwieriger werden, einen
Kontrahierungspartner zu finden. Die Ausführung eines Auftrags kann sich so verzögern. Folglich kann die Liquidität auch durch Stabilisierungsmaßnahmen eingeschränkt werden.
Es ist jedoch zu beachten, dass die Durchführung von Kursstabilisierungsmaßnahmen auf einen engen zeitlichen Rahmen begrenzt ist, so dass die Einschränkung
der Liquidität eines Marktes nur über einen sehr kurzen Zeitraum stattfinden kann.
Die Möglichkeit zur Einflussnahme im Rahmen von Kurspflegemaßnahmen ist
folglich sehr begrenzt. Bei Marktmanipulationen gibt es keine zeitlichen Grenzen, so
dass die Gefahr, dass die Liquidität über einen längeren Zeitraum erheblich eingeschränkt wird, in einem solchen Fall erheblich größer ist. Manipulationen können
daher auch über einen langen Zeitraum, d. h. dauerhaft erfolgen. Es kann jedoch
kein pauschales Ergebnis darüber gefällt werden, dass Kursstabilisierungsmaßnahmen dazu führen, dass der Markt an Liquidität gewinnt.
5. Zusammenfassung
Im Hinblick auf die Marktliquidität muss eine differenzierte Betrachtung erfolgen.
Marktmanipulationen schränken die Liquidität des Marktes ein. Es erfolgt eine Verknappung des Angebots und der Nachfrage. Kurspflegemaßnahmen haben die Stabilität der Preise zum Ziel. Durch Kurspflegemaßnahmen wird dann die Liquidität des
Marktes erhöht, wenn zusätzliche Wertpapiere in einen Markt gegeben werden, um
eine gesteigerte Nachfrage zu befriedigen. Andererseits wird die Liquidität eines
Marktes dann durch Kursstabilisierungsmaßnahmen verringert, wenn Aktien am
Markt durch die Emission begleitende Banken zurückgekauft werden. Folglich können sowohl Marktmanipulationen als auch Kurspflegemaßnahmen die Liquidität des
Marktes einschränken. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass nur Kurspflegemaßnahmen oder nur Marktmanipulationen die Liquidität eines Marktes verrin-
530 Helmschrott/Waßmer, WM 1999, 1853, 1862 f.; Zieschang in Park, Kapitalmarktstrafrecht,
§ 263 StGB, Rn. 104; siehe oben S. 24 und 127.
531 Siehe oben Fn. 109.
532 Meißner, Kursstabilisierung, S. 34.
140
gern. Aufgrund der Verknappung der Marktliquidität kann daher keine Maßnahme
als eindeutig zulässig bzw. unzulässig eingeordnet werden. Die Marktliquidität ist
daher nicht zur Konkretisierung der Marktmanipulation und Abgrenzung gegenüber
der Kurspflege geeignet.
II. Die Marktfunktion
Gem. § 8 Abs. 1 Nr. 3 MaKonV kann eine Gepflogenheit nur dann als zulässige
Marktpraxis anerkannt werden kann, wenn gewährleistet wird, dass die Marktkräfte
ordnungsgemäß funktionieren. Dies bedeutet, dass das freie Zusammenspiel von
Angebot und Nachfrage unter Berücksichtigung wesentlicher Parameter gewährleistet werden muss. Zu diesen Parametern zählen insbesondere die Marktbedingungen
vor Einführung der Marktpraxis, der Durchschnittskurs des Handelstages und die
tägliche Schlussnotierung.533 Eine Konkretisierung und Abgrenzung von Kurspflege
und Marktmanipulation über die Gewährleistung der Marktfunktion wäre dann möglich, wenn die Marktfunktionen durch lediglich eine der Handelstechniken beeinträchtigt würden.
1. Die Definition der Marktfunktion
Das Schutzgut des § 20a WpHG ist der überindividuelle Funktionsschutz der kapitalmarktbezogenen Einrichtungen und Ablaufmechanismen.534 Bei der Überprüfung,
ob ein Marktverhalten als zulässig anerkannt werden kann, soll die BaFin alle Auswirkungen der Marktpraxis auf die genannten Parameter, im Wesentlichen folglich
Angebot und Nachfrage, würdigen. Es besteht insofern die Möglichkeit, dass das
Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage durch die Marktpraxis negativ beeinflusst werden könnte.535 Weder der Verordnungstext der MaKonV, noch die entsprechende Begründung enthalten jedoch Hinweise darauf, was unter einer negativen Beeinflussung zu verstehen oder wie dieses Kriterium näher einzugrenzen ist.
Die Entwicklung des Kapitalmarktes basiert im Wesentlichen auf Angebot und
Nachfrage. Wie sich Angebot und Nachfrage bilden, hängt von unterschiedlichen
Faktoren ab. Angebot und Nachfrage sind auch die Grundlage für die Bildung des
533 Vogel in Assmann/Schneider, WpHG, § 20a, Rn. 157.
534 Caspari, NZG 2005, 98, 101 f.; Groß, WM 2002, 477, 484; Knauth/Käsler, WM 2006, 1041,
1041; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.367; Kümpel, Kapitalmarktrecht, S. 19;
Kümpel/Veil, WpHG, S. 126; diess. in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, WpHG,
§ 20a, Kennziffer 065, Rn. 196; Lenzen, WM 2000, 1131; Möller, WM 2002, 309, 313;
Schröder in Achenbach/Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, X 2, Rn. 3, S. 716;
Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 20a WpHG, Rn. 5; Sorgenfrei in
Park, Kapitalmarktstrafrecht, §§ 20a, 38 I Nr. 4, 39 WpHG, Rn. 4; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht BT, Rn. 347.
535 Begr. MaKonV, BR-Drucks. 18/05 vom 07.01.2005, S. 21.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Durch Marktmanipulation und Kurspflege wird die Bildung der Börsenkurse gezielt beeinflusst. Die Abgrenzung der verbotenen Börsenkursmanipulationen und der erlaubten Kurspflege stellt aufgrund des Phänomens der Ähnlichkeit der Handelstechniken eine Herausforderung dar und ist gerade in Zeiten der Finanzmarktkrise von Bedeutung.
Die Arbeit untersucht die in § 20a WpHG und den europäischen Regelungen zur Verfügung gestellten Abgrenzungsmerkmale darauf, ob sie sich zur Konkretisierung der verbotenen Marktmanipulation von der erlaubten Kurspflege eignen. So werden für den Leser Leitlinien entwickelt, die eine eindeutige Klassifizierung von Markmanipulation und Kurspflege als zulässig bzw. unzulässig ermöglichen.