376
b) Funktionelle Disharmonie
Zur Konkretisierung der Erfassung verschiedener Anpassungslagen hat Sonnenberger durch den Begriff funktionelle Disharmonien 3014 beigetragen. Diese Bezeichnung wird zur Kennzeichnung von Situationen verwendet, in denen aufgrund der
fehlenden kollisionsrechtlichen Berufung passender Sachnormen Rechtsfolgen
sinnwidrig ausbleiben.3015 Derartige funktionelle Disharmonien liegen nach Sonnenberger vor, wenn eine Rechtsfrage in den beteiligten Rechtsordnungen nicht nur
systematisch anders erfasst wird, sondern funktional unterschiedlichen Regelungen
unterliegt und infolgedessen die Verweisung sinnwidrig ins Leere geht.3016 Als Korrekturmöglichkeit wird die Anpassung des in- oder ausländischen Sachrechts vorgeschlagen, wobei der Grundsatz des geringsten Eingriffs zu beachten sei.3017
IV. Bisherige Lösungsansätze
1. Einführung
Die Problematik der Angleichung im Fall einer inländischen Nutzung der LLP ist in
der Literatur bereits diskutiert worden. Bisher werden diametral entgegengesetzte
Standpunkte vertreten.3018 Daher sollen die in der Literatur entwickelten Grundsätze
vorgestellt werden.
2. Bejahung einer Anpassungslage durch Henssler und Mansel
Henssler und Mansel haben den Fall der in Deutschland niedergelassenen englischen Anwalts-LLP in concreto untersucht und vertreten die Auffassung, dass eine
Anpassungslage bestehe.3019 Der englische Gesetzgeber habe bei der LLP auf die
Anordnung einer Gesellschafterhaftung für berufliches Handeln in dem Bewusstsein
verzichtet, dass durch die Haftung von Freiberuflern aus tort diese Regelungslücke
geschlossen werde.3020 Durch das Zusammenspiel von Gesellschafts- und Deliktsrecht ergebe sich ein geschlossenes, stimmiges und vor allem interessengerechtes
3014 MünchKomm/Sonnenberger, Einl. IPR Rdnr. 610.
3015 MünchKomm/Sonnenberger, Einl. IPR Rdnr. 601 und Rdnr. 610.
3016 MünchKomm/Sonnenberger, Einl. IPR Rdnr. 610.
3017 MünchKomm/Sonnenberger, Einl. IPR Rdnr. 613.
3018 Vgl. Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 413ff.; Henssler/Mansel, NJW 2007,
1393, 1396f.; a. A. Schnittker, S. 120f.
3019 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 413ff.; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393,
1396f.
3020 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 413 und S. 418; Henssler/Mansel, NJW 2007,
1393, 1396.
377
Haftungskonzept. 3021 Durch das kollisionsrechtliche dépeçage werde dieser Regelungszusammenhang aufgehoben.3022
Von einer Anpassungslage sei im Allgemeinen auszugehen, wenn das vorläufige
sachrechtliche Ergebnis der kollisionsrechtlichen Verweisung in keiner der beteiligten Rechtsordnungen für sich genommen erreicht würde, sondern diese Rechtsordnungen vielmehr funktional betrachtet vergleichbare Ergebnisse erzielen würden.3023
Mithin sei das durch die herkömmlichen Kollisionsnormen hervorgerufene Ergebnis
nicht mehr als sachgerecht anzuerkennen.3024
Da nach englischem Recht eine Haftung des handelnden Gesellschafters aus
negligence bestehe, komme es entscheidend darauf an, ob nach deutschem Recht ein
funktional vergleichbares Ergebnis erzielt werde.3025 Die Partnerschaft sei als der
LLP am engsten verwandte deutsche Gesellschaftsform anzusehen.3026 Bei der Partnerschaft werde eine persönliche Handelndenhaftung für Berufsfehler über § 8
Abs. 2 PartGG erreicht. Mithin werde in beiden Rechtsordnungen funktional ein
vergleichbares Ergebnis erzielt, welches von dem auf der herkömmlichen Anwendung der Kollisionsnormen beruhenden Ergebnis abweiche.3027 Allein infolge der
Kollisionsregeln komme es zum Ausschluss der persönlichen Haftung des handelnden Berufsträgers.3028 Darin liege ein Widerspruch gegen die kongruenten Wertungen der beteiligten Rechtsordnungen, so dass eine Anpassungslage bestehe.3029
Diese Literaturauffassung wird im Rahmen der unten3030 durchzuführenden ausführlichen Prüfung des Bestehens einer Anpassungslage von besonderem Interesse
sein, da gezeigt worden ist, dass eine funktionale Vergleichbarkeit von LLP und
Partnerschaft besteht.3031
3021 Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1396.
