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Da das Gebot der Zweckbindung des Weiteren nur gewährleistet werden kann,
wenn auch nach Erhebung und Speicherung der Daten erkennbar bleibt, dass es sich
um Daten handelt, die aufgrund besonderer Befugnisse gewonnen wurden, ist ferner
eine entsprechende Kennzeichnung dieser Daten von Verfassungs wegen geboten.421
Dies gilt maßgeblich für die Datenverarbeitung von Informationen, die durch grundrechtsintensive Eingriffe, wie Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis oder durch akustische Wohnraumüberwachung gewonnen wurden.
II. Folgerungen für Verbunddateien
Die dargestellten Maßgaben gelten für jegliches staatliches Informationsverhalten,
mithin auch für Verbunddateien. Allerdings treten bei Verbunddateien die Probleme
der Zweckfestlegung und -bindung in besonderem Maße auf, da bei ihnen ihrem
Wesen nach verschiedene Informationsakte kumulieren. Soweit sie bereits erhobene
Daten speichern, dem Zugriff anderer Behörden preisgeben und einer weiteren Verwendung zugänglich machen, werfen sie die Fragen der Zweckbestimmung und
Zweckentfremdung gleich mehrfach, nämlich für jeden einzelnen Verarbeitungsvorgang, auf. Welche Anforderungen und damit gleichzeitig Grenzen für Verbunddateien aus diesen allgemeinen Vorgaben speziell fließen, sei daher im Folgenden näher
beleuchtet.
1. Anforderungen hinsichtlich der Normenklarheit
a) Differenzierung nach der Intensität der einzelnen Informationsakte
Die Anforderungen, die konkret an die Bestimmtheit und Klarheit des gesetzlichen
Zwecks der Verbunddatei zu stellen sind, richten sich nach Art und Schwere des
Eingriffs.422 Dies gilt umso mehr, als nach der hier vertretenen Ansicht jegliches den
Grundrechtsträger verunsicherndes Informationsverhalten des Staates mit Bezug zu
personenbezogenen Daten den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eröffnet und unabhängig von der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung als Informationseingriff zu bewerten ist.423 Das Maß an Klarheit und Bestimmtheit ist demnach hinsichtlich der einzelnen Informationsakte, die der Staat im
Rahmen von Verbunddateien vornimmt, differenziert zu beurteilen. Wie im vierten
Kapitel herausgearbeitet wurde, sind als rechtfertigungsbedürftige Informationsmaßnahmen bei Verbunddateien die Speicherung, die Informationszusammenfüh-
421 BVerfG NJW 2000, 55 (57); BVerfG NJW 2004, 999 (1018); BVerfG NJW 2006, 1939
(1947).
422 BVerfG NJW 2004, 2213 (2216).
423 Vgl. 4. Kap., B., III.
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rung, die Recherche, der Direktabruf, die Trefferanzeige, der Trefferabgleich, das
Stellen eines Übermittlungsersuchens, die Datenweitergabe in Form der automatischen Freischaltung bzw. konventionellen Übermittlung, die weitere Verwendung
und die gegebenenfalls auftretende Zweckänderung der Daten anzusehen. Die Intensität dieser einzelnen Akte ist unter anderem gemäß den von Rechtsprechung und
Literatur herausgearbeiteten Kriterien, insbesondere des Grades der Sensibilität der
Daten, der Art der Informationsverarbeitung und der dabei angewandten Methoden,
der konkreten staatlichen datenverarbeitenden Stelle, des Zwecks der Maßnahme,
der Unmittelbarkeit des Betroffenseins des Bürgers und des Vorhandenseins von
Abwehr- und Rechtsschutzmöglichkeiten zu beurteilen.424
Hinsichtlich der bereichsspezifischen und präzisen Zweckfestlegung ist im Rahmen von Verbunddateien gemäß den Ausführungen zum Eingriffszweck allerdings
nicht auf den übergreifenden Zweck der Verbunddatei im Sinne des Gesetzeszwecks
abzustellen, sondern auf den mit dem konkreten Verarbeitungsvorgang beabsichtigten Zweck. Dieser kann, muss aber nicht bei allen Informationsakten der gleiche
sein. Denn Zweckänderungen sind, wie erläutert, unter gewissen Voraussetzungen
durch den Gesetzgeber normierbar. Ist für alle Verarbeitungsvorgänge ein und derselbe Zweck festgelegt, richten sich die Anforderungen an die Bestimmtheit dieses
Zwecks nach dem eingriffsintensivsten Informationsakt unter Berücksichtigung,
dass sich die Schwere der von der Verbunddatei insgesamt ausgehenden Grundrechtsbetroffenheit dadurch noch einmal erhöht, dass sich im Rahmen von Verbunddateien mehrere Informationsakte kumulieren und der Betroffene insofern mehr als
einen Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung erdulden muss.
