Hannoversches Forum
der Rechtswissenschaften
Band 33
Herausgegeben von der Juristischen Fakultät
der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover durch
Bernd-Dieter Meier, Peter Salje,
Hubert Treiber, Kay Waechter
Vanessa Heinz
Der Schleier des
Nichtwissens im
Gesetzgebungsverfahren
Nomos
1. Auflage 2009
© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2009. Printed in Germany. Alle Rechte,
auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der
Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
Zugl.: Hannover, Univ., Diss., 2008
ISBN 978-3-8329-4085-0
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Danksagung
»Irgendwie muss man die Wirkung von Zufälligkeiten beseitigen, die die Menschen in ungleiche Situationen bringen und zu dem Versuch verführen, gesellschaftliche und natürliche Umstände zu ihrem Vorteil auszunutzen. Zu diesem
Zweck setze ich voraus, dass sich die Parteien hinter einem Schleier des Nichtwissens befinden.« (John Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, Deutsche Ausgabe, Abschnitt 24, S. 159)
Diese Worte führen direkt in die Gedankenwelt des Rechtsphilosophen John
Rawls, der im Rahmen einer Gesetzgebungstheorie für den »Schleier des Nichtwissens« plädiert. Vorweg möchte ich es jedoch nicht versäumen, einmal diejenigen Menschen hinter dem Schleier hervortreten zu lassen, die mir geholfen haben, die vorliegende Dissertation auf den Weg zu bringen und zu einem sehr guten
Ergebnis zu führen. Ihnen allen spreche ich meinen besonderen Dank aus.
An erster Stelle möchte ich die großartige Betreuung durch meinen Doktorvater
Prof. Dr. Kay Waechter hervorheben. Ohne seine vielfältige Unterstützung hätte
ich mich sicherlich in den Untiefen der Staatslehre und Rechtsphilosophie hoffnungslos verloren. Mit seiner Hilfe gelang es mir vor allem, den roten Faden der
vorliegenden Arbeit zu entwickeln.
Danken möchte ich ebenfalls Prof. Dr. Manfred Walther, der mich ganz zu Beginn
meines Studiums für rechtsphilosophische Fragestellungen begeisterte, mich als
studentische Hilfskraft förderte und mir auch in der Phase der Doktorarbeit jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stand.
Bedanken möchte ich mich ferner bei Prof. Dr. Hermann Butzer, der es mir ermöglichte, bei ihm unter bestmöglichen Bedingungen als wissenschaftliche Mitarbeiterin zu arbeiten und somit die entscheidenden Rahmenbedingungen für das
»Projekt Dissertation« schuf. Auch er verfolgte den Entstehungsprozess der vorliegenden Arbeit aufmerksam. Besonders prägend war für mich die positive (Arbeits)atmosphäre am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und dem Recht der staatlichen Transfersysteme in Hannover. Insbesondere den Austausch mit den damaligen Mitarbeiter/innen des Lehrstuhls Henning Knopp und Dr. Valeska Pfarr und
die gegenseitige Unterstützung möchte ich nicht missen.
Ausschnitte der vorliegenden Arbeit habe ich bei Tagungen und Treffen des Jungen Forums Rechtsphilosophie in Salzburg und Kiel vorgestellt. Die anschließen-
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den Diskussionen waren für mich sehr bereichernd und motivierend, hierfür
möchte ich mich bei allen Teilnehmer/innen bedanken.
Schließlich gilt mein Dank meinen Eltern, die immer an mich geglaubt haben,
Matthias, der sich durch mein Jurastudium und die anstrengende Endphase der
Dissertation nicht abschrecken ließ, sowie Gina, meiner vierbeinigen bellenden
Mental- und Fitnesstrainerin.
