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V. Der Anspruch auf Aufnahme in ein Multi-Partner-Programm
Eng verzahnt mit der Problematik, ob ein konkretes Bonusprogramm eine wettbewerbsinkonforme Behinderung eines nicht angeschlossenen Unternehmens
darstellt, ist die Frage, ob ein außenstehendes Unternehmen unter Umständen einen Anspruch darauf hat, in ein Multi-Partner-Programm aufgenommen zu werden.588 Allerdings ist hier ein anderer Blickwinkel einzunehmen. Anders als die
bislang thematisierten Unterlassungsansprüche, die gegen den konkreten marktbeherrschenden Konkurrenten zu richten wären, würde ein Aufnahmeanspruch
die jeweilige Betreibergesellschaft des Multi-Partner-Programms (z.B. Payback
e.V. oder Miles & More GmbH) verpflichten.
1. Mögliche Rechtsquellen eines Aufnahmeanspruchs
Die Pflicht zur Aufnahme eines Unternehmens auch gegen den Willen der Betreiber in ein Bonusprogramm stellte einen Fall des so genannten Kontrahierungszwangs dar. Aus kartellrechtlicher Sicht kann sich ein solcher aus § 20 Abs. 6, aus
§ 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4 oder aus §§ 19 Abs. 1. Nr. 1, 20 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GWB
herleiten. Diese Vorschriften sind zwar als Missbrauchstatbestände formuliert,
nach zutreffender Auffassung leitet sich aber in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Satz
1 GWB aus diesen auch der Anspruch auf den Abschluss eines konkreten Geschäfts als Ausfluss des Unterlassungsanspruchs ab.589
2. Der Anspruch aus § 20 Abs. 6 GWB
§ 20 Abs. 6 GWB richtet sich gegen Beeinträchtigungen der wettbewerblichen
Betätigungsfreiheit von Unternehmen durch diskriminierende Verweigerung der
Mitgliedschaft in Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften.590 Diese Norm ist nicht auf Bonusprogramme anwendbar. Offensichtlich ist zunächst, dass es sich bei Bonusprogrammen, auch wenn die Partnerunternehmen unter einer Kollektivmarke auftreten, um keine Gütezeichengemeinschaft handelt, denn es werden weder besondere Güteanforderungen an die
einzelnen Teilnehmer gestellt noch wird vom Verkehr eine besondere Güte mit
588 Dies wird auch bei Köhler BB 2001, 1157, 1162 angesprochen. Vgl. die Entscheidung des
LG Düsseldorf WuW DE-R 1135 – Bonusmeilen für Mobilfunkanbieter, mit Anmerkung
Neef WRP 2003, 844.
589 Für § 20 Abs. 6 Immenga/Mestmäcker/Markert § 20 Rn. 370, für § 19 Abs. 4 Nr. 4
Immenga/Mestmäcker/Möschel § 19 Rn. 211, für §§ 20 Abs. 1 und 2 Immenga/Mestmäcker/Markert § 20 Rn. 228; a.A jedoch BGH NJW-RR 1999, 189 – Depotkosmetik mit der
Begründung als Schadensersatz durch Naturalrestitution.
590 Immenga/Mestmäcker/Markert § 20 Rn. 328.
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der entsprechenden Kollektivmarke verbunden.591 Bonusprogramme lassen sich
aber auch nicht als Wirtschafts- und Berufsvereinigungen qualifizieren. Sie haben nicht die umfassende Förderung der gemeinsamen wirtschaftlichen, berufsständischen und sozialen Interessen ihrer Mitglieder und ihre Vertretung nach au-
ßen zur Aufgabe, sondern erbringen vielmehr selbst eine gewerbliche Leistung,
nämlich die Vermarktung des Bonusprogramms sowie dessen Abwicklung.592 Ihnen fehlt es somit an der nötigen verbandspolitischen Zielsetzung.
