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An der wettbewerbsfunktionalen Ausrichtung des Lauterkeitsrechts ändert
auch die Tatsache nichts, dass in der Unlauterkeitsrichtlinie Anklänge wiederfinden, die im Sinne eines Sittlichkeitsmaßstabes interpretiert werden könnten. So
wird in Art 5 Abs. 2 zur Konkretisierung des Begriffs der Unlauterkeit unter
anderem darauf abgestellt, ob eine Handlung dem »Gebot der beruflichen Sorgfaltspflicht« widerspricht. Eine Abkehr vom wettbewerbsfunktionalen Ansatz
geht damit aber nicht einher. Im Gegenteil. Ausweislich des Art. 1 ist es Ziel der
Richtlinie zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen.
Wie Veelken richtig hervorhebt bildet diese normative Zwecksetzung nicht eine
unverbindliche Deklamation oder Programmatik ohne rechtliche Bedeutung, sondern ist im Rahmen systematischer und teleologischer Auslegung von unmittelbarer normativer Relevanz für die Interpretation der Richtlinienvorschriften, insbesondere die Konkretisierung der Generalklausel des Art. 5 Abs. 1. Im Verweis
auf ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts ist nicht nur eine Bezugnahme auf die Ermächtigungsgrundlage des Art. 94 EG zu sehen. Dies bezieht
vielmehr neben den Grundfreiheiten, die im Binnenmarktkonzept der
Art. 3 lit. c), 14 EG im Vordergrund stehen, insbesondere auch das in Art.
3 lit. g) EG normierte Referenzsystem des unverfälschten Wettbewerbs ein. In
Parallele zur deutschen Diskussion um eine wettbewerbsfunktionale Interpretation der lauterkeitsrechtlichen Regelungen ist daher auch die Generalklausel des
Art. 5 der Richtlinie vor dem System der Grundfreiheiten und des Systems unverfälschten Wettbewerbs zu interpretieren.755 Richtschnur kann auch hierbei nur die
Idee der Wettbewerbsfreiheit sein, wie sie dem hier vertretenen systemtheoretischen Ansatz zugrunde liegt und auch in Art. 4 EG zum Ausdruck kommt.
C. Die Konfliktfelder im Einzelnen
Im Folgenden soll nun überprüft werden, inwiefern die oben gegenüber Bonusprogrammen geäußerten Bedenken bei einer wettbewerbsfunktionalen Betrachtung Berücksichtigung finden können.
I. Verstöße gegen das Datenschutzrecht als Unlauterkeit wegen
Rechtsbruchs
Neben der intendierten Kundenbindung durch Inaussichtstellung geldwerter Vergünstigungen ist die Erhebung von Kaufdaten zur Erstellung von Kundenprofilen
eines der maßgeblichen Ziele von Bonusprogrammen. Diese Daten sollen im
Wege des one-to-one Marketing eingesetzt werden. Von einer individuellen, auf
die Bedürfnisse des Kunden zugeschnittenen Werbeansprache verspricht man
755 Veelken WRP 2004, 1, 4 f; ebenso MünchKommUWG/Micklitz EG D Rn. 110 f und E Rn.
110 ff.
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sich eine weitere Vertiefung der emotionalen Bindung an das System. Ferner wird
dieser Form der Kundenansprache gerade in Zeiten des Informationsüberflusses
durch Werbung eine besondere Effizienz zugemessen. Hiergegen werden von
Verbraucher- und Datenschützern gleichermaßen erhebliche Bedenken geäußert.