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung 19
I. Gesetzgebung im Finanzausgleich als unmögliches Unterfangen 19
II. Neuer prozeduraler Lösungsversuch im Maßstäbe-Urteil 21
III. Überraschender Verweis auf John Rawls’ Gerechtigkeitstheorie 21
IV. Konflikt im Länderfinanzausgleich aus Rawlsscher Perspektive 24
V. Konflikt im Länderfinanzausgleich und in der Gleichheitsdogmatik 26
VI. Konflikt im Länderfinanzausgleich und in der Gesetzgebungslehre 27
VII. Gang der Untersuchung 28
1. Teil:
Das Maßstäbe-Urteil: Eine erste Analyse 31
I. Darstellende Analyse 31
1. Charakter der Finanzverfassung 32
a) Spielräume des Gesetzgebers durch Offenheit der Normen 33
b) »Klassischer Streitpunkt« Justiziabilität der Finanzverfassung 34
c) Aufgabe des Gesetzgebers: Konkretisierung und Ergänzung 35
d) Neuer Ansatz: Umfassendere Kontrolle dieses Auftrages 36
aa) Keine inhaltliche Überprüfung einzelner Regelungen 36
bb) Wendepunkt in der Rechtsprechung: prozedurale
Kontrolle 37
2. Eigenständiges Maßstäbe-Gesetz 38
3. Besonderer Charakter des Maßstäbe-Gesetzes 40
a) Rechtsstaatlicher Auftrag 42
b) Gesetzesbegriff 42
aa) Veränderter anspruchsvoller Gesetzesbegriff 43
bb) Erhöhte Anforderungen an das Gesetzgebungsverfahren 44
cc) Ergänzender Rückgriff auf John Rawls 44
c) Verfolgtes Ziel: institutionelle Verfassungsorientierung 44
II. Rezeption des Urteils in der Literatur 46
8
1. Charakter der Finanzverfassung 46
2. Eigenständiges Maßstäbe-Gesetz 48
3. Besonderer Charakter des Maßstäbe-Gesetzes 49
a) Veränderter inhaltlicher Gesetzesbegriff als Rückschritt 50
b) Beschränkte Allgemeinheit von Gesetzen im Finanzausgleich 50
c) Ähnlichkeit mit der Figur eines inneren Gesetzgebungsverfahrens 50
d) Weltfremder und verfassungswidriger Rückgriff auf
John Rawls 52
aa) Praxistauglichkeit eines »Schleiers des Nichtwissens« 52
bb) Vereinbarkeit dieser Figur mit dem Grundgesetz 53
2. Teil:
Die Person des Gesetzgebers in der Philosophiegeschichte 56
I. Gesetzgebung und der weise Philosophenkönig 57
1. Platon 57
a) Exklusivität des Wissens 57
b) Persönliches Wissen 59
c) Angeborenes Wissen 60
d) Zwischenergebnis 60
2. Rousseau 61
a) Exklusivität des Wissens 61
b) Prinzipienwissen 62
c) Moralische Kompetenz 62
d) Stellung des Gesetzgebers 63
aa) Initiator 63
bb) Erzieher 63
cc) Beobachter 64
e) Ebenen der Gesetzgebung 65
f) Zwischenergebnis 66
II. Gesetzgebung und das vernunftbegabte Individuum 66
1. Thomas von Aquin 66
a) Gott als Gesetzgeber 67
b) Ebenen der Gesetzgebung 67
2. Immanuel Kant 69
a) Mensch/Gesetzgeber als Vernunftwesen 69
b) Mensch/Gesetzgeber als vernünftiges Wesen 70
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c) Sittliche Anforderungen an den Gesetzgeber 70
3. Zwischenergebnis 73
III. Gesetzgebung und der unparteiische Beobachter 73
1. Vorläufer des Utilitarismus 74
a) Moralische Entscheidungen. 74
b) Verfassungsgebung 76
c) Einfache Gesetzgebung 76
d) Zwischenergebnis 77
2. Klassischer Utilitarismus 78
a) Nützlichkeitsprinzip 79
b) Gesetzgebung als Kalkulationsverfahren 80
c) Wissen des Gesetzgebers 81
d) Altruistische Grundhaltung des Gesetzgebers 82
e) Konsequenz Beobachterposition 84
f) Konsequenz Elite als Gesetzgeber 85
