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Damit hat der beauftragte Richter die Möglichkeit, eine eigene Wertung hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit eines Verkaufs durchzuführen und den Verkauf ggf. mittels seines Vetos zu verhindern.934 Der beauftragte Richter behält somit in der Verwertungsphase eine entscheidende Machtstellung.935
5. Zusammenfassung
Es fällt auf, dass das italienische Recht auch heute noch vergleichsweise viele Zustimmungserfordernisse des Ausschusses vorsieht. In der Verwertungsphase hat der
Gläubigerausschuss hingegen wenig Rechte. Die Interessen der Gläubiger werden
allein über das Zustimmungserfordernis zu dem Liquidationsplan nach Art. 104-ter
LF und das Antragsrecht nach Art. 108 LF gewahrt.
VI. Rechtsfehlerhafte Beschlüsse
Die Beschlussfassung des Ausschusses kann aus unterschiedlichen Gründen fehlerhaft sein.936 Fraglich ist, welche Rechtsfolge dies im Einzelnen für den Beschluss
selbst nach sich zieht. Für das alte Recht wurde teilweise vertreten, dass die fehlende
oder die mangelbehaftete Mitwirkung des Ausschusses die Handlung, bei der die
Mitwirkung erforderlich war, anfechtbar machte.937
1. Grundsatz
Beschlüsse des Ausschusses, die unter Verletzung des Gesetzes zustande gekommen
sind (insbesondere solche, die nicht mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden
sind),938 können grundsätzlich mit der Beschwerde nach Art. 36 LF angefochten
werden. Nach Art. 36 LF können der Schuldner und andere Betroffene gegen die
Zustimmungen (und Unterlassungen) des Gläubigerausschusses wegen einer Gesetzesverletzung innerhalb von acht Tagen ab Kenntnisnahme Beschwerde bei dem beauftragten Richter einlegen.
Die Beschränkung auf Gesetzesverletzungen de lege lata soll verhindern, dass der
beauftragte Richter über die im Gesetz bestimmten Fälle hinaus Zweckmäßigkeitserwägungen anstellen kann.939 De lege ferenda plädiert man allerdings teilweise
934 D’Aquino, in: Ferro, La legge fallimentare, S. 831 f.; Sandulli, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La
riforma della legge fallimentare, II, S. 647.
935 Sandulli, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, II, S. 674.
936 Zu den Folgen einer rechtsfehlerhaften Unterlassung des Ausschusses siehe oben S. 162.
937 Cesqui, Rivista di diritto processuale 1994, 690 (704 f.).
938 So zu Art. 35 LF Abete, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, I, S. 599.
939 Allegritti, Diritto delle banche e del mercato finanziario 2006, 91 (109).
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auch dafür, die Anfechtungsmöglichkeit auf Fälle der manifesten Inadäquanz oder
Unbegründetheit zu erweitern.940
2. Verstöße gegen die Regeln der Einberufung
Verstöße gegen die Regelungen zur Einberufung sollen keinen Einfluss auf die Gültigkeit eines Beschlusses haben, wenn alle Mitglieder des Ausschusses anwesend
und ausreichend über die anstehenden Entscheidungen informiert worden sind.941
3. Überschreiten der fünfzehntägigen Frist
Entscheidungen der Versammlung, die nach der vorgesehenen fünfzehntägigen Frist
erfolgen, haben nicht deren Unwirksamkeit zur Folge.942 Vielmehr führt die fehlende Entscheidung des Ausschusses allein zu der Kompetenz des beauftragten Richters, die anstehende Entscheidung selbst zu treffen, Art. 41 Abs. 3 LF, wobei der
Ausschuss das Recht behält, selbst eine Entscheidung zu treffen.943
VII. Auswirkungen der fehlenden oder fehlerhaften Mitwirkung auf Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters
1. Auswirkungen der fehlenden Mitwirkung
Trotz der Reform, die dem Gläubigerausschuss eine Vielzahl von Kompetenzen zugesteht und eine Mitwirkung im Ausschuss attraktiver gestaltet, ist zu erwarten, dass
gerade in Verfahren, in denen eine nur geringe Masse vorhanden ist, auch die Mitglieder des Gläubigerausschusses ein nur geringes Interesse für das Verfahren aufbringen werden.944 Das vor der Reform bestehende Problem, welche Auswirkungen
940 Allegritti, Diritto delle banche e del mercato finanziario 2006, 91 (110).
941 Rocco di Torrepadula, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I,
S. 263.
942 Bruno, in: Terranova (Hrsg.), La nuova legge fallimentare,, S. 83; Nardecchia, Informazione
prevedenziale 2006, 1 (5); Rocco di Torrepadula, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della
legge fallimentare, I, S. 264; Schiavon, Il comitato dei creditori, S. 7; Schiavon, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, I, S. 680; Schiera, in: Ferro/Nappi (Hrsg.),
Le insinuazioni al passivo, S. 253; vgl. auch Minutoli, in: Ferro, La legge fallimentare, S.
311.
943 Siehe zur Ersetzungskompetenz des beauftragten Richters gemäß Art. 41 Abs. 3 LF ausführlich oben S. 159 ff.
944 Man schätzt, dass es in 80 % der Fälle zu einem derart großen Desinteresse der Gläubiger
kommen wird, dass der Ausschuss eine Tätigkeit überhaupt nicht erst aufnehmen können
wird, vgl. etwa Schiavon, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, I, S. 674.
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References
Zusammenfassung
Die umfassende Gläubigerbeteiligung hat eine lange Tradition im deutschen Insolvenzrecht. In der Praxis beteiligen sich die Gläubiger jedoch häufig nicht. Dieser Umstand und unausgewogene Entscheidungen der Gläubiger können das Verfahrensziel, die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger, gefährden. Die Untersuchung vergleicht die Gläubigerbeteiligung nach der deutschen Insolvenzordnung mit der durch das decreto legislativo 9 gennaio 2006, n. 5 und das decreto legislativo 12 Settembre 2007, n. 169 reformierten legge fallimentare. Die Arbeit erörtert umfassend aktuelle juristische Fragen. Der rechtsvergleichende Teil bezieht Ansätze der ökonomischen Analyse des Rechts und der Verhaltensökonomik ein, um konkrete Änderungsvorschläge zu erarbeiten.