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2. Veräußerungsbeschränkung des Gesellschafter-Geschäftsführers
bezüglich seiner Gesellschaftsanteile
Die Verfahrenseröffnung bewirkt, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer während der Beobachtungsphase seine Beteiligungen an der SARL ausschließlich unter Beachtung der vom Insolvenzgericht festgelegten884 Bedingungen veräußern
darf (Art. L. 631-10 Abs. 1 Code de commerce).885 Eine entgegen dieser Einschränkung erfolgte Veräußerung ist unwirksam.886
Das Insolvenzrecht verdrängt insoweit das Gesellschaftsrecht und schränkt
dadurch das Recht des Gesellschafter-Geschäftsführers ein. Die Gesellschaftsanteile werden hierfür auf einem Sonderkonto hinterlegt, das unter der Aufsicht des
Verwalters steht.887 Insoweit weicht das Insolvenzrecht deutlich vom Gesellschaftsrecht ab. Dieses Abweichung vom Gesellschaftsrecht und die damit verbundenen insolvenzrechtlichen Bestimmungen sind jedoch aufgrund deren Ausnahmecharakters restriktiv auszulegen.888
Diese Veräußerungsbeschränkung ist zwar nicht als Sanktion einzustufen,889
sondern soll eine überstürzte bzw. unkontrollierte Veräußerung von Anteilen an
der SARL verhindern.890 Andererseits sollen spätere Sanierungsmaßnahmen
erleichtert werden, die bis zur Zwangsveräußerung der Geschäftsanteile des
Gesellschafter-Geschäftsführers führen können.891
III. Generell zugewiesene Aufgaben des Geschäftsführers im Erhaltungs- und
Sanierungsverfahren
Unter generell zugewiesenen Aufgaben sind diejenigen Aufgaben zu verstehen,
die dem Geschäftsführer unabhängig von der Verwaltungsform des Verwalters
zustehen. Über diese verfügt der Geschäftsführer folglich selbst dann, wenn er
vom Verwalter ersetzt beziehungsweise vertreten wird.892
884 Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficultés, S. 232.
885 Lucas/Lécuyer/Marly, La réforme des procédures collectives, S. 256; Legros, Jurisclasseur,
Droit des sociétés, 2005, S. 14 f..
886 Lucas/Lécuyer/Marly, La réforme des procédures collectives, S. 256; Guyon, Mélanges
Sayag, 1997, 297 f.
887 Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficultés, S. 232.
888 Le Cannu, Le droit des sociétés à l’épreuve des procédures collectives, S. 48, 53.
889 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, S. 675.
890 Vallansan, Entreprises en difficulté, S. 242; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, S. 676.
891 Vgl. 3. Kapitel § 3 I 1 f ; Chaput, Droit des entreprises en difficulté et faillite personnelle,
S. 283, Rn. 329.
892 Chaput, Droit des entreprises en difficulté et faillite personnelle, Nr. 337; Ripert/Roblot/
Germain, Traité de droit commercial, Tome 2, Rn. 3027; Derrida/Godé/Sortais, Redressement et liquidations judiciaires des entreprises, Nr. 336.
175
1. Sicherungsmaßnahmen (»mesures conservatoires«)
Der Geschäftsführer hat zunächst auf Aufforderung des Verwalters Sicherungsmaßnahmen (»mesures conservatoires«) durchzuführen (Art. L. 622-4 Abs. 1
Code de commerce).893 Unterbleiben diese, so kann sie der Verwalter selbst vornehmen.894 Der Geschäftsführer kann diese Sicherungsmaßnahmen indessen auch
von sich aus, d.h. ohne Aufforderung des Verwalters durchführen.895
Durch die parallele Zuständigkeit von Geschäftsführer und Verwalter soll
sichergestellt werden, dass die im Unternehmensinteresse liegenden Sicherungsmaßnahmen in jedem Fall durchgeführt werden. Diese parallele Zuständigkeit
kann sich im Fall der Sicherungsmaßnahmen nicht nachteilig auswirken.896
Bei dieser Befugnis handelt es sich um eine dem Geschäftsführer generell
zugewiesene Aufgabe, die ihm unabhängig von der Verwaltungsform des Verwalters zusteht.897 Diese Ausnahme von der umfassenden Entmachtung des
Geschäftsführers für den Fall, dass der Verwalter diesen vertritt bzw. ersetzt, hat
die Rechtsprechung anerkannt,898 da sich die Durchführung der Sicherungsmaßnahmen für die Gläubiger nur positiv auswirken könne.899 Sie seien lediglich präventiver Natur und zielten auf die Rettung gewisser Gegenstände der SARL ab.900
Folglich kann der Geschäftsführer unabhängig von der Verwaltungsform des Verwalters die Sicherungsmaßnahmen vornehmen.
