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3. Ergebnis
Insgesamt hat eine gesonderte wertende Betrachtung gezeigt, dass das vorläufige
Ergebnis einer transnationalen Haftungslücke nicht nur den Ergebnissen, sondern
auch den gemeinsamen berufsbezogenen Wertungen beider Rechtsordnungen widerspricht, die in vergleichbarer Weise auf berufsbedingten Erwägungen beruhen. Im
Ergebnis besteht eine Anpassungslage.
VIII. Zwischenergebnis: Vorliegen einer Anpassungslage
Im Fall der Anwalts-LLP ist auf der Basis des traditionellen Ansatzes von einem
beiderseitigen Normenmangel auszugehen. Zusätzlich ist auf der Grundlage der
Auffassung von Dannemann eine Anpassungslage zu bejahen. Überdies erleichtern
die von Dannemann entwickelten Kriterien die Bewältigung der Herausforderung
der Bildung eines Inlandsfalls nach deutschem Recht. Dadurch wird das nach dem
traditionellen Ansatz gewonnene Ergebnis, dass die Partnerschaft als Inlandsfall
anzusehen ist, bekräftigt. Auch die Ansichten von Looschelders und Sonnenberger
weisen eine starke Tendenz zur Bejahung einer Anpassungslage auf, ermöglichen
jedoch vorliegend keine abschließende Prüfung.
Im Verlauf der Untersuchung wurde deutlich, dass selbst nach detaillierter Prüfung der Anpassungslage anhand des traditionellen Ansatzes und unter Berücksichtigung der modernen Entwicklungen aufgrund der besonderen Konstellation des
Imports einer englischen Anwalts-LLP ein residualer Rechtfertigungsbedarf
verblieb. Daher wurde eine gesonderte Analyse der Wertungen der beteiligten
Rechtsordnungen notwendig, um letzte Zweifel am Bestehen einer Anpassungslage
auszuräumen. Schließlich hat eine ausführliche Analyse der Wertungen der beteiligten Rechtsordnungen zu dem Ergebnis geführt, dass dem Ansatz von Henssler und
Mansel3252 zuzustimmen und das Bestehen einer Anpassungslage zu bejahen ist.
Mithin stellt die transnationale Haftungslücke eine Anpassungslage bzw. einen beiderseitigen Normenwiderspruch dar.
3252 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 414ff.; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393,
1396.
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IX. Auflösung des Normenwiderspruchs
1. Einführung
Fraglich ist, ob und wie der Normenwiderspruch im Wege der kollisionsrechtlichen
oder materiellrechtlichen Anpassung aufgelöst werden kann. Es wurde oben3253
gezeigt, dass kein Rangverhältnis zwischen den verschiedenen Anpassungstechniken
besteht. Folglich ist nach dem Grundsatz des geringsten Eingriffs zu prüfen, welche
Anpassungsmethode zur Beseitigung der Anpassung am besten geeignet ist.3254
Zunächst sind die bisherigen Lösungsansätze zu erörtern. Sodann ist auf die verschiedenen Lösungsalternativen einzugehen und ein sachgerechter Lösungsweg
auszuwählen. Da die inländische Nutzung einer englischen Gesellschaft betroffen
ist, sind die europarechtlichen Vorgaben3255 zu beachten.
2. Bisherige Lösungsansätze
Henssler und Mansel schlagen die kollisionsrechtliche Anpassung im Wege der
irregulären gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der englischen professional liability vor.3256 Dadurch wird sichergestellt, dass der Gesellschafter einer in Deutschland
niedergelassenen Anwalts-LLP für Berufsfehler persönlich nach den Grundsätzen
der professional liability haftet.3257 Da Schnittker einen Normenmangel ablehnt,
wird kein Lösungsansatz vorgeschlagen.3258 In den sonstigen Veröffentlichungen,
die auf die LLP eingehen, wird dies nicht erörtert.3259 Insgesamt ist angesichts des
Fehlens einer ausführlichen Diskussion in der Literatur nachstehend im Einzelnen zu
untersuchen, welche Lösungsansätze in Frage kommen und ob dem Ansatz von
Henssler und Mansel3260 im Ergebnis zuzustimmen ist.
3253 Siehe oben Teil 3 D III 1 d); Kegel/Schurig, § 8 III; Kropholler, § 34 IV; Dannemann, S. 439;
a. A. Looschelders, S. 210f.
3254 Kegel/Schurig, § 8 III; Kropholler, § 34 IV.
3255 Siehe auch die Diskussion der europarechtlichen Rahmenbedingungen oben Teil 2 B.
3256 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 419; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1397.
3257 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 419; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1397.
3258 Schnittker, S. 117ff.
3259 Siehe Triebel/Otte/Kimpel, BB 2005, 1233; Weller/Kienle, DStR 2005, 1060; Weller/Kienle,
DStR 2005, 1102; Dahns, NJW-Spezial 2005, 333; Bank, S. 404ff.; BRAK, Empfehlung des
Ausschusses Internationale Sozietäten, BRAK-Mitt. 4/2005, 182.
3260 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 419; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1397.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.