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auch, die Ersetzungsbefugnis als Sanktionsmechanismus zu interpretieren. So soll
ein Ausschussmitglied etwa dann substituiert werden können, wenn es sich bei einer
Abstimmung in einem Interessenkonflikt befand und sich nicht der Stimme enthalten hat.845
III. Verfahren und Beschlussfassung
1. Verfahren
a) Erstes Zusammentreten
aa) Einberufung
Nach Art. 40 Abs. 3 LF wählt der Ausschuss innerhalb von zehn Tagen ab seiner
Einsetzung den Vorsitzenden auf Einberufung des Insolvenzverwalters.846 Diese Regelung kann zu Ungereimtheiten führen, wenn der Insolvenzverwalter den Ausschuss nicht innerhalb dieser Frist einberuft. Der Fristablauf soll aber keine Folgen
für die Wirksamkeit der Wahl haben und allenfalls einen Grund für die Ersetzung
oder die Entlassung des Insolvenzverwalters darstellen.847
bb) Wahl des Vorsitzenden
In der ersten Sitzung wählt der Ausschuss nach Art. 40 Abs. 3 LF mit einfacher
Mehrheit einen Vorsitzenden. Ihm kommt die Pflicht zu, den Ausschuss einzuberufen, soweit im Gesetz nicht anderes bestimmt ist. Darüber hinaus hat er die Aufgabe,
die Mitglieder über die anstehenden Entscheidungen zu unterrichten.848
Das Gesetz präzisiert nicht, ob es der Mehrheit der Mitglieder („componenti“)
oder der Mehrheit der Abstimmenden („votanti“) bedarf. Auch gibt die Rechtslage
vor der Reform keinen Anhaltspunkt, da nach Art. 40 Abs. 2 LF a.F. der Vorsitzende von dem beauftragten Richter ernannt wurde. Daher wird vorgeschlagen, dass
entsprechend Art. 41 Abs. 3 LF die Mehrheit der Abstimmenden ausschlaggebend
ist.849 Der Wortlaut lässt dies zu. Die Gesetzesbegründung spricht jedoch von der
845 Ferri, Il fallimento 2006, 1225 (1228).
846 Unklar ist, ob der Insolvenzverwalter an der Sitzung des Ausschusses teilnehmen muss oder
sich darauf beschränken kann, sie einzuberufen, vgl. Rocco di Torrepadula, in:
Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S. 263, FN 26.
847 Schiavon, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, I, S. 679, FN 17.
848 Rocco di Torrepadula, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S.
263.
849 Ianniello, Il nuovo diritto fallimentare, 93; Michelotti, Il diritto fallimentare e delle società
commerciali 2007, 735 (737); Minutoli, in: Ferro, La legge fallimentare, S. 305.
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Mehrheit der Mitglieder.850 Dementsprechend wird teilweise auch vertreten, dass für
die Wahl die Mehrheit der Mitglieder entscheidend ist.851
b) Einberufung
Die Einberufung von den folgenden Sitzungen des Ausschusses ist nur teilweise
durch das Gesetz geregelt worden. Keine Regelung findet sich etwa zu der Form der
Einberufung, die daher der autonomen Festsetzung der Mitglieder unterliegen
soll.852 Der Ausschuss kann je nach Gelegenheit von unterschiedlichen Personen
einberufen werden. Nach Art. 25 Abs. 1 Nr. 3 LF beruft („convoca“) der beauftragte
Richter den Gläubigerausschuss ein, wenn das Gesetz dies anordnet oder wenn er es
für den ordnungsgemäßen Verlauf des Verfahrens für zweckmäßig erachtet.853 Der
Gläubigerausschuss wird gemäß Art. 41 Abs. 2 LF von dem Vorsitzenden einberufen, wenn Entscheidungen anstehen, für die der Ausschuss zuständig ist, oder wenn
es von einem Drittel seiner Mitglieder verlangt wird.854 Darüber hinaus hat dieser
auch die Möglichkeit, den Ausschuss einzuberufen, wenn er es für zweckmäßig hält.
Dies ist zwar, anders als nach Art. 41 Abs. 2 LF a.F., nicht mehr ausdrücklich im
Gesetz vorgesehen. Das liegt aber eher daran, dass die Norm praktisch nie zur Anwendung gekommen ist, als an dem Willen des Gesetzgebers, das Einberufungsrecht
des Vorsitzenden inhaltlich zu beschränken.855 Ob auch dem Insolvenzverwalter über die erste Sitzung hinaus ein Einberufungsrecht zusteht, ist streitig.856 Für ein eigenes Einberufungsrecht des Insolvenzverwalters spräche immerhin, dass eine laufende Zusammenarbeit von Ausschuss und Verwalter notwendig ist und die unterlassene Regelung eher ein Versehen des Gesetzgebers ist.857 In der bisherigen Praxis
hat der Vorsitzende auch nur in den seltensten Fällen den Ausschuss einberufen.
