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4. Ergebnis
Die GmbH ist Trägerin der Eigenverwalterrolle, und der Geschäftsführer unterliegt bei der Anordnung der Eigenverwaltung neben den insolvenzrechtlichen
auch den gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen. Die Auflösung der GmbH
durch die Eröffnung der Insolvenz hat jedoch zur Folge, dass der Gesellschaftszweck vom Insolvenzzweck überlagert wird. Nach dem allgemeinen Kompetenzverteilungsgrundsatz obliegen dem Geschäftsführer die unternehmerischen, dem
Sachwalter die insolvenzspezifischen Aufgaben. In Zweifelsfällen kann die Vergleichsordnung als Indiz zur Konkretisierung der Aufgaben des Sachwalters herangezogen werden. Ebenso kommt den gesellschaftsrechtlichen Regeln zur Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Aufsichtsrat für das Verhältnis
zwischen Geschäftsführer und Sachwalter Indizfunktion zu. Die GmbH behält im
Falle der Eigenverwaltung ihre ursprüngliche Rechtsmacht als Rechtsinhaberin
bei, so dass ihr in Zweifelsfällen eine Auffangzuständigkeit zukommt.
§ 2 Maßgebliche Aufgaben des Insolvenzverwalters und des Sachwalters
Aufbauend auf die im vorangegangenen Kapitel herausgearbeiteten theoretischen
Lösungsansätze zur Aufgabenverteilung sind zunächst die maßgeblichen Aufgaben des Insolvenzverwalters und des Sachwalters zu untersuchen.
I. Insolvenzverwalter
Der Insolvenzverwalter319 ist als Inhaber des Verwaltungs- und Verfügungsrechts
Herr des Verfahrens (§ 80 Abs. 1 InsO).320 Er nimmt einen Großteil derjenigen
Aufgabenbereiche wahr, aus denen er den Geschäftsführer verdrängt hat.321
1. Verwaltungs- und Verwertungsbefugnis über massezugehörige
Gegenstände
Die Verwaltungs- und Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters über massezugehörige Gegenstände der GmbH schließt konkurrierende Kompetenzen des
319 Zur Bestellung des Insolvenzverwalters, vgl. Wieland, ZIP 2007, 462 ff.
320 Vgl. allgemein Grub, in: Kölner Schrift S.678, der den Inhaber des Verwaltungs- und Verfügungsrechts als Herrn des Verfahrens bezeichnet.
321 Vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG § 63 Rn. 81; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh,
GmbHG § 63 Rn. 37; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 30.51; MünchKomm/Ott, InsO, § 80
Rn. 111.
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Geschäftsführers in diesem Bereich aus.322 Gemäß § 148 Abs. 1 InsO hat der
Insolvenzverwalter sofort nach Verfahrenseröffnung das gesamte zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen in Besitz und Verwaltung zu nehmen. Zudem obliegt
ihm gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 InsO die Aufstellung der Vermögensübersicht, die
Durchführung der Zustellungen i.S.d. § 8 InsO sowie das Führen der Forderungstabelle nach § 175 Abs. 1 Satz 1 InsO.323
Der Sicherung des Haftungsvermögens im Gläubigerinteresse kommt in der
Insolvenz der GmbH dabei besondere Bedeutung zu. Das Gesellschaftsvermögen
der GmbH wird als alleinige Haftungsgrundlage insoweit stark gefährdet, als die
Gesellschafter darauf Einfluss nehmen können. Das Risiko einer besonders hohen
Einflussnahme besteht immer dann, wenn wechselseitige Kontrollen verschiedener Gesellschaftsorgane unterbleiben. Dies ist regelmäßig auf eine geringe Gesellschafterzahl, auf den beherrschenden Einfluss eines Gesellschafters oder die
Personalunion von Gesellschafter und Geschäftsführer zurückzuführen.324 Aufgrund dieser Gefährdung des Gesellschaftsvermögens der GmbH ist das Spektrum gläubigersichernder Regelungen kontinuierlich erweitert worden. Danach
obliegt es nunmehr den Gesellschaftern, eigenkapitalersetzende Darlehen zurückzuzahlen und Schadensersatzansprüche wegen gesellschafts- und gläubigerschädigenden Verhaltens zu erfüllen.325
a. Innenhaftung der Gesellschafter
Fraglich ist, ob der Insolvenzverwalter befugt ist, die Ansprüche der GmbH auf
Erbringung von Stammeinlagen oder von Nachschüssen geltend zu machen.
Im Kapitalgesellschaftsrecht ist die Haftung der Gesellschafter gegenüber den
Gläubigern der Gesellschaft dabei grundsätzlich als Innenhaftung ausgestaltet.
Danach haften die Gesellschafter prinzipiell nicht unmittelbar gegenüber den
Gläubigern, sondern nur im Innenverhältnis gegenüber der GmbH auf Erbringung
von Stammeinlagen nebst Ergänzungsansprüchen und von Nachschüssen. Der
Geschäftsführer hat diese Ansprüche geltend zu machen, soweit ein Gesellschafterbeschluss im Sinne des § 46 Nr. 8 GmbHG vorliegt.
Befindet sich die GmbH indes in der Insolvenz, so fallen diese Ansprüche
gegen die Gesellschafter in die Insolvenzmasse. Die Einziehungskompetenz des
Insolvenzverwalters verdrängt folglich die gesellschaftsrechtlichen Organisationsrechte. Der Verwalter darf die Einlagen daher ohne vorausgegangenen Gesellschafterbeschluss (§ 46 Nr. 8 GmbHG) einziehen, da mit dem Wegfall der bisherigen Rechtszuständigkeit des Geschäftsführers auch die Kompetenz der Gesell-
322 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 30.51.
323 Vgl. Wellensiek, in: Kölner Schrift S. 404 f.
324 Überblick über die kapitalistische und personalistische Struktur, Kübler, Gesellschaftsrecht, § 17.
325 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 30.53.
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schafterversammlung entfällt. Der von § 46 Nr. 8 GmbHG vorausgesetzte Entscheidungsspielraum der Gesellschafterversammlung besteht in der Situation der
Insolvenz nicht mehr, da sich die Notwendigkeit der Einlage nunmehr als offensichtlich erwiesen hat.326
Fraglich ist jedoch, ob der Insolvenzverwalter an die Fälligkeitstermine gebunden ist, welche die Satzung vorsieht. Einer Ansicht nach sind diese Fälligkeitstermine einzuhalten, da das Gläubigerinteresse an einer zügigen Haftungsabwicklung eine überobligationsmäßige Belastung der Gesellschafter nicht rechtfertige.327 Der Gegenansicht zu folge können in der Satzung festgesetzte Fälligkeitstermine den Insolvenzverwalter nicht binden, da in der Insolvenz das der
Gläubigersicherung dienende Einlageversprechen Vorrang vor Fälligkeitsvereinbarungen der Gesellschafter genieße.328 Letzterer Ansicht ist aufgrund des überwiegenden Gläubigerinteresses zu folgen, so dass die in der Satzung festgesetzten
Fälligkeitstermine den Insolvenzverwalter nicht binden.