3022 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 414; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1396.
3023 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 415; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1396.
3024 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 415f.
3025 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 416; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1396.
3026 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 415ff.; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393,
1396.
3027 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 418; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1396.
3028 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 418; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1396.
3029 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 418; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393,
1396f.
3030 Siehe unten Teil 3 D V-VIII.
3031 Siehe oben Teil 2 C V 14 a) bb), c).
378
3. Ablehnung eines Normenmangels
a) Schnittker
aa) Einführung
Demgegenüber lehnt Schnittker Korrekturen aufgrund eines Normenmangels insgesamt ab.3032 Die Frage eines Normenmangels stelle sich vor allem dann, wenn Gesellschafter durch Beratungsfehler Vermögensschäden verursachen.3033 Ein Normenmangel sei in einem solchen Fall gegeben, wenn zum einen sowohl die englische als auch die deutsche Rechtsordnung jeweils einen Haftungstatbestand
vorsehen.3034 Zum anderen setze die Bejahung eines Normenmangels voraus, dass
der Geschädigte seinen Schaden nicht geltend machen könne, weil der deutsche
Haftungstatbestand dem Gesellschaftsrecht zuzuordnen sei, jedoch durch das englische Gesellschaftsrecht verdrängt werde und der englische Haftungstatbestand einem nach deutschem Recht zu beurteilenden Statut zuzuordnen sei.3035
Doch sei bei unterstellter Anwendbarkeit der deutschen Rechtsordnung keine persönliche Haftung des LLP-Gesellschafters gegeben.3036 Diese Auffassung untersucht, welche Regeln des deutschen Gesellschaftsrechts bei dessen unterstellter
Anwendbarkeit auf eine LLP anwendbar wären. Da die LLP dem deutschen Recht
fremd sei, müsse sie in eine deutsche Vergleichsrechtsform überführt 3037 werden,
wobei sich die Vergleichbarkeit insbesondere auf die Haftungsverfassung zu beziehen habe.3038 Haftungsrechtlich sei die LLP jedoch nicht mit einer Partnerschaft
vergleichbar, sondern entspreche einer Kapitalgesellschaft.3039 Im Ergebnis seien
daher Korrekturen aufgrund eines Normenmangels ausgeschlossen.3040
bb) Stellungnahme
Insgesamt begründet Schnittker seine Ablehnung eines Normenmangels vorrangig
mit der fehlenden Ähnlichkeit von LLP und Partnerschaft. Es wurde oben3041 gezeigt, dass entgegen dieser Ansicht die Haftungsverfassungen von LLP und Partnerschaft bei anwaltlicher Nutzung vergleichbar sind. Auf die obigen3042 Ausführungen
3032 Schnittker, S. 117ff.
3033 Schnittker, S. 118.
3034 Schnittker, S. 118f.
3035 Schnittker, S. 118f.
3036 Schnittker, S. 119ff.
3037 Schnittker, S. 120.
3038 Schnittker, S. 120.
3039 Schnittker, S. 121ff.
3040 Schnittker, S. 121ff.
3041 Siehe oben Teil 2 C V 13 d).
3042 Siehe oben Teil 2 C V 13 d).
379
wird Bezug genommen und im Hinblick auf die Problematik eines Normenmangels
ergänzend Stellung genommen.
Die Analyse von Schnittker lässt bezüglich der Ablehnung eines Normenmangels
eine klare Linie vermissen. Dies ist, wie oben gezeigt3043, im Wesentlichen darauf
zurückzuführen, dass im Rahmen der allgemeinen Darstellung der gesellschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Aspekte der werbenden LLP mit deutschem Verwaltungssitz hinsichtlich der besonderen Haftungsproblematik der professional
liability keine klare Abgrenzung vorgenommen wird.
