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bloßer Vermutungen der beteiligten Behörden ohne nachprüfbaren Kern nicht besteht. Der Kreis der beteiligten Stellen und der behördenintern zugriffsermächtigten
Personen ist auf das zur Zweckerreichung erforderliche Maß zu beschränken. Prüfund Löschungspflichten sind verfassungsrechtlich geboten, Evaluierungspflichten
wünschenswert.
D. Das Erfordernis organisatorischer und verfahrensrechtlicher Vorkehrungen
Damit die Grundrechte ihre Funktion in der sozialen Wirklichkeit erfüllen können,
bedarf es nach gefestigter Rechtsprechung nicht nur materiellrechtlicher Normierungen, sondern auch einer angemessenen Verfahrensgestaltung, die einen wirksamen
Grundrechtsschutz gewährleistet.463 Grundrechte beeinflussen demnach nicht nur
das gesamte materielle Recht, sondern enthalten auch Garantien für ein die Grundrechte wahrendes Verwaltungsverfahren.464 Sowohl der subjektive als auch der objektive Gehalt der Freiheitsgrundrechte erfordern eine Ausgestaltung des Verfahrens, die es dem Grundrechtsinhaber ermöglicht, sich gegenüber einer drohenden
Grundrechtsverletzung zur Wehr zu setzten.465 Die Grundrechte werden insoweit zu
Leistungsrechten466, die Grundrechtsgewährleistung wird durch entsprechende
Schutzpflichten abgesichert.467
Verfahrensrechtliche Vorkehrungen sind darüber hinaus unter dem Aspekt der
Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes geboten, da sie, wie etwa Auskunftsrechte oder Benachrichtigungspflichten, wesentliche Voraussetzung dafür
sind, dass der Betroffene sich gegen das staatliche Handeln überhaupt zur Wehr
setzen kann. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes
beeinflusst dagegen wiederum das Maß des prozeduralen Grundrechtsschutzes.468
Das Erfordernis eines Grundrechtsschutzes durch Verfahren und das Gebot der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes hängen demnach derart eng zusammen, dass das BVerfG bestimmte Verfahrensrechte des Grundrechtsträgers weitestgehend undifferenziert aus dem betroffenen Grundrecht „in Verbindung mit dem
Erfordernis eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG)“
ableitet.469
Das Ausmaß verfahrensrechtlicher Garantien richtet sich nach der Art und Intensität des Grundrechtseingriffs, und sind umso höhere Anforderungen an diese zu
stellen, je geringer der nachträgliche Rechtsschutz durch die Gerichte gewährleistet
463 BVerfGE 53, 30 (65); 63, 131 (143); 65, 1 (44); 69, 315 (355); 73, 280 (296); 82, 209 (227);
BVerfG, 2 BvR 1027/02 vom 12.4.2005, Absatz-Nr. 122.
464 BVerfGE 53, 30 (65); 69, 315 (355).
465 Schenke, DVBl. 1996, 1393 (1394); Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte, S. 232f. m.w.N.
466 Trute, in: Handbuch Datenschutz, 2.5., Rdnr. 34.
467 Vogelgesang, Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung?, S. 78.
468 BVerfGE 65, 1 (46); BVerfGE 84, 34 (46).
469 Vgl. etwa BVerfG NJW 2004, 999 (1015) zum Anspruch des Betroffenen auf Kenntnis von
den belastenden Maßnahmen.
