290
wie eine Korrektur dieses Ergebnisses de lege lata möglich und zulässig ist. Insbesondere wird auf die Methode der Anpassung eingegangen, die eine angemessene
Reaktion auf Wertungswidersprüche gestattet.2326
B. Materiellrechtliche Ausgangslage
I. Anwaltshaftung in der Partnerschaft nach deutschem Recht
1. Vertragliche Haftung
Im Allgemeinen beauftragt der Mandant die Partnerschaft mit der Wahrnehmung
seiner Rechtsangelegenheit. Daher haftet die Gesellschaft als Vertragspartner im
Falle von Berufsfehlern für die Verletzung der vertraglichen Pflichten durch die
Partner.2327 Bei Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung besteht ein Schadensersatzanspruch.2328 Die Zurechnung des Verhaltens eines Partners erfolgt analog
§ 31 BGB.2329 Demgegenüber haftet der Rechtsanwalt für die Konsequenzen seines
beruflichen Fehlers nicht persönlich. Insbesondere bildet die besondere Sachkunde
kein Indiz für das Zustandekommen eines stillschweigenden Auskunftsvertrages mit
dem Vertreter.2330 Dies gilt umso mehr, als die Beratung des Mandanten durch den
Gesellschafter als Rechtsanwalt gerade den Gegenstand des Anwaltsvertrages mit
der LLP bildet. Im Ergebnis besteht keine vertragliche Anwaltshaftung des Partners.
2. Eigenhaftung des Stellvertreters
a) Grundlagen
Als Gesellschafter vertreten die Rechtsanwälte die Partnerschaft bei Vertragsschluss.2331 Daher käme eine Haftung nach den Grundsätzen der sog. Eigenhaftung
des Stellvertreters bzw. des Sachwalters in Betracht. Diese Eigenhaftung ist eine
Spielart der Verschuldenshaftung aus culpa in contrahendo (c. i. c.), die gewohnheitsrechtlich seit langer Zeit anerkannt ist2332 und in den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3
BGB gesetzlich verankert wurde. Die Eigenhaftung des Vertreters aus c. i. c. ist
2326 Siehe unten Teil 3 C, D.
2327 Henssler/Prütting/Henssler, § 8 PartGG Rdnr. 3.
2328 Vgl. Rinsche/Fahrendorff/Terbille/Terbille, Rdnr. 877ff.
2329 Henssler/Prütting/Henssler, § 8 PartGG Rdnr. 3; M/GvW/H/L/W/Graf von Westphalen, § 8
PartGG Rdnr. 8.
2330 BGH, Urt. v. 13.12.2005 KZR 12/04, NJW-RR 2006, 993f.
2331 § 7 Abs. 3 PartGG i. V. m. §§ 125, 126 HGB.
2332 Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rdnr. 11, 60.
291
mittlerweile zu einer allgemeinen Sachwalterhaftung ausgeweitet worden.2333 Auch
nach der Kodifizierung der c. i. c. ist an den von der Rechtsprechung entwickelten
Anforderungen festzuhalten.2334 Eine Eigenhaftung des Stellvertreters kommt nur in
Einzelfällen bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht.2335
Folglich wird die Eigenhaftung durch ihren Ausnahmecharakter charakterisiert.2336 Zum einen haftet der Vertreter persönlich, wenn er ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Vertragsschluss hat, zum anderen, wenn er ein
besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat.2337 Die Rechtsprechung lässt nur zurückhaltend die Haftung aus c. i. c. zu.2338 Es werden hohe Anforderungen an die Begründung einer Eigenhaftung gestellt.2339
b) Unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse
Für den Anwalt als Gesellschafter könnte das Interesse an dem für die Partnerschaft
zu erzielenden Anwaltshonorar möglicherweise als ein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse am Vertragsschluss anzusehen sein. Voraussetzung für eine
Eigenhaftung ist jedoch, dass der Vertreter gleichsam in eigener Sache tätig wird2340
beziehungsweise, dass er als wirtschaftlicher Herr des Geschäfts anzusehen
ist 2341.2342 Daher kann das allgemeine, mittelbare Interesse der Gesellschafter am
wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft, welches auf ihren Geschäftsanteilen bzw.
ihrer Gewinnbeteiligung basiert, keine Haftungsgrundlage bilden.2343 Der Partner
2333 Henssler/Streck/Henssler, E, Rdnr. 168.
2334 Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rdnr. 60.
