213
Wesentliche Ergebnisse der Arbeit
Um Bonusprogramme in lauterkeits- und kartellrechtlicher Sicht angemessen beurteilen zu können, muss man sich zunächst die genaue Funktionsweise von Bonusprogrammen vergegenwärtigen. Die wesentlichen Kategorien stellen Bonusprogramme mit Auszahlungsfunktion und solche ohne Auszahlungsfunktion
dar. Bei Bonusprogrammen ohne Auszahlungsfunktion muss unterschieden werden, ob ein strenger Umsatzbezug vorliegt oder nicht. Vor diesem Hintergrund
können die wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit wie folgt zusammengefasst
werden:
1. Auch der mündige Verbraucher bedarf bei komplexen Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Bonusprogrammen einiger Basisinformationen, die die Programmausrichter für ihn bereithalten müssen. Rechtlicher Anknüpfungspunkt
hierfür ist § 4 Nr. 4 UWG. Im Hinblick auf Art und Zeitpunkt der Informationsbereitstellung muss § 4 Nr. 4 UWG allerdings situationsadäquat im Sinne des Modells der abgestuften Information ausgelegt werden.
2. In Fragen der Preistransparanz ist § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG der richtige dogmatische Anknüpfungspunkt. Preisverschleiernd und damit irreführend durch
Unterlassen können vor allem Bonusprogramme ohne Auszahlungsfunktion und
ohne strengen Umsatzbezug sein, weil hier nach einer Reihe von Geschäften das
erwirtschaftete Guthaben nicht mehr ins Verhältnis zu den getätigten Umsätzen
gestellt werden kann. Abhilfe kann hier aber die parallele Dokumentation der getätigten Umsätze schaffen.
3. Ein übertriebenes Anlocken im Rahmen von Bonusprogrammen ist vor dem
Hintergrund des europäischen Verbraucherleitbilds nur dann denkbar, wenn dem
Verbraucher nicht ausreichend Zeit gegeben wird die Angebote zu reflektieren.
Ganz kurzfristige Aktionen können also unlauter sein. Der werbliche Vorlauf solcher Aktionen muss dabei aber berücksichtigt werden. Extrem attraktive Angebote wie zum Beispiel besonders hohe Gutschriften oder sehr günstige Prämien
sind demgegebüber zumindest aus Verbrauchersicht lauterkeitsrechtlich unbedenklich.
3. Auch das so genannte principal-agent-Problem ist lauterkeitsrechtlich unbeachtlich. Die Möglichkeit, dass ein Käufer das finanzielle Risiko eines Kaufs
nicht selbst trägt, besteht grundsätzlich bei allen entgeltlichen Geschäften. Nur
demjenigen, der die Kosten für die im Rahmen eines Bonusprogramms in An-
214
spruch genommenen Leistungen trägt, obliegt es zu kontrollieren, ob seine Interessen gewahrt werden.
4. Aus Sicht der Wettbewerber ist zum ersten der Einsatz von Verlustpreisen
im Rahmen von Bonusprogrammen bedenklich. Verlustpreisstrategien können
auch im Rahmen von Bonusprogrammen ohne Auszahlungsfunktion identifiziert
und mit dem Intrumentarium der §§ 19, 20 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 GWB abgebildet werden. Es kann einerseits an den internen Kostenfaktor eines Punktes
oder einer Meile angeknüpft werden. Andererseits kann gefordert werden, dass
alle denkbaren Kombinationen innerhalb des Systems bei der Identifizierung von
Verlustpreisen berücksichtigt werden müssen. Letzteres erscheint vor allem für
den Bereich der Handelswaren im Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4 Satz 2
GWB notwendig, weil es sich hiernach verbietet, eine Mischkalkulation als
Rechtfertigungsgrund anzuführen. Nichts anderes stellt aber die Zugrundelegung
des internen Kostenfaktors eines Punktes oder einer Meile dar. Wird die vom Gesetzgeber ins Auge gefasste weitere Verschärfung des § 20 Abs. 4 GWB im Hinblick auf die Preisgestaltung von Lebensmitteln Realität, wird dies auch für Bonusprogramme eine erhebliche Bedeutung erlangen.
5. Ein weiterer kritischer Punkt aus Konkurrentensicht ist der Einsatz von stark
ansteigenden Bonusstaffeln und kurzen Geltungszeiträumen für das erwirtschaftete Guthaben, weil hiermit die gleiche Wirkung wie von unzulässigen Treuerabatten ausgehen kann. Dies gilt besonders, wenn dies durch Unternehmen mit
sehr hoher Marktmacht geschieht.
6. Kartellrechtlich unbedenklich ist jedoch der mit Bonusprogrammen einhergehende Kopplungsaspekt, weil es einerseits keine strenge Kopplung vorliegt
und es sich andererseits um eine verkaufsfördende und nicht um eine machtbedingte Kopplung handelt.
