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nimmt hingegen der Geschäftsführer als Organ der GmbH wahr. Der Insolvenzverwalter wird nicht zum Organ der GmbH.
Die Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Insolvenzverwalter ist
damit insbesondere für den Gemeinschuldbereich und den insolvenzfreien
Bereich zu untersuchen, da dort grundsätzlich beide Organe für die jeweilige Aufgabe zuständig sein können. Demgegenüber ist im Verdrängungsbereich der
Insolvenzverwalter zuständig, so dass dem Geschäftsführer regelmäßig nur Hilfstätigkeiten, wie etwa Mitwirkungspflichten, zustehen.
III. Eigenverwaltung
Im Anschluss an die theoretische Kompetenzabgrenzung zwischen dem Geschäftsführer und dem Insolvenzverwalter im Rahmen des Regelinsolvenzverfahrens stellt sich die Frage, wie diese Aufgabenteilung zwischen Geschäftsführer und Sachwalter im Rahmen der Eigenverwaltung vorzunehmen ist. Zwar
führt die Verfahrenseröffnung auch bei Anordnung der Eigenverwaltung zur Auflösung der GmbH.254 Im Gegensatz zum Regelinsolvenzverfahren bleibt jedoch in
der Eigenverwaltung stets der Geschäftsführer berechtigt, die Insolvenzmasse zu
verwalten und über sie zu verfügen (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO). Mit der Eigenverwaltung fallen damit dem Geschäftsführer nahezu255 alle Kompetenzen zu, die
sonst dem Insolvenzverwalter zustehen.256
Im Folgenden wird daher untersucht, wie im Rahmen der Eigenverwaltung die
Kompetenzen zwischen Geschäftsführer und Sachwalter aufzuteilen sind. Da das
Gesetz dies weder für das Regelinsolvenzverfahren noch für die Eigenverwaltung
regelt,257 ist es vornehmlich Aufgabe von Lehre und Rechtsprechung, Lösungen
für die Aufteilung der Kompetenzen des Insolvenz- und des Geschäftsleitungsorgans zu entwickeln. Auch wenn der Geschäftsführer wie im Regelinsolvenzverfahren in der Eigenverwaltung seine Organstellung beibehält,258 unterscheidet
sich das Nebeneinander zwischen dem Sachwalter und dem Geschäftsführer in
der Eigenverwaltung stark von demjenigen im Regelinsolvenzverfahren. Die
Aufgaben, die im Regelinsolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter zustehen,
werden im Rahmen der Eigenverwaltung auf die GmbH und den Sachwalter aufgeteilt.259 Danach organisiert der Geschäftsführer maßgeblich das Verfahren und
wird dabei vom Sachwalter kontrolliert (§ 270 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 InsO).
254 Schlegel, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 125.
255 Wie bereits im 2. Kapitel § 2 II 4 erwähnt wurde, werden die Anfechtungsrechte und die
Geltendmachung von Gesamtgläubigerschäden gemäß § 280 InsO auf den Sachwalter
übertragen.
256 Braun/Riggert, InsO, § 270 Rn. 10; Graf-Schlicker, § 270 Rn. 24; allgemein zur Kompetenzverteilung bei der Eigenverwaltung: Bork, Insolvenzrecht, Rn. 406 ff.; Haarmeyer/
Wutzke/Förster, Handbuch, Kap. 10 Rn. 13.
257 Vgl. 1. Kapitel § 1.
258 Uhlenbruck, FS Kirchhof, 2003, S. 479, 499.
259 Begründung RegE, in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, Bd. 1, S. 519 f.
62
Diese Aufteilung der Rechte und Pflichten regeln die §§ 270 ff. InsO allerdings
nicht abschließend. Gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO gelten die allgemeinen Vorschriften, sofern die §§ 270 ff. InsO keine spezielle Regelung enthalten. Weist
nun eine allgemeine Vorschrift dem Insolvenzverwalter die Zuständigkeit zu, so
stellt sich die Frage, ob der Geschäftsführer oder der Sachwalter zuständig ist.
Einerseits könnte man vertreten, dass prinzipiell der Geschäftsführer die verbleibenden Kompetenzen des Insolvenzverwalters wahrzunehmen hat.260 Andererseits könnte man vorbringen, der Geschäftsführer könne nur diejenigen Kompetenzen ausüben, die zur Führung des Unternehmens erforderlich sind, wohingegen die spezifisch insolvenzrechtlichen Kompetenzen dem Sachwalter zustehen
müssten.261 Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, wie weit die Kompetenznorm des § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO reicht und ob der Gesamtzusammenhang
der §§ 270 ff. InsO auf eine dem Insolvenzverwalter ähnliche Stellung des
Geschäftsführers hindeutet.262
1. Eigenverwalterrolle der GmbH
Da die schuldnerische GmbH als juristische Person nur durch ihre Organe handeln kann, stellt sich die Frage, ob der Geschäftsführer oder die GmbH die Eigenverwalterrolle übernimmt.
Einer Ansicht263 nach ist der Geschäftsführer selbst als Eigenverwalter einzustufen, weil die GmbH die Eigenverwaltung nur durch ihre Organe ausüben
könne. Dies sei auch folgerichtig, da die Eigenverwaltung in der Regel nur dann
angeordnet werde, wenn die Geschäftsführer über die erforderliche Zuverlässigkeit verfügten. Dieser Ansicht nach ist der Geschäftsführer als Eigenverwalter
einzustufen, so dass gesellschaftsrechtliche Beschränkungen auf ihn nahezu
keine Anwendung fänden.
260 Pape, in: Kölner Schrift S. 917; vgl. auch Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 270 Rn. 28 (wobei
mit Konkursverfahren wohl Insolvenzverfahren gemeint ist); Hess/Weis/Wienberg, InsO,
§ 270 Rn. 19; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch, Rn. 10.19; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 8.15; Bork, InsO, Rn. 406; Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz
der GmbH, Rn. 1010; Lakies, BB 1999, 1759, 1760; vgl. auch OLG Naumburg,
ZInsO 2000, 505, 506, wonach die Rechtsstellung des Eigenverwalters einem außenstehenden Insolvenzverwalter entsprechen soll; ähnlich wohl auch Schlegel, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 152.
