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II. Die Unlauterkeit nach Interessenabwägung
In Fällen, in denen eine unlautere Zweckrichtung des Handelns nicht festgestellt
bzw. nachgewiesen688 werden kann, ist entsprechend der herrschenden Meinung
eine Abwägung der Interessen der Beteiligten bzw. auch der betroffenen Marktpartner vorzunehmen.689 Im Grundsatz gilt, eine Maßnahme ist dann unlauter,
wenn sie sich zwar als Entfaltung eigenen Wettbewerbs darstellt, das Eigeninteresse des Handelnden aber weniger schutzwürdig ist als die Interessen der übrigen
Beteiligten.690 Hierbei ist Folgendes zu beachten:
1. Allgemeiner Maßstab (Stichwort Vorfeldthese)
Referenzsysteme bei der Interessenabwägung sind in erster Linie die gesetzlichen
Wertungen, insbesondere der Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit. Denn nicht nur
das GWB, sondern auch das UWG schützt die Freiheit des Wettbewerbs.691 Anders als nach der nunmehr als endgültig überholt zu geltenden so genannten Trennungsthese stehen UWG und GWB nämlich nicht in einem »antinomischen Spannungsverhältnis«.692 Lauterkeit und Abwesenheit von Wettbewerbsbeschränkungen sind keine Gegensätze, sondern korrelative Postulate, denn sie beziehen
sich beide auf das Phänomen Wettbewerb.693 UWG und GWB sind lediglich verschiedene Erscheinungsformen des selben Schutzobjekts.694 Also auch das UWG
hat die Wettbewerbsordnung selbst zum Gegenstand.695 Diese wettbewerbsfunktionale Betrachtungsweise kommt nunmehr in §§ 1 S. 2 und 3 UWG deutlich zum
Ausdruck.
Angesichts dieser Schutzzweckidentität ist auch von einer Gleichrangigkeit
beider Gesetze auszugehen. Dies impliziert, dass durch die Heranziehung des
einen Gesetzes die Wertungen des anderen Gesetzes nicht unterlaufen werden
dürfen. Was den Adressaten der GWB-Verhaltensnormen gestattet ist, kann ihnen
durch das UWG nicht untersagt werden, sofern nicht zusätzliche Umstände vor-
688 Zu Fragen der Beweislast vgl. Fezer/Götting § 4-10 Rn. 31.
689 BGH GRUR 2002, S. 902 (905) »Vanity-Nummern«; BGH GRUR 2001, S. 1061 (1062)
»Mitwohnzentrale.de«; Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.11; Lettl Rn. 354; dazu
auch Beater § 12 Rn. 89; Emmerich S. 65; Koppensteiner § 33 Rn 55 f.
690 Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.11.
691 Anerkannt durch BGH GRUR 2003, 825, 826 – Elektroarbeiten; Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 38; vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.11.
692 Zum Begriff vgl. Koenigs NJW 1961, 1041, 1042; zur These Würdinger WuW 1953, 721,
731; v. Gamm NJW 1980, 2489; Kummer Anwendungsbereich und Schutzgut, S. 122; vgl.
auch BGH WuW 1954, 450, 452; Koenigs NJW 1961, 1041, 1047.
693 Hefermehl/Köhler/Bornkamm Einl Rn. 6.11; Harte/Henning/Brüning Einl F Rn. 125.
694 Harte/Hennig/Brüning Einl F Rn. 125; vgl. auch Immenga/Mestmäcker/Markert § 20 Rn.
244.