3. Der Anspruch aus §§ 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB
Nach §§ 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB kommt eine Pflicht zum Abschluss eines Vertrages dann in Betracht, wenn ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung inne hat und die Vertragsverweigerung eine Behinderung
bzw. Diskriminierung des betroffenen Unternehmens zur Folge hat. Es stellt sich
also erstens die Frage, ob die Betreibergesellschaft eines Bonusprogramms eine
Position erlangen kann, in der sie als marktbeherrschend zu bezeichnen ist bzw.,
ob die Teilnahme für das aufnahmewillige Unternehmen dringend erforderlich
ist, um wettbewerbsfähig zu bleiben.593 Der »Bonusmeilen für Mobilfunkanbieter«-Entscheidung des LG Düsseldorf594 lag eine solche Fragestellung zugrunde,
weshalb auf diese näher einzugehen ist.
a) Die Entscheidung des LG Düsseldorf
Im Jahre 2001 scheiterten Vertragsverhandlungen zwischen dem klagenden Mobilfunknetzbetreiber T-Mobile der Deutschen Telekom AG und den beklagten Betreibern des Miles & More-Programms über die Teilnahme am System. Im darauf
folgenden Jahr einigte sich dann der kleinere Konkurrent der Klägerin Vodafone
mit der Beklagten auf eine Teilnahme an Miles & More, wobei unter anderem vorgesehen war, dass außer ihr keine weiteren Telekommunikationsanbieter in das
System aufgenommen werden. In der Zwischenzeit hat der Mutterkonzern der
Klägerin unter der Marke HappyDigits ein eigenes Bonusprogramm aufgebaut,
an dem auch die Klägerin beteiligt ist und das es ermöglicht, in allen Sparten des
Konzerns und darüber hinaus auch in anderen Branchen Bonuspunkte zu sammeln. Für den Telekommunikationsbereich wurde dieses von der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation unter anderem deshalb für zulässig gehalten, weil Konkurrenzunternehmen ebenfalls derartige Programme aufbauen
591 Immenga/Mestmäcker/Markert § 20 Rn. 337.
592 Immenga/Mestmäcker/Markert § 20 Rn. 330 ff; vgl. Köhler BB 2001, 1157, 1162.
593 Köhler BB 2001, 1157, 1162.
594 LG Düsseldorf WuW DE-R 1135 – Bonusmeilen für Mobilfunkanbieter mit Anmerkung
Neef WRP 2003, 844. Mittlerweile bestätigt durch OLG Düsseldorf U(Kart)17/03 vom
23.12.2003 (so weit ersichtlich, nicht veröffentlicht).
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könnten. Mit der Klage versuchte T-Mobile nun zu unterbinden, dass Vodafone
an Miles & More teilnimmt, solange ihr nicht eine Teilnahme zu gleichartigen
Konditionen als Partnerin in diesem Programm, insbesondere der Erwerb von Bonusmeilen angeboten wird. Das Gericht kam dem Begehren mit folgender Begründung nicht nach:
Miles & More habe hinsichtlich der Vermittlung von Flugbonusmeilen nicht
die für §§ 19, 20 Abs. 1 GWB erforderliche marktbeherrschende Stellung inne.
Zutreffenderweise legte das Gericht für die notwendige Marktabgrenzung das so
genannte Bedarfsmarktkonzept zugrunde.595 Danach muss es aus Sicht der Marktgegenseite entschieden werden, ob das angebotene Produkt durch ein oder mehrere andere Produkte ausgetauscht werden kann. Ist dies der Fall, besteht für das
konkrete Produkt kein eigener Markt.596 Im konkreten Fall stellte sich zunächst
das Problem, welches die maßgebliche Marktgegenseite war, aus deren Sicht die
Austauschbarkeit der Güter zu beurteilen ist. Obwohl es grundsätzlich auf den
Bedarf des unmittelbaren Abnehmers, hier also des an einer Programmteilnahme
interessierten Unternehmens, ankommt, stellte das Gericht in vorliegenden Fall
zutreffend auf die Sicht der Endkunden, also der Handynutzer ab. Bei den angebotenen Leistungen handele es sich um solche, die unmittelbar durch die Nachfrage der Kunden der Marktgegenseite bestimmt werden und mit der primär angebotenen Leistung in keinem Zusammenhang stehen.597 Wenn diese sich von einem
bestimmten Katalog von Zusatzleistungen in besonderer Weise an ein Unternehmen binden ließen und hiervon die Entscheidung zu Gunsten des einen oder anderen Unternehmens zumindest auch abhängig machten, bestünden für das betroffene Unternehmen hinsichtlich des in Frage stehenden Produktes bzw. der Produktzusammenstellung keine Ausweichmöglichkeiten, weil dann das Ziel der
Kundenbindung mit anderen Mitteln nicht gleichermaßen erreicht werden könne.598 Da die Richter selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehörten,
könnten sie dies aus eigener Sachkunde ohne Sachverständigengutachten entscheiden.599 Sie stellten sich auf den Standpunkt, es mache aus Sicht eines durchschnittlichen Handynutzers keinen Unterschied, welche Bonusleistungen über
das primäre Leistungsangebot hinaus dargeboten werden. Entscheidend für die
Auswahlentscheidung seien vielmehr die ummittelbaren Leistungsparameter wie
Laufzeit, Höhe des Entgelts, Taktung etc; der Bereich der Nebenleistungen sei
hingegen austauschbar. Selbst wenn ein Tarif speziell auf Business-Kunden zugeschnitten sei, für die zusätzliche Bonusmeilen in der Tat von Interesse sein
könnten, so bestünden doch ausreichend Möglichkeiten, diese Kunden mit
andersartigen Sonderleistungen anzuziehen – sei es über Freiminuten, Geldgut-
595 LG Düsseldorf WuW DE-R 1135, 1136 – Bonusmeilen für Mobilfunkanbieter. Zum
Bedarfsmarktkonzept siehe Immenga/Mestmäcker/Möschel § 19 Rn. 23 ff.