261 Begründung RegE, in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, Bd. 1, S. 520; Vallender, WM 1998,
2129, 2135; Smid, Insolvenzrecht, § 25 Rn. 18; Koch, Die Eigenverwaltung nach der
Insolvenzordnung, S. 214, 265; Wimmer/Foltis, InsO, § 270 Rn. 11; Gottwald/Haas,
Insolvenzrechtshandbuch, § 86 Rn. 4, Schlegel, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz,
S. 128 ff., 152.
262 So auch Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 248 ff.
263 Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 381 f., Rn. 999-1001.
63
Der Gegenansicht264 zufolge ist die eigenverwaltende GmbH als Eigenverwalterin zu qualifizieren, da sie nach § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO auch nach Anordnung
der Eigenverwaltung verfügungsbefugt bleibe. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 InsO,
wonach das Insolvenzvermögen über das Vermögen der GmbH als juristische
Person eröffnet wird, übernehme die GmbH selbst als Insolvenzschuldnerin die
Eigenverwalterrolle und nicht deren Geschäftsführer. Ein Eigenverwalter, auf den
losgelöst von der Gesellschaft Kompetenzen übergingen, sei folglich in den
§§ 270 ff. InsO nicht vorgesehen. Die gesetzlichen Vorschriften wiesen nämlich
die Pflichten nicht den einzelnen Gesellschaftsorganen, sondern lediglich der
GmbH selbst zu.265 Danach nehme das zuständige Gesellschaftsorgan die Aufgaben der GmbH wahr.266 Der Geschäftsführer habe dabei lediglich »durchgestellte« insolvenzrechtliche Funktionen der Gesellschaft zu erfüllen. Zudem
könne die Anordnung der Eigenverwaltung nicht allein von der Zuverlässigkeit
der Geschäftsführer abhängen, da diese jeder Zeit – auch auf Veranlassung des
Gerichts oder der Gläubigerversammlung – abberufen werden könnten. Die Rolle
der GmbH als Eigenverwalterin ergebe sich schließlich auch daraus, dass nicht
die organschaftlichen Vertreter der GmbH, sondern die GmbH selbst Insolvenzschuldnerin sei.267 Dieser Ansicht nach ist die GmbH Eigenverwalterin.
Insbesondere aus Gründen der gesellschaftsrechtlichen Systematik ist letzterer
Ansicht zu folgen. Danach haben Organe einer juristischen Person die Aufgabe,
für diese juristische Person tätig zu werden. Sie nehmen dabei jedoch keine eigenen, sondern fremde Aufgaben wahr. Sie fungieren somit grundsätzlich als »verlängerter Arm« der juristischen Person und machen diese erst handlungsfähig.
Demgegenüber steht die Rechtsfähigkeit ausschließlich der juristischen Person,
nicht aber deren Organen zu. Rechte und Pflichten sind daher überwiegend der
GmbH zuzuordnen. Dies lässt sich auch daraus ableiten, dass personenrechtliche
Beschränkungen allein den Insolvenzschuldner, nicht aber dessen Organe treffen,
wie etwa der Ausschluss von den Ämtern des Vormunds (§§ 1781, 1886 BGB)
oder des Schöffen (§ 32 Nr. 3 GVG).268 Hinzu kommt, dass die Geschäftsleitungsorgane keinesfalls mit der GmbH gleichzusetzen sind. Dies ist schon allein deshalb abzulehnen, weil die GmbH als juristische Person über mehrere Gesellschaftsorgane verfügt. Der Geschäftsführer wird also lediglich als eines der beiden Gesellschaftsorgane tätig. Das Handeln der GmbH selbst stellt sich somit als
Ergebnis des Zusammenspiels dieser Gesellschaftsorgane dar. Daher hat allein
die GmbH die Rolle der Eigenverwalterin inne.
264 Noack, ZIP 2002, 1873, 1875; Köchling, ZInsO 2003, 53 f.; Frankfurter Kommentar/Foltis,
InsO, § 270 Rn. 6; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 778.
265 Vgl. §§ 270 Abs. 1 Satz 1, 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 276 Satz 1, 281 Abs. 1 Satz 1 InsO.
266 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 778.
267 Köchling, ZInsO 2003, 53 f.; Wimmer/Foltis, § 270 Rz. 6; zutreffend insoweit auch Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 778; für die AG Noack, ZIP 2002, 1873, 1875.
268 Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, S. 488.
64
2. Von der Gesetzeskollision zur Organkollision
An die Bejahung der Eigenverwalterrolle der GmbH schließt sich die Frage an,
ob auf den Geschäftsführer gesellschaftsrechtliche Beschränkungen Anwendung
finden.269 So ist beispielsweise zu entscheiden, ob der eigenverwaltende Geschäftsführer für Entscheidungen von besonderer Bedeutung die Zustimmung der
Gesellschafterversammlung einzuholen hat bzw. ob er den Weisungen der Gesellschafter unterliegt.270 Hintergrund dieser Problematik ist die Kollision des Gesellschaftsrechts mit dem Insolvenzrecht. Findet auf den Geschäftsführer allein das
Insolvenzrecht ohne die gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen Anwendung,
so wäre er wie ein Insolvenzverwalter nicht an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden. Im Fall der Anwendbarkeit des Gesellschaftsrechts
unterläge er hingegen den Weisungen der Gesellschafterversammlung.271 Die
Insolvenzordnung regelt nicht, ob der Geschäftsführer einer insolventen GmbH
den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegt. Die Literatur hat jedoch zu dieser Kollisionsproblematik insbesondere in jüngster Zeit mehrfach
Stellung genommen.
a. Absoluter Vorrang des Insolvenzrechts
Eine Ansicht spricht sich für einen absoluten Vorrang des Insolvenzrechts gegen-
über dem Gesellschaftsrecht aus.272 Der Geschäftsführer hätte demnach ebenso
umfangreiche Befugnisse inne wie der Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren. Auch wenn die Wirkung der Verfahrenseröffnung nach § 270 Abs. 1
InsO nicht mit den Wirkungen der Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens (§ 80
Abs. 1 InsO) gleichzusetzen sei, ergäbe sich die ausschließliche Anwendbarkeit
des Gesellschaftsrechts jedoch daraus, dass der Gesellschaftszweck aufgrund der
Auflösung der GmbH vom Abwicklungszweck überlagert sei. Folglich müsse der
Gesellschaftszweck grundsätzlich hinter dem Insolvenzzweck der Gläubigerbefriedigung zurücktreten.273 Mit diesem Vorrang des Gläubigerinteresses sei indes
die Anwendbarkeit des Gesellschaftsrechts unvereinbar. Das Gesellschaftsrecht
trage nämlich, abgesehen von einigen Sondervorschriften,274 zahlreichen Interessengruppen Rechnung,275 räume dem Gläubigerinteresse jedoch keine vorrangige
269 Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 218, Rn. 626; Smid, DZWIR 2002,
S. 493, 499.
270 AG Duisburg ZIP 2002, 1636, 1640 f.
271 Vgl. 1. Kapitel § 1.
272 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777 ff.; Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren,
S. 218 f.
273 Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 385.