Denn Schnittker meint, dass ein Normenmangel insbesondere im Falle von Beratungsfehlern bestehen könne.3044 Sodann wird die Ablehnung eines Normenmangels
unter anderem damit begründet, dass die allgemeine Haftung der Partner nach § 8
Abs. 1 PartGG im Vergleich zur Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen bei der LLP ein umgekehrtes Regel-Ausnahme-Verhältnis beinhalte3045.
Doch ist im Fall der Haftung für Berufsfehler bei beiden Gesellschaften eine persönliche Haftung gegeben. Wenn Schnittker zunächst auf die Haftung für Berufsfehler
hinweist und sodann die Haftung für sonstige Verbindlichkeiten zur Ablehnung des
Normenmangels heranzieht3046, vermag dies nicht zu überzeugen.
Zudem scheint sich Schnittker innerhalb seiner Prüfung durch diese Argumentationslinie selbst zu widersprechen. Denn zu Beginn seiner Erörterung des Normenmangels stellt Schnittker klar, dass sich die Fragestellung darauf beziehe, ob aus
Sicht Dritter eine Schutzlücke als Folge eines Normenmangels entstehe.3047 Aus der
Perspektive des Dritten bzw. des Geschädigten macht es jedoch wertungsmäßig
keinen Unterschied, ob der gewährte Schutz, welcher aufgrund des Normenmangels
wegfällt, auf eine Ausnahme oder auf eine Regel zurückzuführen ist. Daher kann das
Bestehen einer Schutzlücke auch nicht mit einer Begründung abgelehnt werden, die
auf dieser formalen Unterscheidung beruht.
Zusätzlich tritt offen zu Tage, dass die Analyse von Schnittker darunter leidet,
dass allgemein die werbende LLP in gesellschaftsrechtlicher und steuerrechtlicher
Hinsicht untersucht wird. Daher liegt der Akzent nicht auf der Lösung einer konkreten Anpassungslage. Vielmehr resultiert diese generelle Untersuchung der werbenden LLP in einer Verstrickung der Argumentationsstränge.
Stattdessen sollte eine klare Trennung zwischen der Beurteilung der Haftungslage
einer werbenden und derjenigen einer freiberuflichen LLP erfolgen. Es ist noch
weiter zu differenzieren zwischen den jeweiligen professionals und für den jeweiligen Berufsstand, z. B. den Rechtsanwalt, eine vergleichende Betrachtung in
concreto anzustreben. Schließlich existiert für den Rechtsanwalt in England die
Besonderheit, dass eine allgemeine Berufshaftung neben die LLP tritt.3048 Darin liegt
3043 Siehe oben Teil 2 C V 13 d).
3044 Schnittker, S. 117ff.
3045 Schnittker, S. 117ff.
3046 Schnittker, S. 120ff.
3047 Schnittker, S. 118.
3048 Siehe oben Teil 1 E III 4 c).
380
ein wesentlicher Unterschied zur kommerziell betriebenen LLP, deren Gesellschafter gewerblich tätig sind.
Diese Erwägungen lassen einen weiteren Schluss zu, der Verdienst und Schwachstelle des Ansatzes von Schnittker gleichermaßen illustriert. Denn es ist nicht auszuschließen, dass Schnittker in Bezug auf gewerblich tätige, werbende LLPs zuzustimmen sein könnte.
Schließlich ist im Fall solcher LLPs regelmäßig keine allgemeine Berufshaftung
nach den Grundsätzen der professional negligence gegeben. Mithin könnte der Vergleich zur Partnerschaft, welche den freien Berufen vorbehalten bleibt, nicht nur an
der gewerblichen Ausrichtung der Gesellschaft, sondern auch an der fehlenden Vergleichbarkeit der Haftungslage scheitern. Schließlich stellt die kommerzielle LLP
potentiell einen vollständigeren Haftungsschutz für die Gesellschafter bereit. Demgegenüber sieht die Partnerschaft eine allgemeine Gesellschafterhaftung für sonstige
Verbindlichkeiten in § 8 Abs. 1 PartGG vor. Nur im Falle von Berufsfehlern, welche
bei gewerblich geführten LLPs grundsätzlich ausscheiden, greift die Haftungskonzentration nach § 8 Abs. 2 PartGG.
