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auf ein vergleichbares Niveau bringen. Zudem sollen die volkswirtschaftlichen
Auswirkungen vertieft untersucht und falls notwendig Abgeltungsmaßnahmen
vorgeschlagen werden. Erst dann soll die NAGRA je ein Rahmenbewilligungsgesuch für einen Standort für schwach- und mittelradioaktive Abfälle und einen
Standort für hochradioaktive Abfälle einreichen. Über die Rahmenbewilligung
entscheidet dann die Bundesversammlung. Gegen diesen Beschluss besteht
letztendlich noch die Möglichkeit, auf nationaler Ebene ein Referendum zu beantragen.819
Dem Sachplan beigefügt ist ein Zeitplan für die einzelnen Verfahrensschritte.
Dieser sieht vor, dass bis zum Jahr 2030 ein Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle errichtet werden soll und spätestens im Jahr 2040 ein Endlager
für hochradioaktive Abfälle betriebsbereit sein soll.820 Bis dahin müssen die radioaktiven Abfälle weiterhin in den zentralen und dezentralen Zwischenlagern gelagert
werden.
Das im Sachplan vorgeschlagene Such- und Auswahlverfahren ähnelt dem vom
AkEnd in Deutschland vorgeschlagenen Verfahren in vielen Bereichen. Im Gegensatz zu den meist kritischen Reaktionen in Deutschland ist der Entwurf in der
Schweiz auf breite Zustimmung gestoßen. Auch die entsorgungspflichtigen Kernkraftwerkbetreiber in der Schweiz haben den vorgelegten Entwurf begrüßt und sich
bereit erklärt, das Such- und Auswahlverfahren für die Endlagerstandorte entsprechend durchzuführen und die Kosten hierfür zu übernehmen.
IV. Finanzierung der Entsorgung
Nach Art. 31 Abs. 1 KEG sind die Betreiber der Kernanlagen verpflichtet, die Entsorgung auf eigene Kosten vorzunehmen. Hierzu gehören neben den Kosten für die
Konditionierung der radioaktiven Abfälle und deren Zwischen- und Endlagerung
auch die im Zusammenhang mit der Entsorgung anfallenden Ausgaben für Forschung, für Transporte, für vorbereitende Handlungen, für die Suche und die Auswahl eines Endlagerstandortes sowie für den Verschluss und die Überwachung eines
Endlagers.821
Die Verantwortung für die finanzielle Vorsorge für die Entsorgungskosten weist
das Kernenergiegesetz in Art. 77 Abs. 3 und in Art. 82 Abs. 1 KEG den Eigentümer
der Kernanlagen zu.
Da aber gem. Art. 20 Abs. 1 KEG nur die Eigentümer der Kernanlagen eine Betriebsgenehmigung erhalten, sind in der Schweiz die Eigentümer und die Betreiber
der Kernanlagen immer identisch, so dass der Differenzierung im KEG zwischen
819 Art. 48 Abs. 4 KEG.
820 Bundesamt für Energie, Entwurf eines Sachplans für ein geologisches Tiefenlager,
„www.news-service.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/6497.pdf“; Stand:
11.01.2007, besucht am 1.08.2007.
821 Art. 2 EntsFV.
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Betreibern von Kernanlagen und Eigentümern von Kernanlagen keine Bedeutung
zukommt.
V. Finanzierungsvorsorge für die Entsorgungskosten
Bei der Finanzierungsvorsorge für die Entsorgung wird zwischen den vor der Au-
ßerbetriebnahme eines Kernkraftwerks anfallenden Entsorgungskosten und den nach
der Außerbetriebnahme des Kernkraftwerks anfallenden Entsorgungskosten differenziert. Für die Entsorgungskosten, die vor der Außerbetriebnahme des Kernkraftwerks anfallen, bilden die Eigentümer der Kernkraftwerke Rückstellungen. Die
Entsorgungskosten, die nach dem Betriebsende des jeweiligen Kernkraftwerks anfallen, werden dagegen von einem Entsorgungsfonds finanziert, der sich aus den
Beiträgen der entsorgungspflichtigen Eigentümer speist. Mit diesem Modell sollen
bis 2025 voraussichtlich 5,6 Milliarden Schweizer Franken über Rückstellungen und
6,3 Milliarden Schweizer Franken über den Entsorgungsfonds abgesichert werden.