274 Vgl. beispielsweise § 64 GmbHG.
275 Insbesondere Interessen der Gesellschaft, der Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger.
65
Stellung ein. Die komplexe Schutzrichtung des Gesellschaftsrechts spräche daher
entscheidend gegen dessen Anwendbarkeit im Rahmen der Insolvenz.276 Bestätigt
werde dieses Ergebnis durch die gesellschaftsrechtliche Insolvenzantragspflicht
des Geschäftsführers gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG. Diese gehe jeder gesellschaftsinternen Verpflichtung vor und genieße beispielsweise Vorrang gegenüber anders
lautenden Weisungen der Gesellschafterversammlung. Selbst wenn mehrere Geschäftsführer die GmbH nur gemeinsam vertreten können, ist gemäß § 15 Abs. 1
InsO jeder einzelne Geschäftsführer berechtigt, den Insolvenzantrag zu stellen.277
Dies sei auf die gläubigerschützende Zielsetzung der Insolvenzantragspflicht zurückzuführen. Ebenso verhält es sich dieser Ansicht nach im Fall der Eigenverwaltung, in der die GmbH als Schuldnerin und Eigenverwalterin selbst die Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen habe.278 Der Geschäftsführer habe den
Weisungen der Gesellschafterversammlung daher lediglich im insolvenzverfahrensfreien Bereich oder im Gemeinschuldnerbereich Folge zu leisten, da Weisungen in diesen Bereichen die Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigen könnten.
Zudem würden sich gesellschaftsrechtliche Bindungen des Geschäftsführers den
Gläubigern gegenüber nachteilig auswirken. Insbesondere eine fortgeltende Bindung der Geschäftsführer an die Gesellschafterversammlung würde diese bei einer infolge der finanziellen Schwierigkeiten ohnehin erschwerten Unternehmensführung noch weiter behindern.279 Aufgrund dieser drohenden Behinderung
müsse die nach § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO anzustellende Prognoseentscheidung regelmäßig negativ ausfallen, da die Fortdauer gesellschaftsrechtlicher Bindungen
als sonstiger Nachteil im Sinne diese Vorschrift zu qualifizieren sei.280
Für die Beschränkung der Befugnisse des Geschäftsführers durch das Gesellschaftsrecht bestehe jedoch kein Bedürfnis, da die Handlungsfähigkeit der GmbH
auch ohne diese aufrechterhalten werden könne. Weigere sich der Geschäftsführer, Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, so stünde es der Gesellschafterversammlung immer noch zu, beim Insolvenzgericht die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen (§ 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO).281 Dieser Ansicht zufolge unterliegt der Geschäftsführer in der Eigenverwaltung keinen gesellschaftsrechtlichen
Bindungen.
276 Vgl. § 1 Satz 1 InsO.
277 Henze/Bauer, in: Kölner Schrift, S. 1313 f.
278 Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 385.
279 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 781.
280 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 781, 779.
281 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 782.
66
b. Nebeneinander des Insolvenz- und des Gesellschaftsrechts
Nach einer weiteren Ansicht282 unterliegt der Geschäftsführer demgegenüber
auch in der Eigenverwaltung seinen gesellschaftsrechtlichen Bindungen, da es
zur gleichberechtigten Koexistenz des Insolvenz- und des Gesellschaftsrechts
komme. Hierfür spreche bereits der Wortlaut des § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO, wonach das Verwaltungs- und Verfügungsrecht bei der GmbH »verbleibe«.283 Die
Eigenverwaltung führe daher nicht zu einer gesellschaftsrechtlichen Verwandlung der GmbH. Es liege folglich fern, dem Geschäftsführer mit der Anordnung
der Eigenverwaltung gleichsam diktatorische Befugnisse zuzuweisen. Zu einer
solchen diktatorischen Herrschaft käme es jedoch, wenn der Geschäftsführer
nicht mehr an die Satzung bzw. an die Vorschriften des GmbH-Gesetzes gebunden
wäre. Eine Bindung an gesellschaftsrechtliche Vorschriften erweist sich dieser
Ansicht zufolge aber als sinnvoll, da diese auf eine ausgewogene Verteilung der
Machtverhältnisse innerhalb der GmbH abzielte und die juristische Person überhaupt erst handlungsfähig machte. So müssten insbesondere die organschaftliche
Vertretung und die gesellschaftsinterne Meinungsbildung mittels gesellschaftsrechtlicher Vorschriften organisiert werden. Zwar weise das Insolvenzrecht allgemeine und besondere Vorschriften zur Organisation der Eigenverwaltung auf.
Für die Gesellschaftsinsolvenz regle jedoch nicht das Insolvenzrecht sondern das
Gesellschaftsrecht die Funktionsweise der schuldnerischen GmbH insbesondere
im Hinblick auf deren Verwaltung und Vertretung durch die Geschäftsführer.284
Dieser Ansicht nach finden das Insolvenz- und das Gesellschaftsrecht nebeneinander Anwendung, so dass der Geschäftsführer auch gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen unterliegt.
c. Systematisch-teleologischer Lösungsansatz
Schließlich wird von einer Ansicht285 ein systematisch-teleologischer Lösungsansatz vertreten, wonach das Insolvenzrecht und das Gesellschaftsrecht nacheinander zur Anwendung kommen. Die Funktionen und Zuständigkeiten der GmbH
orientieren sich dabei am Insolvenzziel. Die GmbH werde weitgehend mit denjenigen Rechten und Pflichten ausgestattet, welche die Insolvenzordnung im Regelverfahren für Schuldner und Fremdverwalter vorsehe. Die GmbH behalte jedoch ihre privatautonome Rechtsmacht. Daher käme nach der insolvenzrechtlichen auch die gesellschaftsrechtliche Zielsetzung zum Tragen. Dieser An-
282 Ringstmeier/Hohmann, NZI 2002, 406 ff.; ebenso Götker, Der Geschäftsführer in der
Insolvenz der GmbH, 1999, S. 381 f., Rn. 999; Smid, DZWIR 2002, S. 493, 499; Köchling,
ZinsO 2003, 53, 55; Westrick, NZI 2003, S. 65, 68.