138
ist.470 So ist prozeduraler Grundrechtsschutz insbesondere dann geboten, wenn eine
gerichtliche Ergebniskontrolle an materiellen Maßstäben zwar möglich ist, aber erst
zu einem Zeitpunkt stattfinden kann, in dem etwaige Grundrechtsverletzungen kaum
noch zu korrigieren sind.471 Dies gilt umso mehr in Fällen, in denen ein nachträglicher Rechtsschutz durch die Gerichte regelmäßig nicht in Betracht kommt, weil die
staatliche Maßnahme dem Betroffenen rechtlich oder faktisch verborgen bleibt und
ihm auch später nicht notwendig bekannt zu machen ist.472
Bei Gefährdungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hängt die
verfassungsrechtliche Beurteilung einer Informationsmaßnahme demnach auch
davon ab, welche datenschutzrechtlichen Schutzvorkehrungen bestehen.473 Der Gesetzgeber hat daher zugleich mit den Eingriffsbefugnissen organisatorische und
verfahrensrechtliche Vorkehrungen für die Durchführung der Datenerhebung und verarbeitung zu treffen, die einer Verletzung des Grundrechts entgegenwirken.474
Als solche sind insbesondere Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten und
die Beteiligung unabhängiger Datenschutzbeauftragter wesentlich.475 Des Weiteren
besteht generell das Gebot, die technischen Entwicklungen der Datenerhebung,
Datenspeicherung und Datenverwertung zu beobachten und gegebenenfalls durch
ergänzende rechtliche Rahmenbedingungen korrigierend einzugreifen, wenn den
Gefahren, die dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die technische Entwicklung der automatischen Datenverarbeitung drohen, mit den derzeitigen
Standards nicht mehr ausreichend begegnet werden kann.476 Die notwendige Sicherung eines hinreichenden (Grund)Rechtsschutzes für den Betroffenen gegenüber der
Datenerhebung und Verarbeitung hat das BVerfG in jüngster Zeit noch einmal deutlich betont.477
So wichtig und zutreffend die Ausführungen des BVerfG in diesem Zusammenhang sind, darf doch nicht darüber hinweggetäuscht werden, dass prozeduraler
Grundrechtsschutz schon aufgrund des Fehlens der Betroffenenanhörung nicht in
gleicher Weise zur Gewährleistung eines effektiven Grundrechtsschutzes geeignet
ist wie ein durch die Gerichte vermittelter Rechtsschutz unter Mitwirkung des Betroffenen. So können verfahrensrechtliche und organisatorische Maßnahmen zwar
Rechte der Grundrechtsträger zu sichern helfen, der von der Informationsmaßnahme
Betroffene ist aber stets auf die wirksame und sachgerechte Ausgestaltung und Umsetzung der Schutzmaßnahmen angewiesen und muss ohne Möglichkeit seiner aktiven Beteiligung auf die Sicherung seiner Rechte durch andere vertrauen. So begrü-
ßenswert und notwendig verfahrensrechtliche Sicherungen im Hinblick auf den
470 BVerfGE 65, 1 (46); BVerfGE 84, 34 (46).
471 BVerfGE 90, 60 (96).
472 SächsVerfGH JZ 1996, 957 (963).
473 BVerfG NJW 2004, 999 (1018).
474 BVerfGE 65, 1 (44).
475 BVerfGE 65, 1 (46ff.).
476 BVerfG NJW 2005, 1338 (1340); BVerfG, 2 BvR 1027/02 vom 12.4.2005, Absatz-Nr. 123.
477 BVerfG NJW 2000, 55 (58ff.); NJW 2004, 999 (1015ff.), NJW 2004, 2213 (2222); NJW
2005, 1338 (1340).
139
Grundrechtsschutz sind, so können sie doch letztlich auch nur in begrenztem Maße
den Abbau der durch enge und klare Eingriffsvoraussetzungen vermittelten materiellen Sicherungen kompensieren. Dies gilt weiter unter dem Aspekt, dass Voraussetzung jeden und damit auch vorbeugenden und prozeduralen Rechtsschutzes das
Bestehen von klaren und hinreichend bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen ist,
an denen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme überprüft werden kann.478 Verfahrensrechtliche Vorkehrungen sind daher stets unter Vorbehalt ihrer begrenzten Reichweite zu würdigen.
I. Die Mittel prozeduralen Grundrechtsschutzes
Die zur Gewährleistung eines Grundrechtsschutzes durch Organisation und Verfahren in Betracht kommenden Maßnahmen sind vielgestaltig und vom BVerfG nicht
abschließend benannt worden. Dem Gesetzgeber bleibt grundsätzlich ein gewisser
Entscheidungsspielraum, wie er den gebotenen Grundrechtsschutz institutionell
ausgestaltet, solange die Kontrolle nur hinreichend wirksam ist und sich auf alle
Schritte des in Frage stehenden Datenverarbeitungsprozesses erstreckt.479 Die zur
Gewährleistung eines prozeduralen Grundrechtsschutzes in Betracht kommenden
Mittel und die dazu von Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Vorgaben
seien im Folgenden kurz skizziert.