695 Raiser Summum Ius Summa Iniuria, S. 145, 156.
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liegen, die Unlauterkeit begründen.696 Wegen der Konvergenz von Freiheits- und
Lauterkeitsschutz ist die Abstimmung von Endzielen und Wertungen des UWG
und des GWB nicht nur ein methodisches Gebot juristisch widerspruchsfreier
Systembildung, sondern auch eine angemessene Antwort auf das ordnungspolitische Postulat einer an sich widerspruchsfreien Anwendung wirtschaftspolitischer Maßnahmen.697 Die kartellrechtlichen Wertungen sind deshalb für das
Wettbewerbsrecht zwar nicht streng verbindlich, aber dennoch wertend zu
berücksichtigen.698
Anderer Ansicht sind die Vertreter der so genannten Vorfeldthese. Diese leiten
aus dem gemeinsamen Zweck des GWB und des UWG, den Wettbewerb umfassend zu schützen, die Möglichkeit ab, Maßnahmen von Unternehmen, die zwar
die Voraussetzungen des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots erfüllen, die aber
mangels ausreichender Marktmacht nicht in den Anwendungsbereich der entsprechenden Normen fallen, quasi in deren Vorfeld, im Wege des Lauterkeitsrechts zu
untersagen. Dem Lauterkeitsrecht käme eine lückenfüllende Schutzfunktion
zu.699 Danach käme es also in Betracht, Bonusprogramme ohne den Nachweis
einer verwerflichen Zweckrichtung des Handelns, beispielsweise wegen des Einsatzes einer Bonusstaffel, auch dann zu untersagen, wenn zwar der Anwendungsbereich des GWB nicht eröffnet wäre, dennoch aber gewisse nachteilige Marktwirkungen für die Konkurrenten zu verzeichnen wären.
Dies ist abzulehnen. Die Wertungen des GWB sind in dieser Beziehung
abschließend und entfalten eine Sperrwirkung.700 Es ist zu berücksichtigen, dass
mit der Einführung des § 20 Abs. 4 GWB im Zuge der 4. GWB Novelle bereits
eine deutliche Absenkung der Aufgreifkriterien des Kartellrechts einhergegangen
ist. Eine weitere Absenkung käme de facto einem allgemeinen Diskriminierungsverbot gleich, welches vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien zum GWB trotz expliziter Forderung im so genannten Böhm-Entwurf aus-
696 Hefermehl/Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 6.17, § 4 Rn. 10.18; ders. WRP 2005 645, 647;
Fezer/Götting § 4-10 Rn. 10 f; MünchKommUWG/Sambuc § 3 Rn. 83; Gloy/Loschelder/
Holtorf § 3 Rn. 2.
697 Gloy/Loschelder/Holtorf § 2 Rn. 22.
698 BGHZ 107, 40, 41 – Krankentransportbestellung; BGH WRP 1999, 105, 109 – Schilderpräger im Landratsamt; Hefermehl/Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 6.17, § 4 Rn. 10.18; ders.
GRUR 2001, 1067, 176; Fezer/Götting § 4-10 Rn. 12.
699 Insbesondere P. Ulmer AfP 1975, 885 f; ders. GRUR 1977, 565, 577; zustimmend Tilmann
GRUR 1979, 825, 830; Baudenbacher GRUR 1981, 19, 26 f; Sambuc GRUR 1981, 796;
kritisch zu diesem Aspekt insbesondere: Mestmäcker Der verwaltete Wettbewerb, 148 f
mwN; Merz Die Vorfeldthese.
700 Mestmäcker Der verwaltete Wettbewerb, S. 84, 143 ff; zustimmend Harte/Henning/Brüning Einl. F Rn. 127; Gloy/Loschelder/Holtorf § 3 Rn. 2; Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 5 III 3; Nordemann NJW 2001, 2505, 2512; Schricker AfP 2001, 101 f; bereits
Großkomm/Köhler § 1 D 14; ders. erneut WRP 2005, 645, 647; zum Ganzen, Merz Die
Vorfeldthese.
