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nach einer Emission soll das Kursniveau durch Kursstabilisierungsmaßnahmen konstant gehalten werden, damit die Emission erfolgreich verläuft und das Vertrauen
der Anleger in die Emission gesichert wird. Eine hohe Volatilität zeigt, dass Angebot und Nachfrage noch nicht ausgeglichen und der Markt in der Bewertung des
Wertpapiers noch unentschlossen ist. Werden Kurspflegemaßnahmen dann eingesetzt, um eine gewisse Stabilität zu erzeugen und zu verhindern, dass der Börsenkurs
fällt, dann erfolgt die Stabilisierung gegen das aktuelle Marktgeschehen und damit
auch gegen den Markttrend. Dies ist das Ziel der Kurspflege. Der Kurs soll auf einem von dem Emittenten und den institutionellen Anlegern und Altaktionären gewünschten Wert gehalten werden, weil dieser Wert als besonders günstig für das
Unternehmen und die Entwicklung des Börsenkurses angesehen wird. Die Stabilisierungsan- und -verkäufe erfolgen antizyklisch. Würde sich der Markt zur Zufriedenheit des Emittenten und der mit der Emission verbundenen Institutionen entwickeln,
wären ein Eingreifen und damit eine Kurspflege letztlich nicht notwendig. Folglich
muss mit Hilfe von Kurspflegemaßnahmen schon aufgrund dem mit ihnen verfolgen
Sinn und Zweck gegen den Markttrend gearbeitet werden.
Die Aussage, Kurspflegemaßnahmen dürfen nicht gegen den Markttrend erfolgen, ist folglich so nicht mehr haltbar. Sie erklärt sich aus der Historie, da vor Änderung des WpHG durch das 4. FMFG und des AnSVG und noch mit Gültigkeit des
alten Tatbestands des Kursbetrugs gem. § 88 BörsG a.F. eine zeitliche Begrenzung
von Kurspflegemaßnahmen nicht gesetzlich vorgesehen war. Zu dieser Zeit wurden
Kursstabilisierungsmaßnahmen durchaus auch aus Gründen der Bilanzpflege oder
aus anderen legitimen Gründen, wie der Abwehr einer feindlichen Übernahme, als
zulässig angesehen. In einem solchen Fall machte es dann durchaus Sinn, Kurspflege, die gegen den Markttrend erfolgte, als unzulässig zu bewerten. Unter dem heutigen Verständnis von Kurspflegemaßnahmen, die nur noch zeitlich begrenzt kurz
nach einer Emission zu besonderen, eingeschränkten Zwecken durchgeführt werden
dürfen, ist diese Aussage nicht mehr vertretbar. Letztlich erfolgen Kurspflegemaßnahmen unter der Geltung der heutigen Regelungen immer entgegen dem Markttrend.
IV. Zusammenfassung
Der Begriff des Markttrends ist zur Abgrenzung von Kurspflege und Marktmanipulation nicht geeignet, weil er zu unbestimmt ist und viele Einzelfragen offen lässt. Es
kann nicht pauschal festgestellt werden, dass Marktmanipulationen immer gegen
den Markttrend erfolgen. Die These, dass Kurspflegemaßnahmen nicht gegen den
Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, X 2, Rn. 62; Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 20a WpHG, Rn. 36; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 15, Rn. 90, S. 993f.; Sorgenfrei in Park, Kapitalmarktstrafrecht, §§ 20a, 38 I Nr. 4, 39 WpHG, Rn. 58; Vogel,
WM 2003, 2437; Weber, NZG 2000, 113, 115; Zieschang in Park, Kapitalmarktstrafrecht,
§ 263 StGB, Rn. 126; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 136.
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Markttrend erfolgen, ist nach Änderung der gesetzlichen Regelungen des 4. FMFG
und des AnSVG sowie der Erneuerung des Verbotes der Marktmanipulation und der
Konkretisierung des Verbotes durch die europäischen Regelungen derart allgemein
nicht mehr vertretbar. Der Begriff des Markttrends gibt keine Hilfestellung für die
zweifelsfreie Klassifizierung von Maßnahmen als zulässig bzw. unzulässig. Kurspflegemaßnahmen erfolgen immer gegen den Markttrend. Marktmanipulationen
können sowohl mit als auch gegen den Markttrend durchgeführt werden.
L. Die weiteren Marktprinzipien nach § 8 MaKonV
§ 8 MaKonV enthält materielle Kriterien, anhand derer die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Marktpraxis festgestellt werden soll. Die in § 8 MaKonV enthaltenen
Kriterien beschreiben die Hauptfunktionen der Börsen und Märkte, die jederzeit
schnelle, kostengünstige und sichere Geschäfte vermitteln und eine effektive Preisbildung gewährleisten sollen.517 Die Vorschrift ist unmittelbar nur an die BaFin
gerichtet.518 Mittelbar gibt die Vorschrift auch den Marktteilnehmern Kriterien an
die Hand, wann ein Marktverhalten nicht nach § 20a Abs. 1 Nr. 2 WpHG zu beurteilen ist. Es stellt sich daher die Frage, ob die Marktprinzipien gem. § 8 MaKonV
geeignet sind, eine Unterscheidung von Marktmanipulation und Kurspflege zu ermöglichen.
I. Die Marktliquidität
In § 8 Abs. 1 Nr. 2 MaKonV wird darauf abgestellt, dass eine Gepflogenheit nur
dann als zulässige Marktpraxis anerkannt werden kann, wenn die Liquidität und
Leistungsbereitschaft eines Marktes nicht beeinträchtigt werden. Um als zulässige
Gepflogenheit eines Marktes zu gelten, müssten Kurspflegemaßnahmen die Liquidität des Marktes fördern. Im Umkehrschluss daraus müssten Marktmanipulationen
die Liquidität und Leistungsbereitschaft eines Marktes einschränken. Wäre dies der
Fall, wäre das Prinzip der Marktliquidität dazu geeignet, Marktmanipulationen und
Kurspflegemaßnahmen voneinander abzugrenzen.
1. Die Definition der Marktliquidität
Der Begriff der „Marktliquidität“ beschreibt in der finanzwissenschaftlichen Theorie
im Wesentlichen folgende Sachverhalte: In einem liquiden Markt muss ein positiver
Zahlungsmittelbestand existieren und die Wirtschaftssubjekte müssen zu jedem
517 Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1048 f.
518 Vogel in Assmann/Schneider, WpHG, § 20a, Rn. 153.
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References
Zusammenfassung
Durch Marktmanipulation und Kurspflege wird die Bildung der Börsenkurse gezielt beeinflusst. Die Abgrenzung der verbotenen Börsenkursmanipulationen und der erlaubten Kurspflege stellt aufgrund des Phänomens der Ähnlichkeit der Handelstechniken eine Herausforderung dar und ist gerade in Zeiten der Finanzmarktkrise von Bedeutung.
Die Arbeit untersucht die in § 20a WpHG und den europäischen Regelungen zur Verfügung gestellten Abgrenzungsmerkmale darauf, ob sie sich zur Konkretisierung der verbotenen Marktmanipulation von der erlaubten Kurspflege eignen. So werden für den Leser Leitlinien entwickelt, die eine eindeutige Klassifizierung von Markmanipulation und Kurspflege als zulässig bzw. unzulässig ermöglichen.