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Die Position der Kernkraftwerkbetreiber auf den Energiemärkten wird dadurch beeinträchtigt.
Insofern ist aus einzelwirtschaftlicher Perspektive die Finanzierungsvorsorge auf
der Grundlage von Rückstellungen eindeutig gegenüber einer unternehmensexternen
Finanzierungsvorsorge zu bevorzugen.
IV. Rechtliche Perspektive
Wie im Laufe dieser Arbeit bereits gezeigt900 ist die finanzielle Vorsorge, die die finanziell sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz verantwortlichen Kernkraftwerkbetreiber betreiben, mit dem jeweiligen nationalen Recht vereinbar. Ebenso haben sich die europarechtlichen Einwände gegen die Finanzierungsvorsorge basierend auf Rückstellungen als unbegründet erwiesen. Auch die Einführung eines
Fondsmodells nach dem schweizerischen Vorbild wäre, wie in diesem Kapitel gezeigt, grundsätzlich mit dem deutschen Recht vereinbar. Dem Gesetzgeber steht es
daher offen, welches Finanzierungssystem er in seinem nationalen Recht umsetzen
möchte.
900 Siehe Drittes Kapitel, E. und F.
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C. Zusammenfassung in Thesen/Schlussbetrachtung
Die Finanzierung der Stilllegung und Beseitigung von Kernkraftwerken und der Entsorgung ihrer radioaktiven Abfälle stellt aufgrund der immensen Größenordnung der
Kosten und des langen Zeitraums, über den sich die notwendigen Stilllegungs- und
Entsorgungsmaßnahmen erstrecken, eine große Herausforderung dar. Zu ihrer Bewältigung haben Deutschland und die Schweiz unterschiedliche Wege eingeschlagen, die weltweit exemplarisch für die finanzielle Vorsorge im Bereich der
Stilllegungs- und Entsorgungskosten sind.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die beiden Finanzierungssysteme in Deutschland und der Schweiz zu analysieren und durch einen umfassenden Vergleich deren
Vor- und Nachteile herauszuarbeiten, um hierauf basierend eine Empfehlung für ein
möglichst optimales Finanzierungssystem geben zu können. Bevor eine solche Empfehlung gegeben wird, sollen im Folgenden zunächst die wichtigsten Ergebnisse der
Analyse und des Vergleichs zusammgefasst werden:
1. Die zunächst vorgenommene kritische Bestandsaufnahme des deutschen Finanzierungssystems hat ergeben, dass trotz aller Kritik die von den deutschen
Kernkraftwerkbetreibern vorgenommene Finanzierungsvorsorge sowohl mit
dem deutschen als auch mit dem europäischen Recht vereinbar ist. Zugleich
wurden aber auch verschiedene Schwachpunkte des deutschen Finanzierungsansatzes sichtbar.
2. Unbefriedigend ist vor allem das hohe Finanzierungsrisiko des deutschen Finanzierungssystems. Hauptursache hierfür ist die Tatsache, dass die Finanzierungsvorsorge in Deutschland weitgehend unternehmensintern verläuft
und keine Verfügungsbeschränkungen über die in Form von Rückstellungen
angesammelten Finanzmittel bestehen. Hierdurch ist die Finanzierung der
gesamten Stilllegungs- und Entsorgungskosten weitgehend von der Liquidität
der jeweils verantwortlichen Unternehmen zum Zeitpunkt der künftig vorzunehmenden Stilllegungs- und Entsorgungsmaßnahmen abhängig. Bei Liquiditäts- oder Zahlungsschwierigkeiten eines Kernkraftwerkbetreibers ist demnach die Finanzierung der notwendigen Stilllegungs- und Entsorgungsmaßnahmen gefährdet. Derzeit besteht zwar nicht die Gefahr, dass eine Betreibergesellschaft oder eines der vier großen Energieversorgungsunternehmen
in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Der größte Anteil der Stilllegungs- und
Entsorgungskosten fällt jedoch nicht heute, sondern erst in einigen Jahrzehnten an. Vor dem Hintergrund, dass sich die gesamte Energiebranche in einer
Umbruchsphase infolge der Liberalisierung der Energiemärkte befindet und
vor neuen Herausforderungen aufgrund der Ressourcenverknappung und des
Klimaschutzes steht, sollte die Gefahr, dass das eine oder andere Energieversorgungsunternehmen bei der Bewältigung dieser Herausforderungen
scheitert und in Zahlungsschwierigkeiten gerät, nicht unterschätzt werden.
Eine Entkopplung der Finanzierung von der Liquidität der jeweiligen Kernkraftwerkbetreiber ist daher zu empfehlen. Ansonsten besteht die Gefahr,
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References
Zusammenfassung
Die nukleare Entsorgung und die Stilllegung von Kernkraftwerken ist nicht nur eine technische, sondern auch eine finanzielle Herausforderung. Die hohen Kosten und der lange Zeitraum, über den sich die notwendigen Stilllegungs- und Entsorgungsmaßnahmen erstrecken, stellen besondere Anforderungen an die finanzielle Vorsorge.
Dieses Buch analysiert die gesetzlichen Vorschriften, nach denen in Deutschland und der Schweiz finanzielle Vorsorge für die Stilllegung und Entsorgung betrieben wird, da diese beiden Länder unterschiedliche Wege gewählt haben, die weltweit exemplarisch für die unterschiedliche Herangehensweise an dieses Problem sind. In Deutschland basiert die Finanzierungsvorsorge auf einer unternehmensinternen Lösung durch die Bildung von Rückstellungen bei den kernkraftwerkbetreibenden Unternehmen. Diese Art der Finanzierungsvorsorge führt zu erheblichen Wettbewerbsvorteilen zugunsten der Kernkraftwerkbetreiber. Inwieweit diese mit dem nationalen und dem europäischen Recht vereinbar sind, bildet ein Schwerpunkt dieses Buchs. Ein anderer Schwerpunkt ist der Vergleich mit dem unternehmensexternen Finanzierungssystem, das die Schweiz zur Finanzierungsvorsorge gewählt hat.