Sind dagegen in dem der Verbunddatei zugrunde liegenden Gesetz Zweckänderungen, etwa die Verwendung der gespeicherten Daten zu anderen als dem der Datenspeicherung primär zugrunde liegenden Zwecken, vorgesehen und enthält dieses
demnach verschiedene Zweckfestlegungen, sind die Anforderungen an die Bestimmtheit dieser Zwecke gesondert nach der Intensität des durch den jeweiligen
Zweck zu legitimierenden Informationsakts zu beurteilen.
b) Verbunddateien als unzulässige Datensammlungen auf Vorrat?
Verbunddateien stellen als Datensammlungen letztlich stets in gewisser Weise ein
Vorrätighalten von Informationen zum Verwaltungsgebrauch dar. Problematisch ist
demnach, inwiefern sie mit dem Verbot der Datensammlung auf Vorrat in Einklang
zu bringen sind. Dieser Grundsatz besagt aber, wie zuvor erläutert, lediglich, dass
der Staat die Daten seiner Bürger nicht ohne konkreten Anlass und ohne präzise
Zweckfestsetzung speichern darf, vielmehr stets zu fordern ist, dass die Erhebung
und Speicherung personenbezogener Daten für die Erfüllung staatlicher Aufgaben
erforderlich und dementsprechend zweckbestimmt ist. Das darf aber nicht etwa
424 Vgl. insbesondere 4. Kap., B., I.. und die näheren Ausführungen im 7. Kap., B. II., 2.
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dahin verstanden werden, dass der in der Verbunddatei Erfasste Anlass zum staatlichen Tätigwerden gegeben haben muss. Vielmehr kann auch die Erfassung von
Informationen betreffend noch Unbeteiligter zulässig sein, wenn bestimmte Ereignisse und Situationen (wie die Erwartung bevorstehender Anschläge) einen Handlungsbedarf der Verwaltung begründen, und die Erfassung personenbezogener Daten erforderlich ist, damit der Staat diesen Handlungsauftrag sachgerecht erfüllen
kann.425 In solchen Lagen ist staatliches Handeln grundsätzlich veranlasst, die Datensammlung dient dann einem näher konkretisierbaren Zweck. Das Verbot der
Datensammlung auf Vorrat verbietet demnach allein das Vorrätighalten personenbezogener Daten ohne Zweck und Anlass oder solcher Daten, die von vornherein nicht
zur jeweiligen staatlichen Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Soweit die Sammlung und Erfassung der jeweiligen Informationen veranlasst ist, und dem ein präzise
bestimmter Zweck zugrunde liegt, an dem insbesondere die Verhältnismäßigkeit der
Datenspeicherung überprüft werden kann, ist die Datensammlung nicht von vornherein unzulässig.
Sofern der vorgesehene Verwendungszweck im Zeitpunkt der Speicherung feststeht und hinreichend präzise festgelegt ist, kann der Zeitpunkt, in dem sich die
Erforderlichkeit der Daten zur Aufgabenerfüllung im Einzelfall aktualisiert, zunächst also offen bleiben. Daraus folgt, dass auch eine Speicherung auf Vorrat zulässig sein kann, wenn der speichernden Stelle Aufgaben, etwa die der Gefahrenvorsorge, obliegen, die eine informationelle Vorsorge erfordern.426 Inwiefern die Speicherung von Daten im Rahmen informationeller Vorsorge mit dem Recht auf
informationelle Selbstbestimmung vereinbar ist, ist, soweit Verbunddateien einen
gemäß den Anforderungen der Normenklarheit bereichspezifisch und präzise festgesetzten Zweck dienen, also keine Frage der unzulässigen Datensammlung auf Vorrat, sondern ein über das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu lösendes Problem der
Zumutbarkeit der Datenspeicherung für den Einzelnen. Dem Vorhandensein und der
konkreten Ausgestaltung der formellen und materiellen Eingriffsschwellen kommt
hierbei besonderes Gewicht zu.427
c) Zulässigkeit von Verweisungen
Verkompliziert wird das Problem der bereichsspezifischen und präzisen Zweckfestlegung bei Verbunddateien dadurch, dass das ihnen zugrunde liegende Gesetz häufig
auf bestehende Datenverarbeitungsbefugnisse in speziellen Fachgesetzen verweist.