850 Relazione sullo Schema di decreto legislativo recante “la riforma organica della disciplina
delle procedure concorsuali di cui al regio decreto 16 marzo 1942, n. 267”, abgedruckt in:
Terranova (Hrsg.), La nuova legge fallimentare,, S. 395 ff., 411.
851 Nardo, in: Santangeli (Hrsg.), Il nuovo fallimento, S. 202; Schiavon, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.),
Il nuovo diritto fallimentare, S. 679.
852 Allegritti, Diritto delle banche e del mercato finanziario 2006, 91 (100); siehe auch Sparano,
in: Forgillo et al., Riflessioni ''operative'', S. 34.
853 Zu Formfragen Sparano, in: Forgillo et al., Riflessioni ''operative'', S. 34.
854 Bei einem aus fünf Mitgliedern bestehenden Ausschuss müssen also mindestens zwei die
Einberufung verlangen, Rocco di Torrepadula, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della
legge fallimentare, I, S. 263.
855 Rocco di Torrepadula, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I,
S. 263.
856 Ablehnend Nardecchia, Informazione prevedenziale 2006, 1 (7).
857 Schiavon, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, I, S. 677; vgl. auch Allegritti, Diritto delle banche e del mercato finanziario 2006, 91 (102, FN 17).
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Vielmehr hat häufig der Insolvenzverwalter als das Verfahren leitende Organ den
Ausschuss einberufen.858
c) Frist
Die Entscheidungen des Ausschusses werden nach Art. 41 Abs. 3 LF mit der Mehrheit der Abstimmenden innerhalb einer Frist von 15 Tagen ab dem Zeitpunkt getroffen, in dem der Antrag („richiesta“) den Vorsitzenden erreicht hat.859
Die 15-tägige Frist gilt nach dem Wortlaut des Art. 41 Abs. 3 LF nur, wenn der
Gläubigerausschuss auf Antrag einberufen worden ist und nicht für den Fall, in dem
der Ausschuss direkt von dem Insolvenzverwalter, dem beauftragten Richter oder
dem Vorsitzenden einberufen worden ist. Bei der Auslegung des Begriffes der „Untätigkeit“ im Sinne von Art. 41 Abs. 4 LF, wonach der beauftragte Richter (unabhängig von der Art der Einberufung) im Falle der Untätigkeit selbst entscheiden
kann, wird die 15-Tages-Frist entsprechend herangezogen.860 Damit gilt die Frist
letztlich für alle Fälle der Einberufung.
d) Form der Beschlussfassung
Der italienische Gesetzgeber war bemüht, die Arbeit des Ausschusses und dessen
Beschlussfassung so einfach wie möglich zu gestalten. Daher bestimmt Art. 41
Abs. 4 S. 2 LF, dass die Stimme in Versammlungen oder mittels Telefax oder eines
anderen elektronischen Mittels abgegeben werden kann, soweit es möglich ist, den
Beweis der Abgabe der Stimme zu erhalten.861 Diese gesetzliche Regelung basiert
auf einer zum alten Recht ergangenen Rechtsprechung, nach der eine förmliche Sitzung des Ausschusses für die Beschlussfassung nicht erforderlich war und die eine
schriftliche Stimmabgabe genügen ließ.862 Daher war es gängige Praxis, dass die
Mitglieder des Ausschusses einzeln ihre Unterschrift unter bereits vorformulierte
Beschlüsse des Insolvenzverwalters entweder bei dem Insolvenzverwalter selbst o-
858 Caselli, Degli Organi preposti al fallimento, in: Bricola/Galgano/Santini (Hrsg.), Commentario Scialoja-Branca, S. 242.
859 Nach Bruno, in: Terranova (Hrsg.), La nuova legge fallimentare, S. 83; Schiavon, Il comitato
dei creditori, 6 ist die Bestimmung unvollständig, weil sie nicht eindeutig, die Rechtsfolge der
Nichteinhaltung der Frist regele. Überwiegend nimmt man jedoch an, dass die Überschreitung der Frist nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses führt, sondern allein zu der Ersetzungsbefugnis des beauftragten Richters führe; vgl. dazu auch die Nachweise in FN 942.
