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VI. Vorläufiger Regelungsvorschlag
1. Grundlegung
Nach den bisherigen Feststellungen könnte für die besondere Konstellation der berufsbedingten Haftung der Gesellschafter einer Berufsausübungsgesellschaft aus
unerlaubter Handlung sowohl eine alternative als auch eine subsidiäre Anknüpfung
in Betracht kommen. Auch wenn nach der hier vertretenen Auffassung die subsidiäre Anknüpfung zu bevorzugen ist, sollen vorläufige Regelungsvorschläge für beide
Varianten formuliert werden.
2. Alternative Anknüpfung
Die folgende Formulierung wird für eine alternative Anknüpfung, die hypothetisch
als Art. 41 a EGBGB einzufügen wäre, vorgeschlagen:
Haben sich Angehörige der freien Berufe zum Zwecke der gemeinsamen Berufsausübung in einer Berufsausübungsgesellschaft zusammengeschlossen, unterliegen die aus einem beruflichen Fehler entstandenen Ansprüche aus unerlaubter
Handlung gegenüber dem für die Gesellschaft verantwortlich tätigen Gesellschafter
entweder dem nach Art. 40, 41 EGBGB geltenden Recht oder dem Recht des Staates,
nach dem die Gesellschaft organisiert ist.
3. Subsidiäre Anknüpfung
Für eine subsidiäre Anknüpfung, die hypothetisch als Art. 41 a EGBGB einzufügen
wäre, wird folgender Regelungsvorschlag formuliert:
Haben sich Angehörige der freien Berufe zum Zwecke der gemeinsamen Berufsausübung in einer Berufsausübungsgesellschaft zusammengeschlossen und
sieht das gemäß Art. 40, 41 EGBGB auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung anwendbare Recht keinen Anspruch auf Ersatz eines aus einem beruflichen Fehler
entstandenen Schadens gegenüber dem für die Gesellschaft verantwortlich tätigen
Gesellschafter vor, so unterliegen diese Ansprüche dem Recht des Staates, nach dem
die Gesellschaft organisiert ist.
VII. Kritische Würdigung und Weiterentwicklung der Kollisionsnorm
1. Einführung
Diese beiden allgemein gehaltenen vorläufigen Regelungsvorschläge wurden vorangestellt, um eine kritische Analyse der bisher gewonnenen Ergebnisse zu ermögli-
468
chen. Darauf aufbauend ist eine Weiterentwicklung der vorgeschlagenen kollisionsrechtlichen Regelung in Erwägung zu ziehen. Im Folgenden ist ausschließlich der
nach der hier vertretenen Ansicht vorzugswürdige Regelungsvorschlag zur subsidiären Anknüpfung zu erörtern.
2. Analyse des Regelungsvorschlags
a) Systematische Stellung
Die hypothetische Einfügung des Vorschlages als Art. 41 a EGBGB soll gewährleisten, dass die Möglichkeit der Rechtswahl nach Art. 42 EGBGB fortbesteht. Gleichzeitig wird verhindert, dass eine erfolgte Rechtswahl umgangen wird, indem sich der
Geschädigte zusätzlich auf die neue Regelung beruft. Dadurch wird eine weitgehende Integration in die allgemeinen Grundsätze des internationalen Deliktsrechts gewährleistet.
b) Einschränkung auf berufsbedingte Haftung
aa) Angehörige der freien Berufe
Die Neuregelung erfasst Angehörige der freien Berufe in ihrer Gesamtheit. Zwar
wurde vorliegend insbesondere für den freien Beruf des Rechtsanwalts die Notwendigkeit der gesonderten Erfassung herausgearbeitet.3546 Aufgrund der Bedeutung der
freien Berufe erscheint eine Übertragung dieser Erwägungen gerechtfertigt. Schließlich stellt sich die Problematik der Haftungslücke immer dann, wenn die Ausübung
eines freien Berufes die Grundlage einer allgemeinen Berufshaftung oder einer berufsbedingten gesellschaftsrechtlichen Haftungsregel sein kann. Auch in England
wird den professions eine hervorgehobene Stellung eingeräumt.3547 In Deutschland wird durch die Partnerschaft als spezielle Gesellschaftsform belegt, dass die
freien Berufe eine besondere Rolle spielen.
Sofern entgegen der hier vertretenen Auffassung lediglich eine Sonderregel für
Rechtsanwälte bevorzugt werden sollte, kann die Formulierung Angehörige der
freien Berufe ohne weiteres durch den Begriff Rechtsanwälte ersetzt werden.
3546 Siehe oben Teil 4 A. II, III.
3547 Zur Haftung aus professional negligence siehe oben Teil 1 E II, III.
469
bb) Beschränkung auf berufsbedingte Haftung
Die vorgesehene Beschränkung auf Ansprüche aus unerlaubter Haftung, welche aus
einem beruflichen Fehler resultieren, entspricht dem oben3548 entwickelten Grundsatz, dass aufgrund der Berufsbezogenheit eine Abweichung von den allgemeinen
Regeln des internationalen Deliktsrechts erfolgen kann. Schließlich besteht insbesondere bei der Berufshaftung ein enger sachlicher Zusammenhang mit dem Bestehen einer Berufsausübungsgesellschaft.
c) Beschränkung auf Ansprüche gegenüber dem Gesellschafter
Überdies wird die Neuregelung nur für die Ansprüche gegenüber dem Gesellschafter
vorgeschlagen. Schließlich wurde oben3549 gezeigt, dass die Zwischenschaltung
einer Gesellschaft mögliche Lücken im Zusammenspiel der Kollisionsnormen bei
der Erfassung der berufsbedingten Haftung des Berufsträgers aufgrund der Gesellschafterstellung verursacht. Da sich in Bezug auf die Frage der Haftung eines angestellten Rechtsanwalts nicht aufgrund der Gesellschaftsgründung, sondern vielmehr
aufgrund des Vorliegens eines bloßen Angestelltenverhältnisses Konsequenzen für
die Haftungslage ergeben können, ist kein Vorschlag zur Erfassung dieses Problemkreises zu unterbreiten.
d) Beschränkung auf den Verantwortlichen
Darüber hinaus ist die Beschränkung auf den verantwortlichen Gesellschafter in den
Wortlaut des Vorschlages aufgenommen worden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass nur derjenige Gesellschafter, der für die Gesellschaft die Beratung des
Mandanten tatsächlich verantwortlich übernommen hat, in Anspruch genommen
werden kann. Schließlich soll der Handelnde die Verantwortung für seinen Berufsfehler tragen. Die zusätzliche Haftung unbeteiligter Gesellschafter entspricht nicht
dem Konzept der deliktischen Berufshaftung. Auch in der Partnerschaft kann lediglich der verantwortliche Partner nach § 8 Abs. 2 PartGG im Falle von Berufsfehlern
in Anspruch genommen werden.