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drücklich abgelehnt worden ist.701 Vielmehr sind die Normenkomplexe des UWG
und des GWB so auszulegen und zu handhaben, dass Wertungswidersprüche vermieden werden. Insbesondere ist bei der Anwendung des UWG darauf zu achten,
dass die freiheitssichernde Zielsetzung des Kartellrechts nicht beeinträchtigt
wird.702 Die ausdrücklich in den §§ 4 Nr. 6 bis 9 UWG genannten Behinderungstatbestände knüpfen in der Mehrzahl grundsätzlich an den Handlungsunwert der
Maßnahme an. Gleiches gilt für Behinderungen, die von einer Vernichtungsabsicht getragen sind. Ist ein Handlungsunwert indes nicht eindeutig feststellbar,
sondern handelt es sich um eine wettbewerblich ambivalente Maßnahme, kommt
den kartellrechtlichen Kriterien eine Wertungsprärogative zu. Liegen die dort
aufgestellten Anforderungen an die Marktmacht vor, ist anzunehmen, dass der
Wettbewerb keinen ausreichenden Kontrollmechanismus mehr darstellen kann.
Erst diese marktliche Dysfunktionalität rechtfertigt es, Handlungen auch ohne
vordergründigen Handlungsunwert auf ihre wettbewerblichen Wirkungen zu
überprüfen und gegebenenfalls zu untersagen.
In diesem Zusammenhang sei aber darauf hingewiesen, dass eine Aufklärung
der relevanten Fragen im Rahmen des Lauterkeitsrechts einige verfahrenstechnische Nachteile mit sich bringt. Im Rahmen von lauterkeitsrechtlichen Streitigkeiten ist das Gericht an das Parteivorbringen gebunden. Die Erkenntnismöglichkeiten der Parteien wiederum sind im Gegensatz zu denen der Kartellbehörden
beschränkt. Die Wettbewerbsgerichte sind zwar bemüht, durch sachgerechte Fragestellungen die Marktverhältnisse möglichst vollständig zu erhellen. Sie können
jedoch kaum die gleiche Sorgfalt aufwenden wie in einem kartellrechtlichen Verfahren.703 Zu denken ist deshalb daran, solche Verfahren in Zukunft verstärkt an
die Kartellspruchkörper abzugeben, welche aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes weitreichendere Befugnisse haben als die Zivilgerichte.
701 Der Vorschlag Böhms richtete sich zunächst generell gegen Verstöße wider die Grundsätze
des Leistungswettbewerbs. Siehe Anl. I zum Protokoll der 104. Sitzung, auszugsweise
abgedruckt in »Für und Wider ein allgemeines Diskriminierungsverbot«, FIW Heft 74
(1976) S. 82 ff.. Nachdem sich dies als nicht durchsetzbar erwiesen hatte, beantragte Böhm
das Konzept wenigstens auf ‚marktbeeinflussende Unternehmen’ anzuwenden. Auch dieser Vorschlag wurde abgelehnt. Siehe Protokoll der 168. Sitzung, abgedruckt in FIW
(1976) S. 92 ff.; siehe auch Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, S. 144; BGH WuW/
E 1787, 1792 - Garant.
702 Hefermehl/Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 6.13; Harte/Henning/Brüning Einl. F Rn. 125 ff;
Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 5 III 3.
703 Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 12.2; Beater § 24 Rn 14; Kraft GRUR 1980, 966,
968; BGH GRUR 1986, 397, 400 – Abwehrblatt II; BGH GRUR 1992, 191, 194 – Amtsanzeiger.
