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so dass die deliktische Berufshaftung wegen professional negligence nicht unter
diese Regelung fällt.
Auch wurde oben3477 dargelegt, dass die Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts
für die Haftung wegen der Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten3478 nicht den
Übergang zur gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der professional negligence
beinhaltet. Zum einen wird ausdrücklich offen gelassen, ob die deliktische Haftung
wegen Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten dem Gesellschaftsstatut untersteht.3479 Zum anderen wird der Begriff der gesellschaftsrechtlichen Pflicht nicht
völlig neu definiert. Gesellschaftsrechtliche Pflichten sollen sich nach dem Referentenentwurf aus dem Gesellschaftsvertrag oder aus gesellschaftsrechtlichen Gesetzen
ableiten lassen und treffen die Mitglieder einer Gesellschaft.3480 Folglich wird eine
berufsbedingte deliktische Haftung des Gesellschafters nicht erfasst.3481
Insgesamt kommt es durch diesen Entwurf nicht zu einer Öffnung des Gesellschaftsstatuts unter Einbeziehung der professional liability. Im Ergebnis wirkt sich
die geplante Gesetzesänderung nicht auf die den Gegenstand dieser Arbeit bildende
Problemstellung aus.
II. Ausweichklausel
Ferner kommt eine Abänderung der in Art. 41 EGBGB vorgesehenen Ausweichklausel in Betracht. Diese Vorschrift gewährt im internationalen Deliktsrecht die
Möglichkeit, auf die Anknüpfung an das Recht eines anderen Staates, zu dem eine
wesentlich engere Verbindung besteht, auszuweichen.
1. Akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut
a) Grundlegung
Eine Lösungsalternative besteht darin, die Reichweite der im internationalen
Deliktsrecht eingeräumten Möglichkeit einer akzessorischen Anknüpfung an das
Gesellschaftsstatut nach Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB3482 auszuweiten, um z. B. die
professional negligence zur Anwendung zu bringen. Prinzipiell führt die originär
gesellschaftsrechtliche Qualifikation zur Geltung des Gesellschaftsstatuts. Daneben
sieht das internationale Deliktsrecht die Möglichkeit einer akzessorischen Anknüpfung des Deliktsstatuts an das Gesellschaftsstatut vor. De lege lata kommt eine
3477 Siehe oben Teil 3 C II 4.
3478 Ref-E IntGesR, Nr. 5 (Art. 10 Abs. 2 Nr. 8 EGBGB-E), S. 3.
3479 Ref-E IntGesR, Zu Art. 10 Abs. 2 Nr. 8, S. 12.
3480 Ref-E IntGesR, Zu Art. 10 Abs. 2 Nr. 8, S. 12.
3481 Siehe auch die bisherigen Ansätze oben Teil 3 C II 2, 6 u. Teil 3 C IV 2 c) cc).
3482 Siehe oben Teil 3 C IV 2 c) cc).
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akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut in Betracht, wenn eine gläubigerschützende gesellschaftsrechtliche Pflicht verletzt wurde.3483 Jedoch wurde eine
solche Pflicht vorliegend nicht verletzt.3484
Um eine akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut im Falle der deliktischen Berufshaftung des Gesellschafters zu erreichen, würde es genügen, die Beschränkung der akzessorischen Anknüpfung durch das Erfordernis der Verletzung
einer gesellschaftsrechtlichen Pflicht im Innenverhältnis wegfallen zu lassen. Zur
Erreichung einer gewissen Eingrenzung dieser akzessorischen Anknüpfung empfiehlt es sich dabei, ihre Durchführung davon abhängig zu machen, dass es um eine
berufsbedingte Haftung aus unerlaubter Handlung geht und die Haftung auf die
Berufsausübung des Gesellschafters für die Gesellschaft zurückzuführen ist.
b) Möglichkeit der gesellschaftsakzessorischen Anknüpfung
Für eine gesellschaftsakzessorische Anknüpfung der berufsbedingten deliktsrechtlichen Haftung des Gesellschafters könnten die oben3485 in Bezug auf eine originär
gesellschaftsrechtliche Qualifikation dargelegten Argumente vorgebracht werden.