Eine zusätzliche Präzisierung durch Abstellen auf das Auftreten und Tätigwerden
des Rechtsanwalts für die Gesellschaft gegenüber dem Mandanten scheint nicht
erforderlich. Die Regelung sollte nicht mit zu vielen Details überfrachtet werden.
Schließlich wird durch die gewählte Formulierung eine an Sinn und Zweck der
3548 Siehe oben Teil 4 A II, III.
3549 Siehe oben Teil 4 A II, III, siehe auch oben Teil 3 D VII 2 zur konkret geprüften Anpassungslage bei der Anwalts-LLP.
470
Norm orientierte Auslegung erleichtert. Daher erübrigen sich zusätzliche Klarstellungen.
e) Anforderungen an die Gesellschaft
aa) Bestehen einer Berufsausübungsgesellschaft
Da bei Gründung einer Berufsausübungsgesellschaft ein sachlicher Zusammenhang
besteht, nimmt die Sonderregelung auf diese Konstellation Bezug. Schließlich wird
nur in einer Berufsausübungsgesellschaft die Beratung des Mandanten für die Gesellschaft ermöglicht.
bb) Verwendung des Plurals
In der vorgeschlagenen Formulierung wird von einem Zusammenschluss von Angehörigen der freien Berufe im Plural ausgegangen. Aus Sinn und Zweck der Regelung sollte sich unproblematisch ergeben, dass sie auch dann greift, wenn das ausländische Recht dem einzelnen Berufsträger die Gesellschaftsgründung gestatten
sollte. Eine ausdrückliche Erwähnung im Regelungsvorschlag wird nicht vorgesehen. Aus stilistischen Gründen wird an dem unterbreiteten Vorschlag festgehalten.
Allerdings könnte die folgende Formulierung gewählt werden, welche unter Vermeidung einer Überfrachtung als alternativer Regelungsvorschlag in Frage kommt:
Sieht das gemäß Art. 40, 41 EGBGB auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung
anwendbare Recht keinen Anspruch auf Ersatz eines aus einem beruflichen Fehler
entstandenen Schadens gegenüber dem für eine Berufsausübungsgesellschaft als
Gesellschafter verantwortlich tätigen Angehörigen der freien Berufe vor, so unterliegen diese Ansprüche dem Recht des Staates, nach dem die Gesellschaft organisiert ist.
3. Weiterentwicklung der Kollisionsnorm
a) Kein Ausschluss der Berufshaftung durch das Gesellschaftsrecht
Möglicherweise könnte in Betracht gezogen werden, die Anwendung der Neuregelung auf Berufsausübungsgesellschaften zu begrenzen, welche die parallele persönliche Berufshaftung des Gesellschafters nicht ausdrücklich ausschließen. Doch erweist sich dies als wenig sachgerecht. Schließlich wird eine entsprechende Auseinandersetzung mit der Frage eines Ausschlusses der deliktsrechtlichen Haftung
oftmals nicht im materiellen Gesellschaftsrecht, sondern im Deliktsrecht erfolgen.
Auch wenn eine entsprechende klarstellende Regelung beispielsweise in der LLP-
471
Gesetzgebung von Jersey3550 existiert, sollte diese sachrechtliche Frage des möglichen Ausschlusses der deliktischen Haftung innerhalb der Prüfung des anwendbaren
Rechts erörtert werden.
Zudem würde die subsidiäre Verweisung bei einem entsprechenden Ausschluss
durch das Recht des Gründungsstaates ins Leere gehen, so dass sich keine Bedenken
in Bezug auf die Reichweite der vorgeschlagenen Neuregelung ergeben. Folglich
kann für Ansprüche aus unerlaubter Handlung dem anwendbaren Recht die Entscheidung über die Gewährung eines deliktsrechtlichen Anspruchs überlassen werden. Eine zusätzliche Berücksichtigung dieses Aspekts im Regelungsvorschlag ist
nicht erforderlich.
b) Erfordernis der Beschränkung auf bestimmte Gesellschaftsformen
Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob in den Vorschlag eine Beschränkung auf
die LLP oder auf bestimmte Gesellschaftsformen aufgenommen werden sollte. Hintergrund bildet die Erwägung, dass die Schutzbedürftigkeit des Mandanten nach den
obigen3551 Feststellungen auf der Abwesenheit einer Regelung zur persönlichen
Gesellschafterhaftung bei der englischen LLP beruht.
aa) Einzelfallregelung für die englische LLP
Eine Einzelfallregelung nur für die LLP erscheint jedoch nicht erstrebenswert.
Vielmehr sollte für im Kern ähnlich gelagerte Problemkreise ein Vorschlag entwickelt werden.
Dagegen mag eingewandt werden, dass im Rahmen der obigen3552 Prüfung der
Angleichung eine Anpassungslage insbesondere aufgrund der funktionalen Vergleichbarkeit von Partnerschaft und LLP und der Feststellung eines beiderseitigen
Wertungswiderspruchs bejaht worden ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass nur in
diesem besonderen Einzelfall die Einführung einer Sonderregelung gerechtfertigt
werden kann. Es wurde oben angesprochen, dass auch ein einseitiger Kontextverlust
bzw. ein einseitiger Normenmangel möglicherweise nicht ohne weiteres zu tolerieren wäre.3553 Auch dann, wenn nur ein einseitiger Wertungswiderspruch vorliegt,
könnte das Bedürfnis bestehen, die stillschweigende Verknüpfung der gesellschaftsrechtlichen Regeln mit der gewachsenen berufsbedingten Haftungsstruktur zum
Zuge kommen zu lassen.