IV. Abschließende Betrachtung 85
3. Teil:
Eine neue Konzeption bei John Rawls 89
I. Das Grundwerk: »Eine Theorie der Gerechtigkeit« 89
1. Rawls’ Zielsetzung: Grundsätze für eine gerechte Güterverteilung 89
a) Vorbild: Theorie des Gesellschaftsvertrages 90
b) Zentrale Bedeutung des Urzustandes 91
c) Einigung als Gedankenexperiment 91
d) Besondere Perspektive der Entscheidungsträger 92
2. Urzustand und Bedingungen 92
a) Verhältnis von Bedingungen und Ergebnis 93
b) Akzeptanz der Bedingungen 93
c) Überlegungsgleichgewicht 94
d) Zwischenergebnis 96
3. Die Figur des Schleiers des Nichtwissens 96
a) Schleier und ausgeblendetes Wissen 97
aa) Differenzierung nach Art des Wissens 97
aaa) Einzeltatsachen 98
bbb) Tatsachen bezüglich der Gesellschaft 98
ccc) Allgemeine Tatsachen 99
bb) Kritik an der Unterscheidung 100
10
b) Schleier und Personenbild 102
aa) Parteien des Urzustandes als moralische Subjekte 102
bb) Rawls’ Menschenbild – Kritik der Kommunitaristen 103
cc) Zu weitgehender Ausschluss jeglicher Interessen 105
dd) Verlust jeglicher Individualität im Urzustand 107
c) Schleier und Form des Beschlusses 109
aa) Konsensuale Entscheidung im Urzustand 109
bb) Gedankenexperiment und Praxistauglichkeit 109
aaa) Formen von Verfahrensgerechtigkeit 110
(1) Vollkommene Verfahrensgerechtigkeit 110
(2) Unvollkommene Verfahrensgerechtigkeit 111
(3) Reine Verfahrensgerechtigkeit 111
(4) Einordnung von Schleier und Urzustand 112
bbb) Begriff der idealen Theorie 112
cc) Kritik am monologischen Charakter der Entscheidung 113
dd) Kritik an Praxistauglichkeit und Begründung des
Schleiers 116
4. Schleier des Nichtwissens und weitere Bedingungen 119
a) Anforderungen an Form und Inhalt der Übereinkunft 119
b) Eigenschaften der Beteiligten 122
aa) Desinteresse 122
bb) Vernunft 123
cc) Gerechtigkeitssinn 124
dd) Zwischenergebnis 125
5. Schleier des Nichtwissens und Gesetzgebung 126
a) Institutionenbegriff 126
b) Vier-Stufen-Gang 127
aa) Verfassungsgebung 129
bb) Einfache Gesetzgebung 130
cc) Anwendung auf den Einzelfall 130
dd) Zwischenergebnis 131
c) Gesetzgebung und Konsens 132
d) Gesetzgebung und Verfahrensgerechtigkeit 134
e) Gesetzgebung als Teil einer idealen Theorie 135
f) Zwischenergebnis 137
II. Weiterentwicklung in späteren Werken 137
1. Methodisches Vorgehen 138
2. Hintergrund für den Schleier des Nichtwissens 139
a) Faktischer Pluralismus 139
b) Politische Konzeption 140
c) Grundstruktur 141
11
d) Ideale/nichtideale Theorie 142
e) Stabilität einer wohlgeordneten Gesellschaft 142
f) Gesteigerte Komplexität der Theorie 143
3. Veränderter Urzustand 144
a) (Kantischer) Konstruktivismus 144
b) Die Komponenten: das Vernünftige und das Rationale 146
c) »Mischung« Urzustand 147
4. Veränderter Schleier des Nichtwissens 148
a) Ausgeschlossenes Wissen – erlaubtes Wissen 148
b) Vier-Stufen-Gang 149
c) Repräsentation 151
aa) Urzustand 151
bb) Gesetzgebung 152
cc) Bloße Formulierungsfrage 153
aaa) Grundkonzeption: Gesetzgebung in eigener Sache 154
bbb) Folgewerke: gesamter Bereich der Gesetzgebung 154
ccc) Repräsentation und»klassische« Vertragstheorien 155
5. Konkurrenz: die Idee der freien und gleichen Person 155