860 Siehe unten S. 160 f.
861 An dieser Regelung wird bemängelt, dass es nicht eindeutig sei, wer über die Beschlussform
zu entscheiden habe; Bruno, in: Terranova (Hrsg.), La nuova legge fallimentare, S. 83; Schiavon, in: Jorio/Fabiani (Hrsg.), Il nuovo diritto fallimentare, I, S. 680.
862 Corte di Cassazione 14 luglio 1987, n. 6121; Corte di Cassazione: 03.01.1998, n. 16.
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der der jeweiligen Geschäftsstelle abgaben.863 Die aktuelle gesetzliche Regelung
schafft einen Ausgleich zwischen dem Erfordernis der Rechtssicherheit und dem die
gesamte Reform durchdringenden Bestreben, das Verfahren zu beschleunigen.864
Um Transparenz zu schaffen und Beschwerden nach Art. 36 LF zu ermöglichen,
müssen die Beschlüsse des Ausschusses nach Art. 41 Abs. 1 LF begründet werden.865
2. Beschlussfassung
Das italienische Recht enthält keine Regelung über die Beschlussfähigkeit. Daher
soll es möglich sein, dass Beschlüsse auch durch ein einziges Ausschussmitglied gefasst werden können.866 Nehmen mehrere Personen an der Beschlussfassung teil,
werden die Beschlüsse des Ausschusses nach Art. 41 Abs. 3 LF mit der Mehrheit
der Abstimmenden867 getroffen. Zu den Abstimmenden im Sinne des Art. 41 Abs. 3
LF zählen nicht solche Mitglieder, die sich der Stimme enthalten.868 Die Reform
rückt mit dieser Regelung von der alten Rechtslage869 ab, wonach die Mehrheit der
Mitglieder erforderlich war.870 Nicht völlig geklärt ist, welche Folge eine Stimmengleichheit nach sich zieht.871
IV. Die Ersetzungskompetenz des beauftragten Richters
Der italienische Torpedo, eine negative Feststellungsklage vor den langsam arbeitenden italienischen Gerichten mit dem Ziel, ein Verfahren vor deutschen Gerichten
863 Caselli, Degli Organi preposti al fallimento, in: Bricola/Galgano/Santini (Hrsg.), Commentario Scialoja-Branca, S. 242.
864 Rocco di Torrepadula, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S.
263.
865 Rocco di Torrepadula, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S.
264; Schiera, in: Ferro/Nappi (Hrsg.), Le insinuazioni al passivo, S. 251.
866 Rocco di Torrepadula, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S.
264; a.A.: allerdings ohne Alternativvorschlag Minutoli, in: Ferro, La legge fallimentare, S.
310.
867 Die ursprüngliche, insoweit übereinstimmende Formulierung des Justiz- und des Wirtschaftsministeriums, wonach es auf die Stimmen der Anwesenden („presenti“) ankommen
sollte, wurde gestrichen um auch eine schriftliche Stimmabgabe zu ermöglichen, Schiavon, Il
comitato dei creditori, S. 6 f.
868 Rocco di Torrepadula, in: Nigro/Sandulli (Hrsg.), La riforma della legge fallimentare, I, S.
264, FN 36.
869 Die Anzahl der Mitglieder war bereits nach dem Codice di Commercio von 1882 maßgeblich,
der bewusst von den Regelungen der deutschen Konkursordnung abwich, vgl. Calamandrei,
Del fallimento, S. 227.
870 Bruno, in: Terranova (Hrsg.), La nuova legge fallimentare,, S. 83.
871 Schiavon, Il comitato dei creditori, S. 7.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die umfassende Gläubigerbeteiligung hat eine lange Tradition im deutschen Insolvenzrecht. In der Praxis beteiligen sich die Gläubiger jedoch häufig nicht. Dieser Umstand und unausgewogene Entscheidungen der Gläubiger können das Verfahrensziel, die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger, gefährden. Die Untersuchung vergleicht die Gläubigerbeteiligung nach der deutschen Insolvenzordnung mit der durch das decreto legislativo 9 gennaio 2006, n. 5 und das decreto legislativo 12 Settembre 2007, n. 169 reformierten legge fallimentare. Die Arbeit erörtert umfassend aktuelle juristische Fragen. Der rechtsvergleichende Teil bezieht Ansätze der ökonomischen Analyse des Rechts und der Verhaltensökonomik ein, um konkrete Änderungsvorschläge zu erarbeiten.