Überdies geht es vorliegend darum, aus den herausgearbeiteten Grundsätzen eine
allgemeine Lösung für die Zukunft zu entwickeln. Dieser Ansatz sollte sich nicht
3550 Siehe s. 5 Limited Liability Partnerships (Jersey) Law 1997.
3551 Siehe zur konkreten Anpassungslage oben Teil 3 D VII 2.
3552 Siehe oben Teil 3 D IV - VII.
3553 Siehe oben Teil 3 D VII 2 j).
472
auf eine Gesellschaft beschränken. Vielmehr ist die Erfassung gleich gelagerter Fälle
anzustreben. Dadurch wird für die Zukunft das Risiko ähnlicher Anpassungslagen
verhindert und es ist gewährleistet, dass eine gleichmäßige Rechtsanwendung erfolgt. Insgesamt ist das Bedürfnis, eine Einschränkung vorzunehmen, nachvollziehbar. Doch sollte keine Festlegung auf die englische LLP erfolgen.
bb) Beschränkung auf bestimmte Gesellschaftsformen
Eine alternativ denkbare Beschränkung auf bestimmte Gesellschaftsformen ist ebenso wenig anzuraten. Zum einen müsste vorab ermittelt werden, welche Gesellschaften potentiell erfasst werden sollten. Zum anderen ist die Beschränkung auf bestimmte Gesellschaftsformen im internationalen Rechtsverkehr kaum realisierbar.
Dadurch ergeben sich insbesondere bei neuartigen und hybriden Gesellschaften
zusätzliche Abgrenzungsschwierigkeiten. Beispielsweise existieren in den USA und
in England Gesellschaften, welche als Limited Liability Partnership bezeichnet
werden, jedoch auf sehr unterschiedlichen Regelungskonzepten beruhen.3554 In den
USA werden diese LLPs sogar von den einzelnen Bundesstaaten individuell ausgestaltet, wobei drei verschiedene Grundtypen unterschieden werden können.3555
Auch eine Beschränkung auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung würde
eine Möglichkeit eröffnen, die Regelung bei entsprechender Auslegung auf Kapitalgesellschaften zu beschränken. Mithin bestünde die Gefahr der Manipulation der
Regelung. Letztlich könnte die Regelung so ausgelegt werden, dass die englische
LLP nicht mehr erfasst wird. Schließlich ist nach dem hier vertretenen Ansatz von
einer Äquivalenz zur Partnerschaft als Personengesellschaft auszugehen.3556
Ferner ist eine Beschränkung auf Gesellschaften, die partnerschaftsähnlich sind,
nicht ratsam, da die detaillierte Analyse der ausländischen Gesellschaften gewährleistet werden müsste und die Gefahr besteht, dass dieser Vergleich der Vielgestaltigkeit der Gesellschaftsformen nicht gerecht wird. Da eine Beschränkung auf bestimmte Gesellschaftsformen mit erheblichen Nachteilen für die praktische Anwendung der Regelung einhergeht, ist eine solche Einschränkung abzulehnen.
cc) Ausschluss bestimmter Gesellschaftsformen
Um die Probleme einer Beschränkung auf bestimmte Gesellschaftsformen zu vermeiden, könnte erwogen werden, die Regelung mit einer Ausschlussregelung für
bestimmte Gesellschaften zu versehen. Beispielsweise könnten die Personengesellschaften von der Regelung ausgenommen werden. Doch sieht sich diese Lösung
3554 Weller/Kienle, DStR 2005, 1060; Weller/Kienle, DStR 2005, 1102.
3555 Zur US-LLP s. Weller/Kienle, DStR 2005, 1060; Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1103;
Henssler, Festschr. f. Wiedemann, S. 907.
3556 Siehe oben Teil 2 C V 14 a) bb), c); a. A. Schnittker, S. 117ff.
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ebenfalls dem Vorwurf ausgesetzt, dass der Vielfältigkeit der Gesellschaftsformen,
die auf dem internationalen Parkett agieren, nicht in ausreichendem Maße Rechnung
getragen wird.
Schließlich gibt es in England und in den einzelnen Bundesstaaten der USA
LLPs, welche auf unterschiedlichen Regelungskonzepten beruhen.3557 Für die Praxis
ergeben sich ähnliche Abgrenzungsschwierigkeiten wie beim vorstehend3558 diskutierten Vorschlag der Beschränkung der Formulierung auf bestimmte Gesellschaften. Zudem ist die englische LLP nach der hier vertretenen Auffassung als Personengesellschaft anzusehen3559. Gerade die englische LLP ist jedoch Triebfeder des
zu entwickelnden Regelungsvorschlages. Mithin würde auch hier die Gefahr bestehen, dass die ausländischen Gesellschaften durch die nationale Brille betrachtet
werden und eine entsprechende Einordnung als Personengesellschaft zur Aushebelung der Regelung führt.
dd) Zwischenergebnis
Insgesamt ist weder eine Beschränkung auf die LLP noch eine Beschränkung auf
bestimmte Gesellschaftsformen noch ein Ausschluss bestimmter Gesellschaftsformen in den Vorschlag aufzunehmen. Schließlich soll die neue Regelung insbesondere die englische LLP erfassen. Dies gilt unabhängig davon, ob mit der hier vertretenen Auffassung eine Vergleichbarkeit mit der Partnerschaft bejaht wird3560 oder mit
der Gegenansicht eine Einordnung als Kapitalgesellschaft erfolgt.3561
ee) Unabhängigkeit der Anwendbarkeit vom Gesellschaftstyp
Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen wird offenkundig, dass der Regelungsvorschlag sich von der gegebenen Anpassungslage weitgehend löst und mit
einer Erweiterung des Regelungsbereichs einhergeht. Die Verfasserin ist sich bewusst, dass diese Erweiterung eine rechtspolitische Komponente aufweist, die möglicherweise Kritik ernten wird. Zur Begründung wird auf die vorstehend3562 beschriebene Problematik des einseitigen Kontextverlusts Bezug genommen und darauf verwiesen, dass es nicht um die Kategorisierung der Gesellschaft geht, sondern
3557 Zur US-LLP s. Weller/Kienle, DStR 2005, 1060; Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1103;
Henssler, Festschr. f. Wiedemann, S. 907; zur englischen LLP s. Henssler/Mansel, NJW
2007, 1393; Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403; Weller/Kienle, DStR 2005, 1060;
Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1103.