2. Gesellschaftsrechtliche Organisation der SARL
Die Eröffnung des Erhaltungs- bzw. Sanierungsverfahrens lässt die Struktur der
SARL unverändert und führt nicht zu deren Auflösung. Somit sind die gesellschaftsrechtlichen Organisationsmaßnahmen weiterhin von den Gesellschaftsorganen und damit maßgeblich vom Geschäftsführer durchzuführen.901 So hat dieser insbesondere auch während der Beobachtungsphase die Gesellschafterver-
893 Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficultés, S. 217; Lucas/Lécuyer/Becqué-Ickowicz, La
réforme des procédures collectives, S. 97.
894 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, S. 668.
895 Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, S. 279; Ripert/Roblot/Delebecque/
Germain, Traité de droit commercial, Band 2, S. 1005, Rn. 3027.
896 Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, S. 279.
897 Chaput, Droit des entreprises en difficulté et faillite personnelle, Nr. 337; Ripert/Roblot/
Germain, Traité de droit commercial, Tome 2, Rn. 3027; Derrida/Godé/Sortais, Redressement et liquidations judiciaires des entreprises, Rn. 336.
898 Cass. Civ. 3ème, 29.5.1969, R.T.D. Com. 1971, 479, Nr. 45, Urteilsbesprechung: Houin;
Com., 3.5.1994, D. 1994, IR 154; JCP (G), 1994, 1953; Bull. civ. IV, Nr. 160.
899 Ripert/Roblot/Delebecque/Germain, Traité de droit commercial, Band 2, S. 1199,
Rn. 3220.
900 Brenner, L’acte conservatoire, Nr. 186.
901 Regnaut-Moutier, Rev. proc. coll., 2006, S. 159.
176
sammlung einzuberufen. Die interne Organisation der SARL richtet sich weiterhin nach dem allgemeinen Gesellschaftsrecht.902
Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Zuständigkeit des Geschäftsführers
für die interne Organisation der SARL findet sich in der gerichtlichen Befugnis
des Verwalters zur Einberufung der Gesellschafterversammlung gemäß
Art. L. 626-16 Code de commerce.903
3. Durchführung gewöhnlicher Geschäfte (»actes de gestion courante«)
Unabhängig von der jeweils angeordneten Verwaltungsform steht dem Geschäftsführer die Durchführung gewöhnlicher Geschäfte (»actes de gestion courante«)
zu, welche gutgläubigen Dritten gegenüber wirksam sind (Art. L. 622-3 Abs. 2
Code de commerce).904 Überwacht der Verwalter den Geschäftsführer, so kann
dieser auch ohne Mitwirkung des Verwalters handeln. Im Rahmen der Verwaltungsform der Überwachung ist Art. L. 622-3 Abs. 2 Code de commerce mithin
nicht von Bedeutung.905
Die Übernahme von Aufgaben der täglichen Geschäftsführung durch den
Geschäftsführer zielt darauf ab, den Verwalter zu entlasten und die Fortsetzung
der Unternehmenstätigkeit zu erleichtern.906 Dies soll wiederum die Aussichten
auf eine erfolgreiche Sanierung erhöhen. Zudem schützt die Vorschrift durch die
Wirksamkeitsfiktion die Sicherheit des Rechtsverkehrs,907 wobei sie unabhängig
von der jeweiligen Verwaltungsform des Verwalters gilt.908 Selbst im Fall der
Ersetzung bzw. Vertretung des Geschäftsführers durch den Verwalter sind
gewöhnliche Geschäfte des Geschäftsführers auch ohne Zustimmung des Verwalters wirksam.909 Der Dritte wird jedoch nur dann geschützt, wenn er in Unkenntnis von der Verfahrenseröffnung und der Beschränkung der Kompetenzen des
Geschäftsführers gehandelt hat.910 Daher ist es ratsam, sich vor Abschluss eines
entsprechenden Geschäfts anhand des Eröffnungsurteils und gegebenenfalls der
modifizierenden Anschlussurteile über die Befugnisse des Geschäftsführers zu
informieren.911
902 Calendini, S. 297.
903 Vgl. 3. Kapitel § 2 I 2 i.
904 Vallansan, Entreprises en difficulté, S. 162; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté,
S. 217; Caviglioli/Léguevaques, PA, 2006, Nr. 35, S. 22, 25; Lucas/Lécuyer/Becqué-Ickowicz, La réforme des procédures collectives, S. 93.