283 Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 219, Rn. 628.
284 Vgl. Köchling, ZinsO 2003, 53, 55.
285 Uhlenbruck, FS Kirchhof, 2003, S. 479, 496.
67
sicht zufolge kommt es daher zu einem Nacheinander von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht.
d. Stellungnahme: Nebeneinander des Gesellschafts- und des Insolvenzrechts
nach dem systematisch-teleologischen Lösungsansatz
Die Ansicht des absoluten Vorrangs des Insolvenzrechts ist abzulehnen. Gesellschaftsrechtliche Vorschriften etwa zur Vertretung und zur internen Willensbildung müssen auch in der Eigenverwaltung Anwendung finden, um die Funktionsund Handlungsfähigkeit der GmbH aufrechtzuerhalten. Zudem ist nicht erkennbar, dass die Abhängigkeit des Geschäftsführers von der Zustimmung der Gesellschafterversammlung aufgrund angeblich unterschiedlicher Zielsetzungen des
Gesellschafts- und des Insolvenzrechts einen Nachteil für die Gläubigergemeinschaft darstellen könnte. Ebenso verhält es sich bei der Weisungsgebundenheit
des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschafterversammlung. Durch eine
zweigleisige Überwachung des Geschäftsführers – durch die Gesellschafterversammlung einerseits und durch den Sachwalter andererseits – kann vielmehr die
Gefahr eingedämmt werden, dass der Geschäftsführer durch unüberwachte Maßnahmen die Gläubiger schädigt.286
Auch der Ansicht von der gleichberechtigten Koexistenz des Insolvenz- und
Gesellschaftsrechts ist nicht zu folgen. Sie trägt dem Umstand nicht gebührend
Rechnung, dass dem Insolvenzrecht gegenüber dem Gesellschaftsrecht infolge
der unterbliebenen Befriedigung der Gläubiger Vorrang zukommen muss. Ein
gleichberechtigtes Nebeneinander von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht würde
die Gläubigerinteressen nicht angemessen berücksichtigen.
Der systematisch-teleologische Lösungsansatz überzeugt jedoch, weil er der
Auflösung der GmbH durch die Verfahrenseröffnung und der damit verbundenen
Überlagerung des Gesellschaftszwecks durch den Insolvenzzweck die gehörige
Bedeutung beimisst. Dies ist erforderlich weil, der Gesellschaftszweck vom
Insolvenzzweck deutlich abweicht. So haben sich die GmbH-Gesellschafter
gemäß § 1 GmbHG ursprünglich auf einen gesetzlich zulässigen Zweck der
Gesellschaft geeinigt, und das Gesellschaftsrecht ist auf die Berücksichtigung der
Interessen aller Beteiligten bedacht. Demgegenüber ist im Insolvenzrecht gemäß
§ 1 Satz 1 InsO die Gläubigerbefriedigung von Anfang an maßgeblich. Der
infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzzweck überlagerte
Gesellschaftszweck zielt jedoch vorrangig auf die Gläubigerbefriedigung ab.
Mittels dieses systematisch-teleologischen Lösungsansatzes lässt sich mithin
sowohl der Zielsetzung des Insolvenz- als auch dem Gesellschaftsrecht Rechnung
tragen. Im Rahmen der Eigenverwaltung unterliegt der Geschäftsführer damit
286 Vgl. auch Vallender, WM 1998, 2129; Grub, WM 1994, 881; Hesse/Ruppe, NZI 2002, 577,
580.
68
sowohl den insolvenzrechtlichen als auch den gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen.
3. Lösungsansätze zur Verteilung einzelner Aufgaben
Vor dem Hintergrund der insolvenzrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen des Geschäftsführers ist nunmehr zu untersuchen, wie die einzelnen Aufgaben zwischen diesem und dem Sachwalter aufzuteilen sind. Zu klären
ist insbesondere, wer die Aufgaben wahrnimmt, die nicht in den §§ 274 bis 285
InsO geregelt sind, sonder die im Wege der Verweisung des § 270 Abs. 1 Satz 2
InsO Anwendung finden. Es handelt sich um die Aufgaben des Insolvenzverwalters im Regelinsolvenzverfahren. Zu prüfen ist, ob diese dem Geschäftsführer oder dem Sachwalter zustehen.287 Das Gesetz regelt nicht, wie die Kompetenzen zu verteilen sind, so dass Kompetenzkonflikte zwischen Geschäftsführer
und Sachwalter drohen.288 Daher sind im Folgenden Lösungsansätze zur Kompetenzverteilung zu untersuchen.
a. Allgemeiner Kompetenzverteilungsgrundsatz: Unterscheidung zwischen
unternehmerischen und insolvenzspezifischen Aufgaben
Nach dem allgemeinen Kompetenzverteilungsgrundsatz ist zwischen unternehmerischen und insolvenzspezifischen Aufgaben zu unterscheiden.289 Bei der Betrachtung der einzelnen Aufgaben, die das Gesetz einerseits der GmbH und andererseits dem Sachwalter überträgt, wird deutlich, dass das Schwergewicht der
Abwicklung bei der GmbH liegt. Der Grund hierfür besteht darin, dass der GmbH
und nicht dem Sachwalter die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis zusteht
(§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO). Dem Sachwalter kommt daneben regelmäßig eine lediglich beratende Funktion zu. Der GmbH bleibt es jedoch freigestellt, den Sachwalter stärker in die Abwicklung einzubinden. Die in den §§ 274 bis 285 InsO entweder dem Sachwalter oder der GmbH zugewiesenen Aufgaben sind daher nach
dem Grundsatz zu verteilen, dass der Geschäftsführer die laufenden Geschäfte
vornimmt. Demgegenüber kontrolliert und unterstützt der Sachwalter einerseits
den Geschäftsführer bei der Geschäftsführung und nimmt andererseits diejenigen
Aufgaben wahr, die dem Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren primär
im Interesse der Gläubiger zustehen.290 Aus der Gesamtsystematik der Eigenver-
287 MünchKomm/Wittig, InsO, vor §§ 270 bis 285 Rn. 62.
288 So allgemein Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 270 Rn. 30; Huhn, Die Eigenverwaltung im
Insolvenzverfahren, S. 202, Rn. 582.