3558 Siehe oben Teil 4 B VII 3 b) bb).
3559 Siehe oben Teil 2 C V 14 a) bb), c).
3560 Siehe oben Teil 2 C V 14 a) bb), c).
3561 Schnittker, S. 117ff.
3562 Siehe oben Teil 3 D VII 2 j).
474
im Kern darum, ob die Schutzbedürftigkeit des Mandanten entfällt, weil gesellschaftsrechtlich eine persönliche Haftung des Gesellschafters gewährleistet ist. Dabei ist nicht entscheidend darauf abzustellen, ob eine funktionale Vergleichbarkeit
mit der deutschen Partnerschaft besteht. Allerdings wird eine stillschweigend vorausgesetzte Berufshaftung zumeist eine Ähnlichkeit mit der Partnerschaft begründen
können.
Doch sollte auch dann, wenn eine ausländische Kapitalgesellschaft die berufsbedingte deliktische Haftung nicht ausschließt, ein erheblicher einseitiger Kontextverlust3563 vermieden werden, indem der ungeschriebenen gesellschaftsrechtlichen
Haftungsregel zur Geltung verholfen wird. In diesem Zusammenhang wird die Gelegenheit, die eine völlige Neuregelung bildet, dazu genutzt, die methodische Enge
der Anpassung zu überwinden und für eine bisher im Kollisionsrecht wenig beachtete Problematik einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten.
Im Wesentlichen geht die Ausweitung der Regelung auf die Schlussfolgerung zurück, dass es geboten erscheint, für den Fall, dass eine konkludente Verknüpfung
zwischen den Normen des Gesellschaftsrechts und einer gewachsenen berufsbezogenen Haftungsstruktur erkennbar ist, unabhängig von der Einordnung der Berufsausübungsgesellschaft die erkennbare Intention des Gesetzgebers des Gründungsstaates zu respektieren und der Regelung sinngemäß zur Geltung zu verhelfen.
Die nicht ausdrücklich ausgesprochene gesellschaftsrechtliche Regel, dass der
Berufsträger für seine beruflichen Fehler persönlich haftet, wird als quasigesellschaftsrechtliche Verdoppelung der allgemeinen Regel zur Berufshaftung
angesehen und berücksichtigt. Durch die Subsidiarität der Anknüpfung wird diese
Erweiterung des Regelungsvorschlages in angemessener Weise kompensiert.
Schließlich wird die Anwendung der subsidiären zweiten Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut auf Fälle der akuten Schutzbedürftigkeit des Mandanten reduziert.
Dagegen mag eingewandt werden, dass die Gesellschafterhaftung üblicherweise
akzessorisch ausgestaltet wird und dass es gilt, diesen Grundsatz zu wahren. Doch
ist dies eine nationale Vorstellung. Im Falle der LLP wird in England aufgrund der
gesellschaftsrechtlichen Regelungslücke eine Lückenfüllung durch die allgemeinen
Grundsätze der unmittelbaren persönlichen Haftung aus professional negligence
erzielt.3564 Folglich könnte eine solche Regelung durchaus erwogen werden.
Zudem wird der Umstand, dass de lege lata eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation ausscheidet, ausreichend berücksichtigt. Denn die vorgeschlagene erweiterte
Regelung soll nur als Korrektivanknüpfung zur Anwendung gelangen.
Auch könnte vorgebracht werden, bei Vergleichbarkeit einer ausländischen Gesellschaft mit einer deutschen Anwalts-GmbH bestehe kein Anlass, die nach ausländischem Recht bestehende stillschweigende Verknüpfung der ausländischen Gesellschaft mit der allgemeinen Berufshaftung zum Zuge kommen zu lassen. Doch könnte aus einem anderen Blickwinkel entgegnet werden, dass die ausländische
Gesellschaft gerade wegen der Inbezugnahme der allgemeinen Berufshaftung bei
3563 Siehe hierzu auch oben Teil 3 D VII 2 j).
3564 Siehe auch Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403ff.; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393.
475
konkreter Nutzung durch Angehörige der freien Berufe nicht mit der deutschen
Anwalts-GmbH zu vergleichen sei.
ff) Ergebnis
Insgesamt sprechen die besseren Argumente für eine völlige Unabhängigkeit der
Regelung von der Klassifizierung einer Gesellschaft durch Zuordnung zu einem
bestimmten Gesellschaftstyp. Damit der Regelungsvorschlag dem hier entwickelten
neuen Konzept der Berücksichtigung der berufsbedingten Haftung bei Berufsaus-
übungsgesellschaften Rechnung tragen kann, kommt allenfalls eine vom Gesellschaftstyp unabhängige Beschränkung in Frage.
gg) Alternative Formulierungsmöglichkeiten
Sofern die hier vertretene Auffassung keine Zustimmung findet, kann der vorläufige
Regelungsvorschlag ohne weiteres abgewandelt werden. Es genügt, nach den Worten in einer Berufsausübungsgesellschaft zusammengeschlossen die gewünschte
Beschränkung bzw. den erwünschten Ausschluss einzufügen. Zur Herbeiführung
einer auf die englische LLP bezogenen Einzelfallregelung wäre es lediglich erforderlich, den Begriff Berufsausübungsgesellschaft durch die Begriffe englische
LLP zu ersetzen.