Für die hinreichende Bestimmtheit eines Gesetzes genügt es zwar grundsätzlich,
wenn sich sein Eingriffszweck aus dem Gesetzestext in Verbindung mit den Materialien, insbesondere aus dem Zusammenhang, in dem der Normtext zu dem regeln-
425 So auch Vogelgesang, Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung?, S. 68.
426 Dammann, in: Simitis, BDSG, § 14, Rdnr. 19f.
427 S. hierzu auch BVerfG, 1 BvR 256/08 vom 11.3.2008, Absatz-Nr. 149.
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den Lebensbereich steht, ergibt.428 Hängt die praktische Bedeutung einer Regelung
vom Zusammenspiel verschiedener Normen ab, muss das Gebot der Normenklarheit
aber gerade auch im Hinblick auf dieses Zusammenwirken gesichert sein.429 Durch
die große Streubreite und Verschachtelung der in Bezug genommenen Regelungen
steigt das Fehlerrisiko in der Rechtsanwendung430, die Transparenz der Datenverarbeitungsprozesse für den Betroffenen leidet, die Rechtskontrolle wird erschwert.
Die Datenverarbeitung im Rahmen von Verbunddateien unterliegt insbesondere
aufgrund des Gebots der Zweckbindung stets einem Prüfungsvorbehalt der datenverarbeitenden Stelle. Diese Rechtmäßigkeitskontrolle darf nicht dadurch ausgehöhlt
werden, dass die die Daten verwendende Stelle aufgrund der unklaren Gesetzeslage
zu ihren Gunsten die eine Verarbeitung der Daten legitimierenden Voraussetzungen
vorschnell annimmt. Des Weiteren müssen die von der Erfassung in der Verbunddatei Betroffenen die aufgrund der Datei zu erwartenden Maßnahmen prinzipiell vorhersehen und ihr Verhalten danach ausrichten können. Zwar fordert das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung nicht, dass der Betroffene aus der Eingriffsnorm
selbst erkennen können muss, welche Eingriffe in sein Grundrecht möglich sind.431
Doch darf der Verlust an Transparenz aufgrund der Verweisungstechnik nicht so
groß sein, dass der Einzelne im Hinblick auf staatliches Informationsverhalten derart
verunsichert wird, dass er von der Ausübung seines Grundrechts Abstand nimmt.
Dies ist dann zu befürchten, wenn aufgrund der Verweisungen der Umfang und das
Ziel der Datenverarbeitung allenfalls noch für Experten erkennbar sind.432
Verweisungen auf spezialgesetzliche Regelungen sind daher nur in eng begrenztem Maße zulässig. Der Gesetzgeber des der Verbunddatei zugrunde liegenden Gesetzes darf die Verantwortung hinsichtlich der Zweckfestlegung nicht abwälzen, er
muss sich grundsätzlich selbst die Mühe machen, die Eingriffszwecke der im Rahmen der Verbunddatei erfolgenden Eingriffe hinreichend präzise zu normieren.
d) Zulässigkeit von administrativen Richtlinien und Errichtungsanordnungen
Schließlich fordert das Gebot der Normenklarheit, dass die Entscheidung über die
Grenzen der bürgerlichen Freiheitsrechte nicht dem Ermessen der Exekutive anheim
gestellt sein darf.433 Unter diesem Aspekt stellen sich administrative Richtlinien und
Errichtungsanordnungen zur Konkretisierung des der Verbunddatei zugrunde liegenden Gesetzes als besonders problematisch dar.434 Dem Gesetz zur Verbunddatei
kommt im Hinblick auf den Handlungsspielraum der Exekutive eine begrenzende
428 BVerfGE 65, 1 (54).
429 BVerfG NJW 2004, 2213 (2215).
430 BVerfG NJW 2004, 2213 (2218); BVerfG, 1 BvR 1550/03 vom 13.6.2007, Absatz-Nr. 112.
431 So aber Bizer, Forschungsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung, S. 175.
432 So auch BVerfG NJW 2004, 2213 (2218); Denninger/Petri, in: Polizei und Datenschutz, S.
16f.