289 Vgl. Picot/Aleth, Unternehmenskauf und Restrukturierung, S. 1252, Rn. 247.
290 Begr. RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, zu § 331 RegE, S. 223; a.A. Nerlich/
Römermann/Riggest, InsO, § 274 Rn. 2 der eine solche Abgrenzung nach allgemeinen Kriterien für unmöglich hält.
69
waltung lässt sich folglich die Grundregel aufstellen, dass der Geschäftsführer die
unternehmerischen und der Sachwalter die insolvenzspezifischen Aufgaben
wahrnimmt.
Gleichwohl ist die Zwitterstellung der GmbH zu beachten, da dieser sowohl die
Verfahrens- als auch die Unternehmensfortführung obliegt. Die Stellung der
GmbH setzt sich folglich aus Elementen der Rechtsstellung des Schuldners vor
Antragstellung und aus Elementen des Insolvenzverwalters im Regelinsolvenzverfahren zusammen.291 So kann der Geschäftsführer regelmäßig in den Konflikt
geraten, sich entweder für die Gläubigerinteressen oder für die Interessen der
GmbH einzusetzen.
b. Analoge Anwendung der Regeln zum Vergleichsverwalter
Neben dem allgemeinen Kompetenzverteilungsgrundsatz ist zu prüfen, ob für die
Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Sachwalter die Regeln zum
Vergleichsverwalter analog anwendbar sind. Hierfür müssten die Analogievoraussetzungen in Gestalt einer Regelungslücke und einer vergleichbaren Sachlage
vorliegen. Von einer Regelungslücke in Bezug auf die Befugnisse des Sachwalters ist zunächst auszugehen, da diese in den §§ 270 bis 285 InsO unvollständig
geregelt sind. Zwar finden gemäß der verweisenden Vorschrift des § 270 Abs. 1
Satz 2 InsO subsidiär die Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens Anwendung. Damit finden auch die Regelungen zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters auf die Eigenverwaltung Anwendung. Ungeregelt bleibt indes, ob der Sachwalter oder der Geschäftsführer die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahrzunehmen hat, so dass eine Regelungslücke vorliegt.
Zweifelhaft ist jedoch, ob der Sachwalter mit dem Vergleichsverwalter vergleichbar ist. Zwar verfügt der Sachwalter lediglich über Kontroll-, Aufsichts-,
Informations- und Mitwirkungsbefugnisse bzw. -pflichten,292 so dass seine
Rechtsstellung derjenigen des Vergleichsverwalters angenähert ist.293 Dies wird
vor allem dadurch deutlich, dass zentrale Kompetenznormen der §§ 270 ff. InsO
der Vergleichsordnung entnommen oder zumindest nachgebildet sind.294
Gleichwohl nimmt der Sachwalter eine deutlich aktivere Rolle wahr als der
Vergleichsverwalter. So steht ihm in der Eigenverwaltung, abweichend vom Vergleichsverfahren,295 sowohl die Insolvenzanfechtung als auch die Geltendma-
291 Vgl. auch Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 201.
292 Koch, Die Eigenverwaltung nach der Insolvenzordnung, S. 214.
293 Vgl. auch Schlegel, S. 208 f.; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 274 Rn. 1; Grub, in: RWS-
Forum 3, S. 79, 90.
294 § 274 InsO beruht auf §§ 39, 40 VglO, Begründung RegE, in: Kübler/Prütting, RWS-
Dok. 18, Bd. 1, S. 525; § 275 beruht auf § 57 VglO, Begründung RegE, in: Kübler/Prütting,
RWS-Dok. 18, Bd. 1, S. 256; § 283 InsO beruht auf §§ 71, 85 VglO, Begründung RegE,
in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, Bd. 1, S. 533.
295 Begründung RegE, in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, Bd. 1, S. 531.
70
chung des Gesamtschadens zu (§ 280 InsO). Zudem ist entgegen der Vergleichsordnung296 in § 284 Abs. 1 Satz 2 InsO gesetzlich klargestellt, dass der Sachwalter gegenüber dem Schuldner zur Beratung verpflichtet sein kann. Überdies ist er
stärker an der Unternehmensfortführung beteiligt, da der Schuldner bei der Erfüllung gegenseitiger Verträge auf sein Einvernehmen angewiesen ist (§ 279 Satz 2
InsO). Im Vergleichsverfahren verfügte hingegen lediglich das Vergleichsgericht
über Kontrollbefugnisse, nicht aber der Vergleichsverwalter (§§ 50 bis 52 VglO).
Zum anderen sind die Kompetenzen des Sachwalters in den §§ 270 ff. InsO nicht
abschließend geregelt,297 so dass der Sachwalter darüber hinaus auch bestimmte
Aufgaben des Insolvenzverwalters wahrnimmt. Dadurch nähert sich die Stellung
des Sachwalters eher derjenigen des Insolvenzverwalters an, als der des Vergleichsverwalters.298 Schließlich ist die Eigenverwaltung, anders als das frühere
Vergleichsverfahren, nicht zwingend auf die Sanierung des Schuldners ausgerichtet, sondern sie kann auch zur Liquidation des Schuldners führen.299
Aufgrund der genannten Unterschiede ist die Stellung des Sachwalters folglich
nicht mit derjenigen des Vergleichsverwalters vergleichbar, so dass eine analoge
Anwendung der Vergleichsordnung ausscheidet. Dennoch weist die Rechtsstellung des Sachwalters mit derjenigen des Vergleichsverwalters insoweit eine
gewisse Ähnlichkeit auf, als beide als sachkundige und unparteiische Gehilfen
des Insolvenzgerichts in einer amtsähnlichen Stellung tätig werden.300 Daher ist
der Vergleichsordnung Indizfunktion zur Konkretisierung von Befugnissen des
Sachwalters beizumessen.
