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Kapitel 2
Funktionsweise von Bonusprogrammen
Den geäußerten Bedenken gegenüber Bonusprogrammen kann nur hinreichend
Rechnung getragen werden, wenn zuvor ein Blick auf die genaue Funktionsweise
und die verschiedenen Arten solcher Programme geworfen worden ist. So kommt
es zum Beispiel für das Problem der Preistransparenz von Bonusprogrammen
maßgeblich darauf an, ob das erwirtschaftete Guthaben ausgezahlt werden kann.
Ist dies nicht der Fall, ist es weiter von Bedeutung, ob die Incentivierung umsatzabhängig erfolgt oder nicht. Auch die Frage, wie unzulässige Strategien der Verdrängung von Konkurrenten im Rahmen von Bonusprogrammen identifiziert
werden können, kann nur beantwortet werden, wenn zuvor die Funktionsparameter von Bonusprogrammen dargestellt worden sind. Werden Bonusstaffeln eingesetzt, ist dies sicher anders zu beurteilen, als wenn einzelne Produkte mittels gezielter Incentivierung möglicherweise unter den Einstandspreis fallen. Deshalb
sollen in diesem Kapitel einige charakteristische Bonusprogramme vorgestellt
werden. Bei dieser Gelegenheit soll angesichts der bislang uneinheitlichen Terminologie ferner ein Versuch der Bestimmung des Begriffs Bonusprogramms unternommen werden. Abschließend wird vor dem Hintergrund des Begriffes der
Verkaufsförderungsnahme eine Kategorisierung von Bonusprogrammen vorgenommen, die dann der weiteren rechtlichen Analyse zugrunde liegen soll.
A. Die Bestimmung des Begriffs Bonusprogramm
In der juristischen Literatur werden kartengestützte Programme wie Miles &
More oder HappyDigits häufig lapidar als »Kundenbindungssysteme« bezeichnet.70 Dies ist jedoch zu unpräzise und entspricht auch nicht dem Stand der Marketingwissenschaften. Dort hat sich für Programme, wie sie dieser Untersuchung
zugrunde liegen, mittlerweile weitestgehend die Bezeichnung Bonusprogramm
durchgesetzt.71 Dies ist zutreffend und soll zu Zwecken dieser Arbeit übernommen werden.
Richtig ist zwar, dass Bonusprogramme eine Strategie zur Erreichung von
Kundenbindung darstellen. Kundenbindung kann aber auf sehr unterschiedliche
Art und Weise entstehen, weshalb der Begriff Kundenbindungssystem für den
70 Vgl. z.B. Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 1.102 ff; Fezer/Steinbeck § 4-4 Rn. 14 ff;
Harte/Henning/Bruhn § 4 Nr. 4 Rn. 36 ff; MünchKommUWG/Heermann § 4 Nr. 4 Rn. 69
ff; Schricker/Henning-Bodewig WRP 2001, 1367, 1401; Fezer WRP 2001, 989, 1012 ff.
71 Künzel S. 25 ff, mwN unter dem Hinweis auf branchenspezifische Spezialtermini wie Frequent-Shopper-Programm für den Einzelhandel, Frequent-Flyer-Programm für den Flugverkehr und Frequent-Guest-Programm für das Hotel- und Gaststättengewerbe.
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hiesigen Untersuchungsgegenstand nicht mehr als ein vager Oberbegriff sein
kann.
I. Der Begriff Kundenbindung
Nach wohl herrschender Ansicht72 kann Kundenbindung aufgrund vier verschiedener Situationen begründet werden. Man unterscheidet zwischen vertraglichrechtlicher, technisch-funktionaler, emotional-sozialer und ökonomischer Kundenbindung.
Bei der vertraglich-rechtlichen Kundenbindung wird der Kunde entweder mittels Individualvereinbarung (z.B. durch Laufzeitverträge der Mobilfunk-anbieter) oder kraft Gesetz langfristig an ein Unternehmen gebunden (bis vor kurzem
z.B. durch das Monopol für Ortsgespräche im Festnetz).
Bestehen zwingende Abhängigkeiten in technischer Hinsicht oder wäre ein
Wechsel der Geschäftsbeziehung mit Beschaffungsschwierigkeiten oder Kompatibilitätsproblemen verbunden, so spricht man von einer technisch-funktionalen
Kundenbindung. Diese Strategie wird bekanntlich häufig in der Elektronik- bzw.
Computerbranche verfolgt.