a) Inhalt der Grundidee 156
b) Verbindungslinien zum Schleier des Nichtwissens 158
6. Konkurrenz: die Idee des öffentlichen Vernunftgebrauchs 160
a) Anwendungsbereich öffentlicher Vernunftgebrauch 161
b) Inhalt öffentlicher Vernunftgebrauch 163
c) Herkunft der Regeln für den öffentlichen Vernunftgebrauch 166
d) Besondere Rolle des Verfassungsgerichts 167
e) Öffentlicher Vernunftgebrauch versus Schleier 168
aa) Abgrenzung auf der Ebene Urzustand 169
bb) Abgrenzung auf der Ebene Rechtsanwendung im
Einzelfall 169
cc) Abgrenzung auf der Ebene Gesetzgebung 170
aaa) Unterscheidung ideale und nichtideale Theorie 171
bbb) Mehrstufiges Filtersystem 172
ccc) Zeitlich gestreckte Betrachtungsweise 172
III. Abschließende Stellungnahme 175
1. Vier-Stufen-Gang als umfassendes System 175
a) Stufenbau / Normenhierarchie 176
b) Zeitliche Abfolge der Stufen 177
2. Wirkungsweise Schleier des Nichtwissens 178
a) Negativgebot 178
12
b) Ausschluss von persönlichem Wissen 178
c) Prinzip der Verallgemeinerung 179
d) Dichte des Schleiers – Kritik der Literatur 180
e) Schleier als Element einer anwendungsorientierten Ethik 181
f) Weiterentwicklung 181
3. Abgrenzung zu bisherigen Ansätzen in der politischen
Philosophie 182
a) Der einzelne weise Gesetzgeber 183
b) Das vernunftbegabte Individuum als Gesetzgeber 184
aa) Universalisierungsgedanke 185
bb) Schleier des Nichtwissens und kantischer
Konstruktivismus 186
cc) Wirkungsweise des Schleiers innerhalb der
Gesetzgebung 189
dd) Gleichheit der Entscheidungsträger als vorrangiges Ziel 190
c) Der ideale Beobachter als Gesetzgeber 192
aa) Gesetzgebung und moralische Grundannahmen 193
bb) Gesetzgebung und Folgenbetrachtung 196
4. Teil:
Gesetzgebung – »klassische« Streitpunkte und aktuelle Reformansätze
aus juristischer Perspektive 200
I. Gesetzesbegriff 200
1. Fortwirken des dualistischen Gesetzesbegriffs unter dem GG 201
2. Mögliche Gesetzesbegriffe unter dem GG 204
a) Formalisierter Gesetzesbegriff 205
b) Inhaltlicher Gesetzesbegriff 205
aa) Materielle Allgemeinheit 208
aaa) Ableitung aus dem Rechtsstaatsprinzip 209
bbb) Ableitung aus Grundrechten 209
ccc) Schwäche dieser Forderung: Unbestimmtheit 210
bb) Formelle Allgemeinheit (Art. 19 I S. 1 GG) 211
aaa) Regelungsgehalt von Art. 19 I S. 1 GG 213
bbb) Schwache Allgemeinheit nach Art. 19 I S. 1 GG 214
ccc) Geringer Stellenwert von Art. 19 I S. 1 GG 215
cc) Konsequenz: formalisierter Gesetzesbegriff 216
II. Gesetzgebungsverfahren 217
1. Zunehmende Etablierung der Gesetzgebungslehre 219
2. Lückenhafte Regelung in Art. 76 ff. GG 221
13
3. Die Figur des inneren Gesetzgebungsverfahrens 224
4. Charakter des inneren Gesetzgebungsverfahrens 225
a) Politische Ethik 225
b) Verfassungspflicht 226
c) Vermittelnde Ansicht 226
5. Argumente für eine Einordnung als Verfassungspflicht 227
a) Rechtsstaatsprinzip 227
b) Demokratieprinzip 228
c) Grundrechtsschutz 230
6. Bedenken gegenüber einer solchen Verfassungsinterpretation 232
a) Theorie der Spielräume 232
aa) Arten von Spielräumen 233
bb) Gesetzgebung als politische Entscheidung 234
cc) Gesetzgebungsverfahren als Rahmen 235
dd) Gleichgewicht / Wechselwirkung von Politik und Recht 235
b) Vorbild: Bauplanungsrecht 236
