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scheiden müssen, dass der Bestand des Wettbewerbs bedroht ist.859 Allerdings
kann dies nicht von deren schlichten Verbreitung abhängen, sondern muss seine
Ursache im Einsatz zumindest eines wettbewerbsinkonformen Parameters haben.
Der Tatbestand der allgemeinen Marktbehinderung darf jedenfalls keinen
Anknüpfungspunkt dafür bieten, dass der Einsatz von Maßnahmen des Nebenleistungswettbewerbs nur aufgrund einer subjektiven Einschätzung der
Markt(struktur-)entwicklungen untersagt wird, ohne dass zuvor zumindest eine
latente Wettbewerbsinkonformität aufgrund des Einsatzes von Staffelungen,
Preisverschleierungen oder nicht kostendeckenden Preisstrategien festgestellt
wurde. Das Allgemeininteresse im Rahmen der allgemeinen Marktbehinderung
kann sich nämlich nur auf die Aufrechterhaltung der Institution des freien Wettbewerbs selbst beschränken.860 Dieser ist es ihrerseits aber wesenseigen, dass
Mitbewerber aus dem Markt ausscheiden.
4. Ergebnis
Soweit nicht bereits die kartellrechtlichen Tatbestände eine Untersagung rechtfertigen, ist das Verbot eines Bonusprogramms wegen einer Bedrohung der Institution Wettbewerb im Sinne einer allgemeinen Marktbehinderung nur in absoluten Grenzfällen denkbar. Vor allem muss die Wertungsprärogative des Kartellrechts berücksichtigt werden. Das Argument des Brancheneinbruchs ist in keinem Fall tragfähig, um eine Untersagung zu rechtfertigen. Einen Anknüpfungspunkt kann aber eine mögliche Nachahmungsgefahr darstellen. Dies gilt nur,
wenn tatsächlich ein lauterkeitsrechtlich bedenkliches Verhalten vorliegt, wie es
beispielsweise beim Einsatz von Bonusstaffeln oder bei einer mangelnden Kostendeckung der Fall sein kann, dessen Tragweite im Einzelfall aber unterhalb der
Erheblichkeitsschwelle des § 3 UWG liegt und insgesamt dennoch die Gefahr einer dauerhaften Verschlechterung der wettbewerblichen Strukturen besteht. Angesichts des erheblichen Prognoserisikos ist hier aber größte Zurückhaltung geboten.
IV. Zusammenfassung
Den aus dem Blickwinkel der Allgemeininteressen vorgetragenen Bedenken gegen Bonusprogramme kann mit den lauterkeitsrechtlichen Regeln nur eingeschränkt nachgekommen werden. Die Entwicklung des Lauterkeitsrechts hin zu
rein kompetitiven Wertungsmaßstäben ist zu begrüßen. Sie hat aber auch zur
Folge, dass beispielsweise Verstöße gegen das Datenschutzgesetz im Rahmen
859 Richtig insoweit Lange/Spätgens Rn. 158.
860 Merz Vorfeldthese, S. 210 f; Möschel Pressekonzentration, S. 134; neuerdings Eppe Zugaben und Rabatte, S. 39.
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von Bonusprogrammen sowie diskriminierende Auswahlkriterien für den Zugang
zu solchen Programmen nicht über das Lauterkeitsrecht geahndet werden können.
Auch im Rahmen der allgemeinen Marktbehinderung sind die Funktionsbedingungen einer freien Wettbewerbsordung und die Wertungen des Kartellrechts
stets im Auge zu behalten. Angesichts des Auffangcharakters dieses Tatbestands
sollten vielmehr die einzelnen Funktionsparameter von Bonusprogrammen genau
untersucht werden, um herauszufinden, ob nicht bereits andere, dogmatisch überzeugendere Argumente eine Untersagung rechtfertigen, bevor auf diese Fallgruppe zurückgegriffen wird. Die vorliegende Arbeit hat hierfür verschiedene
Anknüpfungspunkte aufgezeigt.
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References
Zusammenfassung
Die Arbeit untersucht Bonusprogramme wie Miles & More oder Payback aus lauterkeits- und kartellrechtlicher Sicht. Sie präzisiert den gängigen Terminus Kundenbindungssystem vor dem Hintergrund wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse.
Einen Schwerpunkt stellen die lauterkeitsrechtlichen Anforderungen an die Transparenz solcher Programme dar. Dabei wird zwischen der Transparenz der Inanspruchnahmebedingungen und der Werttransparenz unterschieden. Die Frage, inwiefern Bonusprogramme mit den Missbrauchstatbeständen des deutschen und europäischen Kartellrechts konfligieren können, bildet einen weiteren Schwerpunkt. Neben den Grenzen der Angebots- und Preisgestaltungsfreiheit wird hier der Aspekt der Sogwirkung diskutiert.