Vor dem Hintergrund dieser Wesensverschiedenheit ist die Schlussfolgerung nahe liegend, dass Schnittker allenfalls insoweit zuzustimmen sein könnte, als kommerzielle LLPs betroffen sind. Einschränkend anzumerken bleibt jedoch, dass die
Rechtsvergleichung nicht auf die Haftungsverhältnisse reduziert werden sollte und
auch weitere Besonderheiten3049 im Rahmen einer ausführlichen Untersuchung Berücksichtigung finden sollten. Hingegen vermögen die Erwägungen von Schnittker
für die Konstellation der Anwalts-LLP den Ausschluss eines Normenmangels nicht
zu rechtfertigen.
Schnittker scheint die Unterscheidung zwischen freiberuflicher und gewerblicher
Nutzung gänzlich zu vernachlässigen. Dies zeigen nicht nur die im Rahmen der
Prüfung des Normenmangels erfolgende Erörterung einer Vergleichbarkeit der LLP
mit der OHG bzw. KG3050, welche bei anwaltlicher Nutzung ausscheidet. Zusätzlich
betont Schnittker, dass bei der Partnerschaft lediglich in Bezug auf eine einzige
Fehlerquelle, nämlich den Berufsfehler, die Haftungskonzentration nach § 8 Abs. 2
PartGG greife. Die Partnerschaft steht jedoch nur den freien Berufen zur Verfügung,
so dass naturgemäß die für den Kunden mögliche Risikoquelle gerade der Berufsfehler bei Erbringung der nachgefragten Dienstleistung ist. Umgekehrt besteht vorrangig bei einer freiberuflichen, nicht jedoch bei der gewerblichen Nutzung der LLP
die Möglichkeit der Haftung wegen professional negligence.
Ergänzend ist aus kollisionsrechtlicher Perspektive anzumerken, dass die Diskussion der Anpassungslage durch Schnittker die besonderen internationalprivatrechtlichen Erwägungen nicht ausreichend berücksichtigt. Im Wesentlichen wird eine
Verneinung des Normenmangels mit der fehlenden Vergleichbarkeit von LLP und
Partnerschaft begründet.3051 Es erfolgt keine kollisionsrechtliche Begründung der
3049 Siehe die Diskussion oben Teil 2 C V.
3050 Schnittker, S. 120f.
3051 Schnittker, S. 123.
381
Prämisse, dass die LLP in eine deutsche Rechtsform zu überführen und auf die Vergleichbarkeit der Haftungslage abzustellen sei.3052 Hingegen hätte die Herausbildung
eines vergleichbaren Inlandsfalles im internationalen Privatrecht einer ausführlichen
Untersuchung bedurft3053.
Insgesamt ist somit festzustellen, dass die Ablehnung der Vergleichbarkeit von
LLP und Partnerschaft und die daraus abgeleitete Negierung eines Normenmangels
durch Schnittker auf einer Vernachlässigung der Differenzierung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Nutzung der Gesellschaft beruhen. Wünschenswert wäre
zudem eine Prüfung in concreto, z. B. für den Fall der anwaltlichen Tätigkeit.
cc) Ergebnis
Im Ergebnis ist die Auffassung von Schnittker3054 abzulehnen. Dies gilt jedenfalls
für die hier zu untersuchende Anwalts-LLP. Für die Prüfung des Normenmangels ist
vorrangig von Bedeutung, dass in Bezug auf die den Gegenstand dieser Arbeit bildende Anwalts-LLP eine Differenzierung zu erfolgen hat. Hier greift die Begründung der Ablehnung des Normenmangels durch Schnittker3055 nicht. Folglich scheidet ein Normenmangel nicht schlechthin aus.
b) Schnittker und Bank
In einer neueren gemeinsamen Veröffentlichung von Schnittker und Bank wird die
Verneinung des Normenmangels bei Berücksichtigung der Besonderheiten freiberuflicher Tätigkeit bekräftigt.3056 Dabei wird die von Henssler und Mansel vertretene
Auffassung, dass in Bezug auf die persönliche Haftung ein Regelungszusammenhang vorliege und eine Anpassungslage bestehe, abgelehnt.3057 Ferner wird darauf
verwiesen, dass es verwundert 3058, dass sich die Diskussion einer Angleichung
bisher auf die LLP konzentriere, wohingegen die Behandlung der Ltd nicht erörtert
werde.3059
Dem ist nicht zuzustimmen. Auf die obigen3060 Ausführungen zur Vergleichbarkeit der Haftungsverfassungen von LLP und Partnerschaft bei anwaltlicher Tätigkeit
wird Bezug genommen. Zudem räumen Schnittker und Bank an anderer Stelle ein,
3052 Schnittker, S. 118ff.
3053 Siehe auch zum traditionellen Ansatz oben Teil 3 D II 1, siehe auch zum Ansatz von
Dannemann oben Teil 3 D III 2 a) aa).
