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gemäß Art. 93 LF ihre Forderungen zur Tabelle anmelden und ihre Rechte zusammen mit den Forderungen der Insolvenzgläubiger festgestellt werden,702 haben sie
keine Beteiligungsrechte im Rahmen des Insolvenzverfahrens (vgl. etwa Art. 37-bis
LF, der nur von „creditori“ spricht).
D. Adunanza dei creditori
I. Allgemeines
Die Gläubiger können im Prüfungstermin nach Art. 37-bis LF neue Mitglieder des
Gläubigerausschusses nominieren sowie die Ersetzung des Insolvenzverwalters bei
dem Insolvenzgericht beantragen. Ob die derart vereinten Gläubiger ein Verfahrensorgan bilden703 oder nicht,704 ist streitig. Im Folgenden wird ohne Rücksicht auf diesen dogmatischen Streit der Einfachheit halber der Begriff der Gläubigerversammlung benutzt.
II. Zusammensetzung und Zusammentreten
1. Zusammensetzung
Die Versammlung setzt sich aus allen Personen zusammen, die ihre Forderungen
bzw. Rechte in dem Prüfungstermin anmelden müssen. Daher sind auch Massegläubiger und Inhaber von dinglichen Rechten teilnahmeberechtigt.
2. Zusammentreten
Der Prüfungstermin, zu dem die Gläubiger zusammentreten, wird von dem Gericht
gemäß Art. 16 Abs. 2 Nr. 3 LF mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestimmt.
Nach der Reform des Decreto legislativo 9 Gennaio 2006, n. 5 war wegen der
Formulierung „In der Versammlung zur Prüfung der Insolvenzforderungen….“705
nicht eindeutig, wann die Entscheidungen nach Art. 37-bis LF (insbesondere die
Wahl des Insolvenzverwalters) zu treffen waren, wenn die Prüfung der Insolvenz-
702 Siehe dazu unten S. 140 ff.
703 Dafür Abate, in: Fabiano/Patti (Hrsg.), La tutela dei diritti nella riforma fallimentare, S. 73
(86).
704 Dagegen Bozza, Il fallimento 2005, 1051 (1062), der den Unterschied zu der Regelung des
Codice di Commercio von 1882 hervorhebt; den Unterschied zur Gläubigerversammlung der
deutschen Insolvenzordnung betonen: Esposito, Il fallimento 2007, 111 (112); Guglielmucci,
Diritto fallimentare, S. 77.
705 Art. 37-bis LF lautete „In sede di adunanza per l’esame dello stato passivo…“.
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forderungen mehrere Tage in Anspruch nahm.706 Um die Gefahr von Zufallsmehrheiten zu beseitigen,707 bestimmt nun der durch das Decreto legislativo 12 Settembre
2007, n. 169 geänderte Art. 37-bis Abs. 1 LF, dass die Wahlen bzw. die zu treffenden Entscheidungen nach Abschluss des Prüfungstermins und vor Erlass der Vollstreckbarkeitserklärung der Insolvenztabelle stattfinden.
III. Kompetenzen
Obwohl der Schwerpunkt der von den Gläubigern bestimmten Organen eher bei
dem Gläubigerausschuss liegt, hat auch die Gläubigerversammlung einige wichtige
Kompetenzen.
1. Wahl des Insolvenzverwalters
Die Gläubigerversammlung kann im Prüfungstermin gemäß Art. 37-bis Abs. 1 LF
die Ersetzung des Insolvenzverwalters verlangen („chiedere la sostituzione“), wenn
sie dem Gericht zugleich die Gründe für den Antrag anzeigt und einen neuen Verwalter benennt („indicando al tribunale le ragioni della richiesta e un nuovo nominativo“).708 Das Gericht ernennt nach Überprüfung der genannten Gründe („valutate
le ragioni della richiesta“) die von den Gläubigern gewählte Person, es sei denn,
dass die Kriterien des Art. 28 LF nicht eingehalten worden sind. Art. 28 LF bestimmt als Voraussetzungen für die Ernennung zum Insolvenzverwalter, dass die
jeweilige Person einem bestimmten Berufsstand (etwa dem der Anwaltschaft) angehört oder innerhalb einer Aktiengesellschaft eine Aufsichts- oder Managementfunktion ausgeübt hat. Außerdem darf die Person etwa kein Verwandter des Schuldners
oder ein Gläubiger sein und darf sich auch sonst nicht in einem Interessenkonflikt
mit dem Insolvenzverfahren befinden.
706 Abate, in: Fabiano/Patti (Hrsg.), La tutela dei diritti nella riforma fallimentare, S. 73 (88);
Abete, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, I, S. 628; D’Attorre, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S. 238; Grossi, La riforma della
legge fallimentare, S. 553; Panzani, Il fallimento 2006, 487 (489); Schiavon, in: Jorio/Fabiani
(Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, I, S. 675 f.; vgl. auch Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 176.
707 Relazione illustrativa sul Decreto legislativo 12 Settembre 2007, n. 169, am 27.10.2007 abrufbar unter http://www.giurdanella.it/7877; vgl. zu dem Problem bereits Bozza, Il fallimento
2005, 1051 (1063); D’Attorre, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare,
I, S. 238; Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 604; Panzani, Il fallimento 2006, 487
(489); dagegen aber mit beachtlichen Argumenten Lamanna, Accertamento del passivo,
S. 497.
708 Auf die Ähnlichkeit des von Art. 37-bis Abs. 1 LF und Art. 719 des Codice di Commercio
von 1882 weisen Bozza, Il fallimento 2005, 1051 (1062); D’Attorre, in: Nigro/Sandulli
(Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S. 236 hin.
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References
Zusammenfassung
Die umfassende Gläubigerbeteiligung hat eine lange Tradition im deutschen Insolvenzrecht. In der Praxis beteiligen sich die Gläubiger jedoch häufig nicht. Dieser Umstand und unausgewogene Entscheidungen der Gläubiger können das Verfahrensziel, die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger, gefährden. Die Untersuchung vergleicht die Gläubigerbeteiligung nach der deutschen Insolvenzordnung mit der durch das decreto legislativo 9 gennaio 2006, n. 5 und das decreto legislativo 12 Settembre 2007, n. 169 reformierten legge fallimentare. Die Arbeit erörtert umfassend aktuelle juristische Fragen. Der rechtsvergleichende Teil bezieht Ansätze der ökonomischen Analyse des Rechts und der Verhaltensökonomik ein, um konkrete Änderungsvorschläge zu erarbeiten.