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III. Zusammenfassung
Durch die Begrenzung des Stabilisierungszeitraums werden den Adressaten objektive Kriterien für die Anwendung der Vorschrift an die Hand gegeben. Das Überschreiten des Zeitraums kann ein Indiz für eine unzulässige Maßnahme darstellen.
Eine Begrenzung des Stabilisierungszeitraums dient der Praktikabilität und der Überwachung der Regelungen.
Es ist jedoch ökonomisch nicht sinnvoll, den Stabilisierungszeitraum auf einen
Bereich kurz nach der Emission zu beschränken. Der mit den gesetzlichen Regelungen verfolgte Zweck, der Schutz des Kapitalmarktes und seiner Einrichtungen, kann
durch die Begrenzung des Ausübungszeitraums von Stabilisierungsmaßnahmen
nicht erreicht werden. Maßnahmen zur Preisbeeinflussung stellen, nur weil sie au-
ßerhalb des gesetzlich festgelegten Zeitraums ausgeübt wurden, keine unzulässige
Marktmanipulation dar. Folglich kann nicht auf den Ausübungszeitpunkt einer
Transaktion abgestellt werden, um festzustellen, ob es sich um eine Marktmanipulationsmaßnahme handelt. Die Begrenzung des Ausübungszeitraums ist daher kein
geeignetes Kriterium, um Kurspflege von Marktmanipulation abzugrenzen.
H. Der Ausführungsort einer Transaktion
Wertpapiere werden sowohl an Börsen als auch außerbörslich gehandelt.461 Danach
qualifizieren sich nur der regulierte Markt, der Freiverkehr, die Eurex Terminbörse
und die Warenbörsen als geeignete Handelsplattformen für die Bildung von Marktoder Börsenpreisen.462 Der Ort, an dem Wertpapierhandel betrieben wird und Transaktionen durchgeführt werden, könnte für die Abgrenzung zulässiger von unzulässigen Maßnahmen entscheidend sein. Voraussetzung wäre dafür, dass Kurspflegemaßnahmen nur an einem bestimmten Handelsplatz in zulässiger Weise durchgeführt werden können. Maßnahmen zur Preisbeeinflussung, die an anderen
Handelplätzen ausgeführt werden, wären dann als Marktmanipulation zu bewerten.
I. Maßnahmen zur Preisbeeinflussung am grauen Markt vor der Emission
Der Stabilisierungsort war in Deutschland vor In-Kraft-Treten der Änderungen, die
das 4. FMFG und das AnSVG mit sich brachten, gesetzlich nicht geregelt. Es war
jedoch allgemein anerkannt, dass die Stabilisierung nur an bestimmten Orten stattfinden darf. Obwohl der Handlungsort im Einzelnen nicht genau bestimmt war,463
461 Ziouvas, wistra 2003, 13, 15.
462 Ziouvas, wistra 2003, 13, 15.
463 Schäfer, WM 1999, 1345.
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wurde die Kursstabilisierung im Vorfeld einer Emission am Grauen Markt464 als
unzulässig eingestuft,465 und war allenfalls in Form einer Kursdämpfung, akzeptiert,466 da Stabilisierungsmaßnahmen vor der Emission nur schwer von manipulativen Eingriffen abzugrenzen sind.467 Kursdämpfung meint dabei das Verhindern
eines Kursanstiegs durch minimalinversive Eingriffe. Dies gilt sowohl bei SPOs von
Wertpapieren als auch bei IPOs, da im Vorfeld der Emission der Handel im Grauen
Markt sehr aktiv ist und keiner staatlichen Überwachung untersteht. Mangels dieser
staatlichen Überwachung ist es für den Manipulator nicht schwierig, die Kurse erfolgreich zu beeinflussen.468 Durch die gezielte Beeinflussung der sich dort bildenden Preise kann bei Privatanlegern eine Preiserwartung geweckt werden, die mit den
tatsächlichen Gewinnerwartungen der Emission nicht übereinstimmt.469 Folglich
können von dem Grauen Markt falsche Signale über erstmals begebene Wertpapiere
ausgehen und zur Gefahr für den nachfolgenden Handel auf einem überwachten
Markt werden.470 Abgesehen davon ist der Handel am Grauen Markt nicht transparent, so dass die Grundlage der Kurse nicht ausreichend nachvollziehbar ist.471 Um
Einflussnahmen auf die Preisbildung zu vermeiden, dürfen daher keine Kurspflegemaßnahmen im Vorfeld einer Emission durchgeführt werden. Sollten in diesem
Zeitraum Maßnahmen durchgeführt werden, werden diese von den Safe-Harbour-
Regelungen der AusnahmenVO nicht erfasst. Es erfolgt aber auch keine Ahndung
der Verstöße über das Verbot der Marktmanipulation, da der Graue Markt vom
Regelungsbereich der Vorschrift nicht erfasst ist.472 Hier besteht eine Regelungslücke. Weder das Verbot der Marktmanipulation gem. § 20a WpHG erfasst den Grauen Markt, noch ist ein dortiger Handel durch die Regelungen der Safe Harbour von
dem Verbot der Marktmanipulation ausgenommen.