aa) Verwaltung und Gesetzgebung als Kategorien 237
bb) Gemeinsamer Oberbegriff Planung 238
cc) Unterscheidung nach Gesetzgebungsmaterien 240
c) Ziel: Optimale Gesetzgebung 241
aa) Optimierungsvorstellungen im öffentlichen Recht 241
aaa) Praktische Konkordanz und Prinzipientheorie 242
bbb) Optimierungsgebote im Bauplanungsrecht 244
bb) Inneres Gesetzgebungsverfahren und Optimierung 246
aaa) Optimale versus gute Gesetzgebung 246
bbb) Ideal der einzig richtigen Entscheidung 248
ccc) Ideal der relativ richtigen Entscheidung 249
d) Konsequenz: Vormachtstellung des Verfassungsgerichts 251
III. Stellungnahme 254
1. Entwicklung zu einer verfahrensorientierten Sichtweise 255
a) Gründe für diesen Perspektivenwechsel 255
b) Prozedurale Allgemeinheit als neuer Weg 256
c) Stärkung der Gesetzgebung als Gemeinwohlverfahren 257
2. Gute Gesetzgebung durch zunehmende Verrechtlichung 259
a) Inneres Gesetzgebungsverfahren als ethisches Gebot 260
b) Möglichkeit eines Gesetzgebungsverfahrensgesetzes 261
c) Denkbare Ebenen der rechtlichen Institutionalisierung 262
aa) Verfassungsänderung 263
bb) Grundsatzgesetzgebung 263
cc) Einfaches Gesetz 264
14
dd) Geschäftsordnungsrecht 265
ee) Zwischenergebnis 265
d) Ausblick: mögliche Kontrollinstanz und Kontrolldichte 266
3. Begründungspflicht für die Legislative als notwendige Ergänzung 268
a) Begründungszwang als abwegige Vorstellung 268
b) Funktion einer umfassenden Begründungspflicht 270
c) Verbindung Entscheidungsfindung und Begründung 271
d) Versuch einer Ableitung unmittelbar aus der Verfassung 272
e) Ist-Zustand: schwach ausgestaltete Begründungspflicht 273
f) Durchsetzbarkeit einer umfassenderen Verrechtlichung 274
5. Teil:
Länderfinanzausgleich als Spezialfall der Gesetzgebung 276
I. Gesetz als Handlungsform im Länderfinanzausgleich 277
1. Zwingender Gesetzgebungsauftrag nach Art. 107 II S. 1 GG 278
2. Gesetz als zwingende Handlungsform 278
3. Besonderer Charakter des Finanzausgleichsgesetzes 279
a) Funktion des Finanzausgleichsgesetzes 281
b) Regelungsgehalt des Finanzausgleichsgesetzes 282
c) Bloß historischer Wert der »klassischen« Kontroverse 283
4. Konsequenz für das weitere Untersuchungsprogramm 284
II. Gesetzgebungsverfahren im Länderfinanzausgleich 285
1. Finanzausgleich als genuin politischer Kompromiss 285
2. Vorarbeit der Länder als wesentlicher Faktor des Finanzausgleichs 286
3. Finanzverfassungsrecht als Expertenrecht 287
4. Dominanz der Länderinteressen über Parteiinteressen 287
5. Zwischenergebnis 288
III. »Gute Gesetzgebung« im Länderfinanzausgleich 288
1. Tendenz zur Verrechtlichung 288
a) Offenheit der Finanzverfassung 289
b) »Klassischer Streit« Justiziabilität 289
c) Keine zusätzlichen Verfahrensanforderungen aus
Art. 107 II GG 290
d) Bundesgesetzgeber als »ehrlicher Makler« 292
e) Föderales Gleichbehandlungsgebot 294
15
f) Zwischenergebnis 296
2. Gesetzgebungslehre und Finanzausgleich 296
a) Eigenständigkeit der Finanzverfassung 297
b) Überwiegend generalisierte Betrachtungsweise 297
c) Ansätze einer differenzierenden Betrachtung 299
3. Inneres Gesetzgebungsverfahren und Art. 107 II GG 300
a) Vage und ergänzungsbedürftige verfassungsrechtliche
Vorgabe 300
