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rungen des BVerfG im „Volkszählungsurteil“ nunmehr allgemein anerkannt, dass
die allgemeinen Amtshilferegelungen als Ermächtigungsgrundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten nicht ausreichen.451 Danach bedarf die Weitergabe
personenbezogener Daten an andere Behörden und die Verwendung der Daten zu
anderen als mit der Datenerhebung verfolgten Zwecken vielmehr einer präzisen,
bereichsspezifischen gesetzlichen Grundlage und ist ein amtshilfefester Schutz gegen Zweckentfremdung durch Weitergabe- und Verwertungsverbote erforderlich.452
Der Gedanke der Einheit der Verwaltung vermag die gesetzlich getrennten Aufgaben- und Funktionsbereiche über den Gedanken der Amtshilfe nicht zu beseitigen.453
Die zweckungebundene Weitergabe von personenbezogenen Informationen und die
damit einhergehende Erweiterung bestehender Befugnisse der einzelnen Behörden
können über die Regeln der Amtshilfe nicht gerechtfertigt werden.454 Informationshilfe im Sinne von Übermittlung personenbezogener Daten durch schlichte Weitergabe oder Bereithalten der Daten zum Abruf im online-Anschluss455, ist demnach
nur aufgrund bereichspezifischer Regelungen im Rahmen des gemäß dem Zweckbindungsgebot Zulässigen mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung
vereinbar.
II. Das Verbot der Zentralisierung staatlicher Datensammlungen?
Das Gebot der informationellen Gewaltenteilung mit seinen Einzelausprägungen des
Gebots der Abschottung der Aufgabenteilbereiche und ihrer Datenbestände und des
Prinzips der Amtshilfefestigkeit von Datenübermittlungen darf durch die Errichtung
eines zentralen Datenpools, auf den Behörden verschiedenster Aufgabenbereiche zu
unterschiedlichen Zwecken zugreifen dürfen, nicht umgangen werden.456 Es gebietet
demnach grundsätzlich eine Dezentralisierung staatlicher Datensammlungen. Dies
schließt aber die Einrichtung von Verbunddateien, also zentralisierter Datensammlungen verschiedener Behörden nicht gänzlich aus. Erhält nämlich das Gebot der
informationellen Gewaltenteilung seine Legitimation aus dem Gebot der Zweckbindung, so kann es nicht weiter gehen als dieses. Dem Gebot der informationellen
451 Heußner, in: FS f. Simon, S. 239ff.; ders., BB 1990, 1281 (1283f.); Lehner, Vorbehalt des
Gesetzes, S. 151ff.; Sofiotis, Informationshilfe, S. 74ff., 80ff.; schon vor dem Volkszählungsurteil: Benda, in: FS f. Geiger, S. 39; Bull, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 147ff.;
Schlink, Amtshilfe, S. 202ff.; Denninger, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 25f., 39ff.
452 BVerfGE 65, 1 (46).
453 Siehe dazu und weiterführend zur Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem Schuppert,
DÖV 1987, 757 (766); Bryde, VVDStRL 46 (1988), 181 (202ff.); Haverkate, VVDStRL 46
(1988), 217 (246ff.), a.A. Scholz/Pitschas, Informationsverantwortung, S. 119ff., die unter
Zugrundelegung eines weiten Zweckbegriffs vom Grundsatz der Informationseinheit funktionsgleicher Aufgabenträger ausgehen.
454 Lisken/Denninger, in: HdbPolR, C, Rdnr. 117.
455 Definition nach Lisken, ZRP 1981, 231 (235).
456 Gusy, CR 1989, 628 (631); Heußner, BB 1990, 1281 (1283).
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Gewaltenteilung können keine über die Zweckbindungsvorgaben hinausgehenden
Grenzen für die informationelle Zusammenarbeit staatlicher Stellen entnommen
werden. Solange sich die Formen informationeller Zusammenarbeit im Rahmen des
unter Zweckbindungsgesichtspunkten Zulässigen halten, sind sie mit dem Recht auf
informationelle Selbstbestimmung vereinbar. Daher sind auch Verbunddateien im
oben dargestellten Rahmen457 zulässig.