Gelingt dem Insolvenzverwalter die Eintreibung des Fehlbetrags vom zahlungspflichtigen Gesellschafter nicht, so kann er diesen unter dem Gesichtspunkt
der so genannten Ausfallhaftung von den übrigen Gesellschaftern verlangen (§ 24
GmbHG).329
Die gesellschaftsrechtliche Problematik der Sacheinlagen ist für den Insolvenzverwalter ebenfalls von besonderer Bedeutung. Erreicht der Wert einer Sacheinlage nicht den Betrag, zu dem die Sacheinlage auf die Stammeinlage angerechnet
werden soll, so hat der Sacheinleger den Fehlbetrag in bar zu leisten. Dabei handelt es sich um die so genannte Differenzhaftung gemäß § 9 Abs. 1 GmbHG.
Eine entsprechende Differenzhaftung trifft alle Gesellschafter anteilig, wenn
die GmbH als Vorgesellschaft vor ihrer Eintragung (§ 11 Abs. 1 GmbHG) mit
Verbindlichkeiten belastet worden ist, die zu einer Unterdifferenz zwischen dem
Stammkapital und dem Wert des Gesellschaftsvermögens im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft führen.330
Darüber hinaus sind verdeckte bzw. verschleierte Sacheinlagen verboten.331
Eine verdeckte bzw. verschleierte Sacheinlage ist gegeben, wenn eine Bareinlage
und ein Verkehrsgeschäft derart miteinander gekoppelt sind, dass dem Gesamtvorgang Sacheinlagecharakter zukommt. Bei der Erbringung von Sacheinlagen
müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen, wie etwa ein Sachgründungsbericht
i. S. d. § 5 Abs. 4 Satz 2 GmbHG vorliegen. Eine Umgehung dieser Voraussetzungen im Wege der verdeckten bzw. verschleierten Sacheinlagen wird indes mit
326 Hachenburg/Hüffer, GmbHG, § 46 Rn. 27; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 46
Rn. 60; Grüneberg, Die Rechtspositionen der Organe der GmbH und des Betriebsrates im
Konkurs, S. 95 f.
327 Jaeger/F. Weber §§ 207, 208 KO Rn. 49.
328 Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, § 64 GmbHG Rn. 56; Kübler/Prütting/Noack, InsO,
Gesellschaftsrecht, Rn. 286.
329 Bauer, ZinsO 2002, 153, 158.
330 Hachenburg/Ulmer, § 11 GmbHG Rn. 27 ff., 91.
331 Vgl. RGZ 141, 204, 210; BGHZ 15, 52, 58; 28, 314, 319 f.
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der Versagung der Befreiungswirkung von der Einlageverpflichtung sanktioniert.
Folglich muss der Gesellschafter die Einlage nochmals in bar erbringen gemäß
§ 19 Abs. 5 GmbHG analog. Der Bareinlageanspruch der GmbH besteht dabei
selbst dann fort, wenn die verdeckte Sacheinlage vollwertig war.332
Zur Erhaltung des Gesellschaftsvermögens sind zudem Auszahlungen an
Gesellschafter verboten, soweit dadurch das Stammkapital berührt wird und eine
Unterbilanz entsteht (§ 30 Abs. 1 GmbHG). Diese wird durch den Vergleich des
Stammkapitals mit dem Aktivvermögen der Gesellschaft unter Abzug der Verbindlichkeiten ermittelt.333
Verbotswidrige Zahlungen müssen zur Befriedigung der Gläubiger erstattet
werden (§ 31 GmbHG) und sind vom Insolvenzverwalter geltend zu machen.334
Wenn das Gesellschaftsvermögen aufgebraucht ist und Auszahlungen an
Gesellschafter aus Fremdmitteln geleistet werden, was zur Überschuldung der
GmbH führt, sind zum Schutz der Gläubiger die §§ 30, 31 GmbHG entsprechend
anzuwenden.335
Der Insolvenzverwalter kann überdies verdeckte Auszahlungen zurückfordern.
Darunter fallen beispielsweise Lieferungen ohne entsprechendes Entgelt,336
Gesellschafterleistungen an die GmbH gegen überhöhtes Entgelt,337 Tilgungen
von Gesellschafterschulden aus dem Gesellschaftsvermögen,338 Zahlungen unangemessener Bezüge an Gesellschafter-Geschäftsführer,339 ferner Auszahlungen
unter Einschaltung Dritter als Treuhänder340 oder Leistungen, die nach Weisung
eines Gesellschafters an dessen nahe Angehörige erbracht werden.341
Schließlich setzt der Insolvenzverwalter auch Ansprüche auf Nachschüsse
(§§ 26 ff. GmbHG) durch.342
Entsprechende Rechtshandlungen, die vor Verfahrenseröffnung vorgenommen
worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter anfechten (§§ 129 ff. InsO).343
332 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 II 4b.
333 Baumbach/Hueck, § 30 GmbHG Rn. 4 ff.
334 K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 632.
335 BGHZ 60, 324, 331 f.; 81, 259; Baur/Stürner, Rn. 34.38; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht,
§ 37 III 1 d.
336 Vgl. Baumbach/Hueck, § 30 GmbHG Rn, 7; K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise,
Sanierung und Insolvenz, S. 632.
337 BGH ZIP 1989, 440 f.
338 BGHZ 60, 324 ff.
339 BGH BB 1992, 1583.
340 BGHZ 75, 334, 335 f.; vgl. allgemein: Scholz/Westermann, GmbHG, § 31 Rn. 8; RGZ 92,
81; RG, JW 1918, 266.
341 BGHZ 81, 365 ff.
342 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., Vor § 64 Rn. 61; Hachenburg/Ulmer, § 63 Rn. 85.
343 Vgl. die Insolvenzanfechtung durch den Sachwalter: 2. Kapitel § 2 II 1 c.
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b. Außenhaftung der Gesellschafter
Eine Außenhaftung von Gesellschaftern einer GmbH scheidet zwar aufgrund der
Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich aus. Gleichwohl
wird in bestimmten von Rechtsprechung und Literatur diskutierten Fallgruppen
der Durchgriffshaftung diese Haftungsbeschränkung ausnahmsweise negiert. Es
handelt sich dabei insbesondere um die Fallgruppen344
• der Vermögensvermischung,
• der Sphärenvermischung,
• der Unterkapitalisierung und
• des existenzvernichtenden Eingriffs.
