§ 7 Rechtsbehelfe der Beteiligten
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B. Rechtsbehelfe des vorlageverpflichteten Dritten
I. Rechtsbehelfe gegen die Anordnung
Der Dritte kann sich gegen den Erlaß einer gerichtlichen Anordnung nach den
§§ 142, 144 ZPO n.F. als solchen nicht mit einem Rechtsmittel zu Wehr setzen.
Ihm stehen zur Wahrung seiner berechtigten Interessen allein die in den §§ 142
Abs. 2 Satz 1, 144 Abs. 2 S. 1 ZPO n.F. genannten Weigerungsrechte zur Verfügung, die er einer Vorlagepflicht im Einzelfall entgegenhalten kann. Möchte sich
der Dritte seiner Vorlagepflicht entziehen, muß er diejenigen Umstände, die zu
einem Weigerungsrecht führen können, dem Gericht darlegen und glaubhaft machen1254.
II. Rechtsbehelfe gegen die Versagung eines Weigerungsrechts
Hat der Dritte seine Vorlageverweigerung mit Gründen versehen, richtet sich das
weitere Verfahren nach den §§ 386 bis 390 ZPO. Hält das Gericht die Gründe, die
der Dritte für die Verweigerung anführt, nicht für ausreichend, so hat es dies im
Wege eines Zwischenstreits gem. § 387 ZPO festzustellen. Parteien eines solchen
Zwischenstreits sind sowohl der vorlagepflichtige Dritte als auch diejenige Prozeßpartei, die an der Vorlage durch den Dritten interessiert ist1255. Die Entscheidung
erfolgt durch Zwischenurteil nach § 303 ZPO. Gegenstand des Zwischenstreits ist
allein die Frage, ob der Dritte zur Weigerung berechtigt ist oder nicht1256. Die
Rechtmäßigkeit der Anordnung als solcher wird im Rahmen des Zwischenstreits
dagegen nicht überprüft. Hat das Gericht die Anordnung rechtsfehlerhaft erlassen,
etwa deshalb, weil bereits kein schlüssiger Parteivortrag gegeben war, kann der
Dritte die Anordnung gestützt auf diesen Umstand ebensowenig im Wege des
Zwischenstreits anfechten wie ein Zeuge einen entsprechend fehlerhaften Beweisbeschluß1257.
Gegen das Zwischenurteil steht dem Dritten gem. § 387 Abs. 3 ZPO i.V.m.
§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F. das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist die Rechtsbeschwerde statthaft,
mangels ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung i.S.d. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F.
allerdings nur dann, wenn sie gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO n.F. vom Beschwerdegericht zugelassen wird. Die Entscheidung über die Zulassung richtet sich nach
§ 574 Abs. 2 und 3 ZPO n.F. Die Prozeßpartei, die den Zwischenstreit mit dem
Dritten geführt hat, kann im Falle ihres Unterliegens das Zwischenurteil ebenso
1254 Vgl. hierzu oben Dritter Teil.§ 3C.
1255 In der Regel wird dies die Partei sein, die für die aus der Urkunde hervorgehenden Tatsachen im
Rechtsstreit die Darlegungs- und Beweislast trägt.
1256 Vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 2007, 250 (251).
1257 So ausdrücklich auch OLG Stuttgart, NJW-RR 2007, 250 (252).
Dritter Teil. Die Rechtslage nach der Reform
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gem. § 387 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 561 Abs. 1 Nr. 1 ZPO anfechten wie der Dritte1258.
III. Rechtsbehelfe gegen einen Ordnungsmittelbeschluß
Gegen die Beschlüsse des Gerichts, gegenüber dem Dritten wegen seiner grundlosen oder unberechtigten Weigerung die dadurch entstandenen Kosten aufzuerlegen
(§ 390 Abs. 1 Satz 1 ZPO), ein Ordnungsgeld zu verhängen (§ 390 Abs. 1 Satz 2
ZPO) oder ersatzweise Ordnungshaft (390 Abs. 1 Satz 2 ZPO) bzw. gar Erzwingungshaft (§ 390 Abs. 2 ZPO) anzuordnen, steht dem Dritten als Rechtsmittel die
sofortige Beschwerde gem. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu1259. Das Beschwerderecht
ergibt sich in diesem Fall aus der ausdrücklichen Regelung in § 390 Abs. 3 ZPO.
Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann die Rechtsbeschwerde gem.
§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft sein, soweit sie vom Beschwerdegericht zugelassen wird.
§ 8 Bewertung und Schlußbetrachtung
A. Erweiterung der Mitwirkungspflichten bei der Sachverhaltsaufklärung
Inwieweit wurden die prozessualen Möglichkeiten für die Sachverhaltsaufklärung
im Zivilprozeß durch die Reform 2001 erweitert? So oder ähnlich formuliert dürfte
die in Zusammenhang mit der Modifikation der §§ 142, 144 ZPO n.F. wohl am
häufigsten aufgeworfene Frage lauten. Der Blick auf die Rechtslage vor der Reform
sowie auf die Entwicklung der Novellengesetzgebung haben gezeigt, daß sich das
deutsche Zivilprozeßrecht seit jeher schwer damit getan hat, die Prozeßparteien
allzu freigiebig bei der Beschaffung derjenigen Informationen zu unterstützen, die
sie für eine erfolgreiche Prozeßführung benötigen. Das Prozeßrecht wurde hierzulande lange als reines "Komplementärrecht" verstanden. Informationen, die die
Prozeßparteien nach materiellem Recht nicht beanspruchen konnten, sollten ihnen
nicht allein deshalb zugänglich werden, weil sie ihre Rechte in einem Zivilprozeß
geltend machen. Dennoch haben Rechtsprechung und Schrifttum in der Vergangenheit in zunehmendem Maße erkannt, vor welchen Problemen die Prozeßparteien in der Praxis bei der Durchsetzung ihrer privaten Rechte stehen, wenn sich die
notwendigen Informationen, Belege und Anschauungsobjekte in den Händen des
Prozeßgegners oder Dritter befinden. Der Gesetzgeber sah sich deshalb bereits seit
geraumer Zeit hohen Erwartungen ausgesetzt, die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung im Zivilprozeß zu erweitern, ohne dabei die hierzulande herrschenden
Prozeßtraditionen zu verwerfen. Mit der Reform im Jahr 2001 hat er sich dieser
1258 Baumbach-Hartmann, 65. Aufl., § 387, Rn. 6.
1259 Vgl. hierzu die Entscheidungen BGH NJW 2007, 155 (156); LG Saarbrücken, VersR 2003, 234
(234 f.); OLG Köln, OLGR 2004, 337 ff., abrufbar unter Juris; LG Köln, NZI 2004, 671, 671 f.;
LSG Thüringen, SGb 2005, 41, 41.
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References
Zusammenfassung
Die Modifikation der Vorlagepflichten für Urkunden und Augenscheinsgegenstände im Rahmen der Reform des Zivilprozessrechts im Jahr 2002 hat die Frage aufgeworfen, ob das Discovery-Verfahren nach US-amerikanischem Vorbild Einzug in den deutschen Zivilprozess gehalten hat.
Die Untersuchung zeigt auf, unter welchen Voraussetzungen die Prozessparteien und prozessfremde Dritte aufgrund der novellierten §§ 142 und 144 ZPO zur Vorlage der in ihrem Besitz befindlichen Gegenstände verpflichtet werden können. Die neuen Vorschriften werden auf der Grundlage des überkommenen Systems der Informationsbeschaffung im deutschen Zivilprozess, der bisherigen Novellierungstendenzen sowie vor dem Hintergrund internationaler Entwicklungen eingehend untersucht, um Inhalt, Reichweite und Grenzen der Mitwirkungspflichten zu bestimmen.