1. Transparenz durch Aufklärungs-, Auskunfts- und Benachrichtigungspflichten
Besondere Bedeutung misst das BVerfG Aufklärungs-, Auskunfts- und Benachrichtigungspflichten bei. Denn der Einzelne müsse wissen, was er zu welchen Zwecken
preiszugeben hat und wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß.480
Dies kann nur dadurch gewährleistet werden, dass der Staat die Erhebung, Sammlung und Verwertung personenbezogener Daten und den Zweck, zu dem sie erfolgt,
offen legt. Diesem Erfordernis hat er durch entsprechende Aufklärungs- und Belehrungspflichten, insbesondere über die Rechtsgrundlage der Datenerhebung481, nachzukommen. Ist von der Unterrichtung des Betroffenen im Vorfeld des Informationseingriffs abzusehen, da andernfalls der Zweck der Maßnahme nicht erreicht werden
kann, ist der Grundrechtsschutz grundsätzlich durch nachträgliche Benachrichtigungspflichten und Auskunftsrechte sicherzustellen. Denn nur wenn der Einzelne
Kenntnis vom staatlichen Informationsverhalten hat, kann er sich gegen dieses gegebenenfalls zur Wehr setzen. Die Transparenz der Datenerhebungs- und Verarbei-
478 So auch Gusy, JZ 1998, 167 (172); Kutscha, NVwZ 2003, 1296 (1300).
479 BVerfG NJW 2000, 55 (57).
480 BVerfGE 65, 1 (43, 46).
481 Bäumler, in: HdbPolR, 3. Aufl., J, Rdnr. 48.
140
tungsvorgänge ist demnach auch notwendige Voraussetzung eines effektiven
Rechtsschutzes.
Bei heimlichen Informationsakten ist der Betroffene daher von Grundrechts wegen nachträglich über die gegen ihn erfolgten Eingriffe zu benachrichtigen.482 Wie
das BVerfG schon im „Abhörurteil“ ausführte, kann nur ganz ausnahmsweise aufgrund der Gemeinschaftsbezogenheit des Grundrechts von der Benachrichtigung
abgesehen werden, wenn diese den Zweck der Informationsmaßnahme und die
durch den Eingriff zu schützenden Rechtsgüter gefährdet.483 Sobald diese Interessenlage nicht mehr fortbesteht, ist die Unterrichtung des Betroffenen dagegen verfassungsrechtlich geboten. Dies verpflichtet zugleich die Exekutive zur Prüfung, ob
die Benachrichtigung ohne Gefährdung für den Zweck der Beschränkung erfolgen
kann.484 Sind personenbezogene Daten zwar erhoben und erfasst, so dann aber ohne
weitere Schritte als irrelevant vernichtet worden, soll nach Auffassung des BVerfG
ebenfalls auf die nachträgliche Mitteilung verzichtet werden können.485 Dem kann
nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Denn schon die Erhebung und Erfassung,
nicht erst die Verwertung der Daten ist ein das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. die spezifischen Grundrechtsverbürgungen beeinträchtigender
Staatsakt, gegen den der Betroffene die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes
in Anspruch nehmen können muss. Dies setzt aber die Mitteilung vom Informationsakt voraus. Auch insofern ist also an der grundsätzlichen Pflicht zur Benachrichtigung, von der nur bei Gefährdungen des Eingriffszwecks Ausnahmen zulässig
sind, festzuhalten.
Im Vordergrund eines prozeduralen Grundrechtsschutzes stehen des Weiteren
Auskunftsrechte der Bürger über die sie betreffenden, staatlich erfassten Daten. Ob
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dem Einzelnen ein nur durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes einschränkbares Recht auf Zugang zu den über ihn
gespeicherten persönlichen Daten gewährleistet - mit der Folge, dass jede Einschränkung der Auskunft zugleich einen Eingriff in das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung darstellt-, oder ein solches erst durch den Gesetzgeber im Rahmen verfahrensrechtlicher Vorkehrungen zum Schutz des Grundrechts und in Abgrenzung zu anderen Schutzvorkehrungen begründet werden muss, ist bislang nicht
abschließend geklärt.486 Allerdings mehren sich die Stimmen, die ein solches Auskunftsrecht unmittelbar dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und den
dieses Recht speziell verbürgenden Grundrechts-gewährleistungen entnehmen wollen.487
482 BVerfG NJW 2004, 999 (1015).
483 BVerfG NJW 1971, 275 (278).
484 Kaysers, AöR 129 (2004), 121 (127).
485 BVerfG NJW 2000, 55 (67).
486 Ausdrücklich offen gelassen durch BVerfG, 1 BvR 586/90 vom 10.10.2000, Absatz-Nr. 7f.;
BVerfG, 2 BvR 443/02 vom 9.1.2006, Absatz-Nr. 28; BVerwG NJW 1990, 2761 (2762).
