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Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit abzubauen.1841 Zur Bestimmung der
konkreten berufsrechtlichen Anforderungen kommt lediglich ein Rückgriff auf die
deutschen Berufsregeln in Betracht.1842
3. Ergebnis
Im Ergebnis können aus dem EuRAG und auch aus der Niederlassungsrichtlinie
keine Grundsätze für die LLP hergeleitet werden. Weder § 8 EuRAG1843 noch der
Niederlassungsrichtlinie sind Regelungen für die Nutzung der LLP durch deutsche
Anwälte zu entnehmen.
III. Ausschluss eines berufsrechtlichen Verbots der LLP
Die BRAO enthält keine Beschränkung auf bestimmte Gesellschaftsformen und
auch kein Verbot von Auslandsgesellschaften.1844 Dies zeigt auch die Anerkennung
der Anwalts-AG durch die Rechtsprechung1845. Überdies folgt aus Art. 43, 48 EGV,
dass Gesellschaften aus dem EU-Ausland in Deutschland Rechtsberatung durch
Haupt- bzw. Zweigniederlassungen ausüben dürfen.1846 Im Falle eines Verbots würde die LLP gegenüber deutschen Gesellschaftsformen diskriminiert. Denn die ausländische Rechtsform kann grundsätzlich nicht als weniger geeignet zur Rechtsberatung eingestuft werden als deutsche Gesellschaften.1847 Bei äquivalenter Eignung
sind keine zwingenden Gründe des Allgemeinwohls erkennbar, welche ein generelles Verbot der Nutzung der englischen LLP rechtfertigen. Zudem wäre ein solches
Verbot unverhältnismäßig. Schließlich könnte der notwendige Schutz durch die
Anwendung der berufsrechtlichen Vorschriften zu erreichen sein.1848
IV. Bedeutung von § 206 BRAO
Die in § 206 Abs. 1 BRAO erfolgte Gestattung der Niederlassung zum Zwecke der
Rechtsbesorgung auf dem Gebiet des Herkunftsrechts und des Völkerrechts für
Angehörige eines Mitgliedstaates der WTO ist nicht einschlägig. Auch die in
1841 Henssler, Festschr. f. Busse, S. 127, S. 142.
1842 Henssler, Festschr. f. Busse, S. 127, S. 142.
1843 Zur Problematik der Versicherungspflicht siehe unten Teil 2 D XI 2.
1844 Grunewald/Müller, NJW 2005, 465.
1845 BGH, Beschl. v. 10.1.2005 AnwZ (B) 27/03 u. 28/03, BGHZ 161, 376.
1846 Grunewald/Müller, NJW 2005, 465f.
1847 Grunewald/Müller, NJW 2005, 465, 466; i. E. auch Henssler/Prütting/Henssler, Vorb. § 59c
BRAO Rdnr. 16; Eidenmüller/Rehberg, § 7 Rdnr. 14.
1848 Grunewald/Müller, NJW 2005, 465, 466.
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§ 206 Abs. 2 BRAO erlaubte Niederlassung zur Rechtsbesorgung auf dem Gebiete
des Rechts des Herkunftsstaats bei Wahrung des Prinzips der Gegenseitigkeit ist
bereits tatbestandlich nicht gegeben. Die Beratung auf dem Gebiet des deutschen
Rechts durch deutsche Rechtsanwälte ist nicht unter die Vorschrift des § 206 BRAO
zu subsumieren. Ferner wird für Rechtsanwaltsgesellschaften keine Regelung getroffen. Überdies würde die Erlaubnis zur Rechtsberatung im Recht des Herkunftsstaates, England, für die englische LLP nicht von Interesse sein. Zudem ist für Angehörige von EU-Mitgliedstaaten nicht § 206 Abs. 2 BRAO einschlägig, sondern
vielmehr das EuRAG.1849 Insgesamt gewinnt § 206 BRAO keine Relevanz.
V. Erlaubnispflicht
Fraglich ist, ob eine Erlaubnispflicht besteht. Auch wenn das RDG das RBerG abgelöst hat, ist zunächst auf das RBerG einzugehen, um die bisherige Rechtslage aufzuzeigen und die Analysen des RBerG in Literatur und Rechtsprechung für das RDG
fruchtbar zu machen.
1. Erlaubnispflicht nach Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz
a) Sonderanknüpfung
Möglicherweise hat die LLP eine Erlaubnis gemäß Art. 1 § 1 RBerG einzuholen.
Fraglich ist, ob das RBerG zur Anwendung berufen ist. Spezielle Kollisionsregeln
existieren nicht.1850 Als Ordnungsrecht der Berufsausübung gehört das RBerG zu
den Eingriffsnormen.1851 Das RBerG dient dem Schutz des Rechtsuchenden.1852 Der
Verbraucher soll vor Schäden und Nachteilen bewahrt bleiben, die dadurch entstehen könnten, dass die Rechtsberatung durch eine Person erfolgt, die nicht über die
erforderliche Sachkunde oder Zuverlässigkeit verfügt, um eine ordnungsgemäße
Erledigung der Rechtssache zu gewährleisten.1853
Ferner soll das Interesse der Allgemeinheit an der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege geschützt werden.1854 Insbesondere soll die Reibungslosigkeit des Rechtsverkehrs zwischen dem Rechtsuchenden und den Gerichten und der Prozessführung
1849 Henssler/Prütting/Schroeder/Federle, § 206 BRAO Rdnr. 3f.
1850 Budzikiewicz, IPRax 2001, 218, 220.
1851 Budzikiewicz, IPRax 2001, 218, 219.
1852 BGH, Urt. v. 5.10.2006 I ZR 7/04, ZIP 2007, 282, 283; Chemnitz/Johnigk, § 1 RBerG
Rdnr. 18; Henssler/Prütting/Weth, Einl. RBerG Rdnr. 5.
1853 Chemnitz/Johnigk, Art. 1 § 1 RBerG Rdnr. 18; Henssler/Prütting/Weth, Einl. RBerG Rdnr. 5.
1854 BGH, Urt. v. 5.10.2006 I ZR 7/04, ZIP 2007, 282, 283; Chemnitz/Johnigk, Art. 1 § 1
RBerG Rdnr. 18; Henssler/Prütting/Weth, Einl. RBerG Rdnr. 6.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.