433 BVerfG, 1 BvR 2368/06 vom 23.2.2007, Absatz-Nr. 46.
434 A.A. Scholz/Pitschas, Informationsverantwortung, S. 174.
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Funktion zu, die rechtmäßiges Handeln des Staates sichern und dadurch die Freiheit
des Bürgers vor staatlichem Missbrauch schützen soll.435 Auch im Hinblick auf die
vom BVerfG in ständiger Rechtsprechung vertretene Wesentlichkeitstheorie darf
daher der Gesetzgeber die wesentliche Ausgestaltung der Verbunddatei nicht der
Verwaltung überlassen. Vielmehr muss er im Gesetz zur Verbunddatei die für die
Grundrechtsverwirklichung wesentlichen Bestimmungen selbst festlegen.
Dies sind vor allem der übergreifende Zweck der Verbunddatei, sowie die spezifischen Verwendungszwecke hinsichtlich der einzelnen Informationsakte, die an der
Verbunddatei beteiligten Behörden, der in der Datei zu erfassende Personenkreis,
die Art der zu speichernden Daten, die Voraussetzungen des Abrufs, der Übermittlung und Verwendung der Informationen, die Dauer der Speicherung, die organisatorischen Vorkehrungen und die Verfahrensrechte des Bürgers.436 Verwaltungsvorschriften, sei es in Form von administrativen Richtlinien oder Errichtungsanordnungen, dürfen daher lediglich für die weitere Konkretisierung und Auslegung der
gesetzlichen Bestimmungen herangezogen werden. Den Rahmen, innerhalb dessen
eine weitere Ausgestaltung durch Richtlinien und Errichtungsanordnungen möglich
ist, muss aber stets das der Verbunddatei zugrunde liegende Gesetz selbst festlegen.
2. Vorgaben aus der Zweckbindung
a) Bindung an fachgesetzliche Datenerhebungs- und Verarbeitungszwecke und Beschränkung auf den zwecküberschneidenden Bereich
Die aus dem Zweckbindungsgebot folgende Bindung der Datenverarbeitung an die
Aufgaben und Befugnisse der datenverarbeitenden Stelle wird bei Verbunddateien
dann virulent, wenn an der Datei verschiedene Behörden beteiligt sind, die unterschiedliche Aufgaben mit unterschiedlichen Befugnissen erfüllen. Denn jede an der
Verbunddatei beteiligte staatliche Stelle erhebt mit den ihr zur Verfügung stehenden
Mitteln personenbezogene Informationen und stellt sie sodann in die gemeinsame
Datei ein. Greift nun eine andere staatliche Stelle auf diese Daten zu, erlangt sie
gegebenenfalls Informationen, die sie selbst nicht oder nicht in dieser Art und Weise
hätte erheben dürfen. Ohne eine entsprechende Begrenzung gemäß dem Gebot der
Zweckbindung könnten also über die Mittel des Direktabrufs bei der Volltextdatei
oder dem Übermittlungsersuchen und der Freischaltung bei der Indexdatei die gesetzlichen Beschränkungen, die im Rahmen der den einzelnen Behörden eingeräumten Datenerhebungsbefugnisse bestehen, umgangen werden. Die Verbunddatei würde letztlich zu einer Erweiterung der den einzelnen Behörden zustehenden Datenerhebungskompetenzen führen. Gerade dies will das Gebot der Zweckbindung, wie
erläutert, verhindern, indem es die Datenspeicherung, -übermittlung und
435 So BVerfG NJW 2004, 2213 (2216) zu Gesetzen im Allgemeinen.
436 Ähnlich auch Denninger, KJ 18 (1985), 215 (235).
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-verwendung an die Zwecke der Datenerhebung knüpft und zudem eine Datenverarbeitung nur zu Zwecken, die hinsichtlich Aufgabenzuweisung und Befugnissen der
datenverarbeitenden Stelle selbst gedeckt wären, als mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar ansieht.