3054 Schnittker, S. 117ff.
3055 Schnittker, S. 117ff.
3056 Schnittker/Bank, Rdnr. 191ff.
3057 Schnittker/Bank, Rdnr. 191.
3058 Schnittker/Bank, Rdnr. 194.
3059 Schnittker/Bank, Rdnr. 194.
3060 Siehe oben Teil 2 C V 13 d).
382
dass sich der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren in Bezug auf die neue Gesellschaftsform für die persönliche Haftung der Gesellschafter wegen professional
negligence ausgesprochen hat, weil sie dem Ethos der freien Berufe entspreche.3061
Auch nachdem die LLP für sonstige gewerbliche Unternehmer zur Verfügung gestellt wurde, sei nicht von einer Aufgabe dieser Position auszugehen.3062
Ferner ist zu entgegnen, dass die ausführliche Auseinandersetzung mit einer bestimmten Gesellschaft in concreto zu erfolgen hat. Überdies können durch einen
bloßen Verweis auf die mit der Behandlung einer anderen englischen Gesellschaft
einhergehenden Fragestellungen keine weiterführenden Erkenntnisse für diese Analyse gewonnen werden. Schließlich ist zu kritisieren, dass keine ausführliche Diskussion der kollisionsrechtlichen Methode der Anpassung erfolgt und die funktionale Vergleichbarkeit mit der Partnerschaft in diesem Zusammenhang nicht diskutiert
wird.
c) Triebel und Silny
In einer jüngst erschienenen Veröffentlichung3063 treten Triebel und Silny der Auffassung von Henssler und Mansel3064, dass eine Anpassungslage bestehe, entgegen.
Zwischen LLP und Partnerschaft bestehe aufgrund eines Regel-Ausnahmeverhältnisses in Bezug auf die persönliche Haftung ein erheblicher Unterschied.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 PartGG sei die persönliche Haftung der Regelfall während die
Haftungskonzentration nach § 8 Abs. 2 PartGG bei beruflichen Fehlern als Ausnahme anzusehen sei. Demgegenüber würden die Gesellschafter der LLP regelmäßig
nicht persönlich haften, sondern nur im Falle von Berufsfehlern nach englischem
Deliktsrecht.3065 Dem ist unter Bezugnahme auf die ausführliche obige Diskussion3066 zu entgegnen, dass sich Partnerschaft und LLP bei anwaltlicher Nutzung funktional entsprechen, und dass sich in concreto bei einer Anwalts-LLP hinsichtlich der
Haftung für berufliche Fehler gerade keine Unterschiede ergeben. Mithin lässt sich
dieses bloß formale Argument nicht in die Waagschale werfen.
Ferner wird vorgebracht, bei der LLP folge, anders als bei der Partnerschaft gem.
§ 8 PartGG, die Haftung nicht aus der Verbandsorganisation, sondern aus der freiberuflichen Tätigkeit. Darauf ist unter Bezugnahme auf die vertiefende obige3067 Erörterung wiederum zu erwidern, dass Partnerschaft und LLP bei anwaltlicher Nutzung
funktional vergleichbar sind, und dass der englische Gesetzgeber bei der Konzeption
3061 Schnittker/Bank, Rdnr. 138.
3062 Schnittker/Bank, Rdnr. 138.
3063 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034.
3064 Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393.
3065 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034, 1035.