905 Vgl. Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 217.
906 Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, S. 280; Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, S. 162.
907 Cottereau, JCP (G), 1993, S. 3691.
908 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, S. 500; Soinne, Traité des procédures collectives, S. 970, Rn. 1300.
909 Cass. Com., 9.1.2001, R.J.D.A. 5/2001, Nr. 502.
910 Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, S. 281.
911 Vallansan, Entreprises en difficulté, S. 67f.
177
Die Anwendung des Art. L. 622-3 Abs. 2 Code de commerce setzt voraus, dass
ein gewöhnliches Geschäft vorliegt. Schließt der Geschäftsführer hingegen ein
ungewöhnliches Geschäft ab, so bleibt die Wirksamkeitsfiktion aus, und das Geschäft ist unwirksam.912 Folglich kommt es maßgeblich auf die Unterscheidung
zwischen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Geschäften an. Ein gewöhnliches
Geschäft wird anhand mehrerer Kriterien bestimmt. Das Geschäft hat zunächst
den Gepflogenheiten der Geschäftstätigkeit zu entsprechen.913 Dabei muss es sich
im gewöhnlichen Tätigkeitsfeld des Unternehmens befinden. Zudem hat es den
Gepflogenheiten der betreffenden Berufsgruppe zu entsprechen. Der Geldbetrag
des Geschäfts darf dabei nicht unverhältnismäßig hoch ausfallen.914 Die Höhe des
Geldbetrags wird im Verhältnis zum Umsatz des Unternehmens und zur Üblichkeit in der jeweiligen Branche gesehen. Eine strikte Unterscheidung zwischen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Geschäften kann sich im täglichen Geschäftsverkehr jedoch als problematisch erweisen.915
Die Tatsache, dass der Geschäftsführer in jedem Fall für gewöhnliche
Geschäfte zuständig ist, stellt schließlich eine Ausnahme vom Prinzip dar,
wonach dem Geschäftsführer nur diejenigen Kompetenzen verbleiben, die nicht
auf den Verwalter übertragen worden sind.916
4. Verbotene Zahlungen
Der Geschäftsführer bleibt zwar auch nach der Verfahrenseröffnung grundsätzlich noch verwaltungs- und verfügungsbefugt. Seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wird indes dadurch erheblich eingeschränkt, dass er, wie auch der
Verwalter, Verbindlichkeiten der SARL grundsätzlich nicht erfüllen darf, wenn
sie vor der Verfahrenseröffnung entstanden sind (Art. L. 622-7 Abs. 1 Satz 1 Code
de commerce). Mit der Insolvenzrechtsreform 2005 wurde dieses Verbot auf bestimmte Verbindlichkeiten ausgedehnt, die nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind (Art. L. 622-7 Abs. 1 Satz 2 Code de commerce).917 Diese Verbote
gelten dabei unabhängig von der jeweils angeordneten Verwaltungsform.918
912 Chaput, Droit des entreprises en difficulté et faillite personnelle, S. 290, Rn. 338.
913 Versailles, 13.6.1996, D. aff. 1996, 1103, obs. A.L.; RJDA 1997, Nr. 555; rappr. Cass. Com.
8.3.1983, Bull. IV, Nr. 97 (Gesetz von 1967).
914 Cass. Civ., 1. Kammer, 13.11.1997, RJDA 1998 Nr. 546; Paris, 4.10.1996, D. aff. 1996,
1395; Trib. Com. Lyon, 25.10.1972, RJ com. 1973, 123 (Gesetz von 1967).
915 Chaput, Droit des entreprises en difficulté et faillite personnelle, S. 291, Rn. 338.
916 Vgl. 3. Kapitel § 1 I 2.
917 Lucas/Lécuyer/Becqué-Ickowicz, La réforme des procédures collectives, S. 103; Jeantin/
Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 250.
918 Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, S. 278.