2335 BGH, Urt. v. 4.7.1983 II ZR 220/82, BGHZ 88, 67, 68f.; BGH, Urt. v. 11.7.1988 II ZR
232/87, NJW 1989, 293, 294 (Sachwalter); BGH, Urt. v. 17.5.1990 IX ZR 85/89, NJW
1991, 32, 33; BGH, Urt. v. 1.7.1991 II ZR 180/90, NJW-RR 1991, 1312, 1313.
2336 BGH, Urt. v. 4.7.1983 II ZR 220/82, BGHZ 88, 67, 68; BGH, Urt. v. 11.7.1988 II ZR
232/87, NJW 1989, 293, 294 (Sachwalter); BGH, Urt. v. 17.5.1990 IX ZR 85/89, NJW
1991, 32, 33; BGH, Urt. v. 17.6.1991 II ZR 171/90, NJW-RR 1991, 1241, 1242.
2337 BGH, Urt. v. 5.4.1971 VII ZR 163/69, BGHZ 56, 81, 83 (Sachwalter); BGH, Urt. v.
9.10.1986 II ZR 241/85, IPRax 1988, 27, 29; BGH, Urt. v. 20.3.1987 V ZR 27/86, NJW
1987, 2511, 2512; BGH, Urt. v. 17.6.1991 II ZR 171/90, NJW-RR 1991, 1241, 1242; BGH,
Urt. v. 1.7.1991 II ZR 180/90, NJW-RR 1991, 1312, 1313; BGH, Urt. v. 13.2.1992 III ZR
28/90, NJW 1992, 2080, 2083; BGH, Urt. v. 13.12.2005 KZR 12/04, NJW-RR 2006, 993;
Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rdnr. 60ff.
2338 BGH, Urt. v. 17.6.1991 II ZR 171/90, NJW-RR 1991, 1241, 1242.
2339 BGH, Urt. v. 17.5.1990 IX ZR 85/89, NJW 1991, 32, 33.
2340 BGH, Urt. v. 9.10.1986 II ZR 241/85, IPRax 1988, 27, 29; BGH, Urt. v. 17.6.1991 II ZR
171/90, NJW-RR 1991, 1241, 1242.
2341 BGH, Urt. v. 17.6.1991 II ZR 171/90, NJW-RR 1991, 1241, 1242.
2342 BGH, Urt. v. 17.6.1991 II ZR 171/90, NJW-RR 1991, 1241, 1242.
2343 BGH, Urt. v. 1.7.1991 II ZR 180/90, NJW-RR 1991, 1312, 1313; BGH, Urt. v. 6.6.1994 II
ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 184f.; OLG Köln, Urt. v. 13.4.2006 7 U 31/05, ZIP 2007, 28,
29f. (nicht rechtskräftig, Nichtzulassungsbeschwerde anhängig beim BGH unter dem Akten-
292
vertritt die Interessen der Partnerschaft, die den Verdienst einstreicht. Eine Eigenhaftung wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses ist regelmäßig ausgeschlossen.
c) Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens
Die zweite Ausprägung der Eigenhaftung aus c. i. c. setzt nach der Rechtsprechung
voraus, dass der Vertreter in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch
genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflusst hat.2344 Dies ist zu
bejahen, wenn durch den Vertreter eine besondere, persönliche Gewähr übernommen wird2345, die über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgeht.2346 Bei Tätigwerden eines Rechtsanwalts reicht der bloße Umstand, dass eine besondere Sachkunde oder berufliches Wissen vorhanden sind, nicht aus, um eine Eigenhaftung aus
c. i. c. zu begründen.2347
Der Gesetzgeber hat bekräftigt, dass auch der Verweis auf die eigene Sachkunde
kein über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehendes, schutzwürdiges
Vertrauen hervorruft.2348 Dementsprechend ist die bloße Ausübung des Berufs des
Rechtsanwalts keine Haftungsgrundlage.2349 Nach der Rechtsprechung findet die
Hypothese, dass ein Rechtsanwalt aufgrund seiner Berufsausübung eine Vertrauensperson sei, die eine allgemeine Einstandspflicht treffe, im geltenden Recht keine
Stütze.2350
zeichen II ZR 148/06); Haas, WM 2006, 1417, 1422; Palandt/Grüneberg, § 311 BGB
Rdnr. 61 und 65.
2344 BGH, Urt. v. 4.7.1983 II ZR 220/82, BGHZ 88, 67, 69; BGH, Urt. v. 17.5.1990 IX ZR
85/89, NJW 1991, 32, 33; LG Offenburg, Urt. v. 19.9.2002 3 O 147/02, NZM 2003, 734,
735; Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rdnr. 63.
