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II. Handelsgestützte Marktmanipulation („Trade Based“)
Bei handelsgestützten Marktmanipulationen gem. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG
wird auf den Börsenpreis gezielt eingewirkt, indem Kauf- und Verkaufsorder mit
dem alleinigen Ziel abgegeben werden, den gewünschten Börsenpreis herbeizuführen.70 Dabei können tatsächliche Handelsaufträge vorliegen, z.B. ein Handel mit
Aktien vor und während eines Platzierungsvorgangs oder ein Handel im Rahmen
von Kapitalerhöhungen. Die von Käufer und Verkäufer abgegebenen Order sind
unabhängig voneinander. Die Geschäfte werden allein zu dem Zweck getätigt, den
sich bildenden Preis zu beeinflussen. Diese Handelsaktivitäten können daher eine
künstliche und marktfremde Kursstabilität oder -steigerung suggerieren. Solche
Aktivitäten spiegeln dem Anlegerpublikum eine höhere Bewertung der Aktie durch
den Markt vor.71 Durch diese Transaktionen wird eine Aktiennachfrage erzeugt, die
mit dem realen Nachfrageverhalten des autonomen Kapitalmarktes nicht korrespondiert. Infolge einer solchen marktfremden Darstellung der Gesellschaft werden potentielle Anleger über den wahren Marktwert des gestützten Papiers getäuscht und
dadurch zu Fehlinvestitionen verleitet.72 Handlungen, die zu einem bestimmten
Zeitpunkt / meist kurz vor Börsenschluss / abgegeben werden, um die Schlussnotierung eines Wertpapiers zu beeinflussen, fallen ebenfalls unter die Fallgruppe der
handelsgestützten Manipulationen.73 Auch diese Geschäfte können bei den anderen
Marktteilnehmern den / falschen / Eindruck einer Handelsaktivität wecken.
Fiktive Geschäfte gehören ebenfalls zu der Fallgruppe der handelsgestützten Manipulationen. Fiktiv sind diese Geschäfte, da sie keine wirtschaftliche Relevanz
besitzen.74 Der Unterschied der fiktiven Geschäfte zu den realen Transaktionen liegt
darin, dass sowohl auf Käufer- als auch auf Verkäuferseite entweder dieselben Personen stehen, oder dass Käufer und Verkäufer die vorzunehmenden Transaktionen
abgesprochen haben.75 Der größere Unrechtsgehalt liegt bei den fiktiven Geschäften
darin, dass nicht das Angebot des freien Markts genutzt wird, um den Handel anzuregen, sondern das Angebot und die Nachfrage des Marktes durch die Absprachen
erst künstlich erzeugt werden.
Sowohl bei fiktiven als auch bei effektiven Geschäften werden bei der handelsgestützten Marktmanipulation reale Order in den Markt gegeben mit dem Ziel, den
Kurs zu beeinflussen und den falschen Eindruck von Marktaktivität zu wecken.76
Die Manipulation erfolgt durch direkte Einflussnahme auf die Funktionsfähigkeit
des Kapitalmarktes und seiner Einrichtungen. So kann es z.B. vorkommen, dass
70 Arlt, Anlegerschutz, S. 73; Schnyder in Rebmann/Säcker/Rixecker, Münchener Kommentar
zum BGB, Band 11, Int. KapR, Rn. 298; Waschkeit, Marktmanipulation, S. 39.
71 Johannsen-Roth, Erwerb eigener Aktien, S. 87.
72 Johannsen-Roth, Erwerb eigener Aktien, S. 88.
73 Benner in Wabnitz/Janovsky, Wirtschaftsstrafrecht, 9. Kapitel, Nr. 20, Rn. 65.
74 Grüger, Kurspflege, S. 43; siehe unten S. 43.
75 Lenzen, Börsenkursbildung, S. 9 f. m.w.N.; Mock/Stoll/Eufinger in Hirte/Möllers, KK-
WpHG, § 20a, Rn. 9.
76 Arlt, Anlegerschutz, S. 73; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 130.
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zunächst nur aufgrund des Handelsaufkommens nicht zu erkennen ist, ob eine
Transaktion manipulativen Charakter hat oder ob es sich um eine normale, nicht
manipulative Transaktion handelt. Eine Unterscheidung zwischen erlaubter Kurspflege und verbotener Marktmanipulation ist in einem solchen Fall erst bei ausgedehnten Nachforschungen und dem Hinzutreten weiterer Umstände möglich. Im
Ergebnis ist festzuhalten, dass handelsgestützte Marktmanipulationen in jedem Fall
durch Transaktionen und Geschäfte am Kapitalmarkt ausgeführt werden.