Eine entsprechende Formulierung für die wohl am ehesten in Erwägung zu ziehende Beschränkung der Regelung auf Gesellschaften, die der Partnerschaft funktional vergleichbar sind, könnte wie folgt lauten:
Haben sich Angehörige der freien Berufe zum Zwecke der gemeinsamen Berufsausübung in einer Berufsausübungsgesellschaft zusammengeschlossen, welche
der Partnerschaft funktional vergleichbar ist, und sieht das gemäß Art. 40, 41
EGBGB auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung anwendbare Recht keinen Anspruch auf Ersatz eines aus einem beruflichen Fehler entstandenen Schadens gegenüber dem für die Gesellschaft verantwortlich tätigen Gesellschafter vor, so unterliegen diese Ansprüche dem Recht des Staates, nach dem die Gesellschaft organisiert ist.
Durch diese Regelung würde auf den ersten Blick für Gesellschaften, deren Regelungskonzept demjenigen der englischen LLP entspricht, unproblematisch die Anwendung der professional negligence begründet. Allerdings könnte die Regelung
eine übermäßige Abweichung von den allgemeinen Regeln des internationalen
Deliktsrechts zur Folge haben. Denn wenn eine gesellschaftsrechtliche Handelndenhaftung in der Auslandsgesellschaft vorgesehen sein sollte, bestünde die Vergleichbarkeit zur Partnerschaft. Dennoch könnte im Gründungsstaat zusätzlich ein allgemeiner berufsbezogener Haftungsgrundsatz bestehen.
Sofern das anwendbare Recht keinen Ausschluss dieser allgemeinen Haftungsgrundsätze vorsieht, würde neben der gesellschaftsrechtlichen Gesellschafterhaftung
476
gleichzeitig der im Gründungsstaat bestehenden deliktischen Berufshaftung zur
Geltung verholfen. Das Risiko einer solchen doppelten Berücksichtigung des Rechts
des Gründungsstaates reduziert die Attraktivität der Regelung.
Ferner könnte diese Einschränkung insofern problematisch sein, als die funktionale Vergleichbarkeit mit der Partnerschaft z. B. im Fall der englischen LLP nur
dann ohne weiteres zu bejahen ist, wenn die Grundsätze der professional negligence
nach englischem Recht in die Betrachtung mit einbezogen werden3565. Daher könnte
eine uneinheitliche Anwendung der Regelung in der Praxis nicht ausgeschlossen
werden. Bei Übernahme dieser Formulierung würde ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor im Rahmen der Auslegung in Kauf genommen. Daher ist dieser alternative
Vorschlag nicht vorzugswürdig.
c) Erfordernis des Fehlens einer Gesellschafterhaftung
aa) Grundlegung
Die vorstehenden Erwägungen enthalten hilfreiche Anhaltspunkte für eine alternative Beschränkung des Regelungsgehalts der vorgeschlagenen Kollisionsregel. Insbesondere besteht die vorstehend3566 dargelegte Möglichkeit, dass sowohl einer gesellschaftsrechtlichen Gesellschafterhaftung als auch einer nach dem Recht des Gründungsstaates bestehenden deliktischen Berufshaftung zur Geltung verholfen wird,
auch in Bezug auf den entwickelten Regelungsvorschlag.
Daher könnte die Idee entwickelt werden, die Neuregelung unabhängig von der
Gesellschaftsform lediglich für solche Gesellschaften einzuführen, die nicht mit
einer Regelung zur persönlichen Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten
der Gesellschaft einhergehen. Durch eine entsprechende Eingrenzung würde dem
Umstand Rechnung getragen, dass ein Schutzinteresse des Mandanten nicht aufgrund des Vorliegens eines bestimmten Gesellschaftstyps besteht. Vielmehr kann
aufgrund der unvorteilhaften Kombination der fehlenden Anordnung einer Gesellschafterhaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit der kollisionsrechtlichen
Unanwendbarkeit einer nach dem Gründungsrecht bestehenden deliktischen Berufshaftung die Schutzbedürftigkeit des Mandanten bejaht werden.
Ausgehend von der konkreten Anpassungslage bei Nutzung der englischen LLP
wurde die Frage nach dem Vorgehen im Falle eines bestehenden gesellschaftsrechtlichen Anspruchs gegen den Gesellschafter in den Hintergrund gedrängt. Vielmehr
lag in Ermangelung einer gesellschaftsrechtlichen Haftungsregel der Schwerpunkt
der Betrachtung auf der misslichen Lage, dass das anwendbare Deliktsrecht im Gegensatz zum Deliktsrecht des Gründungsstaates keine Haftungsgrundlage für die
Berufshaftung bereitstellte.3567
3565 Siehe oben Teil 2 C V 13 d), 14 a) bb), c).
3566 Siehe oben Teil 4 B VII 3 b) gg).
3567 Siehe oben Teil 3 C VII, VIII.
477
Doch genügt es, im zu untersuchenden Fall die Gründung einer partnership an die
Stelle der Gründung einer LLP treten zu lassen. Dann ergibt sich der Anspruch gegen den Gesellschafter bereits aus dem englischen Gründungsrecht auf gesellschaftsrechtlicher Basis. Daneben erscheint es nicht notwendig, der professional
negligence zusätzlich zur Geltung zu verhelfen. Schließlich geht die Verweisung auf
das Gesellschaftsstatut nicht ins Leere.