Kommt es im Insolvenzverfahren zu einer Durchgriffshaftung aufgrund eines
existenzvernichtenden Eingriffs, so ist die Haftung nicht von den einzelnen Gläubigern, sondern vom Insolvenzverwalter geltend zu machen.345
c. Schadensersatzansprüche
Nach § 92 Satz 1 InsO hat der Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die den Gläubigern für den Fall zustehen, dass es zu einer Verkürzung der Insolvenzmasse gekommen ist (Gesamtschaden). Der insolvenzrechtliche Gläubigerschutz wird dabei durch besondere Schadensersatzpflichten
des GmbH-Rechts ergänzt.346 So haben Gesellschafter und Geschäftsführer der
GmbH gemäß § 9 a Abs. 1 bis 3 GmbHG den Schaden zu ersetzen, der dieser aus
schuldhaften Verletzungen der Gründungsvorschriften erwächst.347 Daneben haften die Geschäftsführer der Gesellschaft für alle schuldhaften Pflichtverletzungen
(§ 43 GmbHG), insbesondere im Zusammenhang mit der Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals (§ 43 Abs. 3 GmbHG).348 Zudem ist die gesellschaftsrechtliche Insolvenzantragspflicht des § 64 Abs. 1 GmbHG mehr als insolvenzrechtliche Organpflicht zu verstehen, da sie nicht notwendig auf die Stellung eines Insolvenzantrags, sondern gegebenenfalls auch auf die rechtzeitige Sanierung
abzielt.349 § 64 Abs. 1 GmbHG ist Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB zu-
344 Vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 14 ff.; Scholz/Emmerich, GmbHG,
§ 13 Rn. 81 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13, Rn. 6 ff.
345 So i.E. BGHZ 151, 181; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 19; K. Schmidt/
Uhlenbruck, Die GmbH in der Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 632 ff.; H.P. Westermann NZG, 2002, 1129, 1137, MünchHandbuch GmbH/Schiessl, § 35 Rn. 23; a.A. wohl;
MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rn. 3f.
346 Zur Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers für Steuerschulden, vgl. Stahlschmidt/
Laws, GmbHR 2006, 410 ff.
347 Vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 9a GmbHG, Rn. 5 ff., 11, 12.
348 BGH ZIP 1987, 1050.
349 Vgl. K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 889 ff.
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gunsten der Gläubiger. Für Altgläubiger besteht der zu ersetzende Schaden im so
genannten Quotenschaden, d. h. in dem Betrag, um den sich die Insolvenzquote
des Gläubigers durch Verzögerung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, insbesondere durch Eingehung neuer Verbindlichkeiten, gemindert hat.350 Der Schadensersatzanspruch in Gestalt des Quotenschadens ist nach § 92 InsO im
Insolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter geltend zu machen.351 In Abgrenzung zum Quotenschaden ist den Neugläubigern derjenige Schaden zu ersetzen,
den sie durch das Unterlassen des Insolvenzantrages erlitten haben, d.h. das negative Interesse.352 Dieser den Neugläubigern zugebilligte Anspruch auf das negative Interesse ist nicht wie der Quotenschaden vom Insolvenzverwalter, sondern als Individualschaden von den Gläubigern geltend zu machen.353
Neben dem Anspruch gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG auf Ersatz des Quotenschadens
kann der Insolvenzverwalter auch Schadensersatzansprüche nach § 64 Abs. 2
GmbHG gegen den Geschäftsführer geltend machen.354
d. Vergleichs- und Verzichtsverbote
Schließlich ist zu prüfen, ob der Insolvenzverwalter zur Sicherung des Haftungsvermögens Vergleiche für die GmbH abschließen bzw. auf einzelne Ansprüche
der GmbH verzichten darf.355 Das GmbH-Recht sieht Vergleichs- und Verzichtsverbote vor, die sich in zwei Fallgruppen unterteilen lassen.356 Zum einen bestehen Vergleichs- und Verzichtsverbote im Zusammenhang mit einer Reihe von gesellschaftsrechtlichen Ersatzansprüchen, wie beispielsweise §§ 9b Abs. 1, 43, 57
und 64 Abs. 3 Satz 3 GmbHG. Zum anderen gilt für das Recht der Kapitalaufbringung und der Kapitalerhaltung ein Befreiungsverbot357, das als Verzichtsverbot ausgestaltet ist (§§ 19 Abs. 2 Satz 1, 25 und 31 Abs. 4 GmbHG).
Ob diese Verbote auch im Fall der Insolvenz der GmbH auf den Insolvenzverwalter Anwendung finden, wird unterschiedlich beurteilt. Einigkeit besteht
dahingehend, dass zumindest die Befreiungs- und Verzichtsverbote des Kapital-
350 BGHZ 100, 19, 23; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, § 64 Rn. 92; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 64 Rn. 53; Lutter/Hommelhoff/Kleindieck, GmbHG, § 64 Rn. 47.
351 Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, § 64 Rn. 98, Kübler/Prütting/Noack, InsO,
Rn. 318.
352 BGHZ 126, 181, 194.
353 BGHZ 138, 211, 214 ff.; Lutter/Hommelhoff/Kleindieck, GmbHG, § 64 Rn. 54; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, § 64 Rn. 98; a. A. (Zuständigkeit des Insolvenzverwalters) Hasselbach, DB 1996, 2213, 2214 ff.; Uhlenbruck, ZIP 1994, 1153, 1154.
354 KG GmbHR 2006, 374f.; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, § 64 Rn. 78.
355 Vgl. daneben die Problematik des Verzichts des Insolvenzverwalters auf das Anfechtungsrecht, vgl. Bork, ZIP 2006, 589 ff.
356 Vgl. K. Schmidt, KTS 2001, 378 f.
357 Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 19, Rn. 13; Scholz/Schneider, GmbHG, § 19
Rn. 29; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 19, Rn. 14;
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sicherungsrechts auch für den Verwalter gelten, da es ihm untersagt sein müsse,
Masse zu verschenken.358 Fraglich ist jedoch, ob auch die so genannten kombinierten Verzichts- und Vergleichsverbote für den Insolvenzverwalter gelten.
So wird einerseits vertreten, Verzichts- und Vergleichsverbote nach
§§ 64 Abs. 2 Satz 3, 43 Abs. 3 Satz 2 GmbHG seien auf den Verwalter nicht
anwendbar.359 Dies wird auf eine Reichsgerichtsentscheidung von 1910360
gestützt, die sich aber mit einer anderen Frage befasste, nämlich mit der Regelung, die sich mit heute in § 93 Abs. 5 Satz 3 AktG wieder findet. Dieser Ansicht
zufolge gilt für den Verwalter sowohl das Verzichts- als auch das Vergleichsverbot.
Die Gegenansicht differenziert wie folgt: Der Insolvenzverwalter dürfe zwar
auf Masseansprüche nicht verzichten, Vergleiche könne er jedoch abschließen.361
Es sollte deshalb kein allgemeines Verwalterprivileg, sondern lediglich ein Vergleichsprivileg gelten.362 Zwar sollten diejenigen Ansprüche der Beliebigkeit des
Verwalters entzogen sein, die der Gläubigerbefriedigung dienten. Gegen ein Vergleichsverbot spreche indes, dass sich Vergleichsabschlüsse oftmals als wirtschaftlich sinnvoll erwiesen, da durch sie Prozessrisiken und Prozesskosten minimiert werden könnten. Dieser Ansicht nach ist der Verwalter lediglich zum
Abschluss von Vergleichen ermächtigt.