III. Handlungsgestützte Marktmanipulationen („Action Based“)
Die handlungsgestützte Marktmanipulation, die unter die Regelung des § 20a Abs. 1
S. 1 Nr. 3 WpHG fällt, zielt auf die Veränderung des inneren Wertes der Aktie ab.77
Das Ziel dieser Art der Manipulation ist die Veränderung der erwarteten Ertragskraft
des Unternehmens.78 Die Manipulation erfolgt durch Handlungen, die nicht unmittelbar börsenbezogen sind und welche den inneren Wert eines Wertpapiers beeinflussen sollen.79 Es werden keine Transaktionen an der Börse vorgenommen, um
eine größere Handelsaktivität vorzuspiegeln. Das Handlungsziel ist ein Verfall oder
ein Anstieg der Börsenkurse. Das Wissen um diesen Kursverfall nutzt der Schädiger
aus, um sich an den fallenden Kursen zu bereichern. Der Marktpreis wird manipuliert, indem einem Unternehmen Schaden zugefügt wird. Als Beispiel können die
Handlungen eines ehemaligen Angestellten eines Wertpapierhauses gelten. Dieser
versetzte die Produkte eines Pharmaunternehmens mit Rattengift und informierte die
Öffentlichkeit hierüber. Sein Ziel war, den Kurs der Aktien des Unternehmens zu
senken, um eine Verkaufs-Option gewinnbringend ausüben zu können.80 Ein weiteres historisches Beispiel ist der Fall der Aktien der American Steel and Wire Company, deren Management einen Teil der Hochöfen stilllegen ließ, um den Aktienkurs
zu senken und so offene Leerverkaufspositionen81 günstig decken zu können.82
Bei einer handlungsgestützten Marktmanipulation werden folglich keine realen,
manipulativen Transaktionen an der Börse vorgenommen. Wie bei einer informationsgestützten Marktmanipulation wird versucht, mittelbar auf den Börsenkurs einzuwirken.83 Aufgrund dessen wurde für diese Fallgruppe unter Geltung der alten
77 Waschkeit, Marktmanipulation, S. 39.
78 Meißner, Kursstabilisierung, S. 43; Rudolph/Röhrl, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform,
S. 187.
79 Lenzen, Börsenkursbildung, S. 31.
80 Lenzen, Börsenkursbildung, S. 31; Meißner, Kursstabilisierung, S. 43 f.
81 Arlt, Anlegerschutz, S. 93; Lenzen, Börsenkursbildung, S. 18; Schröder, Aktienhandel und
Strafrecht, S. 75; Sellien/Sellien, Gablers Wirtschaftslexikon, „Leeverkauf“; Sorgenfrei in
Park, Kapitalmarktstrafrecht, §§ 20a, 38 I Nr. 4, 39 WpHG, Rn. 56; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht BT, Rn. 350; Trüstedt, Verbot der Börsenkursmanipulation, S. 197 ff.; siehe unten
S. 129.
82 Rudolph/Röhrl in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 187.
83 Arlt, Anlegerschutz, S. 96; Vogel in Assmann/Schneider, WpHG, vor § 20a Rn. 29.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Durch Marktmanipulation und Kurspflege wird die Bildung der Börsenkurse gezielt beeinflusst. Die Abgrenzung der verbotenen Börsenkursmanipulationen und der erlaubten Kurspflege stellt aufgrund des Phänomens der Ähnlichkeit der Handelstechniken eine Herausforderung dar und ist gerade in Zeiten der Finanzmarktkrise von Bedeutung.
Die Arbeit untersucht die in § 20a WpHG und den europäischen Regelungen zur Verfügung gestellten Abgrenzungsmerkmale darauf, ob sie sich zur Konkretisierung der verbotenen Marktmanipulation von der erlaubten Kurspflege eignen. So werden für den Leser Leitlinien entwickelt, die eine eindeutige Klassifizierung von Markmanipulation und Kurspflege als zulässig bzw. unzulässig ermöglichen.