3066 Siehe oben Teil 2 C V 13 d), 14 a) bb), c).
3067 Siehe oben Teil 2 C V 13 d), 14 a) bb), c).
383
der LLP beabsichtigte, dass die richterrechtliche persönliche Haftung für Berufsfehler aus negligence die gesetzlichen Regelungen zur LLP komplettieren sollte.3068
Überdies sei hinzugefügt, dass die Regelung einer persönlichen Haftung für
berufliche Fehler in § 8 Abs. 2 PartGG einen hinreichenden Bezug zur Berufsaus-
übung herstellt und, dass die Einführung dieser neuartigen Haftung bei der Partnerschaft gerade dem Umstand der Ausübung eines bestimmten Berufes Rechnung
tragen soll. Mithin bestehen wechselseitige Bezüge zwischen Haftungsverfassung
der Gesellschaft und Berufsausübung sowohl im deutschen als auch im englischen
Recht.3069
Schließlich wird der Verweis auf die Haftungslage bei der Ltd. bemüht, ohne dass
diese im Rahmen einer näheren Untersuchung geprüft wird3070. Der bloße Verweis
auf eine andere Rechtsform ist kein stichhaltiges Argument, wenn es gilt, die Anwalts-LLP in concreto zu untersuchen. Auch ist der Hinweis, die Ltd. gelte als Gegenstück zur GmbH, und wenn dies nicht mehr der Fall sei, könne dies nicht richtig
sein3071, schlechthin irrelevant. Dieses Problem wäre einer eigenständigen Befassung
und Lösung zuzuführen. Auch sei angemerkt, dass für die vielgestaltigen ausländischen Rechtsformen stets eine funktionale Entsprechung zu prüfen ist und die fehlende Vergleichbarkeit mit der GmbH oftmals das richtige Ergebnis sein wird, ohne
dass dies zu einer Erneuerung des methodischen Ansatzes führen darf.
Zudem steht die Behandlung der Anwalts-Ltd. nicht zur Rede und es können sich
aus dem vermeintlichen Wegfall einer Vergleichbarkeit von Anwalts-LLP und Anwalts-GmbH für die vorliegende Untersuchung keine Rückschlüsse ziehen lassen.
Eine Gesellschaftsform ist in concreto und nicht etwa ergebnisorientiert dahingehend zu untersuchen, dass bloß in den Raum gestellte analytische Schwierigkeiten in
Bezug auf andere Gesellschaftsformen vorweg greifend vermieden werden. Dies gilt
umso mehr, als eine umfassende Würdigung durchaus zu dem Ergebnis führen
könnte, dass selbst bei Ausgehen von einer persönlichen Haftung bei der Anwalts-
Ltd. die Anwalts-GmbH als ihr funktional vergleichbare Gesellschaftsform anzusehen ist. Dann wäre das Bestehen einer Anpassungslage auf dieser Grundlage zu
prüfen.
Rein vorsorglich sei angemerkt, dass beim Vergleich von Gesellschaftsformen die
gebotene funktionale Betrachtungsweise nicht auf die Analyse der Haftungsverfassung beschränkt werden kann. Überdies sei, auch wenn die Behandlung der Anwalts-Ltd. über die Zielsetzung dieser Arbeit hinausgeht, angemerkt, dass die
Signalwirkung der Gründung einer Anwalts-LLP von derjenigen einer Ltd. zu unterscheiden ist.3072 Überdies ist die LLP im Gegensatz zur Ltd. nachträglich, wissentlich sowie in der erklärten Absicht, die Haftung für berufliche Fehler aufrecht zu
erhalten, vor dem Hintergrund eines bestehenden richterrechtlichen Regelungsgefü-
3068 Siehe oben Teil 1 E III 4, Teil 2 C V 13 d), 14 a) bb), c).
3069 Siehe oben Teil 1 E III 4, Teil 2 C V 13 d), 14 a) bb), c).
3070 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034, 1036.
3071 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034, 1036.
3072 Siehe zur Signalwirkung der LLP oben Teil 1 E III 4 a).
384
ges konzipiert worden.3073 Die von Triebel und Silny dargelegten analytischen
Schwierigkeiten können nicht durch Außerbetrachtlassung der Problematik3074,
sondern durch Rückgriff auf die zur Verfügung stehenden anerkannten allgemeinen
Rechtsmethoden, wie die Anpassung, gelöst werden.
Als weiteres Argument bringen Triebel und Silny vor, der deutsche Gesetzgeber
habe die Wertentscheidung getroffen, die LLP nicht ins deutsche Gesellschaftsrecht
zu rezipieren und habe die Haftungsprivilegierung bewusst in Kauf genommen.3075
Diesbezüglich wäre zunächst zu klären, wie der deutsche Gesetzgeber die ohne
nähere Erläuterung in den Raum gestellte Rezeption der LLP ins deutsche Gesellschaftsrecht vornehmen sollte bzw. könnte und inwieweit dies beachtlich wäre.