c. Analoge Anwendung der Regeln zum Aufsichtsrat i. S. d. § 52 GmbHG
Die Vergleichsordnung kann lediglich als Indiz herangezogen werden, so dass andere Lösungsansätze zu finden sind. Eine systematische Betrachtung der Problematik der Aufgabenverteilung zwischen dem Geschäftsführer und dem Sachwalter macht deutlich, dass sie sich auf der Schnittstelle zwischen dem Insolvenzund dem Gesellschaftsrecht befindet. Daher bietet es sich an, anstelle der außer
Kraft gesetzten Vergleichsordnung, die Vorschriften des geltenden GmbH-Rechts
analog heranzuziehen. Folglich ist zu untersuchen, ob die Vorschriften des
GmbHG zum Aufsichtsrat im Fall der GmbH-Insolvenz analog auf den Sachwalter Anwendung finden.301 Dadurch könnten Unklarheiten bei der Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Sachwalter beseitigt werden, da die Vorschriften zum Aufsichtsrat insbesondere die Aufgabenverteilung zwischen diesem und dem Geschäftsführer regeln. Hierfür müssten die Analogievoraussetzun-
296 Vgl. Bley/Mohrbutter, VglO, § 39 Rn. 12.
297 Vgl. 2. Kapitel § 1 III.
298 Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 244 f.
299 FK-Foltis, InsO, § 274 Rn. 45; Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 274 Rn. 12.
300 MünchKomm/Wittig, InsO, § 274 Rn. 21; Hess/Weiss, InsO, § 274 Rn. 5.
301 Vgl. hierzu bereits ansatzweise im französischen Recht: Le Cannu, PA, 9.1.2002, S. 48, 50.
71
gen in Gestalt einer Regelungslücke und einer vergleichbaren Sachlage vorliegen.
Die Befugnisse des Sachwalters regelt die Insolvenzordnung nur lückenhaft, so
dass eine Regelungslücke gegeben ist. Sodann ist zu untersuchen, ob die Aufgaben des Sachwalters mit denjenigen des Aufsichtsrats i. S. d. § 52 GmbHG vergleichbar sind.
Nach den gesetzlichen Regelungen haben sowohl der Aufsichtsrat (§ 52
Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 111 Abs. 1 AktG) als auch der Sachwalter (§ 274 Abs. 2
Satz 1 InsO) den Geschäftsführer in seiner Geschäftsführung zu überwachen, so
dass beiden Organen dieselbe Funktion zukommt. Die Überwachungsfunktion
des Aufsichtsrats entspricht in florierenden Unternehmen unterdessen eher einer
kooperativen Beratung und wird nur selten in Gestalt formeller Maßnahmen
sichtbar.302 In diese Richtung geht auch die allgemeine Beratungspflicht des
Sachwalters gegenüber dem Schuldner, so dass auch das Nebeneinander von
Geschäftsführer und Sachwalter auf eine kooperative Beratung ausgelegt ist.
Bleibt eine solche kooperative Beratung bzw. Zusammenarbeit aus, können
sowohl der Aufsichtsrat (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG)
als auch der Sachwalter (§ 274 Abs. 3 Satz 1 InsO) auf gewisse Druckmittel
gegenüber dem Geschäftsführer zurückgreifen. Um ein solches Druckmittel handelt es sich beispielsweise bei dem Zustimmungserfordernis. Gewisse Geschäfte
können insoweit nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden,
wenn die Satzung dies vorsieht (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 111 Abs. 4 Satz 2
AktG). Ebenso kann der Geschäftsführer Verbindlichkeiten, die nicht zum
gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, nur mit Zustimmung des Sachwalters
eingehen (§ 275 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Aufsichtsrat hat jedoch die Einhaltung
gesellschaftsrechtlicher Regelungen zu überwachen, wobei der Sachwalter die
Einhaltung insolvenzrechtlicher Vorschriften kontrolliert. Dementsprechend vertreten der Aufsichtsrat und der Sachwalter verschiedene Interessen, da der Aufsichtsrat nach dem Gesellschaftsrecht den Interessen aller Beteiligten verpflichtet
ist, wohingegen der Sachwalter primär die Interessen der Gläubiger geltend
macht. Die unterschiedlichen Interessenbindungen von Aufsichtsrat und Sachwalter stehen folglich einer Vergleichbarkeit im Sinne einer Analogievoraussetzung entgegen. Mangels Vergleichbarkeit scheidet eine Analogie daher aus.
Gleichwohl ähneln sich Aufsichtsrat und Sachwalter, da beide den Geschäftsführer überwachen. Auch wenn eine Analogie ausscheidet, kommt der Aufgabenverteilung zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführer zumindest Indizfunktion
zu. Weist das Insolvenzrecht also eine Regelungslücke auf, so kommt im Falle
eines Kompetenzkonflikts zwischen Sachwalter und Geschäftsführer den gesellschaftsrechtlichen Regeln zur Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und
Aufsichtsrat i.S.d. § 52 Abs. 1 GmbHG Indizfunktion zu.
302 Vgl. BGHZ 114, 127, 129 f. in AG 1991, 312 m. Anm. Wolf; in DB 1991, 1212 m. Anm.
Theisen; Peltzer, WM 1981, 346, 348.
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d. Herkunft der Rechtsmacht der GmbH
Für die Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Sachwalter ist auch
die Frage der Herkunft der Rechtsmacht der GmbH von Bedeutung. Geht man von
der Übertragung der Rechtsmacht auf die GmbH aus, so müsste der GmbH jede
weitere Zuständigkeit explizit zugewiesen werden. Im Fall der originären Zuständigkeit der GmbH käme dieser hingegen eine Auffangzuständigkeit zu, ohne dass
es einer ausdrücklichen Zuständigkeitszuweisung bedürfe. Es ist daher herauszufinden, ob der GmbH die Verfügungsmacht mit der Anordnung der Eigenverwaltung übertragen wurde (übertragene Rechtsmacht) oder ob sie ihre ursprüngliche
Rechtsmacht beibehalten hatte (originäre Rechtsmacht).