487 Riegel, DVBl. 1985, 765 (772); Bäumler, NVwZ 1988, 199; Kay, Die Polizei 1990, 76 (76);
Simitis/Fuckner, NJW 1990, 2713 (2717); Geiger, DVBl. 1990, 748 (755f.); Huber,
141
Dem ist zuzustimmen. Aus Gründen eines effektiven Grundrechtsschutzes ist ein
Anspruch auf Auskunft, der nur durch oder aufgrund eines Gesetzes im Rahmen des
Verhältnismäßigen etwa unter Berücksichtigung gegebenenfalls entgegenstehender
Geheimhaltungsinteressen oder aus Gründen des Quellenschutzes eingeschränkt
werden darf, zu bejahen. Dies legen auch die Ausführungen des BVerfG in jüngeren
Urteilen nahe, wonach der Grundrechtsträger einen Anspruch auf Kenntnis von
Informationsmaßnahmen habe.488 Zwar sei dies schon ein Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes, der Anspruch auf Kenntnis beschränke sich aber nicht auf die
Gewährleistung gerichtlichen Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG, sondern sei
vielmehr ein spezifisches Datenschutzrecht, das gegenüber der datenerhebenden und
-verarbeitenden Stelle geltend gemacht werden könne.489 Der Anspruch auf Kenntnis der Maßnahmen wird demnach durch das betroffene Grundrecht selbst vermittelt. Zwar beziehen sich die Ausführungen des Gerichts auf die Kenntnis der Informationsakte im Allgemeinen und treffen keine spezifische Aussage darüber, wie
dem Betroffenen die entsprechende Kenntnis zu vermitteln ist. Wie die Kenntnisgewährung im Einzelnen auszugestalten ist, gebe das Grundgesetz nicht vor.490 Doch
ist ein grundrechtsimmanenter Auskunftsanspruch jedenfalls in Fällen anzuerkennen, in denen der Betroffene weder vor noch nach der Maßnahme über den Informationsakt durch die staatlichen Stellen benachrichtigt worden ist und er andernfalls im
Unklaren über das seine Person betreffende Informationsverhalten staatlicher Stellen
bliebe. In jedem Fall besteht in diesen Fällen ein entsprechender Auftrag an den
Gesetzgeber, dem Einzelnen einen solchen Anspruch zugleich mit den Eingriffsbefugnissen einzuräumen.
Allerdings unterliegt auch das Auskunftsrecht denselben Einschränkungen wie
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, steht also unter dem Vorbehalt
entgegenstehender überwiegender Gemeinschaftsbelange.491 Insbesondere hinreichend gewichtige Geheimhaltungsinteressen können daher eine Beschränkung des
Auskunftsrechts rechtfertigen, wenn verfassungsmäßig legitimierte Staatsaufgaben
zu ihrer Erfüllung der Geheimhaltung bedürfen und das öffentliche Interesse an
Geheimhaltung das Interesse des Einzelnen an der Auskunftserteilung im Rahmen
der vorzunehmenden Güterabwägung überwiegt.492 Gleiches gilt für schutzwürdige
Belange Dritter, die einer Auskunftserteilung entgegenstehen.493 Schließlich kann
auch aus Gründen des Quellenschutzes von einer Auskunftserteilung oder Benachrichtigung abgesehen werden, wenn andernfalls die eine vertrauensvolle Zusammen-
ThürVBl. 1992, 121 (124), der den Auskunftsanspruch sowohl aus Art. 2 Abs.1, Art. 1 Abs. 1
GG als auch aus Art. 19 Abs. 4 GG herleitet.
488 BVerfG NJW 2000, 55 (57); NJW 2004, 999 (1015).
489 BVerfG NJW 2000, 55 (57).
490 BVerfG NJW 2000, 55 (57); NJW 2004, 999 (1015).
491 Vogelgesang, Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung?, S. 80; Kay, Die Polizei
1990, 76 (76); Huber, ThürVBl. 1992, 121 (124).
492 BVerfG, 1 BvR 586/90 vom 10.10.2000, Absatz-Nr. 154ff.; BVerwG NJW 1990, 2761
(2762f.); BVerwG NJW 1992, 451 (453); kritisch Simitis/Fuckner, NJW 1990, 2713.