178
a. Grundsatz
Es ist dem Geschäftsführer untersagt, Verbindlichkeiten zu begleichen, die vor
dem Eröffnungsurteil entstanden sind (Art. L. 622-7 Abs. 1 Code de commerce)
oder nach dem Eröffnungsurteil entstanden sind und nicht die Voraussetzungen
der Art. L. 622-7 Abs. 1 Satz 2, L. 622-17 Code de commerce erfüllen. Erfolgt
die Zahlung dennoch, so erklärt sie das Insolvenzgericht919 auf Antrag eines Betroffenen (»interessé«) oder der Staatsanwaltschaft für nichtig.920 Dieser Antrag
ist innerhalb von drei Jahren nach der Vornahme der verbotenen Zahlung zu stellen (Art. L. 622-7 Abs. 4 Satz 1 Code de commerce). Das Zahlungsverbot gilt dabei sowohl für den Geschäftsführer, als auch für den Verwalter, soweit dieser die
Geschäfte der SARL führt.921 Wird gegen dieses Verbot verstoßen, so kann gegen
den Geschäftsführer, den Verwalter, wie auch gegen den jeweiligen Geschäftspartner ein Strafverfahren eingeleitet werden (Art. L. 654-8 Code de commerce).
Dieses Zahlungsverbot basiert darauf, dass den Gläubigern mit der Verfahrenseröffnung die Einzelvollstreckung ihrer Forderungen gegen die SARL untersagt
ist (Art. L. 631-14 i.V.m. L. 622-21 Code de commerce). Dadurch soll vermieden
werden, dass der SARL durch überstürzte Handlungen, wie beispielsweise durch
die Zahlung auf ungeprüfte Forderungen, erheblicher Schaden zugefügt wird.922
Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger gilt das Verbot der
Individualvollstreckung für alle Gläubiger, so dass durch das Zahlungsverbot
eine bevorzugte Befriedigung durch den Geschäftsführer bzw. den Verwalter verhindert werden soll.923
b. Ausnahmen
Als Ausnahme zu diesem generellen Verbot ist einerseits die Einlösung eines
Pfandrechts (»retrait de gage«) oder eines Zurückbehaltungsrechts mit insolvenzrichterlicher Zustimmung sowie andererseits die Aufrechnung (»compensation de dettes connexes«) zu untersuchen.
919 Juglart/Ippolito/Kerckhove, Procédures collectives de paiement, S. 235, Rn. 447.
920 Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, S. 369; Lucas/Lécuyer/Becqué-
Ickowicz, La réforme des procédures collectives, S. 107; Jeantin/Le Cannu, Entreprises
en difficulté, S. 264.
921 Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, S. 163; Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, S. 368.
922 Chaput, Droit des entreprises en difficulté et faillite personnelle, S. 286, Rn. 333.
923 Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, S. 163; Le Corre, Droit et pratique des
procédures collectives, S. 1227.
179
i. Pfand- und Zurückbehaltungsrecht
Der Insolvenzrichter kann den Geschäftsführer oder den Verwalter ermächtigen,
eine vor Verfahrenseröffnung entstandene Verbindlichkeit zu begleichen, um ein
Pfand924 einzulösen (»retrait de gage«) oder um eine Sache wiederzuerlangen, die
zu recht zurückgehalten wird, wenn der auszulösende Gegenstand zur Fortführung des Unternehmens erforderlich ist (Art. L. 622-7 Abs. 3 Code de commerce).925
Durch diese Ausnahme soll es der SARL ermöglicht werden, verpfändete bzw.
zurückbehaltene Gegenstände durch Zahlung des jeweils ausstehenden Betrages
wiederzuerlangen.926 Dadurch ist es Gläubigern verwehrt, die Unternehmensfortführung zu gefährden, indem ein hierfür notwendiger Gegenstand als Pfand
zurückgehalten wird.927
ii. Aufrechnung
Als zweite Ausnahme von dem Zahlungsverbot ist die Aufrechnung zu nennen.
Der Geschäftsführer kann danach die Aufrechnung erklären, wenn die Hauptforderung und die Gegenforderung in rechtlichem Zusammenhang zueinander stehen, so dass deren Konnexität gegeben ist (»compensation de créances connexes«) und die weiteren Voraussetzungen der Aufrechnung zum Zeitpunkt des
Eröffnungsurteils bereits vorlagen (Art. L. 622-7 Abs. 1 Satz 1 Code de commerce).928 Somit kann er eine Forderung der SARL gegen einen Vertragspartner
mit einer angemeldeten Gegenforderung desselben Vertragspartners aufrechnen.
