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und feststellen können, ob das Handelsgeschehen dem wirklich Rechnung trägt. Je
mehr Informationen im Markt öffentlich verfügbar sind, desto mehr von diesen
Informationen werden auch in den Preisen verarbeitet. Der Wissensvorsprung des
Manipulators sinkt mit zunehmender Information der anderen Kapitalmarktteilnehmer.
Nur in einem transparenten Markt hat ein Kapitalmarktteilnehmer überhaupt die
Möglichkeit zu erkennen, ob hinter dem Verhalten eines Marktteilnehmers eine
effektive, unbeeinflusste Transaktion oder aber eine Täuschung und damit eine Manipulation des Marktes stehen. Der Erfolg der Täuschung ist letztlich für die Erfüllung des Tatbestandes gem. § 20a WpHG nicht von Bedeutung, da die Manipulationshandlung nur objektiv dazu geeignet sein muss, eine Täuschung herrufen zu
können und den Preis zu manipulieren. Allerdings wird es für den Manipulator entscheidend sein, dass er die Möglichkeit der Täuschung als wahrscheinlich ansieht,
sonst wäre die Durchführung einer Manipulation sinnlos.
V. Zusammenfassung
Je transparenter ein Markt ist, desto kleiner sind die Informationsasymmetrien und
desto größer ist für den Kapitalmarktteilnehmer auch die Chance, eine Manipulation
zu erkennen und je mehr Informationen werden bei der Preisbildung verarbeitet. Je
kleiner die Informationsasymmetrien sind, desto geringer ist auch die Chance eines
Manipulators, einen manipulierten Markt- oder Börsenpreis zu erzeugen. Unter
diesem Gesichtspunkt sind auch die zahlreichen Bezugnahmen auf die Notwendigkeit von Transparenz in Erwägungsgrund (43) der Marktmissbrauchsrichtlinie zu
werten. Darüber hinaus ist Transparenz notwendig ist, um überhaupt feststellen zu
können, ob eine Täuschung der Anleger vorliegt. Sind die Umstände, die Gegenstand einer Täuschung sein sollen, schon zuvor umfangreich bekannt gegeben worden, eignet sich die Handlung nicht mehr dazu, einen Irrtum bzw. eine falsche Vorstellung bei einem Kapitalmarktteilnehmer zu erregen. Eine Marktmanipulation
muss dann ausscheiden. Allerdings sind an die Bekanntgabe von Informationen
hohe Anforderungen zu stellen. Transparenz ist daher zwingende Voraussetzung
dafür, dass keine unzulässige Marktmanipulation vorliegt. Die Transparenz des
Kapitalmarktes eignet sich folglich, um zwischen einer zulässigen Kurspflege und
einer unzulässigen Marktmanipulation zu unterscheiden.
E. Die Anforderungen an die Bildung des Börsenpreises gem. § 24 BörsG
Das Regelungsziel des Marktmanipulationsverbotes gem. § 20a WpHG ist es, die
funktionsbezogenen Einrichtungen des Kapitalmarktes und das Vertrauen der Anleger in ihrer Gesamtheit zu schützen. Die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen
Preisbildung und die Gewährleistung der Chancengleichheit aller Marktteilnehmer
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gehört wie eine ausreichende Transparenz der Marktverhältnisse zu den notwendigen vertrauensbildenden Maßnahmen für die Regulierung des Kapitalmarktes.386
Das Vertrauen der Anleger in eine ordnungsgemäße Preisbildung und ein integeres
Marktgeschehen hat in der Vergangenheit aufgrund der Geschehnisse am Neuen
Markt387 gelitten.388 Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen hantierten öffentlich mit Auftragszahlen, Gewinnmargen und Umsatzerwartungen, die
in Wahrheit gar nicht oder nicht in der genannten Höhe existierten.389 Die Leitungsorgane von Unternehmen wie EM.TV390, Comroad391 oder Infomatec392 sind hier
stellvertretend zu nennen. Zeigte sich im Nachhinein, dass die bekannt gegebenen
Zahlen nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmten, fühlten sich die Marktteilnehmer betrogen. Die Funktionsmechanismen des Marktes wurden beeinträchtigt. Für
eine zulässige Maßnahme ist es folglich notwendig, dass sich der Börsenkurs aufgrund des freien Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage und frei von Manipulationen bildet. Vorgaben für das Verfahren zur Bildung des Börsenpreises finden
sich in § 24 BörsG. Hieraus könnten sich ebenfalls Kriterien zur Abgrenzung und
386 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.369.
