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ken.961 Folglich kann der Geschäftsführer im Rahmen der gerichtlichen Abwicklung Verfahrensrechte der SARL weitgehend selbständig wahrnehmen.
§ 4 Ergebnis
Der Aufgabenverteilung liegen die grundsätzlichen Fragen zugrunde, in welchem
Verhältnis das Insolvenzrecht und das Gesellschaftsrecht zueinander stehen und
wann welches Rechtsgebiet zur Anwendung kommt. Beide Rechtsgebiete ergänzen sich wechselseitig und stehen in einem Spezialitätsverhältnis, wonach das
Gesellschaftsrecht die allgemeinen und das Insolvenzrecht die speziellen Vorschriften zur Verfügung stellt. Folglich kommt dem Geschäftsführer eine Auffangzuständigkeit zu, wohingegen dem Verwalter Aufgaben zugewiesen werden.
Bei der Eröffnung des Erhaltungs- bzw. des Sanierungsverfahrens entscheidet
das Gericht über die Verwaltungsform des Verwalters. Im Erhaltungsverfahren
kann er den Geschäftsführer überwachen oder ihm beistehen. Im Sanierungsverfahren kann er dem Geschäftsführer ebenfalls beistehen oder ihn ersetzen bzw.
vertreten.
Unabhängig von der jeweiligen Verwaltungsform werden dem Verwalter kraft
Gesetzes bestimmte Aufgaben übertragen, wie insbesondere die Erstellung des
Wirtschafts- und Sozialberichts, des Erhaltungs- bzw. Sanierungsplans sowie die
Entscheidung über die Fortführung laufender Verträge.
Demgegenüber kann der Geschäftsführer unabhängig von der jeweiligen Verwaltungsform Sicherungsmaßnahmen sowie gewöhnliche Geschäfte durchführen. Zudem obliegt ihm die interne Organisation der SARL. Jedoch kann auch der
Verwalter unter bestimmten Voraussetzungen die Gesellschafterversammlung
einberufen.
Im Rahmen der gerichtlichen Abwicklung ersetzt der gerichtliche Abwickler
den Geschäftsführer weitgehend. Seit der Insolvenzrechtsreform 2005 behält der
Geschäftsführer jedoch seine Organstellung auch nach Eröffnung der gerichtlichen Abwicklung bei. Er nimmt im Rahmen seiner subsidiären Zuständigkeit die
Rechte der SARL sowie diejenigen Aufgaben wahr, die nicht dem gerichtlichen
Abwickler bzw. einem etwaig bestellten Verwalter zustehen.
961 So für den gerichtlichen Abwickler: Ripert/Roblot/Delebecque/Germain, Traité de droit
commercial, Band 2, S. 1199, Rn. 3220.
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References
Zusammenfassung
Deutschland und Frankreich stehen exemplarisch für eine bis heute sehr unterschiedliche Verfahrenspraxis im Insolvenzrecht. Ungleich gehandhabt wird insbesondere die Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Insolvenzverwalter.
Die Aufgaben des Geschäftsführers einer GmbH bzw. einer Société à responsabilité limitée (SARL) richten sich grundsätzlich allein nach dem Gesellschaftsrecht. Dies ändert sich jedoch spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dann findet das deutsche bzw. das im Jahre 2005 novellierte französische Insolvenzrecht auf den Geschäftsführer Anwendung und der Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter tritt in das Leben der GmbH bzw. SARL ein. Auf dieser Schnittstelle von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht kommt es damit sowohl im Regelinsolvenzverfahren bzw. in der Eigenverwaltung im deutschen Recht als auch im Erhaltungs- bzw. Sanierungsverfahren im französischen Recht zu einem Nebeneinander des gesellschaftsrechtlichen und des insolvenzrechtlichen Organs.
Dieses Nebeneinander macht eine Aufgabenverteilung notwendig, die jedoch in keinem der beiden Länder explizit geregelt ist. Auf Grundlage der dogmatischen Lösungsansätze werden die wesentlichen Aufgaben des Insolvenzverwalters und des Geschäftsführers einer GmbH bzw. SARL definiert und rechtsvergleichend untersucht.