Die gesamten noch ausstehenden Entsorgungskosten sollen demnach nach derzeitigen Schätzungen rund 11,9 Milliarden Schweizer Franken betragen. 822
Bisher wurden für die Entsorgung der bereits angefallenen radioaktiven Betriebsmittel und abgebrannten Brennelemente in den dezentralen und zentralen Zwischenlagern ungefähr 3,4 Milliarden Schweizer Franken ausgegeben.823 Diese Kosten wurden über die laufenden Rechnungen oder durch die Auflösung von Rückstellungen von den Eigentümern der Kernanlagen beglichen. Der weitaus größte Teil
der Entsorgungskosten wird aber voraussichtlich erst in einigen Jahrzehnten, wenn
ein Endlager errichtet und betrieben wird, anfallen.
1. Finanzierung der Entsorgungskosten vor der Außerbetriebnahme des Kernkraftwerks
Zur Sicherstellung der Finanzierung der in Zukunft noch vor der Außerbetriebnahme
der Kernanlagen anfallenden Entsorgungskosten müssen die Eigentümer Rückstellungen gem. Art. 82 Abs. 1 KEG i. V. m. Art. 669 des Obligationsrechts824 in ihren Handels- und Steuerbilanzen bilden.
822 Nuklearforum Schweiz, Finanzierung der nuklearen Entsorgung und der Stilllegung von
Kernkraftwerken, „www.nuklearforum.ch/_upl/files/Faktenblatt_Entsorgung_2006 d.pdf“
Stand: Mai 2006, besucht am: 10.08.2007.
823 Aebersold, Die Finanzierung von Stilllegung und Entsorgung, in: energie extra, Juni 2002,
S. 8, „www.bfe.de.admin.ch/php/modules/publikationen/stream.php?extlang=de_
522739093.pdf“; Stand: Juni 2002; besucht am 1.07.2007.
824 Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil:
Obligationsrecht „OR“) vom 30. März 1911 (Stand 1. Mai 2007) (SR 220).
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References
Zusammenfassung
Die nukleare Entsorgung und die Stilllegung von Kernkraftwerken ist nicht nur eine technische, sondern auch eine finanzielle Herausforderung. Die hohen Kosten und der lange Zeitraum, über den sich die notwendigen Stilllegungs- und Entsorgungsmaßnahmen erstrecken, stellen besondere Anforderungen an die finanzielle Vorsorge.
Dieses Buch analysiert die gesetzlichen Vorschriften, nach denen in Deutschland und der Schweiz finanzielle Vorsorge für die Stilllegung und Entsorgung betrieben wird, da diese beiden Länder unterschiedliche Wege gewählt haben, die weltweit exemplarisch für die unterschiedliche Herangehensweise an dieses Problem sind. In Deutschland basiert die Finanzierungsvorsorge auf einer unternehmensinternen Lösung durch die Bildung von Rückstellungen bei den kernkraftwerkbetreibenden Unternehmen. Diese Art der Finanzierungsvorsorge führt zu erheblichen Wettbewerbsvorteilen zugunsten der Kernkraftwerkbetreiber. Inwieweit diese mit dem nationalen und dem europäischen Recht vereinbar sind, bildet ein Schwerpunkt dieses Buchs. Ein anderer Schwerpunkt ist der Vergleich mit dem unternehmensexternen Finanzierungssystem, das die Schweiz zur Finanzierungsvorsorge gewählt hat.