Bereits aus der Niederlassungsfreiheit folgt, dass deutsches Gesellschaftsrecht keine
Anwendung auf eine englische Anwalts-LLP findet.
Auch ist nicht ersichtlich, dass sich aus dem bloßen Untätigwerden des deutschen
Gesetzgebers die von Triebel und Silny angeführte bewusste Inkaufnahme der Haftungsprivilegierung3076 ergeben könnte. Dies gilt umso mehr, als die Problematik
neueren Datums und bisher kaum bekannt oder gar durchdrungen ist. Überdies stellt
das deutsche Recht innerhalb der Regelung des internationalen Privatrechts bereits
die anerkannte Rechtsmethode der Anpassung zur Verfügung, um gerade bei Konfliktsituationen, die aus der Anwendung verschiedener Rechtsordnungen resultieren,
einzelfallbezogene Lösungen zu entwickeln.3077 Mithin existieren allgemeine rechtliche Grundsätze zur Problembewältigung.3078
Weiter argumentieren Triebel und Silny, dass im deutschen und englischen Recht
in Bezug auf das Gesellschafts-, Vertrags- und Deliktsrecht unterschiedliche Wertentscheidungen getroffen worden seien.3079 Diese Wertentscheidungen seien zu
respektieren und dürften nicht eingeebnet werden.3080
Dies lässt außer Acht, dass es bei der Anpassung darum geht, im Falle einer analytischen Aufspaltung in verschiedenen Rechtsordnungen die Synthese zu gewährleisten.3081 Rechtsordnungen treffen Wertungen nicht lediglich bezogen auf einzelne
Unterkategorien, wie das Gesellschafts- oder das Deliktsrecht.3082 Dies wird durch
das von Looschelders gebildete Beispiel der Arzthaftung, die in einem Land deliktsrechtlich und in einem anderen Land vertragsrechtlich ausgestaltet sein kann3083,
3073 Siehe oben Teil 1 E III 4 c), Teil 2 C V 13 d), 14 a) bb), c).
3074 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034, 1036 meinen, die Haftung aus negligence sei außer Betracht
zu lassen.
3075 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034, 1036.
3076 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034, 1036.
3077 Siehe auch oben Teil 3 D I-III.
3078 Siehe auch oben Teil 3 D I-III.
3079 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034, 1036.
3080 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034, 1036.
3081 Siehe oben Teil 3 D I 2.
3082 Siehe unten Teil 3 D VII 2, siehe auch oben Teil 3 D I 2; Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn,
S. 403, S. 418; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1396f.
3083 Looschelders, S. 327; siehe zu diesem Ansatz auch oben Teil 3 D III 1 b).
385
illustriert.3084 Es geht bei der Anpassung gerade um die Beachtung der dem Gesamtgefüge einer Rechtsordnung innewohnenden Wertungen.3085
Mithin sieht sich die Auffassung von Triebel und Silny3086 dem Vorwurf eines
Zirkelschlusses ausgesetzt. Denn die Anpassung soll gerade dem Problem begegnen,
dass bei der Kategorisierung in Rechtsgebiete, wie z. B. Gesellschafts- und Deliktsrecht, die sich zu einer dem jeweiligen Rechtssystem als solchem innewohnenden
gesamtheitlichen Wertung zusammenfügen, aufgrund der Aufspaltung durch die
kollisionsrechtliche Verweisung der Zusammenhang zwischen den Kategorien
sinnwidrig aufgehoben wird.3087
Beispielhaft sei auf den Lehrbuchfall der unversorgten Witwe verwiesen: Land A
gewährt einen erbrechtlichen, nicht jedoch einen güterrechtlichen Ausgleich, während Land B einen güterrechtlichen, aber keinen erbrechtlichen Ausgleich gewährt.3088 Nach Ansicht von Triebel und Silny3089 wäre hier auf die Wertungen innerhalb der nationalen Kategorien des Erb- bzw. Güterrechts zu verweisen. Die
Witwe bliebe unversorgt.