493 BVerfG, 1 BvR 586/90 vom 10.10.2000, Absatz-Nr. 15.
142
arbeit mit Informanten und/oder ausländischen Partnernachrichtendiensten beeinträchtigende Offenlegung der den staatlichen Stellen zur Verfügung stehenden Informationsquellen und –wege und hiermit verbunden eine erhebliche Beeinträchtigung der staatlichen Aufgabenwahrnehmung droht. Die Versagung der Auskunft ist
aber unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Belange und Geheimhaltungsinteressen durch die Exekutive zu begründen und hat darüber hinaus die betroffene
Stelle die Möglichkeit von Teilauskünften zu prüfen.494
2. Unabhängige Kontrollinstanzen zur Kompensation von Transparenz- und Rechtsschutzverlusten
Eine wichtige Rolle bei der Kompensation von Transparenz- und Rechtsschutzverlusten spielen auch verwaltungsinterne und externe Kontrollinstanzen. Als solche
kommen die Beteiligung parlamentarischer Kontrollkommissionen oder unabhängiger Datenschutzbeauftragter, Behördenleiter- und Richtervorbehalte, sowie Berichtspflichten der Exekutive gegenüber dem Parlament in Betracht.
Die Wirksamkeit von Dienststellen- und Behördenleitervorbehalten ist allerdings
aufgrund der verwaltungsinternen Realitätswahrnehmung für die Sicherung der
Grundrechte nur eingeschränkt geeignet.495 Stets ist zu befürchten, dass grundrechtlich gebotene Zurückhaltung vorschnell Effektivitäts- und Zweckmäßigkeitserwägungen bei der Aufgabenwahrnehmung der Verwaltung weichen wird. Aufgrund der
Subjektivität von Berichten darf auch die Wirksamkeit von Berichtspflichten gegen-
über dem Parlament nicht überschätzt werden. So haben derartige Berichtspflichten
auch nicht die Funktion, die Rechtmäßigkeitskontrolle durch das Parlament zu ermöglichen, sondern zielen lediglich auf die Wahrnehmung politischer Verantwortung durch Beobachtung der Eignung und Folgen der Maßnahmen ab.496 Richtervorbehalte sind dagegen zwar ein weitaus effektiveres Mittel des prozeduralen Grundrechtsschutzes. Allerdings ist auch ihre Kontrollwirkung insoweit begrenzt, als sie
nur das Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen vorab überprüfen, in der Regel aber
nicht die Art und Weise des Informationseingriffs, da sich diese regelmäßig erst
nachträglich beurteilen lässt.497
Besondere Bedeutung kommt daher der Beteiligung unabhängiger Kontrollinstanzen zu. So führte etwa schon das BVerfG im „Volkszählungsurteil“ aus, dass
wegen der für den Bürger bestehenden Undurchsichtigkeit der Verarbeitungsvorgänge unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung und im Interesse eines vorgezogenen Rechtsschutzes durch rechtzeitige Vorkehrungen die Beteiligung unabhängiger Datenschutzbeauftragter für einen effektiven Grundrechtsschutz
494 BVerfG, 1 BvR 586/90 vom 10.10.2000, Absatz-Nr. 16.
495 Schulze-Fielitz, in: FS f. Schmitt Glaeser, S. 430.
496 BVerfG NJW 2004, 999 (1018).
497 Velten, Befugnisse der Ermittlungsbehörden, S. 93; weiterführend zu den Defiziten des Richtervorbehalts Asbrock, ZRP 1998, 17.