2345 BGH, Urt. v. 4.7.1983 II ZR 220/82, BGHZ 88, 67, 69; BGH, Urt. v. 11.7.1988 II ZR
232/87, NJW 1989, 293, 294 (Sachwalter); BGH, Urt. v. 17.5.1990 IX ZR 85/89, NJW
1991, 32, 33; BGH, Urt. v. 17.6.1991 II ZR 171/90, NJW-RR 1991, 1241, 1242; BGH, Urt.
v. 13.2.1992 III ZR 28/90, NJW 1992, 2080, 2083; LG Offenburg, Urt. v. 19.9.2002 3 O
147/02, NZM 2003, 734, 735.
2346 BGH, Urt. v. 5.4.1971 VII ZR 163/69, BGHZ 56, 81, 85 (Sachwalter); BGH, Urt. v.
17.5.1990 IX ZR 85/89, NJW 1991, 32, 33; BGH, Urt. v. 17.6.1991 II ZR 171/90, NJW-
RR 1991, 1241, 1242; BGH, Urt. v. 1.7.1991 II ZR 180/90, NJW-RR 1991, 1312, 1313f.;
OLG Koblenz, Urt. v. 27.2.2003 5 U 917/02, ZIP 2003, 571, 573.
2347 BGH, Urt. v. 4.7.1983 II ZR 220/82, BGHZ 88, 67, 69f.; BGH, Urt. v. 17.5.1990 IX ZR
85/89, NJW 1991, 32, 33; BGH, Urt. v. 17.6.1991 II ZR 171/90, NJW-RR 1991, 1241,
1242; BGH, Urt. v. 13.2.1992 III ZR 28/90, NJW 1992, 2080, 2083; LG Offenburg, Urt. v.
19.9.2002 3 O 147/02, NZM 2003, 734, 735.
2348 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6040, S. 163:
Das besondere Vertrauen muss über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehen
(BGH, NJW-RR 1991, 1242). Dafür genügt es nicht, wenn jemand auf eigene Sachkunde verweist oder der Wortführer ist. ; siehe auch LG Offenburg, Urt. v. 19.9.2002 3 O 147/02,
NZM 2003, 734, 735.
2349 BGH, Urt. v. 11.7.1988 II ZR 232/87, NJW 1989, 293, 294 (Sachwalter); BGH, Urt. v.
17.5.1990 IX ZR 85/89, NJW 1991, 32, 33.
2350 Ähnlich BGH, Urt. v. 11.7.1988 II ZR 232/87, NJW 1989, 293, 294.
293
Folglich nimmt der Rechtsanwalt, der als Gesellschafter in organschaftlicher Vertretung für die Gesellschaft auftritt, kein besonderes Vertrauen in Anspruch. Allein
der Umstand, dass der Beruf des Rechtsanwalts ausgeübt wird, signalisiert nicht,
dass eine zusätzliche Gewähr für die ordnungsgemäße Mandatsbearbeitung neben
der Gesellschaft übernommen wird. Der Partner tritt als Vertreter auf und nimmt nur
das normale Verhandlungsvertrauen in Anspruch. Somit bietet die berufliche Stellung als solche nach der Rechtsprechung keinen Anhaltspunkt für eine Haftung aus
c. i. c. wegen Inanspruchnahme besonderen Vertrauens.
d) Ergebnis
Nach der Rechtsprechung2351 ist eine Eigenhaftung des Rechtsanwalts kraft beruflicher Stellung als Vertreter aus c. i. c. wegen Inanspruchnahme besonderen Vertrauens abzulehnen. Auch eine Haftung wegen unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses ist ausgeschlossen.
3. Deliktische Haftung
Die Partnerschaft haftet für deliktische Handlungen der Partner analog § 31
BGB.2352 Jedoch scheidet eine deliktische Haftung des Handelnden gemäß § 823
Abs. 1 BGB bei fahrlässigen Beratungsfehlern, die zu bloßen Vermögensschäden
führen, aus.2353 Traditionell ist der reine Vermögensschaden nicht generell auf deliktischer Basis ersatzfähig und wäre nur bei Eingreifen von besonderen Haftungsnormen, z. B. §§ 823 Abs. 2, 826 BGB, zu ersetzen.2354 Insgesamt existiert keine allgemeine deliktische Grundlage für den Ersatz des Vermögensschadens im Sinne einer
Anwaltshaftung für fahrlässige Berufsfehler.2355
2351 Zur in der Literatur vertretenen Berufshaftung, die auch auf die c. i. c. gestützt werden kann,
siehe unten Teil 3 B I 5.