b) Finanzausgleich als Teil der Finanzplanung 301
c) Finalität der Finanzverfassung 302
d) Exkurs: Ideal fast reiner Verfahrensgerechtigkeit 303
4. Zwischenergebnis 304
6. Teil:
Wege zum »gerechten« Finanzausgleich: Das Maßstäbe-Urteil 306
I. Veränderter Gesetzesbegriff 306
1. Bindungswirkung und temporale Allgemeinheit 307
a) Bezugspunkt Finanzverfassung (Art. 106 III S. 4 GG) 308
b) Vorbild Haushaltsgrundsätzegesetz (Art. 109 III GG) 308
c) Zwischenergebnis 309
2. Distanz und persönliche / sachliche Allgemeinheit 310
a) Begriff der Distanz in der öffentlich-rechtlichen Literatur 311
b) Philosophischer Exkurs: Distanz als ein Grenzbegriff 312
c) Einordnung der Ausführungen im Maßstäbe-Urteil 312
II. Verändertes Gesetzgebungsverfahren 314
1. Prozeduraler Ansatz des Gerichts 314
2. Eingehen des Gerichts auf die Theorie der Spielräume 314
3. Mittelbarer Bezug auf den Gleichheitsgrundsatz 316
4. Ableitung von Verfahrensregeln aus dem Rechtsstaatsprinzip 317
5. Beschränkte Aussagekraft des Maßstäbe-Urteils 317
6. Unparteilichkeit und inneres Gesetzgebungsverfahren 318
7. Nichtwissen versus Abwägungsgebot 319
8. Zwischenergebnis 319
III. Rückgriff auf John Rawls 320
16
1. Vereinbarkeit: Gerechtigkeit als Fairness und Finanzausgleich 320
a) Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit durch Gesetz 321
b) Besonderer Interessenkonflikt im Finanzausgleich 323
aa) Keine »klassische« Gesetzgebung in eigener Sache 323
bb) Bundesgesetzgeber als »Marionette« der
Länderinteressen 324
cc) Interesse / Betroffenheit in der Konzeption von Rawls 325
dd) Kritik am Maßstäbe-Urteil: ungenaue Zitierweise 326
c) Bundesländer als Adressaten der Verteilung 327
d) (Neben)Rolle der politischen Parteien im Finanzausgleich 329
e) Trennung Recht und Ökonomie – kooperativer Föderalismus 329
f) Zwischenergebnis 331
2. Praxistauglichkeit: »Schleier« als Teil einer idealen Theorie 332
3. Aussagen im Maßstäbe-Urteil als Umsetzung des Schleiers 333
a) Oberflächlicher Verweis auf Rawls` Werk 334
b) Verändertes äußeres Gesetzgebungsverfahren 334
c) Schematische Konstruktion eines Nichtwissens 335
d) Konflikt mit dem Gebot der Folgenbetrachtung 336
4. Exkurs: Verweis auf James M. Buchanans Unsicherheitspostulat 337
7. Teil:
Schleier des Nichtwissens unter dem Grundgesetz 340
I. Rawls und die Forderung nach einem allgemeinen Gesetz 341
1. Bezugspunkt Gesetzesherrschaft 342
2. Bezugspunkt Gerechtigkeitsgrundsätze 343
3. Bezugspunkt Schleier des Nichtwissens 344
a) Formelle Allgemeinheit 344
b) Materielle Allgemeinheit 345
4. Bezugspunkt Vier-Stufen-Gang 345
5. Zwischenergebnis 346
II. Gute Gesetzgebung – Gerechtigkeit als Fairness oder Utilitarismus 347
1. Klassischer Utilitarismus und Gesetzgebungslehre 348
2. Rawls’ Vier–Stufen–Gang und Gesetzgebungslehre 350
3. Abgrenzung im Hinblick auf Gesetzgebung als Staatsfunktion 352
a) Gemeinsamkeiten beider Konzeptionen 353
aa) Vorstellung einer idealen Theorie 354
17
bb) Gesetzgebung als Prozess 355
cc) Eigeninteressierter Mensch 355
dd) Universalisierungsgedanke und Unparteilichkeit 356
b) Strukturelle Unterschiede der Konzeptionen 357
aa) Maßstab für die Gesetzgebung 357
aaa) Gemeinwohl und Gesamtnutzen 359
