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Marktteilnehmer eine marktbeherrschende Stellung inne, z.B. allein aufgrund seines
Anteils am umlaufenden Aktienmaterial, handelt er aber nicht, setzt niemand unter
Druck und diktiert er auch keine Preise, nutzt er weder seine Position aus, noch
sichert er diese. Er gefährdet so weder das Marktgeschehen, noch verhält er sich
unfair gegenüber den anderen Marktteilnehmern. Die von dem Verordnungsgeber
angedeutete Auslegung der Vorschrift würde dazu führen, dass die Vorschrift des
§ 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV zu einer Generalklausel herabgestuft würde, die jegliche
Kontur vermissen ließe. Es würde darauf hinauslaufen, dass jeder, der eine marktbeherrschende Stellung innehat, in den Anwendungsbereich der Vorschrift gerät.502
Ein solches Verhalten kann aber nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände als
Marktmissbrauch gewertet werden.
Das bloße Innehaben einer marktbeherrschenden Stellung bzw. die bloße Sicherung des Status quo können nur dann zu einer Marktmanipulation führen, wenn die
Marktteilnehmer ihre Position ausnutzen und so die anderen Marktteilnehmer und
die Preisbildung beeinträchtigen. Im Rahmen einer marktbeherrschenden Stellung
müssten also Preise diktiert oder Täuschungen vorgenommen werden, welche die
Funktionsfähigkeit des Marktes auch tatsächlich beeinträchtigen. Für eine Marktmanipulation muss bei dem Innehaben einer marktbeherrschenden Stellung ein aktives,
manipulatives Tun hinzutreten, damit eine tatbestandsmäßige Handlung vorliegt.503
So lange sich aber der Monopolist redlich verhält und sich an die gesetzlichen Vorgaben hält, wird es für eine dritte Person sogar nahezu unmöglich sein, Manipulationen vorzunehmen. Bei dem bloßen Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung
liegt folglich kein Verstoß gegen § 20a WpHG vor.
III. Die Durchführung von Kurspflegemaßnahmen im Rahmen einer marktbeherrschenden Stellung
Kurspflegemaßnahmen werden von Wertpapierhäusern oder Kreditinstituten durchgeführt, die im Rahmen einer Emission hierzu gesondert beauftragt wurden. In der
Regel halten die beauftragten Häuser nach einer Emission selbst einen Großteil der
umlaufenden Aktien. Sie haben daher eine marktbeherrschende Stellung inne und
können die Preise diktieren bzw. beeinflussen, indem sie Kurspflegemaßnahmen
durchführen. Sie haben daher auch ein Interesse an einer erfolgreichen Kurspflegemaßnahme und damit an einer erfolgreichen Emission. Sie führen die Kurspflegemaßnahmen mit dem Ziel aus, ihre eigene Situation, und damit auch ihre marktbeherrschende Stellung, zu sichern. Die Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung
wird bei Kurspflegemaßnahmen folglich bewusst in Kauf genommen bzw. wird
erlaubt. Eine marktbeherrschende Stellung zu sichern, kann daher entgegen der
502 Vogel in Assmann/Schneider, WpHG, § 20a, Rn. 186.
503 Trüstedt, Verbot der Börsenkursmanipulation, S. 202.
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Begründung zur MaKonV kein Kriterium sein, um Marktmanipulationen und Kurspflegemaßnahmen voneinander abzugrenzen.
IV. Zusammenfassung
Das bloße Innehaben einer marktbeherrschenden Stellung reicht entgegen der Begründung zur MaKonV nicht aus, um einen Marktmissbrauch im Sinne des § 20a
WpHG zu begründen. Sie führt nicht per se zum Marktmissbrauch. Erst wenn weitere, aktive Manipulationshandlungen hinzutreten, ist von einer Marktmanipulation zu
sprechen. Kurspflegemaßnahmen werden aus einer marktbeherrschenden Stellung
und zur Sicherung dieser Stellung durch die beauftragten Kreditinstitute und Wertpapierhäuser vorgenommen. Eine marktbeherrschende Stellung eignet sich daher
nicht zur Konkretisierung von Marktmanipulationshandlungen und zur Abgrenzung
der Marktmanipulation von der Kurspflege.
K. Die Handlung gegen den Markttrend
Zulässige Kurspflegemaßnahmen dürfen nicht gegen den Markttrend durchgeführt
werden.504 Maßnahmen zur Preisbeeinflussung, die gegen den Markttrend erfolgen,
könnten daher eine Marktmanipulation und ein geeignetes Kriterium darstellen,
welches die Unterscheidung von Marktmanipulation und Kurspflege ermöglicht.
I. Die Definition eines Markttrends
In der Literatur505 wird behauptet, eine Kurspflege gegen den Markttrend sei unzulässig. Was darunter jedoch zu verstehen ist, ist nicht geklärt. Im Rahmen von Kurspflege darf auf den Börsenpreis eingewirkt werden, um Zufallsschwankungen zu
vermeiden, die nicht in der aktuellen Geschäftslage des Emittenten begründet sind
oder von der allgemeinen Marktentwicklung hervorgerufen werden.506 Handlungen
gegen den Markttrend werden als Handlungen beschrieben, die konträr zu dem aktuellen Marktgeschehen durchgeführt werden. Ein Gleichgewicht des Marktes besteht
504 Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 309; Meyer, AG 2002, 289, 293; Möller, WM 2002, 309,
315; Weber, NZG 2004, 23, 26; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 137.
505 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.419; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 309;
Meyer, AG 2002, 289, 293; Möller, WM 2002, 309, 315; Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 20a WpHG, Rn. 40; Weber, NZG 2004, 23, 26; Vogel, WM 2003, 2437,
2440, 2442; ders. in Assmann/Schneider, WpHG, § 20a, Rn. 210; Ziouvas, ZGR 2003, 113,
137.
506 Arlt, Anlegerschutz, S. 89; Ekkenga, WM 2002, 317; Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2045 f.;
Vogel WM 2003, 2437.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Durch Marktmanipulation und Kurspflege wird die Bildung der Börsenkurse gezielt beeinflusst. Die Abgrenzung der verbotenen Börsenkursmanipulationen und der erlaubten Kurspflege stellt aufgrund des Phänomens der Ähnlichkeit der Handelstechniken eine Herausforderung dar und ist gerade in Zeiten der Finanzmarktkrise von Bedeutung.
Die Arbeit untersucht die in § 20a WpHG und den europäischen Regelungen zur Verfügung gestellten Abgrenzungsmerkmale darauf, ob sie sich zur Konkretisierung der verbotenen Marktmanipulation von der erlaubten Kurspflege eignen. So werden für den Leser Leitlinien entwickelt, die eine eindeutige Klassifizierung von Markmanipulation und Kurspflege als zulässig bzw. unzulässig ermöglichen.