Zusätzlich würde die Abweichung von den allgemeinen Kollisionsregeln durch
eine entsprechende Beschränkung minimiert. Schließlich würde nur bei Gesellschaften, die keine entsprechende Gesellschafterhaftung vorsehen, in das bestehende
Regelungsgefüge eingegriffen. Es ist zu berücksichtigen, dass das bestehende Regelungsgefüge so wenig wie möglich abgewandelt werden soll. Daraus folgt, dass eine
neue Kollisionsnorm insoweit nicht erforderlich ist, als das Gesellschaftsstatut für
die jeweilige Gesellschaftsform die persönliche Gesellschafterhaftung statuiert.
bb) Regelungsvorschlag
Ein entsprechender Formulierungsvorschlag könnte wie folgt lauten:
Haben sich Angehörige der freien Berufe zum Zwecke der gemeinsamen Berufsausübung in einer Berufsausübungsgesellschaft zusammengeschlossen und sieht
das gemäß Art. 40, 41 EGBGB auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung anwendbare Recht keinen Anspruch auf Ersatz eines aus einem beruflichen Fehler entstandenen Schadens gegenüber dem für die Gesellschaft verantwortlich tätigen Gesellschafter vor, so unterliegen diese Ansprüche dem Recht des Staates, nach dem die
Gesellschaft organisiert ist. Dies gilt nicht, wenn nach dem Recht des Staates,
nach dem die Gesellschaft organisiert ist, die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften.
cc) Weitergehende Relevanz der vorgeschlagenen Beschränkung
Dieser Formulierungsvorschlag würde auch das im obigen3568 alternativen Regelungsvorschlag bei der Beschränkung auf die der Partnerschaft funktional vergleichbaren Gesellschaften verbleibende Restrisiko eines Regelungsübermaßes abwehren.
Ein entsprechender alternativer Vorschlag würde lauten:
Haben sich Angehörige der freien Berufe zum Zwecke der gemeinsamen Berufsausübung in einer Berufsausübungsgesellschaft zusammengeschlossen, welche
der Partnerschaft funktional vergleichbar ist, und sieht das gemäß Art. 40, 41
EGBGB auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung anwendbare Recht keinen Anspruch auf Ersatz eines aus einem beruflichen Fehler entstandenen Schadens ge-
3568 Siehe oben Teil 4 B VII 3 b) gg).
478
genüber dem für die Gesellschaft verantwortlich tätigen Gesellschafter vor, so unterliegen diese Ansprüche dem Recht des Staates, nach dem die Gesellschaft organisiert ist. Dies gilt nicht, wenn nach dem Recht des Staates, nach dem die Gesellschaft organisiert ist, die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft
haften.
Mithin würde diese alternative Regelung im oben beschriebenen Fallbeispiel einer gesellschaftsrechtlich normierten Gesellschafterhaftung für die Ansprüche aus
unerlaubter Handlung wegen beruflicher Fehler nicht zusätzlich bzw. subsidiär auf
das Recht des Staates, nach dem die Gesellschaft organisiert ist, verweisen. Doch ist
aufgrund der oben3569 geäußerten Bedenken diese alternative Formulierung nicht
vorzugswürdig.
dd) Ergebnis
Insgesamt erscheint es sachgerecht, den Regelungsvorschlag um die vorgeschlagene
Beschränkung zu erweitern.
d) Beschränkung auf Vermögensschäden
aa) Grundlegung
Der bisherige Regelungsvorschlag sieht keine Beschränkung auf bloße Vermögensschäden vor. Zwar scheint ein Abweichen von den bisherigen Kollisionsregeln nur
insoweit angemessen, als nach dem regulär anwendbaren Deliktsrecht kein Anspruch gewährt wird. Doch kann nur bei Vorliegen eines bloßen Vermögensschadens das Risiko bestehen, dass kein Anspruch durch das anwendbare Deliktsrecht
gewährt wird. Bei Verletzung sonstiger Rechtsgüter ist davon auszugehen, dass das
jeweils anwendbare Deliktsrecht einen Anspruch gewährt. Schließlich kommt die
subsidiäre Anknüpfung in aller Regel nur dann zum Zuge, wenn lediglich das bloße
Vermögen beschädigt wird und ein Anspruch nach dem anwendbaren Recht versagt
wird. Daher besteht kein Bedürfnis, eine Beschränkung auf Vermögensschäden in
die Regelung aufzunehmen. Folglich ist keine Beschränkung auf Vermögensschäden
vorzunehmen, weil diese lediglich auf eine zusätzliche Klarstellung hinauslaufen
würde.
3569 Siehe oben Teil 4 B VII 3 b) gg).
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bb) Formulierungsalternative
Sollte entgegen der hier vertretenen Ansicht eine zusätzliche Absicherung des Ergebnisses gewünscht werden, kann an die Stelle der Formulierung aus einem beruflichen Fehler entstandenen Schaden unproblematisch die Passage aus einem beruflichen Fehler entstandenen bloßen Vermögensschaden treten.
e) Beschränkung durch Abstellen auf den Verwaltungssitz
Die in dieser Arbeit erörterte Anpassungslage betraf eine englische LLP mit inländischem Verwaltungssitz. Da es darum geht, eine allgemeine Kollisionsnorm zu formulieren, ist fraglich, inwieweit eine Beschränkung des Regelungsvorschlages in
Bezug auf den Verwaltungssitz erforderlich ist.
aa) Erfordernis eines inländischen Verwaltungssitzes
Es könnte erwogen werden, eine Beschränkung auf Gesellschaften mit inländischem
Verwaltungssitz in die Regelung aufzunehmen, indem nach dem Begriff Berufsausübungsgesellschaft die Formulierung mit Verwaltungssitz in Deutschland
eingefügt wird. Gegen diese Regelung spricht bereits, dass eine Einzelfallregelung
vorgesehen würde.