2352 Henssler, Festschr. f. Vieregge, 1995, S. 361, S. 362f.; Henssler/Prütting/Henssler, § 8
PartGG Rdnr. 4.
2353 Henssler, Festschr. f. Vieregge, S. 361, S. 363; Henssler/Prütting/Henssler, § 8 PartGG
Rdnr. 6.
2354 BGH, Urt. v. 4.2.1964 VI ZR 25/63, BGHZ 41, 123, 127; Palandt/Sprau, § 823 BGB
Rdnr. 11.
2355 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 413, S. 416.
294
4. Gesellschaftsrechtliche Haftung
Grundsätzlich tritt neben die Haftung der Gesellschaft die persönliche, akzessorische
Haftung aller Partner für Gesellschaftsschulden gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 PartGG.2356
Im Falle von Berufsfehlern erfolgt eine Haftungskonzentration auf den Handelnden
gemäß § 8 Abs. 2 PartGG. Mithin ist in § 8 Abs. 2 PartGG ein völlig neues Haftungsmodell der institutionelle[n] Handelndenhaftung 2357 enthalten.2358 Für den
Mandanten bietet die Handelndenhaftung auf gesellschaftsrechtlicher Basis, die
neben der vertraglichen Haftung der Partnerschaft besteht, einen zusätzlichen Schutz
gegenüber dem beratenden Rechtsanwalt. Gleichzeitig werden dem Mandanten die
übrigen Partner als Haftungsträger entzogen.
5. Berufshaftung
Fraglich ist, ob für den Rechtsanwalt nicht bereits aufgrund seiner beruflichen Stellung eine allgemeine Berufshaftung existiert. Im deutschen Rechtsraum wird von
der Literatur teilweise die Entwicklung einer Berufshaftung des Rechtsanwalts neben Vertrag und Delikt propagiert.2359 Dabei wird mit unterschiedlicher Begründung2360 die Ausübung eines bestimmten Berufes als Grundlage einer Berufshaftung
interpretiert.2361 Diese Haftung aufgrund beruflicher Position geht im Kern auf Erwägungen des Vertrauensschutzes2362 zurück.2363
Vorrangig wird das Bestehen einer Berufshaftung in Bezug auf die Haftung gegenüber Dritten, zu denen keine vertragliche Beziehung besteht, diskutiert.2364 Gegen eine aus der beruflichen Stellung resultierende Haftung gegenüber vertragsfremden Dritten spricht jedoch, dass eine im Gesetz nicht vorgesehene2365 Berufshaftung keine ausreichende Rechtssicherheit gewährleisten würde, weil Tatbestand
und Schranken der Haftung nicht klar umrissen wären.2366 Auch wäre der Kreis der
Dritten, gegenüber denen der Rechtsanwalt haftet, kaum einzugrenzen.2367 Somit ist
eine Dritthaftung kraft beruflicher Stellung abzulehnen.2368
2356 Schmidt, NJW 1995, 1, 5; Henssler/Prütting/Henssler § 8 PartGG Rdnr. 3, 8f.
2357 Michalski/Römermann, § 8 PartGG Rdnr. 12.
2358 Michalski/Römermann, § 8 PartGG Rdnr. 12.
2359 Hopt, AcP 183 (1983), S. 608; zu den verschiedenen Ansätzen siehe Hirte, S. 386ff.
2360 Zu den verschiedenen Ansätzen siehe Hirte, S. 386ff.
2361 Siehe Hopt, AcP 183 (1983), S. 608; Damm, JZ 1991, 373ff.; Köndgen, S. 210ff.
2362 Zur Vertrauenshaftung siehe Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971;
Canaris, Festschr. f. Larenz, S. 27, S. 84ff. S. 93ff.