Derartige Programme leisteten dem Angstbild des »gläsernen Verbrauchers« Vorschub.756
Aufgrund des wirtschaftsrechtlichen Zuschnitts der vorliegenden Untersuchung kann auf die hiermit zusammenhängenden, datenschutzrechtlichen Fragen
nicht vollumfänglich eingegangen werden. Im Wege einer kursorischen Übersicht
seien aber folgende Problempunkte benannt. Zunächst stellt sich die Frage, wie
eine vorformulierte Einwilligungserklärung ausgestaltet werden muss, damit sie
den Anforderungen einer informierten und damit freiwilligen Einwilligung im
Sinne des § 4 Bundesdatenschutz-gesetz (BDSG) entspricht.757 Zur Aufrechterhaltung der Freiwilligkeit besteht weiter der allgemeine Grundsatz des datenschutzrechtlichen Kopplungsverbots. Deshalb ist es Programmausrichtern verboten, eine Teilnahme am Bonusprogramm zwingend an eine Preisgabe der Daten
zu knüpfen.758 Da zu Zwecken des one-to-one Marketings nicht nur eine Erhebung und Verarbeitung, sondern auch die Extraktion neuer Daten durch Kombination im Wege des so genannten Data-Minings praktiziert wird (bzw. werden
soll), ist an dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, dass die Zulässigkeit solcher
Prozesse – jedenfalls in der Literatur – heftig umstritten ist.759
Aus lauterkeitsrechtlicher Sicht interessant und deswegen hier weiter zu verfolgen ist aber die Frage, ob ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Anforderungen, sofern ein solcher vorliegt, im Wege des UWG über die Fallgruppe des
Rechtsbruchs (§ 4 Nr. 11 UWG) geahndet werden kann.
1. Entwicklung und Regelungsinhalt des § 4 Nr. 11 UWG
Seit je ist anerkannt, dass sich ein Wettbewerbsverstoß im Sinne des Lauterkeitsrechts nicht nur originär aus Normen des UWG herleiten kann, sondern auch derivativ wegen eines Gesetzesverstoßes außerhalb des UWG möglich ist. Hierfür
hat sich der Begriff des Rechtsbruchs durchgesetzt. Wie bereits erwähnt, hat diese
Fallgruppe im Zuge der Novellierung durch § 4 Nr. 11 UWG eine eigene tatbestandliche Erwähnung im Gesetz gefunden. Danach können über das Lauterkeits-
756 Weichert DUD 2003, 161 ff.
757 Simitis/Simitis § 4a Rn. 30 ff; vgl. LG München CR 2001, 470 zur Vereinbarkeit der Teilnahmebedingungen von Payback mit dem AGBG.
758 Simitis/Simitis § 4a Rn. 63 ff; vgl. auch Vzbv Kundenbindungssysteme und Datenschutz
(2003), S. 56 f. Auch wenn dies früher teilweise nicht durchgängig der Fall gewesen ist,
kommen, soweit ersichtlich, mittlerweile alle relevanten Programme diesen Anforderungen nach.
759 Z.B. Wittig RDV 2000, 59 ff; Büllesbach CR 2000, 11 ff; vgl. auch Vzbv Kundenbindungssysteme und Datenschutz (2003), S. 46 ff.
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recht Verstöße gegen Vorschriften geahndet werden, die im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten regeln.
Hiermit schrieb der Gesetzgeber den vorläufigen Endpunkt einer längeren
Rechtsentwicklung fest. So bestand vor der Novelle zuweilen Unklarheit darüber,
welchen Charakter die missachteten Rechtsvorschriften haben müssen, und ob
zusätzliche Momente hinzukommen müssen, um das Verdikt der Unlauterkeit zu
begründen.760 Man unterschied zwischen so genannten werthaltigen Normen, also
solchen, in denen ein überragendes Allgemeininteresse zum Tragen komme, und
wertneutralen Normen, also solchen, die zum Schutz bestimmter Rechtsgüter
oder nur aus Gründen ordnender Zweckmäßigkeit erlassen worden sind.761 Ein
Verstoß gegen erstere war stets zu ahnden. Gegen wertneutrale Normen musste
in bewusst planmäßiger Weise zur Erzielung eines Wettbewerbsvorsprungs verstoßen werden.
In Bezug auf das Datenschutzrecht war vor allem v. Gamm der Ansicht, es handele sich hierbei um eine wertneutrale Norm. Ein Wettbewerbsverstoß komme
dementsprechend nur dann in Betracht, wenn sich der Verletzer durch seinen
Gesetzesverstoß einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb
verschaffen will, und dieser Verstoß geeignet ist, die Wettbewerbslage zu beeinflussen.762 In der Tat muss festgestellt werden, dass den gewonnenen Kundendaten in betriebswirtschaftlichen Kreisen ein erhebliches Potenzial zugesprochen
wird, so dass ein möglicher Vorteil im Wettbewerb nicht zu unterschätzen ist.