Letztere Ansicht überzeugt, da es den Grundsätzen wirtschaftlichen Handelns
widerspräche, den Rechtsweg auszuschöpfen, wenn ernsthafte Zweifel an
Bestand und Umfang von Ansprüchen der GmbH bestehen. Um eine risikobehaftete »Alles-oder-nichts«-Entscheidung zu vermeiden, kann sich der Abschluss
eines Vergleiches regelmäßig als wirtschaftlich sinnvoll erweisen. Hinzu kommen weitere Vorteile eines Vergleichs wie die Kostengünstigkeit, die Vollstreckbarkeit ohne Sicherungsleistung und die Streitschlichtung in einer versöhnlichen
Art und Weise im Wege des gegenseitigen Nachgebens. Diese Handlungsspielräume sind dem Verwalter als wirtschaftlich handelnden »Interimsmanager«
zuzugestehen.
2. Unternehmensfortführung
Der Insolvenzverwalter hat das Unternehmen grundsätzlich bis zum Berichtstermin fortzuführen, in dem die Gläubigerversammlung erstmals über die Zukunft
358 Vgl. nur BayObLG v. 30.10.1984, ZIP 1985, 33, 34; Scholz/Schneider, GmbHG, § 19
Rn. 51.
359 Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, § 64 GmbHG Rn. 86. Hachenburg/Ulmer,
GmbHG, § 64 Rn. 41; Lutter/Hommelhoff/Kleindieck, GmbHG, § 64 Rn. 66; Rowedder/
Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 64 Rn. 36.
360 RG v. 17.12.1910, RGZ 74, 428, 430.
361 Vgl. K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 636; zur
Vergleichsbefugnis, Krüger, NZI 2002, 368, 370; Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 93,
Rn. 7.
362 K. Schmidt, KTS 2001, 373, 379.
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des Unternehmens befindet.363 Diese Verpflichtung lässt sich aus der Bestimmung
des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO herleiten. Ohne eine anschließende Fortführungspflicht des Verwalters nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wäre diese
Pflicht des vorläufigen Verwalters sinnentleert. Die Stilllegung des Betriebs
würde zudem in der Regel deren spätere Fortführung unmöglich machen, so dass
eine Entscheidung der Gläubigerversammlung für die Stilllegung oder die Fortführung des Unternehmens präjudiziert werden würde (§ 157 InsO).364 Selbst
wenn eine Liquidation unvermeidlich erscheint, kann eine vorläufige Betriebsfortführung sinnvoll sein, da sich eine übereilte Schließung regelmäßig verheerend auf die Masse auswirkt. So lässt sich beispielsweise für halbfertige Güter des
Vorratsvermögens zumeist erst nach Fertigstellung ein angemessener Preis erzielen. Auch zur Vermeidung hoher Schadensersatzansprüche empfiehlt es sich häufig, bestehende Aufträge noch abzuarbeiten. Schließlich wird der Verwalter bestrebt sein, die Mitarbeiter für die Zeit bis zum Auslaufen der Kündigungsfristen
sinnvoll zu beschäftigen, weil ihre Löhne und Gehälter die Masse in dieser Phase
ohnehin belasten.365
Die Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren ist jedoch kein Selbstzweck,
sondern hat sich stets dem primären Verfahrensziel der Haftungsverwirklichung
unterzuordnen.366 Werden folglich erhebliche Verluste erwirtschaftet und sind
konkrete Aussichten auf eine Sanierung nicht vorhanden, so ist das Unternehmen
mit Zustimmung des Gerichts stillzulegen.367 Dies ist darauf zurückzuführen, dass
infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Gesellschaftszweck vom
Insolvenzzweck der Gläubigerbefriedigung überlagert wird.368
Zu beachten ist schließlich, dass die Befugnisse des Insolvenzverwalters im
Außenverhältnis nicht auf Maßnahmen beschränkt sind, die der Liquidation dienen.369 Lediglich offensichtlich verfahrenswidrige Rechtshandlungen des Verwalters sind unwirksam.370
363 Mönning, Betriebsfortführung in der Insolvenz, Rn. 289 f.; MünchKomm/Ott, InsO, § 80
Rn. 111.
364 Begr. § 177 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 173.
365 Vgl. Kübler, ZGR 1982, 499, 502 f.; Wellensiek, WM 1999, 405 f.; Müller, Der Verband
in der Insolvenz, S. 97 f.
366 Mönning, Betriebsfortführung in der Insolvenz, Rn. 340 ff.
367 Vgl. AG Aachen, ZIP 1999, S. 1494; Mönning, Betriebsfortführung in der Insolvenz,
Rn. 177 ff.
368 Hachenburg/Ulmer, GmbHG § 63 Rn. 74; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 60 Rn. 4; abweichend geht ein Teil der Literatur von der Überlagerung des bisherigen Zwecks durch den
Liquidationszweck aus: Rowedder/Rasner, GmbHG, § 60 Rn. 5; Baumbach/Hueck/
Schulze-Osterloh, GmbHG, § 60 Rn. 8.
369 MünchKomm/Ott, InsO, § 80 Rn. 111, 60 ff.
370 Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 80 Rn. 22, 28.
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a. Arbeitgeberfunktion
Im Fall der Unternehmensfortführung verdrängt der Insolvenzverwalter bis zum
Berichtstermin die bisherige Geschäftsleitung in Bezug auf die Unternehmensführung vollständig aus ihren Aufgaben. Der Verwalter übernimmt also schlagartig die gesamte Unternehmensführung371 und damit auch die Arbeitgeberfunktion
des Schuldners.
Ihn treffen folglich zum einen alle Pflichten des Arbeitgebers wie etwa die
Lohnzahlungspflicht (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 1 InsO), die allgemeine Fürsorgepflicht und alle betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitgeberpflichten.372
Zum anderen verfügt er jedoch auch über das Weisungsrecht des Unternehmers. So steht ihm unter gewissen Voraussetzungen insbesondere das Recht zu,
dem Geschäftsführer Weisungen zu erteilen.373 Inhaltlich bezieht sich dieses Weisungsrecht auf vertragliche Pflichten aufgrund des Anstellungsverhältnisses oder
auf verfahrensrechtliche Pflichten aufgrund der Organstellung, wie beispielsweise die Auskunftspflichten nach §§ 97 Abs. 3 Satz 1, 22 Abs. 3 Satz 3, 101
Abs. 1 Satz 1 InsO. Die vertragliche Weisungsbefugnis des Insolvenzverwalters
gegenüber dem Geschäftsführer setzt damit einen bestehenden Anstellungsvertrag voraus. Diese berechtigt den Insolvenzverwalter jedoch nicht, Verfahrensrechte des Geschäftsführers auszuschließen oder einzuschränken.374
b. Kündigung von Arbeitnehmern
Der Insolvenzverwalter hat die Kündigung der Arbeitnehmer durchzuführen, weil
er mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Stelle des Schuldners tritt.