Schließlich erfolgt die Beratung des Mandanten durch den Gesellschafter für die
Berufsausübungsgesellschaft zur Verwirklichung des Gesellschaftszweckes und es
geht um die Haftung für berufliche Fehler gegenüber dem Mandanten im Rahmen
dieser Tätigkeit. Folglich besteht ein sachlicher Zusammenhang mit dem Tätigwerden als Gesellschafter für die Gesellschaft. Zusätzlich könnte die besondere Konstellation des Bestehens einer Berufsausübungsgesellschaft eine gesellschaftsakzessorische Anknüpfung der berufsbedingten Haftung rechtfertigen.
Gegen eine Ausweitung der akzessorischen Anknüpfung unabhängig von der
Verletzung einer gesellschaftsrechtlichen Pflicht im Innenverhältnis spricht jedoch,
dass die akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut dazu führen würde,
dass insoweit für die deliktische Haftung ausschließlich das Recht des Gründungsstaates maßgeblich wäre. Schließlich reist bei der akzessorischen Anknüpfung des
Deliktsstatuts an ein anderes Statut das akzessorisch angeknüpfte Statut gleichsam
als blinder Passagier 3486 mit.3487
Doch spricht der Umstand, dass der Verkehrsschutz durch die allgemeine Berufshaftung verwirklicht werden soll, für eine Gewährleistung der Berücksichtigung der
Verkehrsinteressen. Den Verkehrsinteressen wird durch die Anknüpfung von unerlaubten Handlungen an das Recht des Tatortes nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB Rechnung getragen.3488
3483 Siehe oben Teil 3 C IV 2 c) cc).
3484 Siehe oben Teil 3 C IV 2 c) cc).
3485 Siehe oben Teil 4 B I 1 d).
3486 Schurig, Festschr. f. Heldrich, S. 1021.
3487 Schurig, Festschr. f. Heldrich, S. 1021.
3488 Kegel/Schurig, § 2 II 2).
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Zudem bestehen auch bei akzessorischer Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut
die oben3489 geäußerten Bedenken gegen eine Eignung als allgemeine Kollisionsnorm. Das oben3490 gebildete Beispiel ist auch bei ausgeweiteter akzessorischer
Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut problematisch. Denn wenn angenommen
wird, dass in England tätige englische solicitors eine Auslandsgesellschaft mit englischem Verwaltungssitz gründen, wäre im Falle der Ausweitung der akzessorischen
Anknüpfung das Recht des Staates, nach dem die Gesellschaft gegründet wurde,
ausschließlich maßgeblich für die berufsbedingte deliktische Haftung der Gesellschafter.
Mithin wäre nicht nach der Tatortregel des Art. 40 Abs. 1 EGBGB das englische
Deliktsrecht, sondern nach Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB das Deliktsrecht des Gründungsstaates anwendbar. Es ist kaum sachgerecht, dass sich der englische solicitor
basierend auf einer solchen Kollisionsregel generell der englischen Berufshaftung
durch Gründung einer Auslandsgesellschaft entziehen kann.3491
c) Ergebnis
Im Ergebnis ist die erörterte Ausweitung der akzessorischen Anknüpfung an das
Gesellschaftsstatut unabhängig von der Verletzung einer gläubigerschützenden gesellschaftsrechtlichen Pflicht abzulehnen.
2. Sonstige Ausweitung der Ausweichklausel
Schließlich kommt ein Bruch mit den hergebrachten Grundsätzen der akzessorischen Anknüpfung in Betracht, indem der Wortlaut des Art. 41 Abs. 1 EGBGB
ausgeschöpft wird. Schließlich genügt es nach dieser Vorschrift, zu belegen, dass
der Sachverhalt eine wesentlich engere Beziehung zu dem Recht eines anderen Staates aufweist als zu dem nach Art. 40 EGBGB anwendbaren Recht.