143
wesentlich sei.498 Ob angesichts der dem Gesetzgeber zukommenden Regelungsfreiheit hinsichtlich der Ausgestaltung des prozeduralen Grundrechtsschutzes die Beteiligung unabhängiger Kontrollinstanzen als striktes Verfassungsgebot anzusehen ist
oder einfachgesetzlicher Umsetzung bedarf, ist umstritten.499 Jedenfalls dort, wo von
einer nachträglichen Benachrichtigung des Betroffenen von gegen ihn erfolgten
heimlichen Informationsmaßnahmen ausnahmsweise aus Gründen überwiegender
Gemeinwohlbelange abgesehen werden kann, muss ihre Beteiligung als unverzichtbar angesehen werden, und erstarkt die institutionelle Kontrolle durch unabhängige
Gremien insoweit zum Verfassungsgebot.500
Die grundrechtssichernden Effekte einer unabhängigen Datenschutzkontrolle liegen in ihrer Ombudsmanfunktion, ihren weitumfänglichen Untersuchungs- und
Beratungskapazitäten, kurz in ihrer weisungsunabhängigen Kontrolle dessen, was
aus welchen Gründen auch immer einem effektiven gerichtlichen Rechtsschutz
entzogen ist.501 Gemäß ihrer Aufgabe, den verfassungsmäßigen Umgang mit personenbezogenen Daten sicherzustellen, ist ihnen neben ihrer korrigierenden, insbesondere eine präventive Funktion zuzuschreiben.502 Unter den verschiedenen Mitteln
prozeduralen Grundrechtsschutzes kommt insofern der Kontrolle der Datenverarbeitungsvorgänge durch unabhängige Kontrollinstanzen eine herausragende Bedeutung
zu. Die Einrichtungen der institutionellen Kontrolle müssen daher über hinreichend
wirksame Kontrollmöglichkeiten verfügen.503 Eine solche unabhängige Kontrollinstanz ist heutzutage in den Bundes- und Länderbeauftragten für Datenschutz und
Informationsfreiheit nach §§ 22ff. BDSG und den entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften zu sehen. Manko ihrer Beteiligung ist allerdings die aufgrund der
Flut der anfallenden Datenverarbeitungsvorgänge und geringer Personalausstattung
sich notwendig auf einzelne Stichproben beschränkende Kontrolle.504
3. Dokumentations- und Protokollierungspflichten
Aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Rechtsweggarantie
des Art. 19 Abs. 4 GG folgt ferner die Verpflichtung aller staatlichen Stellen, die
Informationseingriffe, insbesondere Zugriff und Übermittlung personenbezogener
Daten zu protokollieren und zu dokumentieren.505 Dies gebietet zum einen die zur
Beschreitung des Rechtswegs notwendige Kenntnis des Betroffenen von der Infor-
498 BVerfGE 65, 1 (46).
499 S. zum Streitstand Mitrou, Institutionelle Kontrolle, S. 39ff.; Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte, S. 187ff. m.w.N.; zuletzt Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 2 Abs. 1,
Rdnr. 184 m.w.N.
500 In diese Richtung tendierend BVerfGE 67, 157 (185); BVerfG NJW 2000, 55 (57).
501 S. hierzu ausführlich Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte, S. 272ff.
502 Tinnefeld/Ehmann, CR 1989, 637 (640).
503 Trute, in: Handbuch Datenschutz, 2.5., Rdnr. 35.
504 So auch Kutscha, NVwZ 2003, 1296 (1299).
505 BVerfGE 65, 1 (46, 70).
144
mationsmaßnahme, zum anderen die zur effektiven Ergebniskontrolle erforderliche
Transparenz der Datenverarbeitungsvorgänge für die zur Nachprüfung Berufenen.
Denn die Inanspruchnahme und Gewährung von Rechtsschutz können nicht nur an
fehlender Kenntnis der Eingriffsmaßnahme, sondern auch daran scheitern, dass der
Informationseingriff nicht so dokumentiert wird, dass seine Rechtmäßigkeit effektiv
überprüft werden kann.506 Die Protokollierung gehört demnach zu den zentralen
technisch-organisatorischen Maßnahmen der Datensicherheit.507 Die Möglichkeit,
effektiven Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können, setzt so etwa beim Übermittlungseingriff die hinreichende Dokumentation der Abfrage und des zu ihr führenden Anlasses voraus.508 Dabei verlangt die rechtsschutzfähige Dokumentation
des Abrufvorgangs grundsätzlich die Schriftlichkeit des Ersuchens und die Angabe
des Aktenzeichens des Vorgangs, der das Ersuchen auslöst.509 Grund und Ausmaß
der Zugriffe und Übermittlungen sind demnach dergestalt aktenkundig zu machen,
dass Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit rückschauend beurteilt werden können.510
Die Protokolldaten unterliegen selbst wiederum den aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung fließenden Vorgaben, insbesondere den Geboten der
Datensparsamkeit und der Zweckbindung. Art, Umfang und Dauer der Protokollierung sind also auf das Maß zu beschränken, das zur Erfüllung der Protokollierungszwecke, regelmäßig also zur Datensicherung und Datenschutzkontrolle, erforderlich
ist und dürfen grundsätzlich nur für diese Zwecke verwendet werden.511
4. Speicher-, Löschungs- und Berichtigungspflichten
Im „Volkszählungsurteil“ hat das BVerfG des Weiteren die Verpflichtung ausgesprochen, Daten zum frühest möglichen Zeitpunkt zu löschen512, also regelmäßig
sobald ihre Kenntnis nicht mehr für die Erfüllung des mit ihrer Erhebung und Verarbeitung verfolgten Zwecks erforderlich ist.513 Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Datenspeicherung nicht
mehr vorliegen. Das Gericht hat ferner ausgeführt, dass die Entscheidung über die
Erforderlichkeit der gespeicherten Daten nicht allein dem Ermessen der Verwaltung
überlassen bleiben dürfe und eine effektive Kontrolle durch Datenschutzbeauftragte
vorzunehmen sei.514 Der Gesetzgeber hat also Speicher- und Löschungsfristen zu
normieren, nach denen behördenintern zu prüfen ist, ob die weitere Speicherung der