Daraus folgt, dass die durch das der Verbunddatei zugrunde liegende Gesetz
normierten Datenspeicherungs-, -übermittlungs- und -verwendungszwecke an die
fachgesetzlichen Erhebungs- und Verarbeitungszwecke gebunden sind. Die im
Rahmen von Verbunddateien normierten Zwecke dürfen danach nicht über das au-
ßerhalb von Verbunddateien zulässige Maß hinausgehen. Verbunddateien müssen
Zwecke verfolgen, die jede einzelne der beteiligten Behörden außerhalb des Verbundes hinsichtlich der ihr zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse selbst auch
verfolgen dürfte. Bei Daten, die von verschiedenen Stellen erhoben wurden und
nunmehr in einer gemeinsamen Datei erfasst werden, muss der Zweck der Speicherung und der weiteren Verarbeitung der Daten mit den Datenerhebungszwecken
aller beteiligten Behörden vereinbar sein. Verfolgen die Behörden bei der Datenerhebung unterschiedliche Zwecke, ist die Datenverarbeitung folglich nur für solche
Zwecke zulässig, die aus dem Zweckbereich stammen, in dem sich die unterschiedlichen Erhebungszwecke überschneiden.
Demnach sind Verbunddateien mit dem Zweckbindungsgebot nicht schlechthin
unvereinbar.437 Dürfen aber nur Daten übermittelt werden, die die empfangenden
Behörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit den ihnen zur Verfügung stehenden
Mitteln ebenfalls erlangen könnten und darf der Zweck der Datenspeicherung und
weiteren Verarbeitung mit dem Verwendungszweck, zu dem die Erhebung erfolgt
ist, nicht unvereinbar sein, sind derartige Informationssysteme, an denen verschiedene Stellen aus unterschiedlichen Verwaltungsbereichen beteiligt sind, nur in solchen Bereichen und hinsichtlich solcher Daten zulässig, hinsichtlich derer sich Aufgaben und Befugnisse der beteiligten Behörden überschneiden.
Das heißt, dass Verbunddateien erstens nur für solche Zwecke zulässig sind, die
sich auf Aufgaben beziehen, zu deren Erfüllung alle beteiligten Stellen gleichsam
berufen sind. Zweitens dürfen nur solche Informationen in die gemeinsame Datei
eingestellt und den beteiligten Behörden zugänglich gemacht werden, die sie aufgrund eigener Kompetenzen inhaltlich ebenso hätten erlangen können. Dies ist entweder dadurch zu gewährleisten, dass nur solche Informationen in die gemeinsame
Datei eingestellt werden, die jede beteiligte Behörde inhaltlich aufgrund eigener
Kompetenzen ebenfalls hätte erheben können - etwa indem Daten, die aufgrund
besonderer Kompetenzen gewonnen wurden, von der Speicherungspflicht ausgenommen werden. Alternativ ist der Zugriff auf diese Daten durch Ausgestaltung der
Abruf- oder Übermittlungsregelungen entsprechend zu begrenzen.
Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass aufgrund der Bindung der Datenverarbeitung an Aufgaben und Befugnisse der datenverarbeitenden Stelle Verbunddateien nur in solchen Bereichen und hinsichtlich solcher Daten mit dem Recht
437 So aber Ernst, Verarbeitung und Zweckbindung, S. 160f.
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auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar sind, hinsichtlich derer sich Aufgaben und Befugnisse der beteiligten Behörden überschneiden.
b) Vergleichbarkeit von Aufgaben und Befugnissen der datenerhebenden und datenverarbeitenden Stelle
Stellt die Verbunddatei die Daten in einen neuen Verwendungszusammenhang, der
nicht mit den ursprünglichen Zwecken der Datenerhebung identisch ist, kann dies
für den Betroffenen zusätzliche, möglicherweise schwerere Folgen haben, die er so
im Zeitpunkt der Datenerhebung nicht überblicken konnte. Zur Gewährleistung der
Transparenz der Datenverarbeitungsprozesse für den Betroffenen ist die Datenverarbeitung auch im Rahmen von Verbunddateien daher nur für Zwecke erlaubt, die
hinsichtlich Art und Intensität der verfolgten Aufgaben und (hypothetisch) eingesetzten Befugnisse dem Zweck der Datenerhebung vergleichbar sind oder die zum
Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter vom Betroffenen im Einzelfall hinzunehmen sind.