387 Siehe oben Fn. 183.
388 Kutzner, WM 2005, 1401.
389 Groß, WM 2002, 477.
390 Siehe oben S. 33; Zivilverfahren: LG München I, 18. Oktober 2001 / 12 O 7922/01; OLG
München, Urteil vom 18.07.2002 / 19 U 5630/01, NZG 2002, 1110; BGH, Urteil vom
09.05.2005 / II ZR 287/02, NJW 2005, 2450 ff. = WM 2005, 1358 ff. = ZIP 2005, 1270 ff. =
DStR 2005, 1326 ff. = BB 2005, 1644 ff. = DB 2005, 1845 ff. = AG 2005, 609ff. =
NZG 2005, 672 ff. = BKR 2005, 411 ff.; Strafverfahren: LG München I, Urteil vom
08.04.2003 / 4 KLs 305 Js 52373/00, NJW 2003, 2328 ff. = ZIP 2003, 1450 ff. = NZG 2003,
825 ff. = BKR 2003, 681 ff. = wistra 2003, 436 ff. = NStZ 2004, 289 ff.; BGH, Urteil vom
16.12.2004 / 1 StR 420/03, BGHSt 49, 381 ff.; siehe oben Fn. 38; Anm. von Fleischer, NJW
2003, 2584 ff.; Spindler, BB 2004, 2197, 2201.
391 Zivilverfahren: LG München I, 2.09.2004 / 5 HKO 14438/04, OLG München, Urteil vom
20.4.2005 / 7 U 5303/04, ZIP 2005, 901 ff. = NZG 2005, 518 ff. = WM 2005, 1269 ff. =
DB 2005, 1447 ff. = AG 2005, 484 ff. = BB 2005, 1651 ff. (nicht rechtskräftig); siehe auch
OLG Frankfurt am Main, ZIP 2005, 710; Strafverfahren: LG München I, Urteil vom
21.11.2002 / 6 KLs 305 Js 34066/02, NStZ 2004, 291 ff. = wistra 2003, 277 ff.; OLG München, Urteil vom 06.11.2003 / 2 Ws 583 - 592/03, BKR 2004, 29 ff. = wistra 2004, 117 ff. =
NJW 2004, 1119 ff. = OLGSt StGB § 73 Nr 2 = ZBB 2004, 63; Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 13.12.2004, / Vf.95-VI-03, NZG 2005, 398 ff.
392 Zivilverfahren: LG Augsburg, Urteil vom 24.09.2001 / 3 O 4995/00, ZIP 2001, 1881 ff. =
WM 2001, 1944 ff. = BB 2001, 2130 ff. = DB 2001, 2334 ff. = NJW-RR 2001,1705 ff. =
BKR 2001, 99 ff. = NZG 2002, 429 ff.; OLG München, Urteil vom 01.10.2002 / 30 U
855/01, ZIP 2002, 1989 ff. = DB 2002, 2430 ff. = NZG 2002, 1107 ff. = NJW 2003, 144 ff. =
WM 2003, 70 ff. = BKR 2002, 1096 ff. = AG 2003, 106 ff.; BGH, Urteil vom 19.07.2004 /
II ZR 402/02; BGHZ 160, 149 ff. = ZIP 2004, 1593 ff. = BB 2004, 1816 ff. = WM 2004,
1721 ff. = DStR 2004, 1490 ff. = DB 2004, 1931 ff. = NJW 2004, 2971 ff. = NZG 2004, 907
ff. = AG 2004, 546 ff. = JZ 2005, 90 ff.; Anm. zum Urteil siehe Körner, NJW 2004, 3386 ff.;
Strafverfahren: LG Augsburg, Urteil vom 27.11.2003 / 3 KLs 502 Js 127369/99, NStZ 2005,
109 ff.; BaFin, Jahresbericht 2004, S. 187; OLG Frankfurt am Main, ZIP 2003, 1090.