Dabei wird verkannt, dass gerade diese Aufspaltung bzw. das daraus resultierende
kollisionsrechtliche dépeçage erst den Ansatzpunkt für die Anpassung bildet3090. Die
systemimmanente Kohärenz soll gewahrt bleiben, indem die Beachtung der einer
Rechtsordnung als Ganzes zu entnehmenden Wertung sichergestellt wird.3091 Dies
verkennen Triebel und Silny, was zusätzlich dadurch belegt wird, dass sich das von
dieser Auffassung anhand der Vereinbarung einer Vertragsstrafe gebildete Beispiel
ausschließlich auf die Kategorie des Vertragsrechts bezieht3092.
Folglich ist die Ansicht von Triebel und Silny3093 abzulehnen. Für die vorliegende
Anpassungsproblematik, welche sich auf die Aufspaltung in englisches und deutsches Recht bezieht, erweisen sich die Argumente gegen das Bestehen einer Anpassungslage nicht als stichhaltig.
3084 Siehe unten Teil 3 D VII 2.
3085 Siehe unten Teil 3 D VII 2; siehe auch oben Teil 3 D I 1, 2; Henssler/Mansel, Festschr. f.
Horn, S. 403, S. 418; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1396f.
3086 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034, 1036.
3087 Siehe unten Teil 3 D VII 2, siehe auch oben Teil 3 D I 2; Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn,
S. 403, S. 418; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1396f.
3088 Siehe oben Teil 3 D I 1.
3089 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034, 1036.
3090 Siehe oben Teil 3 D I.
3091 Siehe unten Teil 3 D VII 2; siehe auch oben Teil 3 D I; Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn,
S. 403, S. 418; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1396f.
3092 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034, 1036.
3093 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034, 1036.
386
4. Ergebnis
Insgesamt sind bisher zwei diametral entgegen gesetzte Lösungsvorschläge in der
Literatur entwickelt worden. Auf der einen Seite bejahen Henssler und Mansel eine
Anpassungslage.3094 Auf der anderen Seite lehnen Schnittker3095 und Bank3096 sowie
Triebel und Silny3097 das Vorliegen eines Normenmangels generell ab. Die von
Schnittker3098 und Bank3099 sowie von Triebel und Silny3100 gegen das Bestehen einer
Anpassungslage vorgebrachten Gründe3101 sind jedoch nicht stichhaltig. Daher ist im
Folgenden detailliert zu prüfen, ob dem Ansatz von Henssler und Mansel3102 zuzustimmen oder ob eine Anpassungslage abzulehnen ist.
V. Prüfung der Anpassungslage anhand des traditionellen Ansatzes
1. Einführung
Aufgrund der gesellschafts- und deliktsrechtlichen Verweisungen entsteht durch den
Wegfall der persönlichen Haftung des Gesellschafters der LLP eine Haftungslücke.3103 Dies könnte einen als Sollenswiderspruch3104 einzuordnenden Normenmangel darstellen. Daher ist zu prüfen, ob das vorläufige Ergebnis der Intention
einer oder beider beteiligten Rechtsordnungen widerspricht.3105 Mithin ist das vorläufige Ergebnis mit dem Ergebnis der englischen und der deutschen Rechtsordnung
bei reinen Inlandsfällen zu vergleichen.
2. Inlandsfall nach englischem Recht
In der englischen Rechtsordnung würde ein reiner Inlandsfall vorliegen, wenn ein
LLP-Gesellschafter in England für eine englische Rechtsanwalts-LLP auftreten
würde und im Rahmen der Rechtsberatung eines englischen Mandanten ein fahrläs-
3094 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 417ff.; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393,
1396.
3095 Schnittker, S. 117ff.; Schnittker/Bank, Rdnr. 193f.
3096 Schnittker/Bank, Rdnr. 193f.
3097 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034.
3098 Schnittker, S. 117ff.; Schnittker/Bank, Rdnr. 193f.
3099 Schnittker/Bank, Rdnr. 193f.
3100 Triebel/Silny, NJW 2008, 1034.
3101 Schnittker, S. 117ff.; Triebel/Silny, NJW 2008, 1034, 1035f.
3102 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 413ff.; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393,
1396.
3103 Siehe oben Teil 3 C VIII.
3104 Zur Abgrenzung von Seins- und Sollenswiderspruch siehe Kegel/Schurig, § 8 II.
3105 Kegel/Schurig, § 8 II.
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References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.