Die Konnexität der Forderungen ergibt sich etwa daraus, dass diese auf demselben Vertrag oder einem vertraglichen Ganzen (»ensemble contractuel«) beruhen. Ob eine solche Konnexität letztlich vorliegt, entscheidet allein der
Insolvenzrichter.929 Die Rechtsprechung legt den Begriff der Konnexität weit
924 Vgl. zur französischen Reform des Kreditsicherungsrechts, Klein/Tietz, RIW 2007, 101;
zu Auswirkungen dieser Reform auf das französische Insolvenzrecht, vgl. Le Corre, JCP
(E), 2007, S. 24.
925 Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 260 f.
926 Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, S. 169; Le Corre, Droit et pratique des
procédures collectives, S. 1247; Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté,
S. 371.
927 Chaput, Droit des entreprises en difficulté et faillite personnelle, S. 287, Rn. 334.
928 Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, S. 165; Le Corre, Droit et pratique des
procédures collectives, S. 1231; Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté,
S. 372; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 253; Sonnenberger, Französisches
Handels- und Wirtschaftsrecht, Kap. VII Rn. 26.
929 Vgl. Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 256; Soinne, Traité des procédures collectives, Rn. 1313, S. 981.
180
aus.930 Die Konnexität wurde beispielsweise zwischen dem Mietzins und der
Mietkaution angenommen.931
Günstig wirkt sich die Zulässigkeit der Aufrechnung insbesondere für Banken
aus. Sie können nicht nur innerhalb desselben Kontos aufrechnen, sondern auch
zwischen verschiedenen Konten oder zwischen verschiedenen Bankgeschäften
im Rahmen eines sogenannten »global-netting«-Verfahrens.932 Die Aufrechnung
setzt schließlich voraus, dass der Gläubiger seine Forderung angemeldet hat.933
Dieser Ausnahme vom generellen Zahlungsverbot wird entgegengehalten, sie
konterkariere die Ziele des Insolvenzverfahrens, das Unternehmen und die
Arbeitsplätze zu retten. Im Wege der Aufrechnung erlange der jeweilige Vertragspartner Befriedigung seiner Forderung gegenüber der SARL, ohne dass dieser de
facto neue finanzielle Mittel zuflössen. Überdies würden dadurch diejenigen
Gläubiger bevorzugt werden, die sich auf die Aufrechnung stützen könnten. Dies
liefe wiederum dem Prinzip der Gleichbehandlung der Gläubiger zuwider.934
Zudem sei die Aufrechnung nicht anders zu beurteilen, als die übrigen Erfüllungsarten.
Gleichwohl lässt sich mittels dieser Ausnahme die Fortführung der Unternehmenstätigkeit in Krisenzeiten erleichtern, weil die bisherigen Geschäftspartner
eher geneigt sein werden, weiterhin mit der SARL zusammen zu arbeiten.935
Schließlich hat sich die Aufrechnung zu einem der effektivsten Sicherheitsmittel
entwickelt, um sich vor dem finanziellen Unvermögen des Vertragspartners zu
schützen,936 und den Parteien kam es regelmäßig gerade darauf an, die Aufrechnung als insolvenzsicheres Zahlungs- und Sicherungsmittel zu ermöglichen.937
Wirtschaftlich betrachtet ist die Aufrechnung insbesondere auf den Finanzmärkten als Sicherheitsmittel weit verbreitet.938 Um die Sicherheit des Zahlungsverkehrs auf den Finanzmärkten jedoch nicht zu gefährden, bleibt die Aufrechnung
miteinander verbundener Verbindlichkeiten damit auch nach der Verfahrenseröffnung zulässig.
930 Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, S. 166; Juglart/Ippolito/Kerckhove, Procédures collectives de paiement, S. 234, Rn. 445.
931 Bourges, 4.8.1988, Juris-Data Nr. 046971.
932 Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, S. 168; Souweine, Droit des entreprises
en difficulté, S. 107, Rn. 188.
933 Cass. Com. 5.2.1980, JCP (N), 1981, S. 8088, Urteilsbesprechung Cabrillac/Argenson,
Bull. Civ. IV, 59; Cass. Com. 21.7.1980, JCP (G), 1980, S. 9239, Bull. Civ. IV, 310, D.
1981, IR 11.
934 Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, S. 372; vgl. Jeantin/Le Cannu,
Entreprises en difficulté, S. 255.