bbb) Gemeinwohl und Rawlssche Gerechtigkeitsgrundsätze 360
bb) Schutz des Individuums 361
cc) Vernünftige Abgeordnete oder uneigennützige
Beobachter 364
dd) Grad der Institutionalisierung 365
ee) Optimierung und Perfektionismus 366
4. Zwischenergebnis 368
III. Schleier des Nichtwissens als integrierbares Ideal 369
1. Formale Seite des Schleiers – zwingende Bedingung 371
2. Inhaltliche Seite des Schleiers – Unparteilichkeit 372
3. Politischer Charakter der Gesetzgebung 373
4. Gesetzgebung als Interessenverfahren 375
5. Exkurs: Demokratie als Konkurrenzkampf 376
6. Filterwirkung der Parteien 377
7. Entscheidung durch die Mehrheit 378
a) Bedeutung des Mehrheitsprinzips 379
b) Mehrheitsprinzip und Konsens 381
c) Rechtfertigung / Grundlagen des Mehrheitsprinzips 382
aa) Vernunft und Mehrheit 382
bb) Selbstbestimmung und Mehrheit 384
d) Wechselnde Mehrheiten als Schleier des Nichtwissens 386
8. Gleichheit(sgrundsatz) als Quelle für Unparteilichkeit 387
9. Zwischenergebnis 390
IV. Mögliche Verrechtlichung des Ideals unter dem Grundgesetz 390
1. Schleier des Nichtwissens und inneres Gesetzgebungsverfahren 392
2. Schleier des Nichtwissens und Begründungspflicht 393
3. Zwischenergebnis 395
V. Schleier des Nichtwissens und Abgeordnetenstellung 398
1. Theorie der Spielräume: Abgeordneter als Teil des Parlaments 398
18
2. Bezug zu Rawls’ Gerechtigkeitstheorie als Institutionenlehre 400
3. Amtspflichten des Abgeordneten – eine Begriffsklärung 402
a) Amtsethos und Schleier des Nichtwissens 402
b) Besonderer Status des Abgeordneten 403
4. Repräsentatives Mandat: »Vertreter des ganzen Volkes« 404
a) Repräsentation als Gedankenexperiment 405
b) Pluralismus und politische Einheit als Gegensatzpaar 406
c) Einordnung der Repräsentationstheorien 407
aa) Formelle Repräsentationstheorie 408
bb) Materielle Repräsentationstheorien 409
cc) Vergleich mit dem Schleier des Nichtwissens 411
5. Gewissen als Richtschnur / Maßstab 414
a) Interpretation des Gewissensbegriffes 415
aa) Subjektiver Gewissensbegriff 415
bb) Institutionalisierter Gewissensbegriff 416
b) Gewissensfreiheit oder Gewissensbindung des Abgeordneten 417
c) Gewissensformel und Schleier des Nichtwissens 418
6. Abschließende Stellungnahme zu Art. 38 I 2 GG 420
8. Teil:
Ausblick: Das beschlossene Maßstäbe-Gesetz 422
9. Teil:
Thesen 424
Literaturverzeichnis 429
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
In seiner Entscheidung zum Länderfinanzausgleich hat das Bundesverfassungsgericht 1999 auf eine rechtsphilosophische Figur, John Rawls’ berühmten „Schleier des Nichtwissens“, zurückgegriffen. Dieser „Schleier“ ist in Rawls’ Werken Teil eines fiktiven Urzustands und bewirkt, dass die Entscheidungsträger ihre eigenen Interessen nicht kennen. Wenig beachtet wurde jedoch der Umstand, dass Rawls auch im Bereich der idealen Gesetzgebung auf diese Gedankenfigur verweist.
Die Arbeit setzt sich zunächst intensiv mit diesen Textpassagen auseinander, um in einem nächsten Schritt zu untersuchen, inwieweit Gesetzgebung unter dem Grundgesetz mit dem Gedanken eines unparteilichen Abgeordneten vereinbar ist.
Das Werk richtet sich an Verfassungsjuristen und Rechtsphilosophen.