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AusnahmenVO ausgeübt werden. Die Öffentlichkeit muss außerdem über eine entsprechende Greenshoe-Option detailliert informiert werden. Es besteht insoweit
Prospektpflicht.237
Der europäische Gesetzgeber bedient sich einmal mehr der bereits bekannten Abgrenzungskriterien für zulässige Maßnahmen. Er besteht bei der Durchführung auf
Transparenz und umfassende Information der Marktteilnehmer und begrenzt das
Volumen der Transaktion, um Eingriffe auf den Börsenpreis gering zu halten. Auch
diese Regelungen im Rahmen der klassischen Stabilisierungsmaßnahmen, wie der
Greenshoe-Option, zeigen welches Gewicht die Transparenz der Stabilisierungsmaßnahmen für den Gesetzgeber hat.
II. Rückkaufprogramme für eigene Aktien
Gem. § 20a Abs. 3 WpHG und § 5 MaKonV stellt der Handel mit eigenen Aktien im
Rahmen von Rückkaufprogrammen unter Beachtung der Regelungen der AusnahmenVO keinen Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation dar. Der Erwerb
eigener Aktien erfolgt durch den Rückerwerb von Aktien an der Börse. Es besteht
daher auch bei Erwerb eigener Aktien eine Nähe zur Kurspflege, da es sich um reale
Transaktionen in Form von Käufen handelt. Daraus folgt ferner eine Verbundenheit
mit der handelsgestützten Marktmanipulation, so dass insbesondere auch der Erwerb
eigener Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen Merkmale zur Unterscheidung von Marktmanipulation und Kurspflege liefern könnte.
1. Der Erwerb eigener Aktien und Marktmanipulation
Ein Spannungsfeld zur Marktmanipulation bildet sich beim Rückkauf eigener Aktien, da der Rückkauf zwar aufgrund der Verknappung des umlaufenden Aktienmaterials und Erhöhung der Eigenkapitalrendite der verbleibenden Aktien (§ 71a AktG)
in den meisten Fällen positive Wirkung auf das Kursniveau haben wird. Aber es ist
nicht zu verkennen, dass durch den Aufbau einer künstlichen Nachfrage durch den
konzentrierten Rückerwerb der Preisbildungsmechanismus des Kapitalmarktes in
unzulässiger Weise beeinflusst werden kann.238 Dies ist insbesondere problematisch,
wenn der Aktienkauf nicht hinreichend offen gelegt wird und daher angesichts der
Anonymität des Marktes die bestehende Nachfrage fälschlich als Marktentscheidung
unbeteiligter Dritte gedeutet werden kann.239
237 Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251, 263, Fn. 171.
238 Singhof/Weber, AG 2005, 549, 553.
239 Oechsler in Kropff/Semler, Münchener Kommentar zum AktG, Bd. 2, § 71, Rn. 25, 195;
Singhof/Weber, AG 2005, 549, 553; von Rosen/Helm, AG 1996, 434, 437.
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2. Der Zweck von Rückkaufprogrammen unter den Regelungen des Safe Harbours
Gem. Art. 2 Nr. 3 AusnahmenVO erfasst der Safe Harbour im Rahmen eines Rückkaufprogramms jeglichen Handel mit eigenen Aktien i.S.v. Art. 19 - 24 Zweite Gesellschaftsrichtlinie240. In den Schutzbereich des Safe Harbours fallen gem. Art. 3
AusnahmenVO Rückkaufprogramme, wenn sie dem Zweck dienen, das Kapital des
Emittenten herabzusetzen, oder Verpflichtungen aus einem Schuldtitel zu erfüllen
sind, die in Beteiligungskapital umgewandelt werden sollen (Erwägungsgrund [5]
der AusnahmenVO, § 221 AktG, § 71 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AktG). Erfasst ist auch die
Erfüllung von Verpflichtungen aus Belegschaftsprogrammen und anderen Formen
der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter des Emittenten oder einer Tochtergesellschaft.
