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2. Kapitel: Die Definitionen der Marktmanipulation und der Kurspflege
Die unter den Begriff der Marktmanipulation und der Kurspflege fallenden Handlungen sind vielfältiger Natur. Es gibt keine einheitliche Definition der Marktmanipulation bzw. der Kurspflege in Literatur und Rechtsprechung. Dies macht es dem
Gesetzesanwender zusätzlich schwer, eine Maßnahme als Marktmanipulation oder
Kurspflege zu erfassen. Zudem sind der Tatbestand der Marktmanipulation gem.
§ 20a WpHG bzw. die Ausnahmeregelungen vom Tatbebestand weit gefasst. Um
den Einstieg in den Bereich der Marktmanipulation und der Kurspflege zu erleichtern, werden im Folgenden die einzelnen Begriffe kurz erläutert.
A. Die Definition der Marktmanipulation
Unter den Begriff der Marktmanipulation fällt eine Vielzahl an Verhaltensweisen,
durch die auf unredliche Weise auf die Kurs- bzw. Preisbildung eingewirkt werden
kann.32 Hopt33 definierte Kursmanipulation allgemein als die Verwendung auf Täuschung des Effektenpublikums angelegter Mittel, um die Kursentwicklung in eine
bestimmte Richtung zu beeinflussen.
Nach Punkt 7 der Ergänzenden Grundsätze der Europäischen Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen34 gilt als Marktmanipulation das Bewirken des
Anstiegs oder des Rückgangs des Wertpapierpreises durch betrügerische Mittel. Als
betrügerische Mittel gelten vornehmlich die Veröffentlichung oder Verbreitung von
falschen, übertriebenen oder tendenziellen Angaben sowie der Gebrauch anderer
künstlicher Mittel mit dem Ziel, das normale Funktionieren der Märkte zu stören.
Die Marktmissbrauchsrichtlinie35 knüpft zur Definition der Marktmanipulation
verhaltensbezogen an bestimmte Geschäfte und Geschäftsaufträge sowie an die
Verbreitung von Informationen an.36 In Art. 1 Nr. 2a erster Spiegelstrich werden
Marktmanipulationen umschrieben als Geschäfte oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge,
die falsche oder irreführende Signale für das Angebot von Finanzinstrumenten, die
Nachfrage danach oder ihren Kurs geben können. Ein Kurs, der durch eine Person
oder mehrere in Absprache handelnde Personen in der Weise beeinflusst wird, dass
ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt wird, gilt gem. Art. 1 Nr. 2a zwei-
32 Arlt, Anlegerschutz, S. 33; Schönhöft, Strafbarkeit der Marktmanipulation, S. 9 ff.
33 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 491.
34 Empfehlung der Kommission vom 25.07.1977 betreffend europäische Wohlverhaltensregeln
für Wertpapiertransaktionen, Nr. 77/534/EWG; ABl. (EG) 1977 Nr. L 212 vom 20.08.1977,
S. 37 ff.
35 Siehe oben Fn. 22.
36 Weber, EuZW 2002, 43, 44.
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ter Spiegelstrich der Marktmissbrauchsrichtlinie als Kursmanipulation. Geschäfte
oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder
unter Verwendung sonstiger Kunstgriffe oder Formen der Täuschung abgeschlossen
werden, sind ebenfalls als Marktmanipulationen einzustufen (Art. 1 Nr. 2b Marktmissbrauchsrichtlinie).
Im Schrifttum37 wird darauf abgestellt, dass durch Marktmanipulationen ein Preis
herbeigeführt wird, der ohne den manipulativen Akt, bei freiem Spiel von Angebot
und Nachfrage, nicht zustande gekommen wäre. Der BGH38 hat in seiner Grundsatzentscheidung zum sog. Scalping39 für die Annahme einer Marktmanipulation ausdrücklich auf die Preisbeeinflussung aufgrund eines manipulativen Verhaltens abgestellt und sich im Wesentlichen der vom Schrifttum empfohlenen Definition der
Marktmanipulation angeschlossen.
B. Die Definition der Kurspflege
In der juristischen Diskussion werden die Begriffe Kurspflege und Marktpflege
meist synonym verwendet.40 Gleiches gilt für den Begriff der Kursstabilisierung.41
Eine einheitliche Definition des Begriffs der Kurspflege gibt es in Literatur und
Rechtsprechung ebenso wie bei der Marktmanipulation nicht.42 In den europäischen
Regelungen findet sich eine Definition des Begriffs „Kursstabilisierung“. In Art. 2
Nr. 7 der AusnahmenVO heißt es, dass eine Kursstabilisierung jeder Kauf bzw.
jedes Angebot zum Kauf relevanter Wertpapiere und jede Transaktion mit vergleichbaren verbundenen Instrumenten ist. Voraussetzung ist weiter, dass diese
Transaktionen von Wertpapierhäusern oder Kreditinstituten im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots für diese Wertpapiere mit dem alleinigen Ziel getätigt
37 Johannsen-Roth, Erwerb eigener Aktien, S. 87; Lenzen, Börsenkursbildung, S. 3; Schäfer,
WM 1999, 1345; Watter, SZW 1990, 193, 194.
38 BGH, Urteil vom 6.11.2003 / 1 StR 24/03, BGHSt 48, 373 ff. = ZIP 2003, 2354 ff. =
WM 2004, 69 ff. = BB 2004, 11 ff. = DB 2004, 64 ff. = NJW 2004, 302 ff. = NZG 2004,
91 ff. = AG 2004, 144 ff. = BKR 2004, 74 ff. = wistra 2004, 109 ff. = NStZ 2004, 285 ff. =
JZ 2004, 522 ff. = JR 2004, 207 ff.
39 Als „Scalping“ wird es bezeichnet, wenn Kaufempfehlungen von Wertpapieren über die
Medien veröffentlicht werden, wobei der Empfehlende selbst das Papier kurz zuvor erworben
hat, um die nach der Empfehlung eintretende Kurssteigerung durch die Veräußerung der eigenen Wertpapiere gewinnbringend zu nutzen (Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 263 StGB, Rn.
147); siehe unten S. 58.
40 Arlt, Anlegerschutz, S. 89; Ekkenga/Maas, Wertpapieremissionen, Rn. 257; Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, Rn.16.382, Fn. 8; Schäfer, WM 1999, 1345; Schönhöft, Strafbarkeit
der Marktmanipulation, S. 99; Zieschang in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 263 StGB
Rn. 136.
41 Arlt, Anlegerschutz, S. 89; Ekkenga, WM 2002, 317; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 309;
Trüstedt, Verbot der Börsenkursmanipulation, S. 203 ff.; Vogel, WM 2003, 2437; Ziouvas,
ZGR 2003, 113, 136.
42 Vogel, WM 2003, 2437.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Durch Marktmanipulation und Kurspflege wird die Bildung der Börsenkurse gezielt beeinflusst. Die Abgrenzung der verbotenen Börsenkursmanipulationen und der erlaubten Kurspflege stellt aufgrund des Phänomens der Ähnlichkeit der Handelstechniken eine Herausforderung dar und ist gerade in Zeiten der Finanzmarktkrise von Bedeutung.
Die Arbeit untersucht die in § 20a WpHG und den europäischen Regelungen zur Verfügung gestellten Abgrenzungsmerkmale darauf, ob sie sich zur Konkretisierung der verbotenen Marktmanipulation von der erlaubten Kurspflege eignen. So werden für den Leser Leitlinien entwickelt, die eine eindeutige Klassifizierung von Markmanipulation und Kurspflege als zulässig bzw. unzulässig ermöglichen.