506 BVerfG, 1 BvR 2357/04, vom 22.3.2005, Absatz-Nr. 62.
507 Bizer, DuD 2006, 270 (270).
508 BVerfG, 1 BvR 2357/04, vom 22.3.2005, Absatz-Nr. 59.
509 BVerfG, 1 BvR 2357/04, vom 22.3.2005, Absatz-Nr. 77.
510 Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V., Stellungnahme zum ATDG-Entwurf, S. 5.
511 Bizer, DuD 2006, 270 (271f.).
512 BVerfGE 65, 1 (46, 59).
513 BVerfG NJW 2000, 55 (57); NJW 2004, 999 (1020).
514 BVerfGE 65, 1 (60).
145
Daten zur Zweckerreichung noch erforderlich ist. Schließlich sind Pflichten zur
Berichtigung unrichtiger Daten gesetzlich zu statuieren.
Andererseits darf durch die Löschung der Daten und die Vernichtung der dazu
gehörigen Unterlagen der effektive Rechtsschutz des Einzelnen nicht unterlaufen
werden. Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG verbietet Maßnahmen,
die den Rechtsschutz des Einzelnen zu vereiteln geeignet sind. Die datenschutzrechtlich gebotene Vernichtungspflicht und die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4
GG sind insofern für Fälle, in denen der Betroffene gerichtlichen Rechtsschutz anstrebt, miteinander abzustimmen.515 Dies kann dadurch erfolgen, dass an die Stelle
der Löschung die Sperrung der Daten tritt und ihre Verwendung auf Zwecke der
Information des Betroffenen und der gerichtlichen Überprüfung beschränkt wird, bis
sichergestellt ist, dass die Daten für eine gerichtliche Nachprüfung nicht mehr benötigt werden.516
5. Technische und organisatorische Maßnahmen
Zur Sicherung eines effektiven Grundrechtsschutzes ebenso wichtig wie verfahrensrechtliche Vorkehrungen sind schließlich technische und organisatorische Maßnahmen. Als solche sind all diejenigen Vorkehrungen anzusehen, die erforderlich sind,
um die Ausführung und Umsetzung der einfachgesetzlich und verfassungsrechtlich
vorgeschriebenen verfahrensrechtlichen Anforderungen technisch und organisatorisch sicherzustellen. Soll prozeduraler Grundrechtsschutz nicht lediglich auf dem
Papier bestehen, müssen die Informationssysteme und -vorgänge so ausgestaltet
sein, dass verfahrensrechtliche Vorkehrungen tatsächlich wirksam greifen. So ist
insbesondere der Betrieb der Datenverarbeitungsanlage so zu gestalten, dass nur
Berechtigte Zugang und Zugriff auf das Informationssystem haben und die personenbezogenen Daten nicht zweckwidrig verwendet, etwa unbefugt kopiert oder
verändert werden können. Ferner muss die „Revisionsfähigkeit der Datenverarbeitung“, das heißt die Dokumentation der einzelnen Datenverarbeitungsvorgänge für
ihre spätere Kontrollierbarkeit gewährleistet sein.517 Technische und organisatorische Maßnahmen stellen also die praktische Umsetzung der verfahrensrechtlichen
Vorkehrungen dar und müssen sich insofern hinsichtlich ihrer Effizienz an diesen
messen lassen.