2363 Siehe eingehend: Jawansky, DB 2001, 2281, 2283; Lindenberg, S. 110f.
2364 Siehe beispielsweise die im Ergebnis ablehnende Diskussion von: Lindenberg, S. 101ff.
2365 BGH, Urt. v. 11.7.1988 II ZR 232/87, NJW 1989, 293, 294.
2366 Lindenberg, S. 111.
2367 Stahl, S. 62.
2368 Siehe Lindenberg, S. 111 m. w. N.
295
Fraglich ist, ob eine Berufshaftung in jenen Fällen zu bejahen wäre, in denen die
Zwischenschaltung einer Gesellschaft zum Ausschluss der vertraglichen Bindung
zwischen dem einzelnen Rechtsanwalt und dem Mandanten führt. Schließlich ist der
Rechtsuchende weiterhin ein Mandant der Gesellschaft, in welcher der Rechtsanwalt
als Gesellschafter rechtsberatend tätig ist. Auch wird die Überzeugungskraft der
herkömmlichen Kritik an der Dritthaftung, mithin dass der Kreis der Dritten, gegen-
über denen der Rechtsanwalt haftet, kaum abgrenzbar ist2369, abgeschwächt. Zudem
ist bei einem Anwalt, der den Mandanten seiner Gesellschaft berät, absehbar, wer
als Schadensersatzberechtigter in Frage kommt.
Beispielsweise könnte bei der Partnerschaft die Möglichkeit erwogen werden, die
Eigenhaftung des Stellvertreters aus c. i. c. wegen Inanspruchnahme besonderen
Vertrauens bei Ausübung des Anwaltsberufs zur Regel zu erheben.2370 Die Aus-
übung des Anwaltsberufes würde, entgegen der ständigen, gefestigten Rechtsprechung des BGH2371, schlichtweg mit der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens
gleichgesetzt.2372
Anhaltspunktpunkt für eine anwaltliche Berufshaftung in Deutschland könnte das
Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt bilden, welches durch
das Vertrauen des Mandanten in die Qualifikation und Sachkunde des Experten
charakterisiert wird2373. Daraus könnte sich die Annahme ergeben, dass die persönliche Haftung zum Berufsbild des Rechtsanwalts gehört.2374 Dann wäre die Akzeptanz
einer Anwaltsgesellschaft ohne persönliche Haftung des Anwalts kaum zu begründen. In gewisser Weise scheinen die ursprüngliche Gesetzeslage bei der Partnerschaft, welche lediglich die vertragliche Haftungskonzentration auf den Handelnden
gestattete, sowie die gesetzgeberische Anordnung der Handelndenhaftung in
§ 8 PartGG diese Hypothese zu bestätigen.
Schließlich ist in der klassischen Sozietät die persönliche Haftung der Gesellschafter gewährleistet2375 und die Partnerschaft, welche als erste alternative Gesellschaftsform den Rechtsanwälten zur Verfügung gestellt und vom anwaltlichen Berufsrecht zugelassen wurde, ging zunächst lediglich mit der Möglichkeit einer mit
dem Mandanten zu vereinbarenden Haftungsbeschränkung auf den handelnden Gesellschafter einher. Auch nach aktueller Rechtslage ist für die Partnerschaft lediglich
2369 Stahl, S. 62.
2370 Dietlmeier, ZIP 1996, 1800, 1808; ähnlich Wellensiek, Festschr. f. Brandner, S. 727, S. 748;
ablehnend BGH, Urt. v. 11.7.1988 II ZR 232/87, NJW 1989, 293, 294; siehe zu dieser Problematik auch Bank, S. 381ff.
2371 Siehe oben Teil 3 B I 2; ablehnend BGH, Urt. v. 11.7.1988 II ZR 232/87, NJW 1989, 293,
294.
2372 Dietlmeier, ZIP 1996, 1800, 1808.
2373 Das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt ist allgemein anerkannt, s. Prohaska, S. 131f. m. w. N.
2374 Bösert, DStR 1993, 1332, 1333.
2375 Siehe zur Sozietät als Vertragspartner und zur akzessorischen Gesellschafterhaftung der
Rechtsanwälte Schmidt, NJW 2005, 2801, 2805f.
296
eine gesetzliche Haftungskonzentration auf den verantwortlichen Gesellschafter in
§ 8 Abs. 2 PartGG vorgesehen.