Von einer emotional-sozialen Kundenbindung wird immer dann gesprochen,
wenn sich ein Kunde, grundsätzlich aus einer freiwilligen Entscheidung heraus,
aus emotional- oder sozial-psychologischen Gründen an ein Unternehmen oder
dessen Leistung bindet. Emotional-soziale Kundenbindung entsteht, wenn Unternehmen – wie zum Beispiel einige Vertreter der Automobilbranche oder der Zigarettenindustrie – es verstehen, durch gezielte Imagekampagnen ein hohes Maß an
Markentreue zu erreichen. Emotional-soziale Kundenbindung kann aber auch
durch den Aufbau einer möglichst persönlichen Beziehung zum Kunden und ein
hohes Maß an Kundenzufriedenheit generiert werden. Hier kann beispielhaft die
Einräumung von Spezialkundschaftsidentitäten und die damit einhergehende
Vorzugsbehandlung bei Serviceleistungen genannt werden. Hierauf stützen sich
vornehmlich so genannte Kundenklubs. Diese ermöglichen den Teilnehmern eine
bevorzugte Stellung im Bereich des vor- und nachkauforientierten Services (vgl.
die Ikea-Family-Card), den Zugang zu besonderen Informationen (Newsletter,
Kundenzeitschriften o.ä.) oder Beratungsveranstaltungen (vgl. die Aktionen bei
Galeries Lafayette). Häufig sind diese Klubs nicht jedem Kunden zugänglich,
sondern nur für besonders treue oder attraktive, häufig zahlungskräftige Kunden
reserviert. Auch von einer verstärkten Individualisierung der Werbeansprache im
Wege des so genannten one-to-one oder Direktmarketing verspricht man sich eine
erhöhte emotionale Verbundenheit der anvisierten Kunden.
Bei der ökonomischen Kundenbindung bindet sich der Kunde, weil ihm ein
Wechsel der Geschäftsbeziehung aufgrund tatsächlicher oder subjektiv wahrge-
72 Bruhn/Homburg/Meffert S. 115, 127 f; Bruhn/Homburg/Homburg/Bruhn S. 3, 10; siehe
auch die Übersicht bei Henning Branchenübergreifende Rabattsysteme, S. 23 f.
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nommener Wechselkosten als wirtschaftlich unvorteilhaft erscheint. Auf diesen
Mechanismus setzt zum Beispiel die Deutsche Bahn, indem sie den mit der Bahn-
Card verbundenen Vergünstigungen eine Beitrittsgebühr vorschaltet. Aber auch
herkömmlichen Rabattsparkarten liegt dieser Ansatz zugrunde. Sie zeichnen sich
dadurch aus, dass dem Inhaber der Karte die Ware entweder direkt zu einem günstigeren Preis angeboten wird oder er zwar zunächst den vollen Preis zahlen muss,
aber den Rabatt als auszahlbares Guthaben auf einem Konto gutgeschrieben
bekommt. Sachprämien oder sonstige Privilegierungen sind hier nicht vorgesehen. Als Beispiele können die Volkskarte der Bildzeitung oder die CashDay-
Aktion von Pro 7 genannt werden. Aber auch die meisten in Kooperation mit den
Sparkassen initiierten so genannten CityCards funktionieren nach diesem Prinzip. Eine besondere Ausprägung erfährt die ökonomische Kundenbindung gegenwärtig auch durch das so genannte Couponing, bei dem entweder dem jeweiligen
Produkt selbst oder aber auch in Zeitschriften oder ähnlichem anteilige Gutscheine zum Bezug einer bestimmten Ware beigelegt werden.
II. Bonusprogramme als ein Spezialfall von Kundenbindungssystemen
Bonusprogramme verbinden die ökonomische und die emotional-soziale Komponente der nachfragerseitigen Kundenbindung. Sie sind deshalb wesentlich komplexer als rein auf emotional-sozialer Ebene ansetzende Kundenklubs und auf
rein ökonomischer Ebene ansetzende Rabattkarten, die aufgrund ihrer Langfristigkeit sicher auch als Kundenbindungssystem bezeichnet werden können. Um
dies zu verdeutlichen sollen einige Beispiele bekannter Bonusprogramme mit ihren typischen Funktionen vorgestellt werden. Im Rahmen der rechtlichen Untersuchung wird auf diese Programme immer wieder Bezug genommen werden. Ferner soll ein Versuch der Definition des Begriffs Bonusprogramm vorgenommen
werden.
1. Beispiele für Bonusprogramme
Naturgemäß können im Rahmen dieser Untersuchung nicht alle praktizierten oder
denkbaren Möglichkeiten von Bonusprogrammen dargestellt werden. Die Darstellung erfolgt deshalb anhand einer Auswahl von Programmen, die es ermöglicht, einerseits einen Einblick in die grundsätzliche Struktur, Funk-tionsweise und
Bedeutung solcher Programme zu geben und andererseits für die aus rechtlicher
Sicht relevanten Unterschiede zu sensibilisieren.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit untersucht Bonusprogramme wie Miles & More oder Payback aus lauterkeits- und kartellrechtlicher Sicht. Sie präzisiert den gängigen Terminus Kundenbindungssystem vor dem Hintergrund wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse.
Einen Schwerpunkt stellen die lauterkeitsrechtlichen Anforderungen an die Transparenz solcher Programme dar. Dabei wird zwischen der Transparenz der Inanspruchnahmebedingungen und der Werttransparenz unterschieden. Die Frage, inwiefern Bonusprogramme mit den Missbrauchstatbeständen des deutschen und europäischen Kartellrechts konfligieren können, bildet einen weiteren Schwerpunkt. Neben den Grenzen der Angebots- und Preisgestaltungsfreiheit wird hier der Aspekt der Sogwirkung diskutiert.