Zweifelhaft erscheint allerdings, ob die Regelungen des Datenschutzrechtes
angesichts der heutigen rechts- und gesellschaftspolitischen Diskussion immer
noch (nur) als wertneutrale Normen eingestuft werden würden oder ob es sich bei
dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vielmehr um eine überragend wichtige Rechtsposition handelt.763
Dies kann aber dahingestellt bleiben. Mit der »Abgasemissionen«-Entscheidung hat der BGH in Fragen des derivativen Unlauterkeitsvorwurfs ohnehin
einen gravierenden Paradigmenwechsel vorgenommen. In diesem Fall überschritt
ein holzverarbeitendes Unternehmen bei der Produktion die nach Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) zulässigen Grenzwerte für Schadstoffemissionen.
Der Senat stufte die Regelungen des BImSchG zwar als wertbezogen ein, da sie
überragenden Gemeinschaftsgütern wie dem Schutz der Menschen und Umwelt
vor schädlichen Einwirkungen dienten. Da es aber die Zielsetzung des § 1 UWG
aF sei, die Lauterkeit des Wettbewerbs im Interesse der Marktbeteiligten und der
Allgemeinheit zu schützen, sei der darin enthaltene Begriff der Sittenwidrigkeit
760 Zur Rechtsentwicklung vgl. Beater § 27; MünchKommUWG/Schaffert § 4 Nr. 11 Rn. 5
ff; Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.2 ff; Büttner FS Erdmann, S. 545 ff. Aus der
Rechtsprechung grundlegend BGH WRP 2000, 1116 – Abgasemissionen.
761 Z.B. BGH GRUR 1990, 611, 615 – Werbung im Programm; vgl. Büttner FS Erdmann,
S. 545 mwN.
762 v. Gamm GRUR 1996, 574, 578.
763 Vgl. z.B. LG Hamburg CR 1997, 21, 23; OLG Koblenz MR 1999, 427.
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wettbewerbsbezogen auszulegen.764 Demnach könnten nicht alle Normen, die
eine gewisse Wertbezogenheit aufweisen, im UWG Berücksichtigung finden,
sondern nur diejenigen, die zumindest im Zuge einer anderen Zwecken dienenden
Regelung sekundär auch die Funktion haben, die Gegebenheiten eines bestimmten Marktes festzulegen.765 Ferner werde ein Marktverhalten nicht schon allein
dadurch wettbewerbsrechtlich unlauter, dass es Vorteile aus einem vorangegangenen Verstoß gegen ein Gesetz ausnutzt, das keinen unmittelbaren Marktbezug
aufweist. Dementsprechend erhalte ein Verstoß gegen die Vorschriften des BIm-
SchG den fehlenden Wettbewerbsbezug nicht allein durch eventuelle Vorteile, die
der Verletzer aus diesem Verstoß ziehen und zur Verbesserung seiner Marktstellung einsetzen kann. 766
Die Beschränkung auf Verstöße gegen solche Regeln, die zumindest einen
sekundären Marktbezug aufweisen, ist zu begrüßen. Denn angesichts der alten
Rechtslage wurde zu Recht der Vorwurf laut, der Wettbewerbssenat des BGH sei
zum judiziellen Hüter weiter Teile der Rechtsordnung geworden.767 Mit der
Neuregelung des § 4 Nr. 11, der ausdrücklich768 an die beschriebene Rechtsentwicklung anknüpft, geht also eine deutliche Verkürzung der Reichweite des
Rechtsbruchtatbestandes einher.769
2. Datenschutzrechtliche Normen als Regelungen im Sinne des § 4 Nr. 11
UWG
Der nötige Marktbezug ist beispielsweise für die bereits erörterten Missbrauchstatbestände des GWB,770 einschließlich der Regelung des § 20 Abs. 4 Satz 2
764 BGH GRUR 2000, 1076, 1778 – Abgasemissionen; vgl. schon zuvor tendenziell BGH
GRUR 1999, 1128 – Hormonpräparate; BGH GRUR 2000, 237 – Giftnotruf-Box.
765 BGH GRUR 2000, 1076, 1779 – Abgasemissionen; mittlerweile fortgeführt von BGH
GRUR 2002, 825 Elektroarbeiten; BGH GRUR 2003, 164 – Altautoverwertung; BGH
GRUR 2004, 255 – Strom und Telefon I.
766 BGH GRUR 2000, 1076, 1779 – Abgasemissionen. Mittlerweile fortgeführt von BGH
GRUR 2002, 825 Elektroarbeiten; BGH GRUR 2003, 164 – Altautoverwertung; BGH
GRUR 2004, 255 – Strom und Telefon I.