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2. Behandlung der Fälle des § 20 Abs. 4 Satz 2 GWB im Rahmen von
§ 4 Nr. 10 UWG
Problematisch ist, wie sich die Regelung des § 20 Abs. 4 Satz 2 GWB in das Wertungsgefüge des § 4 Nr. 10 UWG einzufügen vermag. Entsprechend des dargestellten Funktionszusammenhangs zwischen Lauterkeitsrecht und Kartellrecht
herrschte vor Einführung des § 20 Abs. 4 Satz 2 GWB ein weitgehender Wertungsgleichklang in der Handhabe von Verlustpreisen nach UWG und GWB. So
wurden Unterschreitungen des Einstandspreises und der Selbstkosten bislang
gleich behandelt.704 Das unternehmerische Interesse an einer Mischkalkulation
war anerkannt.705 Schließlich war für eine Untersagung auch stets eine Vernichtungsabsicht oder aber der Nachweis gewisser Marktwirkungen Voraussetzung.706
Wie bereits aufgezeigt, ist nun mit § 20 Abs. 4 Satz 2 GWB ein stark wirtschaftspolitisch motivierter abstrakter Gefährdungstatbestand eingeführt worden, der
speziell für den Bereich der Unterschreitung des Einstandspreises wesentlich
strengere Voraussetzungen aufstellt.707 Insofern passt er sich ebenso wenig in das
bisherige Wertungsgefüge des UWG ein wie in das des GWB. Entsprechendes
würde für die oben angesprochene geplante Neufassung des § 20 Abs. 4 Satz 2
GWB gelten, mit der Verkäufen unter Einstandspreis im Bereich des Lebensmittelhandels noch engere Grenzen gezogen werden sollen.708
Für die Integration dieser Wertung in das UWG kommen nun zwei Vorgehensweisen in Betracht. Einerseits könnte man die lauterkeitsrechtlichen Anforderungen an Verkäufe unter Einstandspreis entsprechend der Wertungen des § 20
Abs. 4 Satz 2 GWB absenken und damit einen Verstoß gegen dessen Wertungen
zu einem originär lauterkeitsrechtlichen Unrecht stilisieren. Die Rechtsprechung
verfolgt bislang aber zu Recht einen anderen Weg. Dort wird ein Verstoß gegen
§ 20 Abs. 4 Satz 2 GWB lediglich unter dem Topos Rechtsbruch des § 4 Nr. 11
UWG thematisiert.709 Damit wird deutlich gemacht, dass ein Verstoß gegen § 20
Abs. 4 Satz 2 GWB nicht als originär lauterkeitswidrig, sondern als derivatives
Unrecht begriffen wird. Nur diese Sichtweise geht mit dem hergebrachten Grundsatz konform, dass das UWG wirtschaftspolitisch neutral ist.710
Anderer Ansicht war hier vornehmlich Sack, der dem UWG unter anderem die
Funktion zuschrieb, den leistungsfähigen Mittelstand gegen marktmachtbedingte
704 Vgl. z.B. BGH GRUR 1990, 685, 686 – Anzeigenpreis I einerseits BGH GRUR 1984, 204,
206 – Verkauf unter Einstandspreis II andererseits.
705 Vgl. BGH GRUR 1984, 204, 206 – Verkauf unter Einstandspreis II; Hefermehl/Köhler/
Bornkamm § 4 Rn. 10.186. siehe auch Fezer/Götting § 4-10 Rn. 28 ff; Lettl JZ 2003, 662.
706 Vgl. BGH GRUR 1990, 685, 686 – Anzeigenpreis I; allgemein Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.191; siehe auch Fezer/Götting § 4-10 Rn. 28 ff; Lettl JZ 2003, 662.