Allerdings wird auch im Grauen Markt ein nicht ordnungsgemäßes Verhalten
vorliegen, wenn durch eine Kursstellung eine tatsächlich nicht vorhandene Nachfrage nach Wertpapieren vorgetäuscht wird, weil hierdurch potentielle Investoren zur
464 Der graue Kapitalmarkt ist ein Teil des deutschen Kapitalmarktes, der aus mehreren, nicht
organisierten Märkten besteht. Bei diesen Märkten handelt es sich weder um einen Börsenoder Freiverkehrsmarkt i.S.d. § 12 Abs. 1 WpHG noch um direkt oder indirekt hoheitlich regulierte und überwachte Märkte i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG bzw. Art. 1 Nr. 2 der EG-
Insiderrichtlinie (siehe Assmann in Assmann/Schneider, WpHG, § 12, Rn. 6; Hagemann,
Grauer Kapitalmarkt und Strafrecht, S. 145 ff.; Lenenbach, Kapitalmarkt und Börsenrecht,
Rn. 9.1 ff., S. 457 ff.).
465 BGHZ 123, 106, 116 = WM 1993, 1787, 1790; Krämer/Hess, FS für Döser, S. 171, 187;
Schäfer, WM 1999, 1345.
466 Krämer/Hess, FS für Döser, S. 171, 189.
467 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.417; Meißner, Kursstabilisierung, S. 145.
468 Grüger, BKR 2007, 437, 443; Meißner, Kursstabilisierung, S. 63; Vogel in Assmann/Schneider, WpHG, § 20a, Rn. 213.
469 Krämer/Hess, FS für Döser, S. 171, 187; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.417.
470 Vogel, WM 2003, 2437.
471 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.417; Weber, NZG 2004, 23, 26.
472 Hagemann, Grauer Kapitalmarkt und Strafrecht, S. 612 f.; Vogel in Assmann/Schneider,
WpHG, § 20a, Rn. 27.
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Abgabe von Zeichnungswünschen oder zumindest zu überhöhten Zeichnungswünschen veranlasst werden könnten.473 In einem solchen Falle kommt eine Ahndung
des Verhaltens über allgemeine strafrechtliche Vorschriften wie § 263 StGB in Betracht.
II. Maßnahmen zur Preisbeeinflussung im regulierten Markt
Nach der Erstemission wird Kurspflege eingesetzt, um Kursschwankungen zu glätten, da sich noch kein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage im Markt gebildet
hat.474 Die Durchführung von Kurspflegemaßnahmen rechtfertigt sich im Hinblick
auf die Funktion der Börse, einen ordnungsgemäßen Handel aufrechtzuerhalten und
die Preiskontinuität sicherzustellen.475 Gleiches gilt auch für Sekundäremissionen.
Dies hat der europäische Gesetzgeber klargestellt, indem er Regelungen bzgl. des
Stabilisierungszeitraums nach einem SPO getroffen hat. Bei Sekundärplatzierungen
wird der Emissionspreis für junge Aktien aus einer Kapitalerhöhung meist mit einem deutlichen Abschlag gegenüber dem Sekundärmarktpreis festgelegt. Dieser
Abschlag ist erforderlich, um das Risiko bei der Platzierung der neuen Aktien zu
verringern. In diesem Fall resultiert aus der Stabilisierung der gleiche Effekt der
Verminderung des Risikoabschlags wie bei der Erstemission.476 Entgegen der Ansicht von Möller477 hat sich bei Zweitplatzierungen noch kein Marktgleichgewicht
gebildet, so dass auch bei einem SPO der Bedarf nach Kurspflegemaßnahmen besteht. Insbesondere wenn durch den SPO erst ein breiter Markt geschaffen werden
soll, der für institutionelle Investoren interessant ist, können sich durch das erhebliche zusätzliche Angebot von Aktien starke Kursschwankungen im Anschluss an die
Platzierung ergeben.478
III. Zusammenfassung
Maßnahmen, die vor einer Emission durchgeführt werden, sind nur in Ausnahmefällen zulässig. Eine Ahndung dort durchgeführter, manipulativer Handlungen kann
jedoch nicht über § 20a WpHG erfolgen, sofern ein Antrag auf Zulassung an einem
organisierten Markt nicht angekündigt oder gestellt ist. Preisbeeinflussende Maßnahmen am Grauen Markt können daher weder eindeutig als Kurspflege noch als
Marktmanipulation eingeordnet werden. Nach einer Emission ist es möglich, in
zulässiger Weise Kurspflegemaßnahmen durchzuführen. Kurspflegemaßnahmen
473 Krämer/Hess, FS für Döser, S. 171, 187.
474 Siehe oben S. 89.
475 Möller, WM 2002, 309, 315.
476 Meißner, Kursstabilisierung, S. 57 f.
477 Möller, WM 2002, 309, 315.
478 Krämer/Hess, FS für Döser, S. 171, 187.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Durch Marktmanipulation und Kurspflege wird die Bildung der Börsenkurse gezielt beeinflusst. Die Abgrenzung der verbotenen Börsenkursmanipulationen und der erlaubten Kurspflege stellt aufgrund des Phänomens der Ähnlichkeit der Handelstechniken eine Herausforderung dar und ist gerade in Zeiten der Finanzmarktkrise von Bedeutung.
Die Arbeit untersucht die in § 20a WpHG und den europäischen Regelungen zur Verfügung gestellten Abgrenzungsmerkmale darauf, ob sie sich zur Konkretisierung der verbotenen Marktmanipulation von der erlaubten Kurspflege eignen. So werden für den Leser Leitlinien entwickelt, die eine eindeutige Klassifizierung von Markmanipulation und Kurspflege als zulässig bzw. unzulässig ermöglichen.