596 Immenga/Mestmäcker/Möschel § 19 Rn. 24, vgl. auch Neef WRP 2003, 844.
597 LG Düsseldorf WuW DE-R 1135, 1136 – Bonusmeilen für Mobilfunkanbieter unter Berufung auf Langen/Bunte/Ruppelt § 19 Rn. 12.
598 Vgl. die Urteilsanmerkung von Neef WRP 2003, 844, 845.
599 LG Düsseldorf WuW DE-R 1135, 1136 – Bonusmeilen für Mobilfunkanbieter; zustimmend Neef WRP 2003, 844, 845.
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schriften, Tankgutscheine oder ähnliches, so dass auch hier von fehlender Austauschbarkeit keine Rede sein könne.600 Dieser Sichtweise ist das OLG Düsseldorf in der Berufungsinstanz beigetreten.601
Das LG führte aber weiter aus, selbst wenn man vorliegend eine Marktbeherrschung annehme, käme dem Ausschluss von T-Mobile in der streitgegenständlichen Konstellation keine ausreichende negative Marktwirkung zu. Es komme
nicht allein auf die Wettbewerbsposition des klagenden Unternehmens an, sondern auf die Wirkungen einer Maßnahme auf den in Frage stehenden Markt insgesamt. Im vorliegenden Fall sei angesichts der Überlegenheit der Klägerin aber
weder deren Wettbewerbsposition geschweige denn die Aufrechterhaltung wettbewerblicher Prozesse insgesamt in Gefahr.602
Im Übrigen stünde Miles & More auch ein sachlicher Rechtfertigungsgrund
zur Bevorzugung von Vodafone zu. Das Interesse von Miles & More an freier
wirtschaftlicher Betätigung aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG sowie das Interesse
von Vodafone an der Stärkung der eigenen Wettbewerbsposition überwiege das
Interesse von T-Mobile auf Teilhabe. Diese habe aufgrund der vormaligen Monopolsituation im Telekommunikationsmarkt einen strukturellen Vorsprung gegen-
über ihren Wettbewerbern, der sich auch in ihrem führenden Marktanteil widerspiegele. Das andere Unternehmen befinde sich demgegenüber in einem Aufholwettbewerb. Zudem mache sie sich ihren strukturellen Vorteil bereits durch ihr
eigenes Bonusprogramm zunutze, da hier Leistungen aus dem nach wie vor stark
vermachteten Festnetzbereich und darüber hinaus auch noch aus anderen Branchen einbezogen seien. Alles andere liefe letztlich auf einen allgemeinen Kontrahierungszwang der Beklagten mit allen Unternehmen in allen bereits integrierten
Branchen heraus, was vor dem Hintergrund der in Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG
normierten Freiheit der Berufsausübung und der allgemeinen Handlungsfreiheit
nur ganz ausnahmsweise zulässig wäre.603
b) Überlegungen zur Frage der Marktbeherrschung
Den Ausführungen des LG und OLG Düsseldorf in Bezug auf die Marktbedeutung von Miles & More ist nicht ohne weiteres zuzustimmen. Zwar ist es richtig,
dass es, wie auch Neef betont,604 in der streitgegenständlichen Konstellation (lediglich) um den Zugang zu Nebenleistungen ging, das Primärgeschäft durch die
Verweigerung einer Aufnahme also nicht betroffen war. Dementsprechend weist
der Fall auch nicht die Brisanz von herkömmlichen Ausschlusssachverhalten auf.