707 Siehe oben Kap. 4 C. II. 3.
708 BT-Drucks. 16/5847; vgl. oben Kap. 4 C. II. 3. d).
709 BGH GRUR 2003, 363, 365 – WalMart; vgl. auch OLG Hamburg Beschluss vom
20.11.2003 Az. 3 W 127/03 (nicht veröffentlicht).
710 Harte/Henning/Schünemann § 1 Rn. 34, § 3 Rn. 126 ff; vgl. auch Lettl JZ 2003, 662, 668.
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Wettbewerbsverzerrungen zu schützen.711 Aus der Konvergenz der Schutzzwecke
des UWG und des GWB leitet er ab, dass die kartellrechtlichen, mittelstandsschützenden Normen (§§ 4 und 20 Abs. 3 und 4 GWB) als richtungweisende Wertentscheidung des Gesetzgebers zu verstehen seien, die auch im UWG Berücksichtigung finden müsse.712 Auch in der Rechtsprechung haben solche strukturpolitischen Erwägungen vereinzelt Bedeutung erlangt.713
Dem ist allerdings nicht zu folgen. Bereits in den Ausführungen zum GWB
wurde deutlich, dass aus wettbewerbstheoretischer Sicht Unternehmen nicht
allein deshalb wettbewerbsrechtlich schutzwürdig sind, weil sie klein oder mittelgroß sind. Es muss vielmehr grundsätzlich der Auslesefunktion des Wettbewerbs überlassen bleiben zu entscheiden, ob und zu welchen Bedingungen solche
Unternehmen sich am Markt halten können.714 Eine über die allgemeinen Erwägungen zur Marktmacht des handelnden Unternehmens hinausgehende Einbeziehung wirtschafts- oder industriepolitischer Zielsetzungen, wie sie im GWB
zuweilen zum Ausdruck kommen, verbietet sich.715 Das UWG gilt vielmehr –
worauf Schricker zu Recht hinweist – für alle Wettbewerber gleichermaßen (sog.
par conditio concurrentium).716
Aber auch – oder besser – gerade in Fällen des § 20 Abs. 4 Satz 2 GWB ist es
anzuraten, wegen der aufgezeigten Defizite des Zivilverfahrens in Zukunft solche
Sachverhalte an die entsprechenden Kartellspruchkörper zu verweisen. Soweit
aber im Wege des § 4 Nr. 11 UWG verfahren wird, muss darauf geachtet werden,
dass ein Verstoß gegen § 20 Abs. 4 Satz 2 GWB über § 4 Nr. 11 UWG nur von
demjenigen geltend gemacht werden kann, der auch nach GWB antragsberechtigt
gewesen wäre. Mit anderen Worten, agieren zwei große Einzelhandelsunternehmen mit relativer Marktmacht auf einem Markt, unterschreitet aber nur eines den
Einstandspreis, so kann der Konkurrent dies nicht als unlauter geltend machen.717
Die Sanktionsregeln des Kartellrechts sind nämlich abschließend. Soweit danach
bestimmte Personen nicht geschützt werden sollen, geht es nicht an, diesen
711 Sack WRP 1975, 65, 73; ders. WRP 1975, 261, 262 f; ders. WRP 1978, 489, 492 f; ders.
WRP 1983, 63, 67 f; ders. BB-Beilage 3/1988, 1, 26 f. vgl. auch Sambuc GRUR 1981,
796, 797 ff.
712 Diese Ansicht ausführlich darstellend Ballmann Machtaspekt, S. 45 f mwN.
713 BGHZ 23, 365, 372 – SUWA; dagegen BGH GRUR 1965, 489 – Kleenex; erneute Anklänge bei BGH GRUR 1974, 156, 157 – Geld-Gewinnspiel; BGH GRUR 1998, 735, 736 –
Rubbelaktion; BGH GRUR 2000, 820, 821 – Space-Fidelity-Peepshow.
714 Beater § 17 Rn. 30; Sambuc GRUR 1981, 796, 797 f; Köpfle Die marktbezogene Unlauterkeit, S. 114.
715 Beater § 12 Rn 67; MünchKommUWG/Sosnitza § 1 Rn. 30 ff. und § 3 Rn. 84; Raiser
GRUR Int. 1973, 443, 445; auch Kraft FS Bartholomeyczyk, 223, 234 f; Merz Vorfeldthese, S. 245; Möschel Pressekonzentration, S. 147 f.
716 Schricker AfP 2001, 101 mwN.
717 Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.207; Wrage WUW 1984, 548, 557 ff; vgl. OLG
Hamburg Urteil vom 20.11.2003 Az. 3 W 127/03; bestätigt durch BGH GRUR 2006, 773
– Probeabonnement.