i. Übertragene Rechtsmacht
Einer Ansicht nach wird der GmbH ihre ursprüngliche Rechtsmacht entzogen, um
ihr als Amtswalterin durch die Anordnung der Eigenverwaltung eine eigenständige und insolvenzrechtstypische Rechtsmacht zu übertragen. Der Umfang dieser
Rechtsmacht ergäbe sich dabei direkt aus den §§ 270 ff. InsO.303 Die GmbH leite
ihre Rechtsmacht danach aus dem Anordnungsbeschluss des Insolvenzgerichts
ab, so dass diesem konstitutive Wirkung zukäme. Für diese Ansicht spreche die
nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung. In diesem Fall hätte das Insolvenzgericht dem Schuldner bereits mit Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens
die Verwaltungsbefugnis entzogen (§ 80 Abs. 1 InsO). Da der Schuldner folglich
bereits entmachtet sei, käme der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung
zwangsläufig konstitutive Wirkung zu. Der GmbH werde die Verfügungsmacht
dadurch wieder rückübertragen.304 Diese Ansicht bezeichnet die eigenverwaltende GmbH dabei als »Amtswalterin in eigenen Angelegenheiten«, da bei der
Ausübung ihrer Aufgaben auch im Rahmen der Eigenverwaltung die strikte Hintansetzung eigener Interessen erforderlich sei.305 Danach könnte die GmbH trotz
des Vollstreckungsschutzes (§ 89 InsO) ihr Vermögen nicht ausschließlich nach
eigenem Interesse verwerten. Ebenso verhielte es sich bei interessengeleiteten
Entscheidungen über die Erfüllung nicht vollständig abgewickelter Rechtsgeschäfte (§ 279 InsO). Dem Schuldner können dieser Ansicht nach zudem haftungsrechtliche Aufgaben übertragen werden, die ihm kraft Privatautonomie
nicht zustünden. Zu nennen sei hier beispielhaft die Befugnis, mittels Widerspruch die Feststellung einer angemeldeten Forderung zu verhindern (§ 283
303 Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 202.
304 Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 202.
305 So Pape, in: Kölner Schrift, S. 918 f.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 8.04; Hess/Weiss/
Wienberg, InsO, § 270 Rn. 17; Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 270 Rn. 2; Smid, WM
1998, 2489, 2510; Lakies, BB 1999, 1759, 1760; Gottwald/Haas, Handbuch, § 89 Rn. 1;
ähnlich Landfermann, in: HK-InsO, § 270 Rn. 9; OLG Naumburg, ZInsO 2000, 505, 506.
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Abs. 1 InsO).306 Bei Kompetenzkonflikten zwischen Geschäftsführer und Sachwalter scheidet dieser Ansicht nach eine subsidiäre Zuständigkeit des Geschäftsführers aus, weil dem Geschäftsführer jede einzelne Zuständigkeit ausdrücklich
zugewiesen werden muss. Dieser Ansicht zufolge ist der GmbH mithin die
Rechtsmacht als Amtswalterin übertragen worden.
ii. Originäre Rechtsmacht
Der Gegenansicht zufolge behält die GmbH im Rahmen der Eigenverwaltung ihre
originäre Rechtsmacht bei, wobei diese lediglich durch die §§ 270 ff. InsO modifiziert werde.307 Durch den Anordnungsbeschluss des Insolvenzgerichts gemäß
§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO werde lediglich festgestellt, dass die GmbH ihre ursprüngliche Verfügungsmacht beibehalte. Allein in Bezug auf die insolvenzspezifischen Rechte (z. B. § 282 Abs. 1 Satz 1, § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO) und
Pflichten (z. B. § 281 Abs. 1 Satz 1 InsO), die der GmbH übertragen werden,
komme dem Anordnungsbeschluss rechtsmodifizierende bzw. rechtsbegründende
Wirkung zu. Insolvenzspezifische Rechte und Pflichten ließen sich nämlich nicht
aus der privatautonomen Rechtsmacht der GmbH herleiten.308 Kommt es zum
Kompetenzkonflikt zwischen Geschäftsführer und Sachwalter, so wäre aufgrund
der originären Rechtsmacht der GmbH im Zweifel die Zuständigkeit der GmbH
und damit des Geschäftsführers zu bejahen. Ihre frühere allumfassende Rechtsmacht als Schuldnerin bliebe nämlich erhalten und würde lediglich durch die
§§ 270 ff. InsO gewisse Einschränkungen erfahren.309 Dieser Ansicht zufolge behält die GmbH im Rahmen der Eigenverwaltung ihre originäre Rechtsmacht bei.
iii. Erörterung und eigener Standpunkt
Letztere Ansicht überzeugt weitgehend, da der Schuldner nach der Begründung
zum Regierungsentwurf grundsätzlich verfügungs- und verwaltungsbefugt bleiben soll.310 Diese Formulierung wird im direkten Zusammenhang mit einem Verweis auf das Vergleichsverfahren verwendet, in dem der Schuldner ebenfalls bereits kraft privatautonomer Rechtsmacht handelte.311 Zudem erklärt sich die
Funktion des § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO dadurch, dass abgesehen vom Verfügungsrecht des Schuldners die gleichen Bestimmungen wie im Regelinsolvenz-
306 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 8.13.
307 Vgl. Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270 Rn. 2; Huhn, Die Eigenverwaltung im
Insolvenzverfahren, S. 201; Bork, InsO, Rn. 405; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch,
Rn. 10.2.
308 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 8.13.
309 So auch Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 202.
310 Begründung RegE, in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, Bd. 1, 518.
311 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 8.13.
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verfahren gelten sollen.312 Diese Trennung zwischen Verfügungsrecht und dem
sonstigen Bereich des materiellen Insolvenzverfahrens macht nur Sinn, wenn sich
diese Bereiche auch qualitativ unterscheiden. Demnach ist davon auszugehen,
dass der Schuldner zumindest sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht kraft eigener Privatautonomie ausüben soll.313
Etwas anderes kann auch nicht für jene Fälle gelten, in denen dem Schuldner
vor der Anordnung der Eigenverwaltung das Verfügungsrecht entzogen wurde
(§ 22 Abs. 1 InsO) oder in welchen die Eigenverwaltung nachträglich angeordnet
wurde (§ 271 InsO).314 Was den vorherigen Entzug des Verfügungsrechts anbelangt, so war im Vergleichsrecht zwar geregelt, dass die Beschränkungen im Vergleichseröffnungsverfahren (§ 24 VglO) auch im eröffneten Verfahren als
Beschränkungen (§§ 58 ff. VglO) fortbestehen. Die Insolvenzordnung hat diese
Fortgeltungsfiktion jedoch nicht übernommen, so dass a contrario diese Verfügungsbeschränkungen aus dem Insolvenzeröffnungsverfahren mit der Eröffnung
des Eigenverwaltungsverfahrens erlöschen.315 Der Anordnung der Eigenverwaltung muss damit zumindest gedanklich das Erlöschen der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen vorausgehen. Da zumindest kurzzeitig der Schuldner seine
volle privatautonome Rechtsstellung wiedererlangt hat, kann diese durch die
Anordnung der Eigenverwaltung auch nicht zurück übertragen werden. Damit
besteht kein konstruktiver Unterschied zur Eigenverwaltungsanordnung ohne
vorhergehenden Entzug der Verfügungsbefugnis.