600 LG Düsseldorf WuW DE-R 1135, 1136 f – Bonusmeilen für Mobilfunkanbieter; zustimmend Neef WRP 2003, 844, 845.
601 OLG Düsseldorf U(Kart)17/03 vom 23.12.2003 (so weit ersichtlich nicht veröffentlicht).
602 LG Düsseldorf WuW DE-R 1135, 1137 – Bonusmeilen für Mobilfunkanbieter.
603 LG Düsseldorf WuW DE-R 1135, 1138 – Bonusmeilen für Mobilfunkanbieter; zustimmend Neef WRP 2003 844, 846.
604 Neef WRP 2003, 844, 845.
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Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Erhebungen aus den USA zu vergleichbaren Vielfliegerprogrammen zum Ergebnis hatten, dass dort mittlerweile
bis zu 50 % der erworbenen Meilen »auf dem Boden«, also bei Hotels, Kreditkarten- und Telekommunikationsunternehmen etc. erwirtschaftet werden.605 Diese erwirtschafteten Meilen werden aber zu 95 % gegen Flugdienstleistungen eingetauscht und nur 5 % fallen auf sonstige (Sach-)Prämien ab.606 Dies lässt, jedenfalls grundsätzlich, den Schluss zu, dass aus Sicht der Kunden eine wesentlich höhere Anziehungskraft von Flugdienstleistungen als Incentivierungsmittel ausgeht
als von sonstigen Nebenleistungen – wohl auch nicht zuletzt wegen des bereits
angesprochenen Netzwerkeffekts. Nun mag dies, wie aus dem Berufungsurteil
hervorgeht, im konkreten Fall von der Klägerin nicht ausreichend vorgetragen
worden sein.607 Es wäre jedoch wünschenswert gewesen, hätten sich die Gerichte
nicht auf die eigene Sachkunde oder – wie das OLG – auf die allgemeine Lebenserfahrung verlassen, sondern das Klagebegehren zum Anlass genommen, die
Frage nach der Austauschbarkeit der einzelnen Varianten von Bonusprogrammen
und damit die Frage nach der Marktbeherrschung gutachterlich klären zu lassen.
Man wird dieses Vorgehen wohl als ergebnisgeleitet bezeichnen müssen, denn es
ist nicht anzunehmen, dass das Gericht ebenso vorgegangen wäre, wenn nicht der
kleinere, sondern der größere Wettbewerber bereits in das System integriert gewesen wäre.
In Bezug auf andere Bonusprogramme wie Payback und HappyDigits wird
man die von dem Gericht getroffenen Wertungen jedoch übernehmen können.
Schon allein die Existenz zweier im Wesentlichen gleichförmiger Programme
spricht gegen eine Marktbeherrschung. Durchschlagend wird aber die Tatsache
sein, dass die dort angebotenen Prämien keine weitere Besonderheit aufweisen
und insofern aus Kundensicht durchaus austauschbar sind.
c) Überlegungen zur Interessenabwägung im Rahmen eines
Aufnahmebegehrens
Auch wenn man im hiesigen Sinne von einer Marktbeherrschung zumindest des
Miles & More-Programms ausgeht, ist der Entscheidung des LG Düsseldorf aber,
jedenfalls im Ergebnis, zuzustimmen. Nur im Zuge einer Abwägung der involvierten Interessen lässt sich entscheiden, ob ein Aufnahmebegehren mit Hilfe des
GWB durchgesetzt werden kann. Dabei ist der Zielsetzung der §§ 19, 20 GWB,
die Märkte möglichst offen zu halten, eine zentrale Bedeutung beizumessen. Insofern ist genau zu überprüfen, welche Wirkungen ein Beitritt in ein Bonusprogramm oder der Ausschluss eines Unternehmens auf den jeweiligen Markt hat.
605 Vgl. die Nachweise in The Economist vom 2. Mai 2002, S. 15
606 Vgl. Competitive Airlines S. 77, Fn. 99.
607 Vgl. OLG Düsseldorf U(Kart)17/03 vom 23.12.2003 (soweit ersichtlich, nicht veröffentlicht).
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Im Fall des LG Düsseldorf wurde dem Begehren des Marktführers, in das Programm aufgenommen zu werden, zu Recht deshalb nicht nachgegeben, weil zum
einen keine negativen Marktwirkungen nachgewiesen wurden. Zum anderen
befindet sich sein integrierter Konkurrent in einem Aufholwettbewerb. Dieser
angenommene strategische Vorteil würde ansonsten neutralisiert werden.