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Schutz über das UWG zu begründen.718 Zu beachten ist aber, dass mit der 7. GWB
Novelle in § 33 Abs. 2 GWB ein Klagerecht für Unternehmensvereinigungen und
Verbraucherverbände eingeführt wurde, das sich auch auf die Missbrauchstatbestände bezieht.719
3. Ergebnis
Unterhalb der kartellrechtlichen Aufgreifschwellen kommt eine Untersagung von
Bonusprogrammen nach § 4 Nr. 10 UWG nur in Betracht, wenn der Einsatz kritischer Aktionsparameter, wie vor allem Verlustpreise oder Bonusstaffeln, von einer auf einen oder bestimmte Mitbewerber gerichtete Vernichtungsabsicht getragen ist. Ist dies nicht der Fall oder nicht nachweislich, muss die vorzunehmende
Interessenabwägung die Wertungen des Kartellrechts berücksichtigen. Sie darf
keinesfalls strengere Maßstäbe anlegen. In Fällen, die in den Anwendungsbereich
des § 20 Abs. 4 Satz 2 GWB fallen würden, sollte entweder bei den allgemeinen
lauterkeitsrechtlichen Entscheidungsgrundsätzen zu diesem Fragenkreis geblieben werden oder aber der Sachverhalt an den zuständigen Kartellspruchkörper
abgegeben werden.
III. Die Vereinbarkeit mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben
Die von Seiten der Gemeinschaft vorangetriebene Harmonisierung des europäischen Lauterkeitsrechts betrifft ausschließlich das Verhältnis der Gewerbetreibenden zu den Verbrauchern (B2C).720 So heißt es in Erwägungsgrund 8 der Unlauterkeitsrichtlinie: »Diese Richtlinie schützt unmittelbar die wirtschaftlichen
Interessen der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Sie schützt somit auch mittelbar
rechtmäßig handelnde Unternehmen vor Mitbewerbern, die sich nicht an die Regeln dieser Richtlinie halten, und gewährleistet damit einen lauteren Wettbewerb
in dem durch sie koordinierten Bereich. Selbstverständlich gibt es andere Geschäftspraktiken, die zwar nicht den Verbraucher schädigen, sich jedoch nachteilig für die Mitbewerber und gewerblichen Kunden auswirken können. Die Kommission sollte sorgfältig prüfen, ob auf dem Gebiet des unlauteren Wettbewerbs
über den Regelungsbereich dieser Richtlinie hinausgehende gemeinschaftliche
Maßnahmen erforderlich sind, und sollte gegebenenfalls einen Gesetzgebungsvorschlag zur Erfassung dieser anderen Aspekte des unlauteren Wettbewerbs vor-
718 Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.12; OLG Hamburg Urteil vom 20.11.2003 Az.
3 W 127/03; bestätigt durch BGH GRUR 2006, 773 – Probeabonnement.
719 Ausführlich hierzu Hempel WuW 2004, 362.
720 Siehe nur Lettl WRP 2004 1079, 1109 f.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit untersucht Bonusprogramme wie Miles & More oder Payback aus lauterkeits- und kartellrechtlicher Sicht. Sie präzisiert den gängigen Terminus Kundenbindungssystem vor dem Hintergrund wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse.
Einen Schwerpunkt stellen die lauterkeitsrechtlichen Anforderungen an die Transparenz solcher Programme dar. Dabei wird zwischen der Transparenz der Inanspruchnahmebedingungen und der Werttransparenz unterschieden. Die Frage, inwiefern Bonusprogramme mit den Missbrauchstatbeständen des deutschen und europäischen Kartellrechts konfligieren können, bildet einen weiteren Schwerpunkt. Neben den Grenzen der Angebots- und Preisgestaltungsfreiheit wird hier der Aspekt der Sogwirkung diskutiert.