935 Vallansan, Entreprises en difficulté, S. 72.
936 Chvika, Droit privé et procédures collectives, S. 146, Nr. 158.
937 Soinne, Traité des procédures collectives, Rn. 1312, S. 980.
938 Peltier, Marchés financiers & droit commun, Nr. 115, S. 80.
181
5. Ausarbeitung eines Erhaltungs- bzw. Sanierungsplans
Der Erhaltungs- bzw. Sanierungsplan soll insbesondere die Reorganisation der
SARL regeln, um deren Fortführung zu ermöglichen.939
Auch nach der Insolvenzrechtsreform 2005 bleibt der Verwalter dafür zuständig, einen Erhaltungs- bzw. einen Sanierungsplan auszuarbeiten (Art. L. 623-1
Abs. 4, L. 631-19 Code de commerce).940 Der Geschäftsführer hat ihn hierbei zu
unterstützen.941 Der Geschäftsführer kann seit der Insolvenzrechtsreform 2005
gegen das Urteil, das einen Veräußerungsplan (»plan de cession de l‘entreprise«)
festlegt oder verwirft, ein Rechtsmittel einlegen (Art. L. 661-6 (II) Code de commerce). 942
Daneben stellt sich die Frage, ob auch der Geschäftsführer dem Insolvenzgericht einen Erhaltungs- oder Sanierungsplan vorschlagen darf.
In der Literatur wird eine solche Befugnis des Geschäftsführers regelmäßig
befürwortet. 943 Es sei nicht einzusehen, wieso der Geschäftsführer den Umweg
über den Verwalter machen müsse, um einen Sanierungsplan vorschlagen zu können. Ein eigenes Vorschlagsrecht würde den Geschäftsführer in seiner Unabhängigkeit erheblich stärken. Er könnte dadurch in Eigenregie die Modalitäten der
Erhaltung bzw. Sanierung auf die Entwicklung der Unternehmenstätigkeit
abstimmen. So dürfte er insbesondere gewisse Zahlungspläne und Sicherheiten in
Bezug auf die Schuldentilgung vorschlagen. Gleichzeitig könnte er qualifiziert
über die Weiterbeschäftigungsaussichten der Arbeitnehmer berichten.944
Schließlich hätte diese Befugnis auch die Absicherung der gerichtlichen
Beschwerde gegen die vom Insolvenzgericht gewählte Lösung zur Folge. Schlage
der Geschäftsführer für die SARL am Ende der Beobachtungsphase nämlich keinen Sanierungsplan vor, so hätte er dies selbst zu verantworten. Folglich könnte
er das endgültige Urteil, welches beispielsweise die gerichtliche Abwicklung
anordnet, nicht gestützt auf den Vorwurf angreifen, dass der Verwalter keinen
Sanierungsplan vorgeschlagen hatte. Er hätte nämlich selbst von seinem Vorschlagsrecht in Bezug auf einen Sanierungsplan Gebrauch machen können.945 Ein
solches Vorschlagsrecht des Geschäftsführers entspräche zudem der Tendenz, die
Gesellschaftsorgane stärker am Insolvenzverfahren zu beteiligen.
939 Monsérie-Bon, Droit&Patrimoine, 2006, Nr. 146, S. 73 f.; Roussel-Galle, JCP (E), 2006,
S. 1679, 1685.
940 Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, S. 247; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 571.
941 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, S. 717; Legros, Jurisclasseur, Droit
des sociétés, 2005, November, S. 7, 11.
942 Ballu, PA, 2007, Nr. 102, S. 3 f.
943 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, S. 718; Le Cannu, PA, 1991, Nr. 89,
S. 3.
944 Prat, S. 63, Rn. 69.
945 Urteilsbesprechung Monsèrié, Cass.com., 25.11.1997, D. Aff. Nr. 19/1997, S. 613;
R.J.D.A. 8-9/1997, Nr. 1117.
182
In der Rechtsprechung wurde vor der Insolvenzrechtsreform 2005 vereinzelt
entschieden, dass der Schuldner einen Sanierungsplan vorschlagen dürfe, wenn
der Verwalter einen Veräußerungsplan (»plan de cession«) ausgearbeitet habe.946
Infolge der Insolvenzrechtsreform 2005 kann der Verwalter indes im Rahmen des
Erhaltungs- und des Sanierungsverfahren keinen Veräußerungsplan mehr vorschlagen,947 so dass zweifelhaft ist, ob diese Rechtsprechung auch nach der
Insolvenzrechtsreform 2005 noch von Bedeutung ist.