Zudem hat der Gesetzgeber ausweislich des Gesetzesentwurfs vom 11. November
1993 die Partnerschaft speziell als Berufsausübungsgesellschaft für die freien Berufe
konzipiert und dargelegt, dass der Partner seinen Beruf eigenverantwortlich ausüben
und für sein berufliches Handeln grundsätzlich persönlich haften soll.2376 Allerdings
wurde gleichzeitig klargestellt, dass keine Festlegung auf diese Rechtsform beabsichtigt werde.2377
Zuvor war im Gesetzesentwurf zur Änderung der BRAO vom 19. Mai 1993 erläutert worden, dass im Zuge dieser Reform die GmbH nicht der Berufsausübung
zugänglich gemacht werde.2378 Dies wurde mit Zweifeln an der Eignung der Kapitalgesellschaft, den besonderen Anforderungen des Anwaltsberufs und insbesondere
dem Bestreben, dem Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant
Rechnung zu tragen, begründet.2379
Angesichts der im Übrigen gewährleisteten persönlichen Haftung des Einzelanwalts und des Rechtsanwalts als Gesellschafter bei Sozietät und Partnerschaft stellte
sich die Frage nach dem Bestehen einer allgemeinen Handelndenhaftung gegenüber
dem Mandanten erst mit erhöhter Brisanz, als es um die Zulässigkeit der Zwischenschaltung der GmbH ging. Schließlich beinhaltete die GmbH-Gründung das Potential, zur völligen Durchtrennung des Haftungsbandes zwischen Anwalt und Mandant
zu führen.
Vor diesem Hintergrund gewann die Gewährleistung der persönlichen Anwaltshaftung in der Diskussion um die Zulassung der Gründung einer GmbH durch
Rechtsanwälte besondere Bedeutung. Das BayObLG ließ als erstes Gericht die
GmbH zu.2380 Dabei ging das Gericht auf die Ablehnung der GmbH aufgrund des
Vertrauensverhältnisses zum Mandanten2381 ein und erachtete die gesetzgeberische
Vorgabe von Mindestnormen für die Zulassung der GmbH für notwendig2382. Der
Senat kam zu dem Schluss, dass die unbeschränkte persönliche Haftung nicht mehr
maßgebend für das Berufsbild des Rechtsanwalts sei.2383 Zutreffend wies das Gericht darauf hin, dass bereits das geltende Recht die Möglichkeit einer vertraglichen
Beschränkung der persönlichen Haftung in § 51 a BRAO vorsieht.2384
Der Referentenentwurf zur berufsrechtlichen Zulassung der Anwalts-GmbH sah
noch eine Handelndenhaftung der Geschäftsführer vor.2385 Zur Begründung wurde
2376 BT-Drucks. 12/6152, S. 7.
2377 BT-Drucks. 12/6152, S. 8.
2378 BT-Drucks. 12/4993, S. 23.
2379 BT-Drucks. 12/4993, S. 23.
2380 BayObLG, Beschl. v. 24.11.1994 3Z BR 115/94, ZIP 1994, 1868.
2381 BayObLG, Beschl. v. 24.11.1994 3Z BR 115/94, ZIP 1994, 1868.
2382 BayObLG, Beschl. v. 24.11.1994 3Z BR 115/94, ZIP 1994, 1868, 1871.
2383 BayObLG, Beschl. v. 24.11.1994 3Z BR 115/94, ZIP 1994, 1868, 1870.
2384 BayObLG, Beschl. v. 24.11.1994 3Z BR 115/94, ZIP 1994, 1868, 1871; vgl. auch BT-
Drucks. 13/9820, S. 12.
2385 ZIP 1997, 1518, 1522.
297
ausgeführt, dass die persönliche Haftung auch als Korrelat zu der besonderen
Vertrauensstellung des Rechtsanwalts zu sehen ist 2386.2387 Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurden gleichzeitig die Vorstellung, dass das Vertrauensverhältnis
zum Mandanten in einer Kapitalgesellschaft nicht verwirklicht werden könne2388 und
die Annahme, dass die persönliche Haftung zum Berufsbild des Anwalts gehöre2389,
aufgegeben.
Folglich wurde die GmbH als Berufsausübungsgesellschaft zugelassen und zusätzlichen berufsrechtlichen Anforderungen unterworfen, ohne eine gesellschaftsrechtliche Handelndenhaftung anzuordnen.2390 Somit wird das Vertrauensverhältnis
zwischen Anwalt und Mandant durch die BRAO, insbesondere die spezielle Erfassung in §§ 59 c ff. BRAO, ausreichend geschützt. Eine Haftungssanktion ist nicht
erforderlich. Die Ermöglichung des anwaltlichen Zugangs zur GmbH steht im Zeichen der Abwendung von der Idee einer omnipräsenten persönlichen Haftung.2391
Dies gilt auch für die Zulassung einer anwaltlichen Nutzung der AG durch den
BGH2392.