Ebenso verhält es sich bei der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung.
Dort endet mit der Eigenverwaltung ebenfalls sowohl das Amt des Insolvenzverwalters als auch die Wirkung des § 80 InsO.316 Damit erlangt der Schuldner
zumindest im Zeitpunkt des Anordnungsbeschlusses automatisch seine ursprüngliche Rechtsstellung zurück, die er bereits vor dem Regelinsolvenzverfahren
innehatte. Diese Rechtsstellung wird dann durch die Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO lediglich modifiziert. Eine separate Rück-
übertragung der Rechtsmacht durch das Insolvenzgericht in Form eines eigenständigen Rechtsaktes findet jedoch auch in diesem Fall nicht statt.317 Zudem bietet die amtliche Überschrift in den §§ 271, 272 InsO keinen Anhaltspunkt dafür,
dass dem Schuldner die Rechtsmacht übertragen werde.318
Damit ist abschließend festzuhalten, dass der Geschäftsführer aufgrund der
originären Rechtsmacht der GmbH in Zweifelsfällen über eine Auffangzuständigkeit verfügt.
312 Begründung RegE, in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, Bd. 1, 518.
313 So auch Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 206.
314 Schlegel, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 121.
315 Vgl. Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 210; im Ergebnis auch Wimmer/Foltis, InsO, § 270 Rn. 10.
316 Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 271 Rn. 8, zu dem Fall des § 271 InsO, der jedoch
im Hinblick auf das Verhältnis von § 80 InsO zu § 270 InsO übertragbar ist.
317 Vgl. Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 210 f.
318 A.A. Schlegel, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 122.
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4. Ergebnis
Die GmbH ist Trägerin der Eigenverwalterrolle, und der Geschäftsführer unterliegt bei der Anordnung der Eigenverwaltung neben den insolvenzrechtlichen
auch den gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen. Die Auflösung der GmbH
durch die Eröffnung der Insolvenz hat jedoch zur Folge, dass der Gesellschaftszweck vom Insolvenzzweck überlagert wird. Nach dem allgemeinen Kompetenzverteilungsgrundsatz obliegen dem Geschäftsführer die unternehmerischen, dem
Sachwalter die insolvenzspezifischen Aufgaben. In Zweifelsfällen kann die Vergleichsordnung als Indiz zur Konkretisierung der Aufgaben des Sachwalters herangezogen werden. Ebenso kommt den gesellschaftsrechtlichen Regeln zur Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Aufsichtsrat für das Verhältnis
zwischen Geschäftsführer und Sachwalter Indizfunktion zu. Die GmbH behält im
Falle der Eigenverwaltung ihre ursprüngliche Rechtsmacht als Rechtsinhaberin
bei, so dass ihr in Zweifelsfällen eine Auffangzuständigkeit zukommt.
§ 2 Maßgebliche Aufgaben des Insolvenzverwalters und des Sachwalters
Aufbauend auf die im vorangegangenen Kapitel herausgearbeiteten theoretischen
Lösungsansätze zur Aufgabenverteilung sind zunächst die maßgeblichen Aufgaben des Insolvenzverwalters und des Sachwalters zu untersuchen.
I. Insolvenzverwalter
Der Insolvenzverwalter319 ist als Inhaber des Verwaltungs- und Verfügungsrechts
Herr des Verfahrens (§ 80 Abs. 1 InsO).320 Er nimmt einen Großteil derjenigen
Aufgabenbereiche wahr, aus denen er den Geschäftsführer verdrängt hat.321
1. Verwaltungs- und Verwertungsbefugnis über massezugehörige
Gegenstände
Die Verwaltungs- und Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters über massezugehörige Gegenstände der GmbH schließt konkurrierende Kompetenzen des
319 Zur Bestellung des Insolvenzverwalters, vgl. Wieland, ZIP 2007, 462 ff.
320 Vgl. allgemein Grub, in: Kölner Schrift S.678, der den Inhaber des Verwaltungs- und Verfügungsrechts als Herrn des Verfahrens bezeichnet.
321 Vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG § 63 Rn. 81; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh,
GmbHG § 63 Rn. 37; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 30.51; MünchKomm/Ott, InsO, § 80
Rn. 111.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Deutschland und Frankreich stehen exemplarisch für eine bis heute sehr unterschiedliche Verfahrenspraxis im Insolvenzrecht. Ungleich gehandhabt wird insbesondere die Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Insolvenzverwalter.
Die Aufgaben des Geschäftsführers einer GmbH bzw. einer Société à responsabilité limitée (SARL) richten sich grundsätzlich allein nach dem Gesellschaftsrecht. Dies ändert sich jedoch spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dann findet das deutsche bzw. das im Jahre 2005 novellierte französische Insolvenzrecht auf den Geschäftsführer Anwendung und der Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter tritt in das Leben der GmbH bzw. SARL ein. Auf dieser Schnittstelle von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht kommt es damit sowohl im Regelinsolvenzverfahren bzw. in der Eigenverwaltung im deutschen Recht als auch im Erhaltungs- bzw. Sanierungsverfahren im französischen Recht zu einem Nebeneinander des gesellschaftsrechtlichen und des insolvenzrechtlichen Organs.
Dieses Nebeneinander macht eine Aufgabenverteilung notwendig, die jedoch in keinem der beiden Länder explizit geregelt ist. Auf Grundlage der dogmatischen Lösungsansätze werden die wesentlichen Aufgaben des Insolvenzverwalters und des Geschäftsführers einer GmbH bzw. SARL definiert und rechtsvergleichend untersucht.