Zweckänderungen im Rahmen von Verbunddateien sind insofern grundsätzlich
dann mit dem aus dem Zweckbindungsgrundsatz fließenden Gebot der Vergleichbarkeit von altem und neuem Verwendungszusammenhang vereinbar, wenn an der
gemeinsamen Datei nur solche Behörden beteiligt sind, die auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Verbunddatei vergleichbare Aufgaben mit in ihrer Eingriffsintensität vergleichbaren Befugnissen erfüllen. Alternativ ist die Eingabe der Daten
auf solche Informationen zu beschränken, die zu vergleichbaren Zwecken wie die
mit der Verbunddatei verfolgten gewonnen wurden. In beiden Fällen nämlich werden die in die Datei eingestellten Daten nicht derart aus ihrem ursprünglichen Verwendungszusammenhang gerissen, dass der Betroffene mit einer Verwendung seiner
Daten zu den mit der Verbunddatei verfolgten Zwecken in keiner Weise rechnen
musste.
Wird dem Grundrechtsschutz der von der Speicherung Betroffenen nicht bereits
durch eine derartig beschränkte Auswahl der beteiligten Behörden und erfassten
Daten Rechnung getragen, sondern werden auch darüber hinausgehende Zweckänderungen durch das Gesetz zur Verbunddatei zugelassen, muss die gemeinsame
Datei notwendig den Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter bezwecken und müssen Speicherungspflicht, Zugriffsrechte und/oder die weitere Verwendung der Daten
hinsichtlich des Grades der Gefahr und der Zurechenbarkeit zum Betroffenen in
angemessener Weise ausgestaltet sein.
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c) Parallele zum Trennungsgebot
Letztlich folgen aus dem Zweckbindungsgebot demnach die gleichen funktionellen
und kompetenzrechtlichen Beschränkungen wie sie sich auch schon für gemeinsame
Dateien der Sicherheitsbehörden aus dem Trennungsgebot ergeben.438 Auch die
Auffassung, die den Verfassungsrang des Trennungsgebots verneinen will, gelangt
über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schließlich an die gleichen
verfassungsrechtlichen Grenzen. Diese gelten aber weitergehend für Verbunddateien
auch in nichtsicherheitsbehördlichen Bereichen.
Unterschiede bestehen allerdings bei der weiteren Verwendung der Daten. Während die Verwendung von Daten zu anderen als den primär der Verbunddatei
zugrunde liegenden Zwecken im Lichte des Trennungsgebotes solange keine Bedenken begegnet, als die beteiligten Behörden nur einmal im Einklang mit der spezifischen, einen Bezug zu den Primäraufgaben der Nachrichtendienste aufweisenden
Zwecksetzung der Verbunddatei Zugriff auf die Daten erhalten haben439, stellt sich
diese Frage im Lichte des Zweckbindungsgebots problematischer dar. Dort ist
grundsätzlich nämlich auch die weitere Verwendung der Daten an den mit der Verbunddatei verfolgten Zweck der Datenspeicherung gebunden. Lässt nun das der
Verbunddatei zugrunde liegende Gesetz die Verwendung der Daten zu weiteren
Zwecken zu, liegt darin als Zweckänderung ein eigenständiger Eingriff in das Recht
auf informationelle Selbstbestimmung, der wiederum nur zulässig ist, wenn der neue
Zweck mit dem ursprünglichen Zweck der Datenerhebung und -speicherung nicht
unvereinbar ist. Die weitere Verwendung der Daten kommt also ebenfalls nur für
Zwecke in Betracht, die jede einzelne der beteiligten Behörden aufgrund eigener
Aufgaben- und Befugniszuweisung verfolgen dürfte, und die hinsichtlich ihrer Art
und Intensität mit dem ursprünglichen Verwendungszusammenhang der Datenerhebung vergleichbar sind. Verwendungszwecke, die außerhalb des Bereichs liegen, in
denen sich Aufgaben und Befugnisse der beteiligten Behörden überschneiden, sind
mit dem Zweckbindungsgebot nicht vereinbar. Nicht nur die Speicherung, Übermittlung und Nutzung, sondern auch die weitere Verwendung der Daten ist demnach nur
für solche Zwecke zulässig, die diesem gemeinsamen Bereich zugeordnet werden
können.
3. Datenschutzrechtliche Kontrolle und Kennzeichnung
Hinsichtlich des Prüfungsvorbehalts ergeben sich keine Besonderheiten bei Verbunddateien. Das der Verbunddatei zugrunde liegende Gesetz muss Regelungen zur
datenschutzrechtlichen Verantwortung enthalten, die die Einhaltung der aus dem
Gebot der Zweckbindung fließenden Anforderungen sicherstellen.