7. Problematisch kann jedoch wiederum der Einsatz von Bonusprogrammen
durch zumindest marktstarke Unternehmen in netzwerkbezogenen Märkten, wie
beispielsweise durch Vielfliegerprogramme sein. Hierdurch können bereits bestehende Netzwerkasymmetrien verstärkt werden und negative Auswirkungen auf
das Preisniveau folgen. Newcomern wird der Marktzutritt erschwert. Die freiwillige oder verordnete Aufnahme der Außenseiter in das jeweilige Programm
schafft keine Abhilfe, sondern verschäft die Situation eher noch. Es sollte verstärkt eine Untersagung solcher Programme – wenn auch nur auf einzelnen Strecken – in Betracht gezogen werden.
8. Auch Bonusprogramme in regulären Märkten, in denen zumindest ein
marktstarkes Unternehmen integriert ist, können eine rein systembedingte Sogwirkung aufweisen, die auf ein grundsätzlich kritisch zu betrachtendes kooperatives Element zwischen den Ausrichtern zurückgeht. Hier wird eine Untersagung
215
in der Praxis aber wohl an der mangelnden Nachweisbarkeit der negativen Marktfolgen scheitern.
9. Ein Stand-Alone-Programm eines Marktbeherrschers kann nicht allein wegen des tatsächlichen Anreizes, seine Einkäufe bei ihm zu konzentrieren, als
missbräuchlich eingestuft werden. Hinzukommen müssen kritische Parameter
wie etwa gestaffelte Incentivierungen oder eine mangelnde Kostendeckung.
10. Die Wertungen des europäischen Kartellrechts sind in den genannten Punkten fast identisch. Allerdings kennt das europäische Recht das Konzept der relativen Marktmacht nicht und beurteilt auch sonst Untereinstandpreisverkäufe etwas anders. Unter Umständen kann hier sogar eine Preisgestaltung, die noch marginale Gewinne zulässt, missbräuchlich sein.
11. Ein kartellrechtlich begründeter Aufnahmeanspruch in ein Multi-Partner-
Programm besteht weder nach deutschem noch nach europäischem Kartellrecht.
12. Der Einsatz besonders kritischer Aktionsparameter, wie etwa von Verlustpreisen oder Bonusstaffeln, kann auch über § 4 Nr. 10 UWG untersagt werden.
Allerdings muss jedenfalls dann, wenn die Aufgreifschwellen des GWB nicht erfüllt sind, das Vorliegen einer gezielten Vernichtungsabsicht nachweislich sein,
da sonst die Wertungsprärogative des Kartellrechts unterlaufen werden würde.
13. Für die Frage welche Allgemeininteressen bei der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung der Auswirkungen von Bonusprogrammen berücksichtigt werden können, muss zunächst festgestellt werden, dass sich das UWG einer ausschließlich
kompetitiven Ausrichtung verschrieben hat.
14. Verstöße gegen das Datenschutzgesetz im Rahmen von Bonusprogrammen
sowie diskriminierende Auswahlkriterien für den Zugang zu solchen Programmen können deshalb nicht über das Lauterkeitsrecht geahndet werden.
15. Auch soweit die Beeinträchtigung des Allgemeininteresses an der Institution Wettbewerb durch Bonusprogramme in Rede steht ist Zurückhaltung geboten. Das Argument des Brancheneinbruchs ist in keinem Fall tragfähig, um eine
Untersagung zu rechtfertigen. Einen Anknüpfungspunkt kann aber eine mögliche
Nachahmungsgefahr darstellen. Dies gilt jedoch nur, wenn tatsächlich ein lauterkeitsrechtlich bedenkliches Verhalten, wie beispielsweise der Einsatz von Bonusstaffeln vorliegt, dessen Tragweite im Einzelfall aber unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des § 3 UWG liegt und insgesamt dennoch die Gefahr einer dauerhaften Verschlechterung der wettbewerblichen Strukturen besteht. Das erhebliche
Prognoserisiko muss hierbei jedoch angemessen gewürdigt werden.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit untersucht Bonusprogramme wie Miles & More oder Payback aus lauterkeits- und kartellrechtlicher Sicht. Sie präzisiert den gängigen Terminus Kundenbindungssystem vor dem Hintergrund wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse.
Einen Schwerpunkt stellen die lauterkeitsrechtlichen Anforderungen an die Transparenz solcher Programme dar. Dabei wird zwischen der Transparenz der Inanspruchnahmebedingungen und der Werttransparenz unterschieden. Die Frage, inwiefern Bonusprogramme mit den Missbrauchstatbeständen des deutschen und europäischen Kartellrechts konfligieren können, bildet einen weiteren Schwerpunkt. Neben den Grenzen der Angebots- und Preisgestaltungsfreiheit wird hier der Aspekt der Sogwirkung diskutiert.