C. Das Gebot der Datenvermeidung und Datensparsamkeit
I. Ausprägung des Erforderlichkeitsprinzips
Bei der Datenerhebung und -verarbeitung haben sich alle Stellen, die zur Erfüllung
ihrer Aufgaben personenbezogene Daten sammeln, auf das zum Erreichen des angegebenen Ziels erforderliche Minimum zu beschränken.458 Dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist demnach das Gebot der Datenvermeidung und Datensparsamkeit als besondere Ausprägung des Übermaßverbotes zu entnehmen. Danach
sind insbesondere im Rahmen der automatischen Datenverarbeitung Informationssysteme so auszugestalten, dass so wenige personenbezogene Daten wie möglich
und diese auch nur so kurz wie möglich anfallen.459 Das Gebot der Datensparsamkeit trägt insofern auch zur Transparenz der Datenverarbeitungsvorgänge bei. An
diese Gebote als Zielvorgaben ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gebunden,
allerdings verbleiben ihm bei der Umsetzung Gestaltungsspielräume.460
So ist zunächst gemäß dem Gebot der Datenvermeidung auf die Erhebung und
Verarbeitung von Daten so weit wie möglich zu verzichten. Soweit dies im Hinblick
auf eine sachgerechte Aufgabenwahrnehmung nicht in Betracht kommt, sind die
erhobenen Daten möglichst zu anonymisieren bzw. pseudonymisieren und frühest
möglich zu löschen.461 Also immer dort, wo personenbezogene Daten zur sachgerechten und angemessenen Erfüllung der jeweiligen Aufgaben nicht oder nicht mehr
erforderlich sind, hat der Staat auf diese zu verzichten. Dabei ist auch zu prüfen,
inwiefern auf die Erfüllung gewisser Aufgaben gänzlich verzichtet werden kann und
muss, wenn diese Aufgabe im Hinblick auf ihre Bedeutung nur unter Erhebung und
Verarbeitung unangemessen vieler Daten zu verwirklichen ist. Für die Frage, ob und
welche konkreten personenbezogenen Daten zur Aufgabenerfüllung erforderlich
sind, ist auf den den Verwendungszusammenhang spezifizierenden Zweck der Datenverarbeitung abzustellen.
457 Vgl. A., II.
458 BVerfGE 65, 1 (46); BVerwG NJW 2004, 1191 (1193); Leibholz/Rinck, GG, Art., Rdnr. 108.
459 Hansen, in: Roßnagel (Hrsg.), Handbuch Datenschutzrecht, 3.3., Rdnr. 48.
460 Albers, Informationelle Selbstbestimmung, S. 552.
461 Zu den technischen Möglichkeiten siehe Pfitzmann, in: Datenschutzgesetze, S. 19ff; Hansen,
in: Roßnagel (Hrsg.), Handbuch Datenschutzrecht, 3.3., Rdnr. 48.
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References
Zusammenfassung
Gemeinsame Verbunddateien der Sicherheitsbehörden auf dem Prüfstand: Kurz nach Inkrafttreten des in Politik und Rechtswissenschaft stark umstrittenen Antiterrordateigesetzes (ATDG) liefert das Werk eine wissenschaftlich fundierte Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit der informationellen Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden im Allgemeinen und der Antiterrordatei im Besonderen. Am Beispiel der Antiterrordatei zeigt die Arbeit die verfassungsrechtlichen Grenzen auf, die das Trennungsgebot und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemeinsamen Verbunddateien von Polizei und Nachrichtendiensten setzen. Eingebettet werden die Erkenntnisse in die verfassungsrechtliche Diskussion um die Grenzen staatlicher Sicherheitsgewährleistung. Mit ihren Ausführungen zum Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit bezieht die Arbeit Position zur jüngsten Antiterrorgesetzgebung insgesamt.