Vorliegend könnte der Umstand, dass der Gesellschafter für eine Berufsaus-
übungsgesellschaft seinen freien Beruf ausübt, einen starken Bezug zum Gesellschaftsstatut begründen. Eine wesentlich engere Verbindung wäre somit lediglich im
Verhältnis zum Gesellschaftsstatut in Erwägung zu ziehen. Folglich wird keine
zusätzliche Anknüpfungsvariante bzw. Anknüpfung an das Recht eines anderen
Staates eröffnet. Die erweiterte akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut ist vorstehend3492 bereits ausführlich erörtert und abgelehnt worden. Insgesamt
sind daher keine weiteren Ausführungen zur möglichen Heranziehung von Art. 41
Abs. 1 EGBGB geboten.
3489 Siehe oben Teil 4 B I 1 f).
3490 Siehe oben Teil 4 B I 1 f).
3491 Siehe oben Teil 4 B I 1 f).
3492 Siehe oben Teil 4 B II 1.
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3. Ergebnis
Insgesamt stellt die Ausweitung der Ausweichklausel des Art. 41 EGBGB keine
Lösungsalternative dar.
III. Alternative Anknüpfung
1. Grundlegung
Zusätzlich besteht die Möglichkeit, im Falle von berufsbedingten Rechtsinstituten
der Haftung aus unerlaubter Handlung eine spezielle Kollisionsnorm zu formulieren.
Es könnte eine Kollisionsnorm erwogen werden, die für die berufsbedingte deliktsrechtliche Haftung eine alternative Anknüpfung an das nach den allgemeinen Regeln
des internationalen Deliktsrechts anwendbare Recht oder an das Recht des Gründungsstaates vorsieht.
2. Theoretische Grundlagen der alternativen Anknüpfung
Die kollisionsrechtliche Interessenabwägung begründet nur selten den Zwang zu
einer bestimmten Anknüpfung.3493 Oftmals bestehen in vergleichbarer Weise Bezüge zu zwei Rechtsordnungen, so dass keine der beiden Anknüpfungen zwingend
erscheint.3494 Dann kann das Ordnungsinteresse an einer einheitlichen Regelung den
Impuls zur Wahl einer bestimmten Anknüpfung geben.3495 Andernfalls stehen mindestens zwei gleichwertige Anknüpfungen zur Auswahl und es kommt zu so genannten Mehrfachanknüpfungen.3496
In diesem Fall besteht die Möglichkeit der alternativen Anknüpfung, bei der es
ausreicht, wenn nur ein Recht eine entsprechende Rechtsfolge vorsieht.3497 Folglich
dient die alternative Anknüpfung der Realisierung eines Günstigkeitsprinzips, welches zur Anwendung des Sachrechts führt, das die günstigsten Rechtsfolgen enthält.3498 Beispielsweise ist aufgrund der alternativen Anknüpfung in Art. 11 EGBGB
ein Rechtsgeschäft formgültig, wenn es entweder die Formvorschriften des Ge-
3493 Kegel/Schurig, § 6 IV.
3494 Kropholler, § 20 I; Kegel/Schurig, § 6 IV; MünchKomm/Sonnenberger, Einl. IPR Rdnr. 117.
3495 Kegel/Schurig, § 6 IV.
3496 Kegel/Schurig, § 6 IV.
3497 Kegel/Schurig, § 6 IV.
3498 v. Hoffmann/Thorn, § 5 Rdnr. 117; Kropholler, § 20 II 1); v. Bar/Mankowski, § 7 Rdnr. 103;
Looschelders, Vorb. zu Art. 3-6 EGBGB Rdnr. 21f.; Looschelders, IPRax 1999, 420; Palandt/Heldrich, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rdnr. 21; Erman/Hohloch, Einl. Art. 3 EGBGB Rdnr.
29; Staudinger/Sturm/Sturm, Einl. zum IPR Rdnr. 148ff.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.