515 BVerfG NJW 2000, 55 (58); NJW 2004, 999 (1020).
516 BVerfG NJW 2000, 55 (68); NJW 2004, 999 (1020).
517 Bäumler, in: HdbPolR, 3. Aufl., J, Rdnr. 119.
146
6. Befristung und Evaluierung
Die Prüfung, ob eine Informationsmaßnahme generell zur Aufgabenwahrnehmung
erforderlich ist, ist stets schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verfassungsrechtlich geboten. Materiell kann diese Prüfung durch die Aufnahme von Subsidiaritätsregelungen in den entsprechenden Eingriffsbefugnissen abgesichert werden,
prozedural kann sie durch eine entsprechende Befristung des Eingriffsgesetzes und
durch gesetzlich normierte Evaluierungspflichten sichergestellt werden.518 Insbesondere bei der Einführung neuer Informationstechniken und Datenverarbeitungsmethoden, deren Effizienz und Auswirkungen auf die Grundrechtsausübung der Betroffenen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes noch nicht abschließend überblickt werden können, dürfte die Befristung und Pflicht zur Evaluierung sogar als
Ausfluss des Übermaßverbots verfassungsrechtlich geboten sein.519 Denn wenn sich
nachträglich die Ungeeignetheit oder Unangemessenheit einer Eingriffsmaßnahme
herausstellt, ist der Gesetzgeber grundrechtlich verpflichtet, einen verfassungskonformen Rechtszustand herzustellen. Insoweit besteht nicht nur das Gebot an den
Gesetzgeber, technische Entwicklungen zu beobachten und gegebenenfalls rechtssetzend tätig zu werden520, sondern auch bestehende Gesetze, die neue technische
Entwicklungen umsetzen und anwenden, hinsichtlich ihrer Verfassungsmäßigkeit zu
evaluieren und gegebenenfalls nachzubessern. Zur rechtswirksamen Kontrolle sind
Evaluierungen nicht nur regierungsintern vorzunehmen, sondern unter Beteiligung
sowohl der gesetzesanwendenden Stellen als auch unabhängiger Vertreter der
Rechtswissenschaft.521 Ferner muss rechtzeitig Sorge dafür getragen werden, dass
den evaluierenden Stellen im Zeitpunkt der Überprüfung des Gesetzes hinreichend
umfassende, aussagekräftige Informationen, an denen das Gesetz nachhaltig überdacht werden kann, zur Verfügung stehen.522
II. Maß und Umsetzung eines prozeduralen Grundrechtsschutzes bei Verbunddateien
Bei Gefährdungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im Allgemeinen und durch Verbunddateien im Besonderen ist die Subjektstellung des Betroffenen innerhalb des bei Informationseingriffen zu beachtenden Verfahrens aufgrund
der dogmatischen Verankerung des Grundrechts unter anderem in Art. 1 Abs. 1 GG
im besonderen Maße zu gewährleisten. Dort wo eine Informationsmaßnahme zwar
noch nicht den Kernbereich des Grundrechts berührt, aufgrund ihrer Intensität aber
in die Nähe dieses unantastbaren Bereichs privater Lebensgestaltung rückt, ist daher
518 So auch Schulze-Fielitz, in: FS f. Schmitt Glaeser, S. 432.
519 So auch Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (879) m.w.N.
520 BVerfG NJW 2005, 1338 (1340); BVerfG 2 BvR 1027/02 vom 12.4.2005, Absatz-Nr. 123.
521 So auch Hilgendorf, Stellungnahme zum ATDG-Entwurf, S. 7.
522 Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (879) m.w.N.
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References
Zusammenfassung
Gemeinsame Verbunddateien der Sicherheitsbehörden auf dem Prüfstand: Kurz nach Inkrafttreten des in Politik und Rechtswissenschaft stark umstrittenen Antiterrordateigesetzes (ATDG) liefert das Werk eine wissenschaftlich fundierte Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit der informationellen Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden im Allgemeinen und der Antiterrordatei im Besonderen. Am Beispiel der Antiterrordatei zeigt die Arbeit die verfassungsrechtlichen Grenzen auf, die das Trennungsgebot und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemeinsamen Verbunddateien von Polizei und Nachrichtendiensten setzen. Eingebettet werden die Erkenntnisse in die verfassungsrechtliche Diskussion um die Grenzen staatlicher Sicherheitsgewährleistung. Mit ihren Ausführungen zum Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit bezieht die Arbeit Position zur jüngsten Antiterrorgesetzgebung insgesamt.