Daher kann der Schluss gezogen werden, dass zwischen Vertrauen und persönlicher Haftung keine Wechselwirkung bestehen muss.2393 Das Vertrauensverhältnis
muss nicht zwingend mit einer Sicherung durch eine persönliche Haftung einhergehen.2394 Dies wird durch die Einführung der Rechtsanwalts-GmbH unter Verzicht
auf eine gesellschaftsrechtliche Handelndenhaftung verdeutlicht.
Damit ist eine allgemeine Vertrauenshaftung kraft beruflicher Stellung als übergesetzliches Konzept nicht zu begründen. Der Grundsatz, dass eine persönliche
Freiberuflerhaftung bestehen müsse, ist zu Recht als überholtes und durch nichts
gerechtfertigtes Dogma 2395 kritisiert worden.2396 Nunmehr ist, wenn die mit der
Gründung einer GmbH verbundenen gesellschafts- und berufsrechtlichen Anforderungen bzw. Belastungen in Kauf genommen werden, eine Vermeidung der persönlichen Haftung durch Gesellschaftsgründung zulässig.
Zusammenfassend zeigt sich, dass bei Zwischenschaltung einer Gesellschaft,
welche zum Wegfall der vertraglichen Haftung des Einzelanwalts führt, nicht etwa
ein dahinterstehendes allgemeines, gesetzlich nicht verankertes Konzept der unausweichlichen anwaltlichen Berufshaftung erkennbar wird. Bei Interposition einer
Anwaltsgesellschaft entsteht das Vertragsverhältnis zwischen der Gesellschaft und
2386 ZIP 1997, 1518, 1522.
2387 ZIP 1997, 1518, 1521f.; siehe hierzu auch Henssler, ZIP 1997, 1481, 1487.
2388 BT-Drucks. 13/9820, S. 11.
2389 BT-Drucks. 13/9820, S. 12, S. 17; siehe auch Römermann, NZG 1998, 81, der von einem
antiquierten Berufsbild spricht.
2390 BT-Drucks. 13/9820, S. 12, S. 17; siehe §§ 59 c ff. BRAO.
2391 Jawansky, DB 2001, 2281, 2284.
2392 BGH, Urt. v. 10.1.2005 AnwZ (B) 27/03 u. 28/03, BGHZ 161, 376.
2393 Girotto, S. 156f.
2394 Girotto, S. 156f.
2395 Römermann, GmbHR 1997, 530, 534.
2396 Römermann, GmbHR 1997, 530, 534.
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dem Mandanten. Gleichzeitig entzieht sich der Anwalt dem Mandanten als Vertragspartner und wird stattdessen für die Gesellschaft gegenüber dem Mandanten
tätig. Wenn daneben ein allgemeiner, vom Vertrag losgelöster Grundsatz der Berufshaftung bestünde, wäre die Zulassung der GmbH aufgrund der damit einhergehenden Haftungsbeschränkung kaum in Frage gekommen.
Vielmehr ist es Aufgabe des Gesetzgebers, festzulegen, bei welchen Anwaltsgesellschaften eine zusätzliche Handelndenhaftung besteht. Aus der Vertrauensstellung
an sich folgt nicht zwingend, dass eine persönliche Haftung unter allen Umständen
bei Wegfall der Vertragsbindung infolge der Zwischenschaltung einer Gesellschaft
fortbestehen muss.2397 Daher konnte der Gesetzgeber bei der Normierung der berufsrechtlichen Anforderungen eine Interessenabwägung vornehmen und abwägen,
welche Voraussetzungen an die Gründung der Anwalts-GmbH zu knüpfen sind, um
den Mandanten zu schützen.2398 Mithin handelt es sich bei der persönlichen Haftung
nicht um eine Zielvorgabe, sondern um ein mögliches Mittel des Gesetzgebers,
bestimmte Ziele zu erreichen.
Auch bei der Partnerschaft war es Aufgabe des Gesetzgebers, abzuwägen, auf
welche Weise die Mandanteninteressen zu schützen sind. Naturgemäß hängt von der
gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung der Gesellschaft ab, inwieweit der Mandantenschutz zusätzlich berufsrechtlich zu gewährleisten ist. Die Anordnung einer Handelndenhaftung durch das Berufsrecht ist nicht zwingend, um dies zu erreichen.
Im Falle der Partnerschaft liegt eine gesellschaftsrechtliche Anordnung der Handelndenhaftung vor, welche aller Wahrscheinlichkeit nach zur nahezu bedingungslosen Akzeptanz dieser Gesellschaft durch das anwaltliche Berufsrecht2399 beigetragen
hat. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass daneben keine Berufshaftung der
Gesellschafter tritt.