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Konkretisierung von unzulässiger Marktmanipulation und zulässiger Kurspflege
finden lassen.
I. Die Definition des Börsenpreises
Gem. § 24 Abs. 1 BörsG sind Börsenpreise solche Preise für Wertpapiere, die während der Börsenzeit an einer Wertpapierbörse im regulierten Markt festgestellt werden oder Preise, die an einer Warenbörse ermittelt werden. Börsenpreise sind auch
Preise, die für Derivate an einer Börse ermittelt werden. Es handelt sich folglich um
einen Preis, der während der Börsenzeit in einem der gesetzlichen vorgegebenen
Marktsegmente nach dem jeweils vorgegebenen Verfahren ermittelt wurde.393 Nicht
zu den Börsenpreisen im Sinne des § 24 BörsG zählen Preise, die im außerbörslichen Handel zustande gekommen sind sowie reine Geld- und Briefnotizen oder
Taxpreise. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte der Börsenpreis die Marktlage
insgesamt korrekt abbilden und nicht konkrete Transaktionspreise bezeichnen.394
Börsenpreise können im elektronischen Handel395 oder durch Skontroführer396 ermittelt werden. Die im Präsenzhandel durch den Skontroführer festgestellten Preise
werden mit den in einem elektronischen Handelssystem festgestellten Preisen rechtlich gleichgestellt.397
Die Regelungen über das Zustandekommen von Börsenpreisen dienen zweierlei
Zwecken: Zum einen sollen Qualitätsstandards für das Zustandekommen der Börsenpreise festgelegt werden. Zum anderen wird damit das vom Gesetzgeber besonders hervorgehobene Ziel verfolgt, Anknüpfungspunkte für eine effiziente und um-
393 Ledermann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 24 BörsG, Rn. 22.
394 Köndgen/Theissen, WM 2003, 1497, 1498.
395 Der elektronische Handel ist als ein Verfahren anzusehen, bei dem die Auftragsübermittlung,
die Zusammenführung korrespondierender Kauf- und Verkaufsaufträge zu einem Geschäftsabschluss und die Preisermittlung im Wege der Nutzung einer elektronischen Datenverarbeitung erfolgt (Ledermann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 25 BörsG, Rn. 3). An
der Frankfurter Wertpapierbörse wird der elektronische Handel über XETRA abgewickelt.
396 Zum Skontroführer kann auf Antrag zugelassen werden, wer als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut zugelassen ist. Der Skontroführer hat die Vermittlung und den Abschluss von Börsengeschäften in den zur Skontroführung zugewiesenen Wertpapieren zu
betreiben und auf einen geordneten Marktverlauf hinzuwirken. Eigen- und Aufgabegeschäfte
dürfen nicht tendenzverstärkend wirken. Der Skontroführer hat seine Tätigkeit neutral auszu-
üben und die Einhaltung der ihm obliegenden Pflichten sicherzustellen. Bei der Preisfeststellung handelt er weisungsfrei. Die Wahrnehmung der Pflichten aus der Skontroführung hat so
zu erfolgen, dass eine wirksame Überwachung der Einhaltung der Pflichten gewährleistet ist.
Der Begriff Skontroführung steht dabei für das Betreuen eines Orderbuches für einzelne
Wertpapiere, in denen die DBM Deutsche Börsenmakler GmbH mit der offiziellen Börsenpreisfeststellung durch die jeweilige Börse betraut worden ist (Ziffer 1 der Bestimmungen für
die Preisfeststellung im Präsenzhandel an der Frankfurter Wertpapierbörse Nr. 8 = FWB08;
Ledermann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 25 BörsG, Rn. 4; § 26 BörsG, Rn. 2
ff.).
