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3. Teil: Anwaltshaftung und die Problematik des Normenmangels
A. Einleitung
Hinsichtlich der register- und berufsrechtlichen Erfassung der LLP im Wege der
Substitution wurde gezeigt, dass bei funktionaler Analyse unter Berücksichtigung
der Vergleichbarkeit von LLP und Partnerschaft eine adäquate Eingliederung der in
Deutschland niedergelassenen englischen Anwalts-LLP in das deutsche Rechtssystem unter Wahrung der europäischen Vorgaben grundsätzlich gewährleistet werden kann.2324 Somit sind die vorrangigen Fragen der Nutzung der LLP als Rechtsberatungsgesellschaft in Deutschland scheinbar bereits geklärt. Allerdings kommt es
bei internationalprivatrechtlicher Betrachtung aufgrund der unterschiedlichen
Grundlagen der persönlichen Haftung des Anwalts für Berufsfehler zu einer unerwarteten Komplikation. Denn die englische Anwaltshaftung ist eine Haftung aus
negligence, mithin des Deliktsrechts. Demgegenüber wird die Handelndenhaftung
eines Partners für Berufsfehler bei der Partnerschaft gesellschaftsrechtlich in
§ 8 Abs. 2 PartGG angeordnet.
Möglicherweise besteht bei kollisionsrechtlicher Betrachtung im Falle einer in
Deutschland tätigen Anwalts-LLP eine potentielle Haftungslücke2325, wenn das
internationale Privatrecht deutsches Deliktsrecht zum Deliktsstatut beruft. Bei Tätigwerden einer LLP in Deutschland könnte das englische Deliktsrecht kollisionsrechtlich nicht zur Anwendung berufen sein, so dass der Anwalt nicht aus negligence haften würde. Durch das Zusammenspiel der materiellrechtlichen Haftungsgrundlagen innerhalb der englischen Rechtsordnung wird die persönliche Anwaltshaftung in England gewährleistet. Bei Sachverhalten, die über den Rahmen des
inländischen Rechtssystems hinausgehen, wird diese rechtliche Harmonie unter
Umständen nicht sichergestellt. Dann ist fraglich, inwieweit die funktionale Vergleichbarkeit mit der Partnerschaft bei inländischer Nutzung der LLP weiterhin
bejaht werden kann.
Zunächst soll die materiellrechtliche Ausgangslage in den beteiligten Rechtsordnungen, Deutschland und England, verglichen werden. Ferner wird die Anwaltshaftung beim Import der LLP aus der Perspektive des deutschen Richters bei Anwendung des internationalen Privatrechts untersucht. Ein Vergleich der materiellen
Rechtslage bei Vorliegen eines reinen Inlandssachverhalts mit dem Ergebnis bei
kollisionsrechtlicher Betrachtung im Falle des Imports der LLP wird vorgenommen,
um zu ermitteln, ob eine Haftungslücke entsteht. Weiter ist zu untersuchen, ob und
2324 Siehe oben Teil 2 C, D, E.
2325 Der neutrale Begriff der Haftungslücke wird bewusst gewählt, um nicht durch Verwendung
kollisionsrechtlich vorgeprägter Begrifflichkeiten der Prüfung eines Normenmangels bzw.
einer Anpassungslage vorzugreifen.
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wie eine Korrektur dieses Ergebnisses de lege lata möglich und zulässig ist. Insbesondere wird auf die Methode der Anpassung eingegangen, die eine angemessene
Reaktion auf Wertungswidersprüche gestattet.2326
B. Materiellrechtliche Ausgangslage
I. Anwaltshaftung in der Partnerschaft nach deutschem Recht
1. Vertragliche Haftung
Im Allgemeinen beauftragt der Mandant die Partnerschaft mit der Wahrnehmung
seiner Rechtsangelegenheit. Daher haftet die Gesellschaft als Vertragspartner im
Falle von Berufsfehlern für die Verletzung der vertraglichen Pflichten durch die
Partner.2327 Bei Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung besteht ein Schadensersatzanspruch.2328 Die Zurechnung des Verhaltens eines Partners erfolgt analog
§ 31 BGB.2329 Demgegenüber haftet der Rechtsanwalt für die Konsequenzen seines
beruflichen Fehlers nicht persönlich. Insbesondere bildet die besondere Sachkunde
kein Indiz für das Zustandekommen eines stillschweigenden Auskunftsvertrages mit
dem Vertreter.2330 Dies gilt umso mehr, als die Beratung des Mandanten durch den
Gesellschafter als Rechtsanwalt gerade den Gegenstand des Anwaltsvertrages mit
der LLP bildet. Im Ergebnis besteht keine vertragliche Anwaltshaftung des Partners.
2. Eigenhaftung des Stellvertreters
a) Grundlagen
Als Gesellschafter vertreten die Rechtsanwälte die Partnerschaft bei Vertragsschluss.2331 Daher käme eine Haftung nach den Grundsätzen der sog. Eigenhaftung
des Stellvertreters bzw. des Sachwalters in Betracht. Diese Eigenhaftung ist eine
Spielart der Verschuldenshaftung aus culpa in contrahendo (c. i. c.), die gewohnheitsrechtlich seit langer Zeit anerkannt ist2332 und in den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3
BGB gesetzlich verankert wurde. Die Eigenhaftung des Vertreters aus c. i. c. ist
2326 Siehe unten Teil 3 C, D.
2327 Henssler/Prütting/Henssler, § 8 PartGG Rdnr. 3.
2328 Vgl. Rinsche/Fahrendorff/Terbille/Terbille, Rdnr. 877ff.
2329 Henssler/Prütting/Henssler, § 8 PartGG Rdnr. 3; M/GvW/H/L/W/Graf von Westphalen, § 8
PartGG Rdnr. 8.
2330 BGH, Urt. v. 13.12.2005 KZR 12/04, NJW-RR 2006, 993f.
2331 § 7 Abs. 3 PartGG i. V. m. §§ 125, 126 HGB.
2332 Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rdnr. 11, 60.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.