Die kündigungsrechtliche Situation ist ansonsten innerhalb und außerhalb des
Insolvenzverfahrens weitgehend identisch, da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder einen außerordentlichen noch einen ordentlichen Kündigungsgrund darstellt.375
Auch § 113 Abs. 1 InsO schafft keinen insolvenzspezifischen Kündigungsgrund, sondern legt lediglich eine Höchstkündigungsfrist fest und hebt Kündigungsbeschränkungen auf, die sich aus befristeten oder »unkündbaren« Arbeitsverhältnissen ergeben.376
371 K. Schmidt/Uhlenbruck/Wellensiek, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 629.
372 Vgl. K. Schmidt/Uhlenbruck/Moll, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 657.
373 K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 618.
374 Kuhn/Uhlenbruck, KO, Vorbem. D, vor § 207 KO Rn. 23 a.
375 Vgl. K. Schmidt/Uhlenbruck/Moll, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 658.
376 Kübler/Prütting/Moll, InsO, § 113, Rn. 289 ff.
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c. Kündigung des Anstellungsvertrages des Geschäftsführers
Es ist zu untersuchen, ob der Insolvenzverwalter neben den Arbeitsverträgen der
Arbeitnehmer auch einen gegebenenfalls vorhandenen Anstellungsvertrag des
Geschäftsführers kündigen kann. Auf einen solchen Anstellungsvertrag finden
die Vorschriften über den Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) Anwendung. Dieser
Dienstvertrag ist vom Arbeitsvertrag der Arbeitnehmer zu unterscheiden, da der
Geschäftsführer in Vertretung der GmbH Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt und
damit nicht auf der Seite der Arbeitnehmer steht.377 Auf diesen Anstellungsvertrag des Geschäftsführers kann der Insolvenzverwalter Einfluss nehmen.
Davon abzugrenzen ist indes die Organstellung des Geschäftsführers, die allein
die Gesellschafterversammlung durch Abberufung beenden kann (§ 38 Abs. 1
GmbHG). Die Abberufung des Geschäftsführers führt grundsätzlich nicht zur
Beendigung seines Anstellungsverhältnisses.378 Die Organstellung beginnt unabhängig vom Anstellungsverhältnis379 mit der Bestellung und endet mit der Abberufung,380 wobei sich die Insolvenzeröffnung nicht auf die Organstellung des
Geschäftsführers auswirkt.381
Ungeklärt ist, wie die Beendigung des Anstellungsvertrages des Geschäftsführers in der Insolvenz erfolgt, da die Insolvenzordnung insoweit keine Regelung
vorsieht.382
Einer Ansicht zufolge erlischt der Dienstvertrag mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, da dieser einer Geschäftsbesorgung gleichkomme (§ 115 Abs. 1
InsO).383
Nach einer weiteren Ansicht steht dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht zwischen der Fortführung und der Beendigung des Anstellungsvertrages zu. Bei diesem Vertrag handle es sich um einen Austauschvertrag, der zur Zeit der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens von keiner Partei vollständig erfüllt sei. Folglich könne
der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und seinerseits die vereinbarte Leistung vom Geschäftsführer verlangen (§ 103 InsO).
Lehne der Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, so könne der Geschäftsführer
Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur als einfacher Insolvenzgläubiger geltend machen. Dieser Meinung zufolge kann der Insolvenzverwalter zwischen der
377 Bauer/Gragert, ZIP 1997, S. 2178 f.
378 Vgl. hierzu allg. Gravenhorst, GmbHR 2007, 417.
379 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 2 b.
380 So Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 143; Hoffmann/Liebs, Der GmbH-Geschäftsführer, Rn. 232; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, Rn. 69; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 150; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 17.
381 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., Vor § 64 Rn. 59; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, § 64 GmbHG, Rn. 51; Kübler/Prütting/Noack, InsO, Gesellschaftsrecht,
Rn. 290; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 63 GmbHG, Rn. 130.
382 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zu §§ 103, 113 InsO/§§ 117, 127 RegE InsO,
BT-Drucks. 12/2443, S. 145, 148 f., abgedruckt in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, Bd. I,
S. 291, 305 ff.
383 Kleinfeller, DJZ 1903, 23.
85
Fortführung und der Beendigung des Dienstvertrags des Geschäftsführers wählen.
Schließlich wird vertreten, der Insolvenzverwalter könne den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers lediglich gemäß § 113 InsO kündigen.384 Denn das dem
Insolvenzverwalter grundsätzlich zustehende Wahlrecht in Bezug auf die Fortführung gegenseitiger Verträge i.S.d. § 103 Abs. 1 InsO fände auf Dienstverhältnisse keine Anwendung. Diese Ansicht kommt daher zum Ergebnis, dass der
Insolvenzverwalter den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers kündigen kann.
Die Ansicht, die vom automatischen Erlöschen des Anstellungsvertrages mit
Verfahrenseröffnung ausgeht, ist abzulehnen. § 115 Abs. 1 InsO findet auf den
Anstellungsvertrag keine Anwendung, da es sich bei diesem nicht um einen
Geschäftsbesorgungsvertrag handelt. Der Anstellungsvertrag führt nicht dazu,
dass der Geschäftsführer Geschäfte für andere besorgt, da die GmbH durch diesen
ihre eigenen Angelegenheiten wahrnimmt.
Der Ansicht, wonach der Insolvenzverwalter zwischen der Fortführung und der
Beendigung der Anstellung wählen kann, ist ebenfalls nicht zu folgen.
Aus systematischen, historischen und teleologischen Gesichtspunkten überzeugt stattdessen letztere Ansicht. Die genannten Vorschriften der InsO gehen in
ihrem Kern auf die §§ 17 ff. KO zurück. Der historische Gesetzgeber hielt die
Anwendung des Wahlrechts auf Anstellungsverträge für unangemessen, weil dieses auf einfache Austauschverträge, insbesondere Kaufverträge, zugeschnitten
war. Er sah den Dienstvertrag im engen Zusammenhang mit der (Sach-)Miete.
Beiden Vertragstypen ist gemeinsam, dass nicht eine einmalige Leistung, sondern
eine fortdauernder Nutzung – entweder einer Sache oder einer Arbeitskraft –
Gegenstand des Vertrages ist.385 Dem Verwalter sollten bei der »Dienstmiete«
nicht nur »Alles-oder-nichts«-Entscheidungen in Gestalt einer sofortigen Beendigung oder einer vollständigen Erfüllung des Dienstvertrags bis zum Vertragsablauf zustehen. Deshalb wurde ihm das Recht eingeräumt, zu einem von ihm
bestimmten Zeitpunkt das Vertragsverhältnis aufzukündigen, wobei zwar die
gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten ist, eine darüber hinausgehende vertragliche Frist jedoch keine Wirksamkeit entfaltet. Dem Geschäftsführer gibt dies
immerhin die Möglichkeit, sich in der Zwischenzeit um eine neue Beschäftigung
zu bemühen.386 Die Regelung trägt also letztlich den Interessen beider Seiten
Rechnung. Folglich kann der Insolvenzverwalter den Anstellungsvertrag unter
Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist oder einer gegebenenfalls verein-
384 Kübler/Prütting/Noack, InsO, Gesellschaftsrecht, S. 127 f.
385 Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 426.
386 Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 71 f.