767 Ahrens JZ 2001, 815, 816; vgl. Büttner FS Erdmann, S. 545, 546; Sack WRP 2004, 1307,
1311.
768 BT-Drucks. 15/1487, S. 19 mit ausdrücklichem Verweis auf BGH GRUR 2000, 825 – Elektroarbeiten.
769 Der Vollständigkeit halber sei hier noch erwähnt, dass im Rahmen des § 1 UWG a.F. noch
anerkannt war, dass auch Vertragsverstöße oder die Beteiligung daran unter bestimmten
Umständen wettbewerbswidrig sein können. Da sich § 4 Nr. 11 aber nur allein auf Gesetzesverstöße beschränkt, werden erstere in Zukunft unter § 3 UWG zu behandeln sein.
Hierzu umfassend Harte/Henning/v. Jagow § 4 Nr. 11 Rn. 34 ff; vgl. auch Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.29; Büttner FS Erdmann, S. 545 ff.
770 BGH GRUR 1978, 445 – 4 zum Preis von 3; BGH GRUR 137 – Zinssubvention; BGH
GRUR 2003, 77, 78 – Fernwärme für Börnsen; OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 59.
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GWB,771 anerkannt. Dies gilt jedenfalls soweit, wie diese von den von der Norm
unmittelbar geschützten Personen im Wege des § 4 Nr. 11 UWG geltend gemacht
werden.772
Für den Bereich des Datenschutzes wird dies in der Literatur nahezu einhellig
verneint. Soweit ersichtlich vertritt nur Ernst die Auffassung, dass die Regelungen des BDSG vor allem verbraucherschützenden Charakter hätten und deshalb wettbewerbsbezogen sind.773 Dies ist aber abzulehnen. Richtig ist zwar, dass
§ 4 Nr. 11 UWG auf die Interessen der Marktteilnehmer abhebt, zu denen gemäß
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UWG auch die Verbraucher zählen. Gärtner/Heil machen aber
deutlich, dass dies entsprechend dem Schutzzweck des UWG nur gilt, wenn sie
als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind. Der
Verbraucher wird also nicht umfassend »als Mensch« geschützt, sondern nur in
seiner Funktion als Vertragspartner.774 Das BDSG verfolgt demgegenüber aber
einen wesentlich weiteren Ansatz. Dessen Vorschriften sind Ausdruck des grundrechtlich geschützten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Sie sind für
Private wie für die Öffentliche Hand gleichermaßen verpflichtend. Sie beschränken sich nicht auf den wirtschaftlichen Verkehr. Ihre Wertungen beziehen sich
vielmehr auf umfassenden den Schutz der höchstpersönlichen Individualsphäre
vor Zugriffen Dritter, nicht jedoch auf einen im Marktgeschehen zu verwirklichenden Schutz der Mitbewerber, der Marktgegenseite oder der Allgemeinheit.775
Da es auf wirtschaftliche Interessen also gerade nicht ankommt, kann das BDSG
auch nicht als wettbewerbsbezogen eingestuft werden. Dieser Auffassung hat
sich das OLG Frankfurt a.M. in der »Skoda-Autokids«-Entscheidung nun ausdrücklich angeschlossen.776 Das BDSG kann somit nicht als Regelung im Sinne
des § 4 Nr. 11 UWG verstanden werden.
771 BGH GRUR 2003, 363, 366 – WalMart; ebenso Lange/Spätgens Rn. 210; Heil/Dübbers
ZRP 2001, 207, 209; Lettl JZ 2003, 662, 668.
772 Wegweisend hierfür OLG Hamburg Beschluss vom 20.11.2003 Az. 3 W 127/03; vgl.
Harte/Henning/Brüning Einl F Rn. 131. Mit besonders guten Argumenten gegen jede
andere Ansicht Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.12 und Rn. 10.207. Zu beachten
ist in diesem Zusammenhang aber, dass mit der 7. GWB-Novelle eine fortschreitende Ausdifferenzierung des privaten Rechtsschutzes im Kartellrecht durch § 33 Abs. 2 GWB, der
ein Klagerecht für Unternehmensvereinigungen und Verbraucherverbände vorsieht, einhergegangen ist (die Nachweise hierzu bei Hempel WuW 2004, 362); vgl. auch Münch-
KommUWG/Schaffert § 4 Nr. 11 Rn. 22 ff.