Zu überlegen wäre aber weiter, ob nicht jedenfalls im umgekehrten Fall der
kleinere Wettbewerber aufgrund der Teilnahme seines großen Konkurrenten
einen Anspruch auf Aufnahme in ein marktbeherrschendes Programm haben
kann. Dies ist aber weniger wegen der in Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG normierten
Freiheit der Berufsausübung und der allgemeinen Handlungs-freiheit, wie es in
der Entscheidung des LG anklingt, abzulehnen als bereits wegen eines Verstoßes
gegen den grundsätzlichen Zweck des kartellrechtlichen Kontrahierungszwangs.
Ein aus einem Unterlassungsanspruch abgeleiteter Aufnahmeanspruch setzt voraus, dass die Aufnahmeverweigerung sowohl eine Beeinträchtigung der Chancen
des Petenten nach sich zieht als auch die Verhältnisse auf dem Markt insgesamt
in Mitleidenschaft gezogen werden. In dieser Situation stünde es aber – ebenso
wie für den bereits angesprochenen Fall der Aufnahme von nicht angeschlossenen Fluglinien in ein Vielfliegerprogramm – der Zielsetzung des GWB, die
Märkte möglichst offen zu halten, diametral entgegen noch weitere Unternehmen
einer Branche zu integrieren. Genau wie dort hätte dies nämlich zur Folge, dass
sich die Wettbewerbsbedingungen für die übrigen noch nicht integrierten Unternehmen dieser Branche weiter verschlechtern.608 Ferner ist nicht auszuschließen,
dass von einer weitestgehend in Bonusprogramme integrierten Branche auch eine
Abschreckungswirkung für Markteintritte von Neueinsteigern ausgehen kann.
§§ 19, 20 Abs. 1 GWB stellen also kein Mittel dar, das einzelnen Bewerbern
ermöglicht, sich in ein Bonusprogramm einzuklagen. Ihr Ziel ist es vielmehr, die
Märkte offen zu halten. Deshalb käme im gedachten Beispielsfall lediglich eine
Untersagung der Teilnahme des großen Unternehmens in Betracht.
4. Der Anspruch aus § 20 Abs. 2 GWB
Nach § 20 Abs. 2 GWB kommt eine Pflicht zur Eingehung einer Geschäftsbeziehung auch dann in Betracht, wenn die Betreibergesellschaft zwar nicht marktbeherrschend ist, es sich bei dem aufnahmebegehrenden Petenten aber um ein
kleines oder mittleres Unternehmen handelt und eine Abhängigkeit von der Teilnahme in der Weise besteht, dass keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten vorhanden sind, auf andere Bonusprogramme auszuweichen. Abzustellen
ist also darauf, ob die Ausweichmöglichkeiten dem vermeintlich abhängigen Unternehmen einen hinreichenden wettbewerblichen Handlungsspielraum eröff-
608 Vgl. Köhler BB 2001, 1157, 1162: »Die Aufnahme darf nicht dazu führen, dass es zu einer
wesentlichen Wettbewerbsbeschränkung auf den betreffenden Märkten kommt.« Wobei
allerdings nicht deutlich wird, ob sich diese Äußerung nicht vornehmlich auf § 1 GWB –
Sachverhalte bezieht.
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nen.609 Diese Betrachtungsweise unterscheidet sich grundlegend von der Sichtweise des § 20 Abs. 1 GWB. Dort wird die Marktmacht im Verhältnis zu den Konkurrenten, also marktstufenzentriert, ermittelt. Bei § 20 Abs. 2 GWB hingegen
geht es ausschließlich um das marktstufenübergreifende Kräfteverhältnis im konkreten Einzelfall.610 Diese verschiedenen Anknüpfungspunkte schlagen sich auch
in der unterschiedlichen Reichweite der daraus abzuleitenen Verhaltenspflichten
nieder. Während marktbeherrschende Unternehmen wettbewerbliche Verhaltenspflichten gegenüber jedermann treffen, bestehen diese bei Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses nur gegenüber dem abhängigen Unternehmen.611 Eine
solche Abhängigkeitssituation ist in gewissen regionalen Sachverhalten zumindest vordergründig nicht nur im Falle von Miles & More, sondern auch bei Payback und bei HappyDigits denkbar. So ist namentlich Fritzsche der Ansicht, dass
unter Umständen Autovermietungen oder Hotels auf eine Teilnahme an Miles &
More angewiesen sein können.612
Aber auch wenn § 20 Abs. 2 GWB an eine konkret-individuelle Abhängigkeit
anknüpft, kann dies nicht so verstanden werden, dass sich diese Norm auf einen
reinen Individualschutz beschränkt. Die Individualinteressen sind im GWB vielmehr immer nur soweit zu schützen, wie sie mit der übergeordneten Institution
des Wettbewerbs vereinbar sind.613 Deshalb kann eine möglicherweise individuell
gegebene Abhängigkeit nur vor dem Hintergrund der Marktverhältnisse gewürdigt werden, in die sie eingebettet ist.614 Richtschnur für die Abwägung muss
letztlich immer das konstituierende Prinzip der Offenhaltung der Märkte sein.