86
barten kürzeren Frist kündigen.387 Es gilt dabei eine eigenständige insolvenzrechtliche Höchstfrist von drei Monaten (§ 113 Satz 2 InsO).388
Neben der ordentlichen Kündigung steht dem Insolvenzverwalter bei Vorliegen
eines wichtigen Grundes auch die außerordentliche Kündigung zu gemäß
§ 626 Abs. 1 BGB.389 Als wichtiger Grund reicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht aus, wohl aber ein insolvenzverursachendes Verhalten. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist
maßgeblich ist (§ 113 Satz 2 InsO).
Die Kündigung kann entgegen der überwiegenden Auffassung in der Literatur
auch gegenüber dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer erfolgen, da
sein Anstellungsverhältnis nicht anders zu behandeln ist als dasjenige der übrigen
Geschäftsführer.
Die Kündigung kann jedoch rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Geschäftsführer im Rahmen der Mitwirkungspflichten nach §§ 97, 101 InsO in erheblichem
Umfang bei der Insolvenzabwicklung eingesetzt wird. Der Insolvenzverwalter ist
gleichwohl berechtigt, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der
Gesellschaft sowie der dem Geschäftsführer verbliebenen Aufgaben und dem
geringeren Maß an Verantwortlichkeit eine Reduzierung der bisherigen Bezüge
vorzunehmen.390
d. Vergütungs- und Schadensersatzanspruch des Geschäftsführers
Daran anknüpfend ist vorweg festzustellen, dass die Vergütung des Geschäftsführers weiterhin Bestandteil der Aufgaben des Insolvenzverwalters ist. Kündigt dieser den Anstellungsvertrag, so kann der Geschäftsführer als Insolvenzgläubiger
wegen vorzeitiger Beendigung des Vertragsverhältnisses Schadensersatz verlangen (§ 113 Abs. 1 Satz 3 InsO). Setzt der Geschäftsführer hingegen seine Tätigkeit nach Verfahrenseröffnung fort, so sind die Entgeltansprüche als sonstige
387 Uhlenbruck/Berscheid, InsO, § 113 Rn. 13 ff.; Braun/Wolf, InsO, 2002, § 113 Rn. 7;
Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., Vor § 64 Rn. 66; Kübler/Prütting/Moll, InsO, § 113
Rn. 29; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 23; Frankfurter Kommentar/Eisenbeis,
InsO, Rn. 14; Nerlich/Römermann/Hamacher, InsO, Losebl., § 113 InsO Rn. 40; Münchener Komm/Löwisch/Caspers, InsO, § 113 Rn. 10.
388 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., Vor § 64 Rn. 66; Kübler/Prütting/Moll, § 113 InsO
Rn. 29; Nerlich/Römermann/Hamacher, § 113 InsO Rn. 41; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11
InsO Rn. 125; Kübler/Prütting/Noack, InsO, Gesellschaftsrecht, S. 127 Rn. 296; Düwell,
in: Kölner Schrift, S. 1442; Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1286; Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 63 GmbHG Rn. 139; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, § 64 GmbHG Rn. 52;
Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, Rn. 142.
389 Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1298; Fichtelmann, GmbHR 2008, S. 76, 81.
390 Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 87 f.
87
Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu qualifizieren.391 Daher
kann der Geschäftsführer im Falle der Fortsetzung seiner Tätigkeit regelmäßig
mit der Erfüllung seiner Vergütungsansprüche rechnen.392
i. Herabsetzung der Bezüge bei fortbestehendem Dienstverhältnis
Gleichwohl ist zu prüfen, ob der Insolvenzverwalter im Fall des Fortbestehens eines Dienstverhältnisses unangemessen hohe Geschäftsführerbezüge herabsetzen
darf.
Zwar findet die aktienrechtliche Befugnis zur Herabsetzung der Bezüge der
Vorstandsmitglieder (§ 87 Abs. 2 Satz 1 AktG) keine analoge Anwendung auf die
GmbH, da die Kontrollfunktion dieser Vorschrift dem öffentlichen Interesse dient
und ein solcher Gesetzeszweck dem GmbH-Recht grundsätzlich fremd ist.393
Zudem soll die Herabsetzung nicht einer »Verschlechterung der Verhältnisse der
Gesellschaft« entgegenwirken, sondern den verminderten und geänderten Aufgaben der Geschäftsführer Rechnung tragen.394
Gleichwohl kann der Insolvenzverwalter die Entgeltfortzahlung nach § 242
BGB herabsetzen oder verweigern,395 da es rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn
der Geschäftsführer den vollen Gehaltsanspruch trotz der stark eingeschränkten
Dienstleistungspflicht weiterhin geltend macht.
ii. Vergütung trotz beendigtem Dienstverhältnis
Schließlich ist zu untersuchen, ob der Geschäftsführer auch im Falle des beendigten Dienstverhältnisses eine Vergütung verlangen kann.
Auch nach wirksamer Beendigung des Dienstverhältnisses hat der Geschäftsführer weiterhin die Verfahrensrechte und -pflichten der GmbH wahrzunehmen
und den Verwalter aktiv bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen (§ 97
Abs. 2 i.V.m. § 101 Abs. 1 Satz 1 InsO). Darüber hinaus hat er sich auf Anordnung
des Gerichts jederzeit zur Verfügung zu stellen, um seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zu erfüllen (§§ 97 Abs. 3 Satz 1, 101 Abs. 1 Satz 1 InsO). Er ist
391 Uhlenbruck, BB 2003 S. 1185, 1190; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG § 64
Rn. 52; Hachenburg/Ulmer, § 63 GmbHG, Rn. 102 (zur alten Rechtslage); Uhlenbruck/
Hirte, InsO, § 11 InsO, Rn. 127; Kübler/Prütting/Noack, InsO, Gesellschaftsrecht, Rn. 364
(für die AG).
392 Vgl. zum Anspruch der Geschäftsführer auf Insolvenzgeld. Hess/Obermüller, Verfahrensbeteiligte, Rn. 405; dies ergibt sich daraus, dass § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO auf die Vorschriften verweist, die im Regelinsolvenzverfahren für den Insolvenzverwalter gelten.
393 Uhlenbruck, BB 2003, S. 1185, 1190.
394 Grünberg, Die Rechtspositionen der Organe der GmbH und des Betriebsrates im Konkurs,
S. 130.
395 Kübler/Prütting/Noack, InsO, Gesellschaftsrecht, Rn. 300; K. Schmidt/Uhlenbruck, Die
GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 593 f.
88
insoweit zwar nicht zur ständigen Mitarbeit verpflichtet, wohl aber zur punktuellen Mitwirkung, was oftmals der Übernahme anderer Tätigkeiten im Wege stehen
kann.396 Es entsteht dadurch die eigenartige Situation, dass der Geschäftsführer
weiterhin für die GmbH tätig wird, ohne dass das Gesetz hierfür eine Vergütung
vorsieht. Dem kann jedoch abgeholfen werden, indem ihm der Insolvenzverwalter im Einzelfall aus der Insolvenzmasse eine angemessene Vergütung
gewährt. Dies erscheint insbesondere dann erforderlich, wenn sich die vom
Insolvenzverwalter geforderte Mitwirkungspflicht zu einer echten Mitarbeitspflicht ausweitet, die eine berufliche Vollzeittätigkeit nicht mehr zulässt.397
e. Buchführung, Rechnungslegung, Steuererklärungen
Zwar ist der Geschäftsführer gemäß § 41 GmbHG verpflichtet, für die ordnungsgemäße Buchführung im Sinne der §§ 238 ff. HGB zu sorgen. Diese handelsrechtliche Pflicht geht jedoch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf die
Insolvenzmasse auf den Insolvenzverwalter über (§ 155 Abs. 1 Satz 2 InsO).398
Dieser hat folglich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Handelsbücher des
Gemeinschuldners fortzuführen, auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung eine
handelsrechtliche Eröffnungsbilanz aufzustellen und für den Schluss jedes Geschäftsjahres eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung anzufertigen.399
Dabei kann der Insolvenzverwalter auf die Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers i. S. d. § 97 Abs. 2 InsO zurückgreifen.