397 Ledermann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 24 BörsG, Rn. 22.
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fassende Überwachung des Zustandekommens der Börsenpreise zu schaffen.398 Die
ordnungsgemäße, durch die Börsenaufsicht überwachte Bildung von Börsenpreisen
ist eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale eines Wertpapiermarktes.399 Börsenpreise zeichnen sich damit grundsätzlich dadurch aus, dass es sich um (staatlicherseits)
überwachte Preise handelt, weil die Börsenaufsicht die Gewähr für die Einhaltung
bestimmter Regeln hinsichtlich ihres Zustandekommens übernimmt.400
II. Das Prinzip der formellen Kurswahrheit nach § 24 Abs. 2 BörsG
Gem. § 24 Abs. 2 BörsG müssen Börsenpreise ordnungsgemäß zustande kommen
sein und der wirklichen Marktlage des Börsenhandels entsprechen. Die konkrete
Ausgestaltung der Anforderungen an die Preisermittlung bleibt der jeweiligen Börsenordnung vorbehalten (§ 24 Abs. 3 S.2 BörsG). Die Regelungen des § 24 Abs. 2
BörsG dienen der Sicherung einer vertrauenswürdigen Preisbildung sowie Nachvollziehbarkeit und Chancengleichheit im Börsenhandel.401
1. Ordnungsgemäß zustande gekommene Börsenpreise
Gem. § 24 Abs. 2 BörsG müssen Börsenpreise ordnungsgemäß zustande kommen
sein. Mit dem ordnungsgemäßen Zustandekommen des Börsenpreises ist die formale
Übereinstimmung mit den in § 24 ff. BörsG statuierten und in den jeweiligen Börsenordnungen (BörsO)402 der Wertpapierbörsen konkretisierten Verfahrensregeln
gemeint.403
Der Börsenhandel dient dazu, Angebot an und Nachfrage nach Wertpapieren zusammenzuführen und einen Preis festzustellen, zu dem die resultierenden Transaktionen abgerechnet werden. Der reine Gegenwert des einzelnen Papiers wird im täglichen Handelsgeschehen aufgrund der Handelsaktivitäten und der täglichen Transak-
398 Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Auflage, 2006, § 25 BörsG, Rn. 1; Willamowski in Heidel, Aktienrecht, Kapital 3, § 24 BörsG, Rn. 2.
399 Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Auflage, 2006, § 25 BörsG, Rn. 1; Willamowski in Heidel, Aktienrecht, Kapital 3, § 24 BörsG, Rn. 1.
400 Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Auflage, 2006, § 25 BörsG, Rn. 1; Willamowski in Heidel, Aktienrecht, Kapital 3, § 24 BörsG, Rn. 1.
401 Ledermann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 24 BörsG, Rn. 25.
402 In § 16 BörsG finden sich die Anforderungen an die jeweiligen Börsenordnungen. Es handelt
sich dabei und die Satzung der jeweiligen Börse, die durch den Börsenrat erlassen wird. Als
Beispiel kann auf die Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB01) verwiesen
werden, die im Internet unter http://deutsche-boese.com/dbag/dispatch/de/notescont
ent/gdb_navigation/info_center/25_FWB_Information/20_FWB_Rules_Regulations/INTEG
RATE/zpd?notesDoc=KIR+FWB-Regelwerk&expand=1.1 abgerufen werden kann.
403 Beck in Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 24 BörsG, Rn. 8; Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Auflage, 2006, § 25 BörsG, Rn. 6; Köndgen/Theissen, WM 2003, 1497, 1503.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Durch Marktmanipulation und Kurspflege wird die Bildung der Börsenkurse gezielt beeinflusst. Die Abgrenzung der verbotenen Börsenkursmanipulationen und der erlaubten Kurspflege stellt aufgrund des Phänomens der Ähnlichkeit der Handelstechniken eine Herausforderung dar und ist gerade in Zeiten der Finanzmarktkrise von Bedeutung.
Die Arbeit untersucht die in § 20a WpHG und den europäischen Regelungen zur Verfügung gestellten Abgrenzungsmerkmale darauf, ob sie sich zur Konkretisierung der verbotenen Marktmanipulation von der erlaubten Kurspflege eignen. So werden für den Leser Leitlinien entwickelt, die eine eindeutige Klassifizierung von Markmanipulation und Kurspflege als zulässig bzw. unzulässig ermöglichen.