Folglich wird dem Aufnahmebegehren eines kleinen oder mittleren Unternehmens in ein Bonusprogramm entsprechend der Ausführungen zu §§ 19 Abs. 1,
Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB auch nach § 20 Abs. 2 GWB nicht nachzukommen
sein. Denn auch hier bewirkt die Aufnahme zwar eine individuelle Besserstellung
des Antragenden. Mit Blick auf die übrigen noch nicht angeschlossenen Unternehmen ginge damit aber eine weitere Verschlechterung der Marktbedingungen
einher. In Betracht zu ziehen wäre vielmehr auch hier eine Untersagung der Teilnahme des integrierten Konkurrenten.
5. Bonusprogramme als essential facility iSd § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB
Einen Spezialfall des kartellrechtlichen Kontrahierungszwangs stellt § 19 Abs. 4
Nr. 4 GWB dar. Danach kann ein Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu eigenen Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen eines anderen
609 Busche Privatautonomie, S. 341; BGH WuW/E BGH 1620, 1623 – Revell Plastics.
610 Busche Privatautonomie, S. 333; vgl. Immenga/Mestmäcker/Markert § 20 Rn. 38 ff.
611 Busche Privatautonomie, S. 333; vgl. Immenga/Mestmäcker/Markert § 20 Rn. 38 ff.
612 Fritzsche BB 1999, 273, 279; vgl. auch Köhler BB 2001, 1157, 1162.
613 Busche Privatautonomie, S. 322.
614 Busche Privatautonomie, S. 338; im Ergebnis wohl ebenso Immenga/Mestmäcker/Markert
§ 20 Rn. 55.
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Unternehmens verlangen, wenn es aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen
ohne die Mitbenutzung nicht möglich ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt
als Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens tätig zu werden, außer
dies ist aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht
zumutbar. Man spricht in Anlehnung an das Vorbild aus dem US-amerikanischen
Recht bei solchen Einrichtungen auch von einer essential facility.
Im Vordergrund der Überlegungen des Normgebers standen zwar primär physische Einrichtungen wie Strom-, Gas-, Telefon- und Schienennetze oder (Flug-)
Häfen.615 Nach allgemeiner Ansicht stellen aber auch virtuelle Netze bzw. Infrastruktureinrichtungen wie Buchungs- und Reservierungssysteme für Bahn-,
Flug-, und Hotelreisen sowie Überweisungssysteme ein taugliches Zugangsobjekt iSd § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB dar.616 Diese Ausweitung ist wegen der vergleichbaren ökonomischen Interessenlage wettbewerbspolitisch geboten617 und
entspricht dem Willen des Gesetzgebers.618 Insofern lassen sich auch Bonusprogramme zunächst ohne weiteres als virtuelle Netze einstufen, denn sie vernetzen
Unternehmen und Kunden und dienen dem Absatz von Waren und Dienstleistungen.619
Problematisch ist aber schon, dass der Norm die Vorstellung zugrunde liegt,
dass zwischen dem Inhaber der Einrichtung und dem zugangsbegehrenden Unternehmen ein (zumindest potenzielles) Wettbewerbsverhältnis auf dem nachgelagerten Markt besteht.620 Ein Multi-Partner-Programm wird aber in der Regel von
einem ausgegliederten eigenständigen Unternehmen abgewickelt, welches selbst
auf keinem nachgelagerten Markt tätig ist, sondern lediglich seine die Abwicklung des Programms betreffenden Dienste vielen verschiedenen Unternehmen
aus verschiedenen Märkten anbietet. Nun ist aber anerkannt, dass das Tatbestandsmerkmal der »eigenen« Netze funktional unter einer wirtschaftlichen
Betrachtungsweise auszulegen ist. Damit wird dem Bedürfnis Rechnung getragen, Umgehungsmöglichkeiten durch eine Ausgliederung des die Einrichtung
verwaltenden Unternehmens vorzubeugen, obwohl dieses durch den Marktbeherrscher des nachgelagerten Marktes maßgeblich beeinflusst wird.621 Eine
Anwendung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB kommt also nur dann in Betracht, wenn
ein Bonusprogramm von einem der bereits integrierten Unternehmen gesellschaftsrechtlich maßgeblich beeinflusst wird und es sich bei dem Petenten um
einen solchen aus dessen Markt handelt. Diese Situation wäre beispielsweise bei
Miles & More gegeben, deren Hauptanteilseigner die Lufthansa AG ist. Dementsprechend käme § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB hier also, wenn überhaupt, nur für aufnahmebegehrende Unternehmen aus dem Flugdienstleistungsbereich in Betracht.