773 Ernst WRP 2004, 1133, 1137.
774 In diesem Zusammenhang vgl. nur Gärtner/Heil WRP 2005, 20, 22.
775 Büttner FS Erdmann, 545, 559; Gärtner/Heil WRP 2005, 20, 22 f; ebenso Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.42; Fezer/Götting § 4-11 Rn. 76; MünchKommUWG/Schaffert
§ 4 Nr. 11 Rn. 69.
776 OLG Frankfurt a.M. GRUR 2005, 785, 786 – Skoda-Autokids: auch OLG Frankfurt a.M.
Urteil vom 13.12.2000 – 13 U 204/98; die Revision hat der BGH mit Beschluss vom
15.11.2001 (I ZR 47/01) nicht angenommen.
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3. Fortbestand des Vorsprungsgedanken im Rahmen des § 3 UWG?
Unklar war zwischenzeitlich aber noch, ob der Vorsprungsgedanke, jedenfalls in
Bezug auf nach alter Diktion wertneutrale Vorschriften, auch nach dem Paradigmenwechsel durch die Novelle 2004 noch Bedeutung erlangen kann, etwa über
die Generalklausel des § 3 UWG.777 Schließlich hat der BGH die Hinfälligkeit
dieses Kriteriums nur für den Bereich der werthaltigen Normen festgestellt. Auf
diesem Umweg könnte von Gamms oben erwähnte Ansicht also erneut Gehör finden.
Dies ist aber mit dem OLG Frankfurt zu verneinen.778 Wenn aus der »Abgasemissionen«-Entscheidung hervorgeht, dass bei nach alter Diktion werthaltigen
Normen eine Anwendung nur dann in Betracht kommt, wenn diese zumindest
einen sekundären Marktbezug aufweisen, und sich ein Marktbezug auch nicht
dadurch herstellen lässt, dass man sich durch den Verstoß einer werthaltigen
Norm einen Vorsprung vor seinen gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft, dann
ist daraus der Schluss zu ziehen, dass dies für nach alter Diktion wertneutrale
Normen erst recht gelten muss.779 Im Übrigen wäre ansonsten auch nur wenig
gegenüber der alten, als unbefriedigend befundenen Rechtslage gewonnen. Nicht
das Erlangen eines Vorsprungs gegenüber den Konkurrenten ist maßgeblich. Das
entscheidende Kriterium liegt vielmehr in der wettbewerbsbezogenen Schutzrichtung der verletzten Norm.780
Welcher Kategorie der alten Diktion man das Datenschutzrecht auch zuordnen
mag, mangels zumindest sekundären Marktbezugs ist die Ableitung der Unlauterkeit aus einem Verstoß der dortigen Regelungen nach richtiger Ansicht nicht
möglich.
4. Ergebnis
Verstöße gegen die Regelungen des Datenschutzrechts im Rahmen von Bonusprogrammen können folglich nicht über das Lauterkeitsrecht geltend gemacht
werden.
II. Verbraucherdiskriminierung im Rahmen von Bonusprogrammen
Ein weiteres Problemfeld ist eine mögliche Verbraucherdiskriminierung im Rahmen von Bonusprogrammen. Es kann durchaus im Interesse der Ausrichter lie-
777 So Piper/Ohly § 4.11 Rn. 11/324 ff; Gloy/Loschelder/Hasselblatt § 50 Rn. 22ff.
778 Ebenso OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2004, 56; gegen OLG Karlsruhe GRUR-RR 2001,
143.
779 Richtig OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2004, 56.
780 Beater § 27 Rn. 24; vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.58.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit untersucht Bonusprogramme wie Miles & More oder Payback aus lauterkeits- und kartellrechtlicher Sicht. Sie präzisiert den gängigen Terminus Kundenbindungssystem vor dem Hintergrund wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse.
Einen Schwerpunkt stellen die lauterkeitsrechtlichen Anforderungen an die Transparenz solcher Programme dar. Dabei wird zwischen der Transparenz der Inanspruchnahmebedingungen und der Werttransparenz unterschieden. Die Frage, inwiefern Bonusprogramme mit den Missbrauchstatbeständen des deutschen und europäischen Kartellrechts konfligieren können, bildet einen weiteren Schwerpunkt. Neben den Grenzen der Angebots- und Preisgestaltungsfreiheit wird hier der Aspekt der Sogwirkung diskutiert.