Insgesamt ist, sofern keine ausdrückliche Anordnung durch das Gesellschaftsoder Berufsrecht erfolgt, keine Haftung kraft beruflicher Vertrauensstellung als
allgemeines, übergesetzliches Sicherungsnetz vorhanden. Unter dem Gesichtspunkt,
dass es nicht um die Haftung gegenüber einem außen stehenden Dritten, z. B. einem
Vertragspartner des eigenen Mandanten, sondern vielmehr gegenüber dem Mandanten der eigenen Gesellschaft geht, besteht kein Anlass zur Differenzierung. Mithin
gilt auch für die Partnerschaft, dass neben die gesellschaftsrechtliche Haftungsstruktur keine allgemeine, von der vertraglichen und deliktischen Systematik weitgehend
losgelöste und über diese konzeptionell hinausgehende allgemeine Berufshaftung
tritt.
In Bezug auf die Ausweitung der Eigenhaftung aus c. i. c. bestehen zusätzliche
Bedenken, weil diese Haftung ihren Ausnahmecharakter verlieren würde.2400 Die
Einführung einer allgemeinen Vertreterhaftung kraft Berufsstellung wäre in der Tat
eine kleine Sensation.
2397 BT-Drucks. 13/9820, S. 12, S. 17.
2398 BT-Drucks. 13/9820, S. 12, S. 17.
2399 Henssler/Prütting/Henssler, § 1 PartGG Rdnr. 25.
2400 Bank, S. 383.
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Ferner würde diese Haftungsfigur einem Elastizitätstest unterzogen. Die strukturelle Erweiterung dieser Eigenhaftung zur Berufshaftung setzt nicht nur regelmäßig
voraus, dass auch für nachvertragliche Pflichtverletzungen durch Berufsfehler bei
Mandatsbearbeitung die Grundsätze der c. i. c. gelten2401. Überdies wird das Kriterium der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens nicht anhand des Sachverhalts
geprüft, sondern mit der beruflichen Stellung gleichgesetzt. Auch können konzeptionelle Schwierigkeiten auftreten, wenn nicht der die Gesellschaft bei Vertragsschluss vertretende Partner, sondern ein anderer Gesellschafter das Mandat bearbeitet. Schließlich setzt ein Auftreten mit dem Anspruch auf Vertrauen grundsätzlich
voraus, dass der Vertreter selbst mittelbar oder unmittelbar an den Vertragsverhandlungen beteiligt war2402.
Insgesamt ist der Rechtsprechung zuzustimmen2403 und eine generelle, auf der beruflichen Stellung basierende anwaltliche Berufshaftung abzulehnen. Dies gilt auch
in Bezug auf eine Haftungsbegründung durch Rückgriff auf die Rechtsfigur der
c. i. c. Somit existiert im deutschen Rechtskreis keine allgemeine Berufshaftung des
Rechtsanwalts.
6. Ergebnis
Im Ergebnis haftet der handelnde Partner für berufliche Fehler gemäß § 8 Abs. 2
PartGG.
II. Anwaltshaftung in der LLP nach englischem Recht
Es ist oben2404 gezeigt worden, dass für den Partner der LLP als solicitor eine allgemeine berufliche Haftung aus negligence besteht, so dass die persönliche Handelndenhaftung des Rechtsanwalts auf deliktischer Grundlage gewährleistet ist.2405 Diese
traditionelle Berufshaftung besteht auch dann, wenn der solicitor als member einer
LLP agiert. Ein gesellschaftsrechtlicher Ausschluss der persönlichen Anwaltshaftung existiert nicht.2406
2401 Zur Haftung für nachvertragliche Pflichtverletzung s. Prohaska, S. 115ff., S. 127ff.
2402 BGH, Urt. v. 4.5.2004 XI ZR 40/03, NJW 2004, 2523, 2525; OLG Köln, Urt. v. 13.4.2006
7 U 31/05, ZIP 2007, 28 = DB 2007, 158 (nicht rechtskräftig, Nichtzulassungsbeschwerde
beim BGH anhängig unter dem Az.: II ZR 148/06).
2403 BGH, Urt. v. 11.7.1988 II ZR 232/87, NJW 1989, 293, 294; siehe Henssler, AnwBl 1996,
3, 7; Girotto, S. 177; Bank, S. 381ff., S. 386ff.
2404 Siehe oben Teil 1 E III 4 c).
2405 Siehe oben Teil 1 E III 4 c).
2406 Siehe oben Teil 1 E III 4 c).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.