615 Immenga/Mestmäcker/Möschel § 19 Rn. 196 f.
616 Vgl. Schwarz van Berk, S. 159; Immenga/Mestmäcker/Möschel § 19 Rn. 197 mwN.
617 Immenga/Mestmäcker/Möschel § 19 Rn. 197.
618 Stellungnahme des Bundesrates zur 6. GWB-Novelle BT-Drucks. 13/9720, S. 73.
619 Schwarz van Berk S. 164 f; Dreher DB 1999, 833, 834.
620 Immenga/Mestmäcker/Möschel § 19 Rn. 199 ff; Schwarz van Berk S. 140 f und S. 186 f.
621 Langen/Bunte/Schultz § 19 Rn. 155; Bechthold § 19 Rn. 82.
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Steht der Antragsteller aber in keiner wettbewerblichen Beziehung zu den Initiatoren des Programms, greift § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB nicht. Das schlichte Begehren auf Zugang zu Bonuspunkten stellt keine andere Situation dar als die Frage
des Zugangs zu sonstigen Waren oder Rohstoffen. Letzteres fällt aber unstreitig
nicht unter die essential facility doctrine, sondern kann nur ein Anwendungsfall
des herkömmlichen kartellrechtlichen Kontrahierungszwangs sein.622
Bleibt man bei Miles & More, wäre aber weiter zu fragen, ob es sich hierbei
auch um eine wesentliche Einrichtung handelt. Dies ist gemeinhin dann der Fall,
wenn es dem Wettbewerber bei objektiver Betrachtung nicht möglich ist, eine
vergleichbare Einrichtung selbst zu errichten (sog. mangelnde Duplizierbarkeit)
und die Gewährung des Zugangs zu der Einrichtung objektiv notwendig ist, um
Wettbewerb auf den vor- oder nachgelagerten Märkten sicherzustellen.623 Geht
man mit den obigen Ausführungen davon aus, dass es für die Einschätzung der
Attraktivität eines Vielfliegerprogramms maßgeblich auf die Größe des zugrunde
liegenden Netzwerkes ankommt, so liegt der Schluss nahe, dass der nicht angeschlossene kleinere Wettbewerber nicht auf die Etablierung eines eigenen Vielfliegerprogramms verwiesen werden kann, denn ein solches stellte gerade keine
vergleichbare Einrichtung dar. Weiter wurde aufgezeigt, dass von Vielfliegerprogrammen eine erhebliche Minderung der Marktchancen der nicht angeschlossenen Anbieter ausgehen kann. Der Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt
ist bei Nichtaufnahme also zumindest beeinträchtigt.
Letztlich kann es aber auch im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB nicht allein
auf das Individualinteresse eines einzelnen, die Aufnahme begehrenden Wettbewerbers ankommen. Übergeordneter Bezugspunkt für die Beurteilung muss vielmehr auch hier die Institution des Wettbewerbs sein.624 Richtschnur für die Beurteilung kann also nur das den §§ 19, 20 GWB zugrunde liegende Ziel der Offenhaltung der Märkte sein. Schließlich ist diese Vorschrift lediglich ein spezialgesetzlich geregelter Sonderfall des herkömmlichen kartellrechtlichen Kontrahierungszwangs, dessen Wertungsrahmen hierdurch konkretisiert, aber nicht abge-
ändert werden sollte. Da aber die weitere Aufnahme von Luftfahrtunternehmen
in ein Vielfliegerprogramm, wie gezeigt, nur die individuelle Wettbewerbssituation des jeweiligen Petenten verbessern, die Marktgegebenheit an sich aber verschlechtern würde, kann einem Aufnahmebegehren auch mit Hilfe des § 19 Abs.