Jede weitere Verwendung von Aktien aus einem Rückkauf fällt nicht unter die
Regelungen der AusnahmenVO.241 Sie ist nach den allgemeinen Vorschriften über
den Marktmissbrauch zu beurteilen. Dies gilt vor allem für Rückkaufprogramme mit
dem Zweck, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden (§ 71 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
AktG), einem Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsunternehmen Wertpapierhandel zu ermöglichen (§ 71 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 AktG), anlassbezogene Stützung des
Kurses zu betreiben (§ 71 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 AktG) oder eine Übernahme abzuwenden (§ 33 WpÜG).242
3. Übersicht
Die Gründe, aus denen ein Rückkaufprogramm durchgeführt werden darf, sind folglich durch den europäischen Gesetzgeber stark beschränkt worden, um die Safe
Harbours nicht auszudehnen und die erlaubten Eingriffe in die freie Kurs- und
Marktpreisbildung gering zu halten. Es hier zeigt sich, dass für die Zulässigkeit einer
Maßnahme danach zu fragen ist, welcher Zweck mit ihr verfolgt wird. Allerdings
hat der europäische Gesetzgeber die Zwecke, die mit Rückkaufprogrammen verfolgt
werden dürfen, derart beschränkt, dass diese sich für eine Kursstabilisierung nach
Art. 2 Nr. 7 AusnahmenVO bzw. für eine Kurspflege nicht mehr eignen. Die Rückkaufprogramme dürfen nicht mehr dazu genutzt werden, durch Transaktionen Wertpapiere zu stützen, die unter Verkaufsdruck geraten sind oder ein Abgleiten der
Kurse zu verhindern, wenn sich nach einer Emission noch kein Marktgleichgewicht
240 Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der
Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58
Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der
Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind,
um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. (EG) 1977 Nr. L 26 vom
31.01.1977, S. 1.
241 Geber/zur Megede, BB 2005, 1861, 1862.
242 Ekkenga, FS für Kümpel, S. 95 ff.; Vogel in Assmann/Schneider, WpHG, § 20a, Rn. 201.
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gebildet hat. Eine Nähe zur Kurspflege oder zur handelsgestützten Marktmanipulation ist dem Aktienerwerb aus Rückkaufprogrammen daher abzusprechen. Folglich
sind Rückkaufprogramme von Unternehmen nicht mehr als Kurspflegemaßnahmen
einzuordnen und können zur Lösung des Abgrenzungsproblems von Kurspflege und
Marktmanipulation nichts beitragen.
III. Zusammenfassung
Als zulässige Kurspflege kann nur bezeichnet werden, was nach den gesetzlichen
Regelungen zulässig ist.243 Eine konkrete Einordnung von durchgeführten Maßnahmen ist nur für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen möglich,
bei denen im Hinblick auf die Voraussetzungen des Safe Harbours kein Zweifel
besteht. Für alle anderen Fälle können die Safe-Harbour-Regelungen keine Leitlinien für die Unterscheidung von Marktmanipulation und Kurspflege liefern.
Bei der Darstellung von Kursstabilisierungsmaßnahmen bedient sich der Gesetzgeber der Transparenz und der Beschränkung des Transaktionsvolumens bzw. des
Ausübungszeitraums zur Abgrenzung der zulässigen Kurspflege von der unzulässigen Marktmanipulation. Der Zweck einer Kursstabilisierung spielt dort eine Rolle,
wo die Maßnahme einer verbotenen kontinuierlichen Kurspflege dienen soll.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass folgende Merkmale zur Unterscheidung
von Kurspflege und Marktmanipulation im Rahmen der Safe-Harbour-Regelungen
besonderes bedeutend sind:
‚ die Transparenz
‚ das Volumen einer Transaktion
‚ das Zeitmoment
‚ die Perspn des Manipulierenden bzw. des die Kurspflege Durchführenden.
C. Zwischenergebnis
Für eine Abgrenzung der Kurspflege von der Marktmanipulation sind die Regelungen des § 20a WpHG, die MaKonV und die AusnahmenVO ausschlaggebend. Unter
Marktmanipulation wird eine Vielzahl an Verhaltensweisen verstanden, durch die
auf unredliche Weise auf die Kurs- bzw. Preisbildung eingewirkt werden kann.
Unter Kurspflege werden solche marktausgleichenden An- und Verkäufe verstanden, die einer stetigen und stabilen Kursentwicklung dienen und einem Abgleiten
der Kurse oder auch unerwünschten künstlichen Kurssteigerungen entgegenwirken
sollen. Eine besondere Nähe zwischen Marktmanipulation und Kurspflege besteht
im Bereich der handelsgestützten Marktmanipulation.
243 Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2448; Vogel, WM 2003, 2437, 2442; anders Meyer,
AG 2004, 289, 292.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Durch Marktmanipulation und Kurspflege wird die Bildung der Börsenkurse gezielt beeinflusst. Die Abgrenzung der verbotenen Börsenkursmanipulationen und der erlaubten Kurspflege stellt aufgrund des Phänomens der Ähnlichkeit der Handelstechniken eine Herausforderung dar und ist gerade in Zeiten der Finanzmarktkrise von Bedeutung.
Die Arbeit untersucht die in § 20a WpHG und den europäischen Regelungen zur Verfügung gestellten Abgrenzungsmerkmale darauf, ob sie sich zur Konkretisierung der verbotenen Marktmanipulation von der erlaubten Kurspflege eignen. So werden für den Leser Leitlinien entwickelt, die eine eindeutige Klassifizierung von Markmanipulation und Kurspflege als zulässig bzw. unzulässig ermöglichen.