In Bezug auf die Steuererklärungen bleibt die GmbH zwar als Gemeinschuldnerin Steuerschuldnerin (§ 43 AO) und Steuerpflichtige (§ 33 AO). Die Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärung hat jedoch der Verwalter beim
zuständigen Finanzamt abzugeben (§ 34 Abs. 3 AO).400
3. Unternehmensveräußerung außerhalb des Insolvenzplans
Der Insolvenzverwalter kann sich, soweit dem kein anders lautender Insolvenzplan401 entgegensteht, entweder für eine Zerschlagung des Unternehmens in Gestalt einer Einzelveräußerung der betriebsbezogenen Vermögensbestandteile oder
396 Vgl. Uhlenbruck, InsO, § 277 Rn. 14; ders., GmbHR 1999, 390, 398; ders., GmbHR 1972,
170 ff.
397 Uhlenbruck, InsO, § 97 Rn. 16; K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung
und Insolvenz, S. 607 ff.; Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1301.
398 Lutsche, Die Organkompetenzen im Insolvenzverfahren, S. 199, Rn. 346; LG Oldenburg
GmbHR 1994, 191; Klasmeyer/Kübler, BB 1978, 369, 370, 376.
399 Begr. § 174 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 172; vgl. K. Schmidt/Uhlenbruck/Wellensiek, Die
GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 629.
400 Vgl. Frotscher, Steuern im Konkurs, Recht und Wirtschaft, S. 22.
401 Jaeger/Henckel, InsO, § 1 Rn. 13.
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für eine Gesamtveräußerung des Unternehmens entscheiden402. Diese nennt man
auch übertragende Sanierung.403 Die Veräußerung des Unternehmens kann im
Wege des asset-deal, d.h. der Übertragung der einzelnen Vermögenswerte, erfolgen. Hält die GmbH selbst Geschäftsanteile an anderen Gesellschaften – so genannten Tochtergesellschaften – so können diese Anteile im Wege der Anteils-
übertragung, des so genannten share-deal, veräußert werden. Die Übertragung
der Anteile an der schuldnerischen GmbH selbst kommt allerdings grundsätzlich
nicht in Betracht, weil diese weiterhin nicht im Eigentum der GmbH sondern im
Eigentum deren Gesellschafter stehen. Die Gesellschaftsanteile an der GmbH fallen daher nicht in die Insolvenzmasse.404 Die Übertragung der Anteile an der
GmbH scheidet daher de facto aus. Eine Ausgliederung durch den Verwalter nach
§§ 123 ff. UmwG kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil diese Ausgliederung
auch im Insolvenzverfahren Sache der Gesellschafter bleibt.405
Mithin erfolgt der Unternehmensverkauf im Insolvenzverfahren regelmäßig im
Wege eines asset-deal.406 Einzelne Vermögenswerte des Unternehmens werden
dann als Funktionseinheit an einen Erwerber veräußert.407 Die bei einer solchen
Veräußerung außerhalb eines Insolvenzverfahrens regelmäßig erforderliche
Zustimmung der Gesellschafter wird im Rahmen der Insolvenz nicht verlangt, so
dass der Insolvenzverwalter das Unternehmen ohne Beschlussfassung der Gesellschafter übertragen kann.408 Jedoch hat eine Anhörung der Gläubiger zu erfolgen,
da nach § 157 InsO die Gläubigerversammlung über die Stilllegung oder die Fortführung des Unternehmens zu entscheiden hat.
Die übertragende Sanierung eines Krisenunternehmens im Wege des assetdeal im eröffneten Insolvenzverfahren bietet sich an, weil durch sie eine Trennung von Aktiva und Passiva ermöglicht wird. Die Geltung des § 25 Abs. 1 Satz
1 HGB, wonach der Erwerber eines Handelsgeschäfts, das unter der bisherigen
Firma fortgeführt wird, grundsätzlich für alle betrieblichen Verbindlichkeiten des
früheren Inhabers haftet, ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im eröffneten Insolvenzverfahren ausgeschlossen.409 Auch eine Haftung des Unternehmenserwerbers für Steuerverbindlichkeiten scheidet aus (§ 75 Abs. 2 AO).410
402 Foerste, Insolvenzrecht; S. 205
403 Vgl. van Betteray/Gass, BB 2004, S. 2309, 2313.
404 Kübler/Prütting/Onusseit, InsO, § 160 Rn. 10; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 117 Rn. 17.
405 Zu den Gesellschafterkompetenzen im Konkurs vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 9. Aufl.,
Vor § 64 Rn. 65.
406 K. Schmidt/Uhlenbruck/Wellensiek, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 624;
Treffer, GmbHR 2002, S. 205 f.
407 Vgl. dazu Spiegelberger, Kauf von Krisenunternehmen, 1996, S. 202 f. 216.
408 Nerlich/Römermann/Andres, InsO, § 35 Rn. 77; MünchKomm/Lwolski, InsO § 35 Rn. 471;
Kübler/Prütting/Noack, InsO, Gesellschaftsrecht, Rn. 336.
409 Vgl. BGH v. 11.4.1988 – II ZR 313/87, BGHZ 104, 151, 153f.; BAG v. 29.4.1966 – AZR
208/65, NJW 1996, 1984 (für das Konkursverfahren); MünchKomm/Lieb, HGB, § 25 HGB
Rn. 32 ff.; K. Schmidt/Uhlenbruck/Wellensiek, Die GmbH in Krise, Sanierung und
Insolvenz, S. 624 f.
410 K. Schmidt/Uhlenbruck/Wellensiek, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz,
S. 624 f.
90
Demgegenüber bleibt § 613 a BGB im Insolvenzverfahren anwendbar, wonach
bei einem Betriebsübergang der Erwerber automatisch in die bestehenden
Arbeitsverhältnisse eintritt und Kündigungen aus Anlass des Betriebsübergangs
unwirksam sind. Es obliegt daher regelmäßig dem Verwalter, Sanierungsmaßnahmen wie beispielsweise Entlassungen vorab durchzuführen. Oft kann das Unternehmen auf diese Weise in einen verkaufsfähigen Zustand gebracht werden, ohne
dass für einen eventuellen Erwerbsinteressenten damit die Folgen des § 613 a
BGB verbunden sind.411
In der Praxis stellt sich die übertragende Sanierung meist als Teilübertragung
sanierungsfähiger Betriebsteile dar. Bewerkstelligt wird dies nach dem sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatz durch Einzelübertragungen. Danach wird jeder
Unternehmensgegenstand nach den für ihn geltenden Regeln auf eine Auffanggesellschaft übertragen.