4 Nr. 4 GWB nicht nachgekommen werden.
622 Immenga/Mestmäcker/Möschel § 19 Rn. 196; Schwarz van Berk S. 165 ff und 186 ff; vgl.
auch EuGH EuZW 2004, 345 – IMS Health sowie Lober GRUR Int. 2002, 7, 11 mwN;
zum herkömmlichen kartellrechtlichen Kontrahierungszwang oben Kap. 4 C. V. 3.; zu der
unterschiedlichen Handhabe im europäischen Recht siehe unten Kap. 4 D. IV.
623 BT-Drucks. 13/9720, S. 36 f; 51 f; 73 ff (6. GWB); vgl. auch Emmerich Kartellrecht § 27
6 b; Immenga/Mestmäcker/Möschel § 19 Rn. 199. Hinter dem Erfordernis der mangelnden
Duplizierbarkeit steht die Erwägung, dass es aus volkswirtschaftlicher Sicht unvernünftig
und deshalb zu vermeiden ist, dass erst unnötige Paralleleinrichtungen geschaffen werden
müssen, um Wettbewerb überhaupt zu ermöglichen (sog. sunk costs).
624 Busche Privatautonomie, S. 322.
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6. Ergebnis
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich aus den zur Verfügung stehenden
kartellrechtlichen Tatbeständen kein Anspruch auf Aufnahme in ein Multi-Partner-Programm ableiten lässt. Die Überlegungen müssen jeweils daran scheitern,
dass mit einer Aufnahme von weiteren Unternehmen zwangsläufig eine weitere
Verschlechterung der Marktstrukturen einhergeht und die Handlungsspielräume
von Außenseitern oder Newcomern zusätzlich eingeschränkt werden. Aufgabe
der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle ist aber die Offenhaltung der Märkte.
Deshalb sollte nach dem Vorbild der skandinavischen Kartellbehörden das Augenmerk eher auf die Untersagung von Bonusprogrammen gelegt werden. Jedenfalls für den Bereich der Vielfliegerprogramme sind hier tragfeste Begründungsansätze aufgezeigt worden.
D. Bonusprogramme nach europäischem Kartellrecht (Art. 82 EG)
Nach der Untersuchung der Rechtslage aus dem Blickwinkel des deutschen Kartellrechts, soll nun der Schutz der nichtangeschlossenen Konkurrenten von in Bonusprogrammen integrierten Unternehmen nach europäischem Kartellrecht ins
Visier genommen werden.
Eine Spürbarkeit für den zwischenstaatlichen Handel625 und die Normadressatenschaft626 des in Rede stehenden Unternehmens vorausgesetzt, können
Bonusprogramme auch in den Anwendungsbereich des Art. 82 EG fallen. Zu denken ist zum einen an international ausgerichtete Multi-Partner-Programme wie
Miles & More, aber auch an grenzüberschreitende Stand-Alone-Programme von
Kreditkarten-unternehmen oder Mobilfunkanbietern.
Die Regelbeispiele des Art. 82 Abs. 2 EG beziehen sich vorrangig auf das Vertikalverhältnis zwischen Händlern, Lieferanten, Abnehmern und Verbrauchern.
Dies hält sich in der Nachbarschaft des so genannten Ausbeutungsmissbrauchs.627
Anerkanntermaßen umfasst die Generalklausel des Art. 82 Abs. 1 EG aber auch
625 Nach EuGH Slg. 1980, 3775, 3791 – L’Oréal ist die Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels bereits gegeben, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver,
rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass die Vereinbarung unmittelbar und mittelbar, tatsächlich oder der Möglichkeit nach den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten beeinflussen kann.
626 Vgl. hierzu Immenga/Mestmäcker/Möschel EG-WettbR Art. 86 Rn. 38 ff; 63 ff.
627 Vgl. Immenga/Mestmäcker/Möschel EG-WettbR Art. 86 Rn. 129.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit untersucht Bonusprogramme wie Miles & More oder Payback aus lauterkeits- und kartellrechtlicher Sicht. Sie präzisiert den gängigen Terminus Kundenbindungssystem vor dem Hintergrund wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse.
Einen Schwerpunkt stellen die lauterkeitsrechtlichen Anforderungen an die Transparenz solcher Programme dar. Dabei wird zwischen der Transparenz der Inanspruchnahmebedingungen und der Werttransparenz unterschieden. Die Frage, inwiefern Bonusprogramme mit den Missbrauchstatbeständen des deutschen und europäischen Kartellrechts konfligieren können, bildet einen weiteren Schwerpunkt. Neben den Grenzen der Angebots- und Preisgestaltungsfreiheit wird hier der Aspekt der Sogwirkung diskutiert.