438 Vgl. 2. Kap.
439 Vgl. 2. Kap., B., II., 2.
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Ferner ist grundsätzlich eine Pflicht zur Kennzeichnung von Daten, die aufgrund
spezieller Befugnisse zur akustischen Wohnraumüberwachung oder zu Eingriffen in
das Fernmeldegeheimnis gewonnen wurden, zu normieren. Der Sinn der Kennzeichnungspflicht kommt im Rahmen von Verbunddateien jedenfalls dann zum
Tragen, wenn nicht schon bei der Einspeicherung der Daten, sondern erst beim Abruf, der Freischaltung und der Übermittlung der Informationen die aus dem Zweckbindungsgebot folgende kompetenzrechtliche Beschränkung umgesetzt wird. Dient
die Pflicht zur Kennzeichnung nämlich dazu, sicherzustellen, dass die Daten, die
mittels besonders grundrechtsintensiver Eingriffe aufgrund spezifischer Befugnisse
erhoben wurden, nicht von staatlichen Stellen verarbeitet werden, die diese Kompetenzen nicht gleichfalls besitzen, so ist ein solcher Missbrauch im Rahmen von Verbunddateien nach obigen Befunden nur dann nicht zu befürchten, wenn schon die
Einspeicherung auf solche Daten beschränkt ist, die durch alle beteiligten Behörden
aufgrund der ihnen gemeinsamen Befugnisse erlangt werden können. Sollen diese
Daten aber erst auf der Ebene des Datenabrufs, der Freischaltung und der Übermittlung vor dem Zugriff unbefugter Behörden bewahrt werden, bedarf es ihrer Kennzeichnung. Die Pflicht zur Kennzeichnung ist bei Verbunddateien daher grundsätzlich zu normieren.
III. Zusammenfassung und Ergebnis
Die aus dem Zweckfestsetzungs- und Zweckbindungsgebot für Verbunddateien
folgenden Vorgaben lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Anforderungen an die Bestimmtheit der Zweckfestlegung sind differenziert
nach der Intensität jedes einzelnen im Rahmen von Verbunddateien legitimierten
Informationsakts zu beurteilen. Solange Verbunddateien einen bestimmten Zweck
verfolgen, ist in ihnen keine unzulässige Datensammlung auf Vorrat zu sehen. Verweisungen auf spezialgesetzliche Regelungen der Verwendungszwecke sind nur in
engen Grenzen mit der Maßgabe zulässig, dass Umfang und Ziel der Datenverarbeitung für den Betroffenen selbst erkennbar sein müssen. Administrative Richtlinien
oder Errichtungsanordnungen sind nur innerhalb des durch das der Verbunddatei
zugrunde liegende Gesetz selbst festgelegten Rahmens zulässig. Das Gesetz zur
Verbunddatei muss den übergreifenden Zweck der Verbunddatei, sowie die spezifischen Verwendungszwecke hinsichtlich der einzelnen Informationsakte, die an der
Verbunddatei beteiligten Behörden, den in der Datei zu erfassenden Personenkreis,
die Art der zu speichernden Daten, die Voraussetzungen des Abrufs, der Übermittlung und Verwendung der Informationen, die Dauer der Speicherung, die organisatorischen Vorkehrungen und die Verfahrensrechte des Bürgers selbst normieren.
Verbunddateien sind nur in solchen Bereichen und in Bezug auf solche Daten mit
dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar, hinsichtlich derer sich
Aufgaben und Befugnisse der beteiligten Behörden überschneiden. Nicht nur die
Speicherung, Übermittlung und Verwendung, sondern auch die weitere Verwendung
der Daten ist nur für solche Zwecke zulässig, die diesem gemeinsamen Bereich im
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Gemeinsame Verbunddateien der Sicherheitsbehörden auf dem Prüfstand: Kurz nach Inkrafttreten des in Politik und Rechtswissenschaft stark umstrittenen Antiterrordateigesetzes (ATDG) liefert das Werk eine wissenschaftlich fundierte Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit der informationellen Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden im Allgemeinen und der Antiterrordatei im Besonderen. Am Beispiel der Antiterrordatei zeigt die Arbeit die verfassungsrechtlichen Grenzen auf, die das Trennungsgebot und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemeinsamen Verbunddateien von Polizei und Nachrichtendiensten setzen. Eingebettet werden die Erkenntnisse in die verfassungsrechtliche Diskussion um die Grenzen staatlicher Sicherheitsgewährleistung. Mit ihren Ausführungen zum Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit bezieht die Arbeit Position zur jüngsten Antiterrorgesetzgebung insgesamt.