Überdies greift bei einer ausschließlich im Gründungsstaat niedergelassenen Gesellschaft die subsidiäre Regelung im Allgemeinen nicht. Schließlich führen in aller
Regel die allgemeinen Regeln zur Anwendbarkeit des Deliktsrechts des Gründungsstaates. Daher erweist sich die Beschränkung auf den inländischen Verwaltungssitz
als überflüssig. Sollte der Verwaltungssitz in einem Drittstaat liegen, sind die für
den Fall eines deutschen Verwaltungssitzes geltenden Erwägungen grundsätzlich
übertragbar und rechtfertigen die Anwendung der Regel.3570 Folglich entfällt das
Bedürfnis einer Einschränkung auf das Vorliegen eines inländischen Verwaltungssitzes.
bb) Anforderungen an den Verwaltungssitz
(1) Problemstellung
Die bei inländischem Verwaltungssitz innerhalb der Prüfung der Angleichung3571
gezogenen Konsequenzen könnten eine Verallgemeinerung der Regel vorrangig im
3570 Siehe oben Teil 4 A II, III, B III 3.
3571 Siehe oben Teil 3 D VII 2.
480
Hinblick auf den Verwaltungssitz rechtfertigen. Mithin wäre der Bezug zum Verwaltungssitz aufrechtzuerhalten. Dazu müsste in die vorgeschlagene allgemeine
Kollisionsnorm die Voraussetzung aufgenommen werden, dass der Verwaltungssitz
in dem Staat liegt, dessen Recht nach Art. 40, 41 EGBGB auf die Ansprüche aus
unerlaubter Handlung anwendbar ist. Wenn dieses Recht keinen Anspruch gewährt,
würde die subsidiäre Anknüpfung greifen.
(2) Formulierungsvorschlag
Eine Änderung des Regelungsvorschlages könnte wie folgt lauten:
Haben sich Angehörige der freien Berufe zum Zwecke der gemeinsamen Berufsausübung in einer Berufsausübungsgesellschaft zusammengeschlossen, deren
Verwaltungssitz in dem Staat liegt, dessen Recht gemäß Art. 40, 41 EGBGB auf
Ansprüche aus unerlaubter Handlung anwendbar ist, und sieht das gemäß Art. 40,
41 EGBGB auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung anwendbare Recht keinen
Anspruch auf Ersatz eines aus einem beruflichen Fehler entstandenen Schadens
gegenüber dem für die Gesellschaft verantwortlich tätigen Gesellschafter vor, so
unterliegen diese Ansprüche dem Recht des Staates, nach dem die Gesellschaft organisiert ist. Dies gilt nicht, wenn nach dem Recht des Staates, nach dem die Gesellschaft organisiert ist, die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft
haften.
Alternativ könnte nach Satz 1 des Vorschlages der folgende Satz eingefügt werden: Dies gilt nur dann, wenn der Verwaltungssitz der Gesellschaft in dem Staat
liegt, dessen Recht gemäß Art. 40, 41 EGBGB auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung anwendbar ist.
(3) Stellungnahme
Gegen die Beschränkung durch den Ort des Verwaltungssitzes spricht, dass beide
Formulierungen überladen wirken. Überdies ist die Abgrenzung zwischen bloßen
Zweigniederlassungen und dem Verwaltungssitz in der Praxis nicht ohne weiteres
möglich. Denn die Übergänge sind oftmals fließend. Ferner könnte sich der Gesellschafter auf das Bestehen einer bloßen Zweigniederlassung berufen, um die Regelung auszuhebeln.
Für die Einführung einer Beschränkung auf den Ort des Verwaltungssitzes könnte
vorgebracht werden, dass andernfalls nicht nur der Fall der Verlegung des Verwaltungssitzes aus dem Gründungsstaat ins Ausland zur ausschließlichen Nutzung im
Ausland erfasst würde. Vielmehr würden auch internationale Sozietäten, die in verschiedenen Ländern Zweigniederlassungen unterhalten, der Regelung unterliegen.
Mithin würde in jedem dieser Niederlassungsstaaten die vorgeschlagene subsidiäre
Anknüpfung potentiell zum Zuge kommen.
481
Jedoch ist dies bei Abkoppelung der Perspektive von der erörterten Anpassungslage3572 möglicherweise nicht als Nachteil, sondern als Vorteil eines Verzichts auf
die Beschränkungen in Bezug auf den Verwaltungssitz anzusehen. Eine weite Fassung des Regelungsvorschlages ohne Beschränkung durch den Ort des Verwaltungssitzes ist im Interesse des lückenlosen Mandantenschutzes sogar geboten. Das mit
der Grenzüberschreitung dieser Gesellschaften verbundene Risiko internationaler
Schutzlücken besteht nicht nur bei Verlegung des Hauptverwaltungssitzes ins Ausland. Auch im Falle der Gründung von Zweigniederlassungen würde die durch das
Gründungsrecht intendierte stillschweigende Verknüpfung mit der allgemeinen
Berufshaftung3573 zerrissen. Dieses Ineinandergreifen der Regelungsbereiche, welches mit einer quasi-gesellschaftsrechtlichen Dimension einhergeht3574, sollte jedoch
soweit wie möglich gewahrt bleiben.
Der Vorteil dieser Regelung liegt darin, dass in jedem Staat, in dem die LLP am
Markt durch Begründung von Niederlassungen auftritt, eine gleichmäßige und authentische Handhabung gewährleistet wird, welche derjenigen des Gründungsstaates
entspricht. Sofern die subsidiäre Anknüpfung nicht in Betracht gezogen würde, wäre
kaum festzustellen, welcher Gesellschaft die LLP entsprechen könnte. Denn in jedem Niederlassungsstaat käme es unter anderem auch darauf an, ob das Deliktsrecht
einen Anspruch bereitstellt. Zudem wäre eine gewisse Widersprüchlichkeit in der
Behandlung von Verwaltungssitz und Zweigniederlassungen festzustellen, obwohl
in beiden Situationen die Verlagerung der Gesellschaftstätigkeit ins Ausland zur
Aufhebung der in England gewährleisteten Synchronisierung von gesellschaftsrechtlichen und berufsbedingten Haftungsregeln führt.
Auch erscheint es wenig sachgerecht, dass die LLP in jedem Niederlassungsstaat
ausschließlich auf die Ausfüllung der Regelungslücke durch das nach den Regeln
des internationalen Deliktsrechts bestimmte Recht zumeist wohl das Recht des
Niederlassungsstaates angewiesen sein soll. Schließlich wird die Lücke im englischen Gesellschaftsrecht gelassen, um eine Ausfüllung zu ermöglichen. Man könnte
aus einem anderen Blickwinkel betrachtet darauf hinweisen, dass die LLP einschließlich der für die Ausfüllung durch die englische Berufshaftung vorgesehenen
Andockstelle in eine Rechtsordnung eingeführt wird und diese um eine entsprechende Ausfüllung ersucht. Wenn die nationale Rechtsordnung diesem Begehren nicht
entsprechen kann, ist es geboten, die Nachfrage der Gesellschaft zu befriedigen,
indem die gewünschte Regelung des englischen Rechts ersatzweise angeboten wird.