4. Ergebnis
Die Funktion des Insolvenzverwalters beschränkt sich nicht auf die Durchführung der Inventur und die Verwertung werthaltiger Bestandteile der Masse zugunsten der Gläubiger. Vielmehr gehen nicht nur die vermögensbezogenen
Rechte, sondern auch die mit der Verwaltung zusammenhängenden Pflichten auf
ihn über. Der Insolvenzverwalter wird damit zum zentralen Organ des Insolvenzverfahrens, wobei sich die Interessen, denen er Rechnung zu tragen hat, als vielfältig gestalten. Von Bedeutung sind zunächst die Gläubigerinteressen, wobei er
als Amtswalter auch Pflichten wahrzunehmen hat, die dem Allgemeinwohl dienen oder im überwiegenden Drittinteresse liegen. Bei der Erfüllung dieser Verpflichtungen hat er grundsätzlich keine Rücksicht darauf zu nehmen, ob damit
Vorteile für die Insolvenzgläubiger verbunden sind. Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters ist insoweit von dem Grundsatz geprägt, dass die Gläubiger kein Anrecht darauf haben, sich unter günstigeren Bedingungen zu befriedigen, als dies
außerhalb des Verfahrens möglich wäre.
Die Befriedigung der Gläubiger darf schließlich nur unter Beachtung der allgemeinen Gesetze durchgeführt werden. Exemplarisch sei hierzu seine Verantwortung für die ordnungsgemäße Buchführung und Rechnungslegung (§ 155
InsO) und die Abgabe von Steuererklärungen (§ 34 AO) zu nennen. Lassen sich
die entstehenden Aufwendungen aus der Insolvenzmasse nicht vollständig befriedigen, so hat er dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit anzuzeigen und
die bereits begründeten Verbindlichkeiten nach der Rangfolge des § 209 InsO zu
befriedigen.412
411 K. Schmidt/Uhlenbruck/Wellensiek, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 625.
412 OVG Greifswald NJW 1998, 175, 178; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 122 f.
91
II. Sachwalter
Wird die Eigenverwaltung und nicht das Regelinsolvenzverfahren angeordnet, so
steht dem Geschäftsführer ein Sachwalter anstelle des Insolvenzverwalters gegenüber. Im Rahmen der Eigenverwaltung bleibt die GmbH gemäß § 270 Abs. 1
Satz 1 InsO verwaltungs- und verfügungsbefugt. Dadurch soll die Erfahrung des
Schuldners genutzt werden, der sein Unternehmen und die entsprechende Branche oft so gut wie kein anderer kennt. Insbesondere im Fall der Fortführung des
Unternehmens können die Erfahrung und das Geschick des Schuldners von gro-
ßem Wert sein.413 Dem Sachwalter kommen im Rahmen der Eigenverwaltung
folglich weniger weit reichende Befugnisse zu als dem Insolvenzverwalter im
Rahmen des Regelinsolvenzverfahrens.
Der Sachwalter hat insbesondere die wirtschaftliche Lage der GmbH zu prüfen
und die Geschäftsführer zu überwachen (§ 274 Abs. 2 Satz 1 InsO).414 Um die
Rechtstellung des Sachwalters klar von derjenigen des Insolvenzverwalters abzugrenzen, hat sich der Gesetzgeber bewusst für eine andere Bezeichnung entschieden.415 Gleichwohl sind Rechte und Pflichten des Sachwalters in zahlreichen
Bereichen denjenigen des Insolvenzverwalters angenähert.416 So hat auch der
Sachwalter die Anmeldung der Forderungen der Insolvenzgläubiger entgegenzunehmen (§ 270 Abs. 3 Satz 2 InsO) und die Masseunzulänglichkeit anzuzeigen
(§ 285 InsO). Auf ihn finden zudem dieselben Regelungen Anwendung, die
bereits für den Insolvenzverwalter in Bezug auf Bestellung, Wahl, Abwahl, Auswechslung, Aufsicht des Insolvenzgerichts sowie Haftung und Vergütung gelten
(§ 274 Abs. 1 InsO i.V.m. §§ 54 Nr. 2, 56 bis 60, 62 bis 65 InsO). Schließlich kann
der Sachwalter dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht Umstände
anzeigen, die eine für die Gläubiger nachteilige Entwicklung der Eigenverwaltung erwarten lassen (§ 274 Abs. 3 Satz 1 InsO). Diese Befugnis stellt ein wichtiges Druckmittel des Sachwalters dar, um die GmbH zur Kooperation anzuhalten.417
1. Systematisierung spezifischer Rechte und Pflichten des Sachwalters
Die einzelnen Rechte und Pflichten des Sachwalters ergeben sich zum einen aus
den besonderen Regelungen der §§ 270 ff. InsO zur Eigenverwaltung. Zum anderen ist auf die Regelungen abzustellen, welche die aufgaben des Insolvenz-
413 Foerste, Insolvenzrecht, S. 269 f.
414 Vgl. Vallender, WM 1998, 2129, 2136; MünchKomm/Wittig, InsO, Vor. §§ 270-285
Rn. 55.
415 Begr. RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, vor § 331 RegE, S. 223.
416 Hess/ Obermüller, Verfahrensbeteiligte, Rn. 405; dies ergibt sich daraus, dass § 270 Abs. 1
Satz 2 InsO auf die Vorschriften verweist, die im Regelinsolvenzverfahren für den
Insolvenzverwalter gelten.
417 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 8.03.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Deutschland und Frankreich stehen exemplarisch für eine bis heute sehr unterschiedliche Verfahrenspraxis im Insolvenzrecht. Ungleich gehandhabt wird insbesondere die Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Insolvenzverwalter.
Die Aufgaben des Geschäftsführers einer GmbH bzw. einer Société à responsabilité limitée (SARL) richten sich grundsätzlich allein nach dem Gesellschaftsrecht. Dies ändert sich jedoch spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dann findet das deutsche bzw. das im Jahre 2005 novellierte französische Insolvenzrecht auf den Geschäftsführer Anwendung und der Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter tritt in das Leben der GmbH bzw. SARL ein. Auf dieser Schnittstelle von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht kommt es damit sowohl im Regelinsolvenzverfahren bzw. in der Eigenverwaltung im deutschen Recht als auch im Erhaltungs- bzw. Sanierungsverfahren im französischen Recht zu einem Nebeneinander des gesellschaftsrechtlichen und des insolvenzrechtlichen Organs.
Dieses Nebeneinander macht eine Aufgabenverteilung notwendig, die jedoch in keinem der beiden Länder explizit geregelt ist. Auf Grundlage der dogmatischen Lösungsansätze werden die wesentlichen Aufgaben des Insolvenzverwalters und des Geschäftsführers einer GmbH bzw. SARL definiert und rechtsvergleichend untersucht.