IV. Stellung und Aufgaben des Geschäftsführers im Rahmen der gerichtlichen
Abwicklung
Die gerichtliche Abwicklung führt zur weitgehenden Ersetzung des Schuldners
durch den gerichtlichen Abwickler (Art. L. 641-9 (I) Abs. 1 Satz 1 Code de commerce).948
Nach bisher weitgehend vertretener Auffassung endete mit der Auflösung der
SARL auch die Organstellung des Geschäftsführers.949
Infolge der Insolvenzrechtsreform 2005 verfügt der Geschäftsführer jedoch im
Rahmen der gerichtlichen Abwicklung weiterhin über seine Organstellung
(Art. L. 641-9 (II) Code de commerce), obwohl die SARL mit dem Urteil, das die
gerichtliche Abwicklung eröffnet, aufgelöst wird (Art. L. 1844-7 Nr. 7 Code
civil).950 Ein Gesellschafterbeschluss oder die Satzung können jedoch vorsehen,
dass die Organstellung des Geschäftsführers mit Eröffnung der gerichtlichen
Abwicklung endet und ein Abwickler von nun an die Aufgaben des Geschäftsführers wahrnimmt (Art. L. 641-9 (II) Abs. 3 Code de commerce). Liegt ein solcher Beschluss bzw. eine solche Satzungsbestimmung nicht vor, hat der
Geschäftsführer insbesondere diejenigen Verfahrensrechte wahrzunehmen, die
nicht dem gerichtlichen Abwickler bzw. einem bestellten Verwalter951 zustehen
946 Cass. Com. 25.03.1997, D. Affaires, 1997, S. 613.
947 Roussel-Galle, Réforme du droit des entreprises en difficulté, S. 220 f.; Legros, Jurisclasseur, Droit des sociétés, 2005, November, S. 7, 11.
948 Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, S. 642; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 711; Lucas/Lécuyer/Froehlich/Sénéchal, La réforme des procédures
collectives, S. 301.
949 Vor Inkrafttreten der Insolvenzrechtsreform 2005 wurde überwiegend die Notwendigkeit
eines gesellschaftsrechtlichen Abwicklers (»liquidataire sociétaire«) angenommen; zur
Rechtslage vor der Insolvenzrechtsreform 2005 vgl. Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, S. 643; Ripert/Roblot/Delebecque/Germain, Traité de droit commercial, Band 2, S. 1199, Rn. 3220; Amlon, Juris-Classeur, Commercial, 1998, Fasc. 2315,
S. 1, 8; Cantin, Rev. proc. coll., 2008, S. 21 ff.
950 Legros, Jurisclasseur, Droit des sociétés, 2005, November, S. 7, 11; Lucas/Lécuyer/Froehlich/Sénéchal, La réforme des procédures collectives, S. 301 f.; Cantin, Rev. proc. coll.,
2008, S. 21, 25.
951 Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, S. 357; Roussel-Galle, Réforme du droit
des entreprises en difficulté, S. 263..
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Deutschland und Frankreich stehen exemplarisch für eine bis heute sehr unterschiedliche Verfahrenspraxis im Insolvenzrecht. Ungleich gehandhabt wird insbesondere die Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Insolvenzverwalter.
Die Aufgaben des Geschäftsführers einer GmbH bzw. einer Société à responsabilité limitée (SARL) richten sich grundsätzlich allein nach dem Gesellschaftsrecht. Dies ändert sich jedoch spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dann findet das deutsche bzw. das im Jahre 2005 novellierte französische Insolvenzrecht auf den Geschäftsführer Anwendung und der Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter tritt in das Leben der GmbH bzw. SARL ein. Auf dieser Schnittstelle von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht kommt es damit sowohl im Regelinsolvenzverfahren bzw. in der Eigenverwaltung im deutschen Recht als auch im Erhaltungs- bzw. Sanierungsverfahren im französischen Recht zu einem Nebeneinander des gesellschaftsrechtlichen und des insolvenzrechtlichen Organs.
Dieses Nebeneinander macht eine Aufgabenverteilung notwendig, die jedoch in keinem der beiden Länder explizit geregelt ist. Auf Grundlage der dogmatischen Lösungsansätze werden die wesentlichen Aufgaben des Insolvenzverwalters und des Geschäftsführers einer GmbH bzw. SARL definiert und rechtsvergleichend untersucht.