Schließlich kann auf die obigen3575 Erwägungen in Bezug auf eine zusätzliche
quasi-gesellschaftsrechtliche Dimension der Haftungsregel herangezogen werden,
um einen Wegfall der Beschränkung durch Abstellen auf einen bestimmten Verwaltungssitz zu rechtfertigen.
3572 Siehe oben Teil 3 D IV - VIII.
3573 Siehe oben Teil 4 A II, III u. Teil 4 B III 3.
3574 Siehe oben Teil 4 A II, III u. Teil 4 B III 3.
3575 Siehe oben Teil 4 A II, III u. Teil 4 B III 3.
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cc) Ergebnis
Im Ergebnis ist keine Beschränkung durch Abstellen auf den inländischen Verwaltungssitz oder auf den Verwaltungssitz im Allgemeinen in den Regelungsvorschlag
aufzunehmen. Sofern die hier vertretene Auffassung keine Zustimmung findet, kann
ohne weiteres auf die oben3576 zur Verfügung gestellten alternativen Formulierungen
zurückgegriffen werden.
f) Beschränkung in Bezug auf den Ort der Tätigkeit
Durch die Ablehnung des einschränkenden Abstellens auf den (inländischen) Verwaltungssitz gewinnt neben der Zweigniederlassungsproblematik eine zusätzliche
Fragestellung Relevanz. Denn wenn es nicht ausdrücklich darauf ankommt, dass ein
Verwaltungssitz in dem Staat besteht, dessen Recht auf die Ansprüche aus unerlaubter Handlung anwendbar ist, dann ist die Möglichkeit gegeben, dass der Gesellschafter für eine Gesellschaft in einem Staat punktuell rechtsberatend tätig wird, ohne
dass dort eine Niederlassung der Gesellschaft besteht. Daher ist zu klären, ob angesichts dieser Konsequenz der Regelungsvorschlag einer Einengung bedarf, indem
darauf abgestellt wird, dass die Tätigkeit im Niederlassungsstaat erfolgt. Dies würde
im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass die oben diskutierte Beschränkung durch den
Verwaltungssitz Anwendung fände.
Die Möglichkeit, dass ein Gesellschafter für eine Gesellschaft nicht in dem Staat,
in dem der Verwaltungssitz oder eine Zweigniederlassung der Gesellschaft liegen,
beratend tätig wird, ist als Ausnahme von der Regel einzuordnen. Daher scheint es
nicht geboten, den Mandantenschutz in diesen Situationen zu schmälern. Im Ergebnis ist eine zusätzliche Beschränkung des erarbeiteten Entwurfs abzulehnen.
g) Klarstellung des Vorliegens einer Sachnormverweisung
Einer zusätzlichen Klarstellung, dass bei der vorgeschlagenen subsidiären Anknüpfung der Renvoi ausgeschlossen ist, bedarf es nicht. Schließlich würde der Renvoi
gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB dem Sinn der Verweisung widersprechen. Denn
wenn die nach den allgemeinen Regeln vorgenommene Anknüpfung nach Art. 40,
41 EGBGB keinen Anspruch gewährt, soll die subsidiäre Anknüpfung an das Recht,
nach dem die Gesellschaft organisiert ist, gerade das Sachrecht des Gründungsstaates zur Anwendung gelangen lassen.
3576 Siehe oben Teil 4 B VII 3 e) bb) (2).
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4. Ergebnis
Im Ergebnis hat die kritische Würdigung verschiedene Möglichkeiten der Weiterentwicklung des vorläufigen Vorschlages einer Kollisionsnorm aufgezeigt. Es wurde
zu den verschiedenen Alternativen Stellung genommen und eine Ergänzung der
Kollisionsnorm befürwortet. Nach alldem kann nunmehr ein endgültiger Regelungsvorschlag unterbreitet werden.
VIII. Endgültiger hypothetischer Regelungsvorschlag
Auf der Grundlage der bisherigen Prüfung wird der folgende endgültige hypothetische Entwurf einer Kollisionsnorm vorgeschlagen:
Haben sich Angehörige der freien Berufe zum Zwecke der gemeinsamen Berufsausübung in einer Berufsausübungsgesellschaft zusammengeschlossen und sieht
das gemäß Art. 40, 41 EGBGB auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung anwendbare Recht keinen Anspruch auf Ersatz eines aus einem beruflichen Fehler entstandenen Schadens gegenüber dem für die Gesellschaft verantwortlich tätigen Gesellschafter vor, so unterliegen diese Ansprüche dem Recht des Staates, nach dem die
Gesellschaft organisiert ist. Dies gilt nicht, wenn nach dem Recht des Staates, nach
dem die Gesellschaft organisiert ist, die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der
Gesellschaft haften.
IX. Europarechtliche Zulässigkeit
1. Problemstellung
Fraglich ist, ob die europarechtliche Zulässigkeit des entwickelten Lösungsvorschlages gegeben ist. Insbesondere ist zu untersuchen, ob eine Beschränkung der
Niederlassungsfreiheit vorliegt.
2. Vorliegen einer Beschränkung der Grundfreiheiten
Es wird lediglich eine zusätzliche, subsidiäre Anwendung der allgemeinen Grundsätze der Berufshaftung des Gründungsstaates vorgesehen. Diesbezüglich können
die obigen3577 Ausführungen zur europarechtlichen Zulässigkeit der Anpassung im
Wege der irregulären gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der professional
negligence übertragen werden.
3577 Siehe oben Teil 3 D IX 3 b) cc) (2).
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References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.