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Betreibern von Kernanlagen und Eigentümern von Kernanlagen keine Bedeutung
zukommt.
V. Finanzierungsvorsorge für die Entsorgungskosten
Bei der Finanzierungsvorsorge für die Entsorgung wird zwischen den vor der Au-
ßerbetriebnahme eines Kernkraftwerks anfallenden Entsorgungskosten und den nach
der Außerbetriebnahme des Kernkraftwerks anfallenden Entsorgungskosten differenziert. Für die Entsorgungskosten, die vor der Außerbetriebnahme des Kernkraftwerks anfallen, bilden die Eigentümer der Kernkraftwerke Rückstellungen. Die
Entsorgungskosten, die nach dem Betriebsende des jeweiligen Kernkraftwerks anfallen, werden dagegen von einem Entsorgungsfonds finanziert, der sich aus den
Beiträgen der entsorgungspflichtigen Eigentümer speist. Mit diesem Modell sollen
bis 2025 voraussichtlich 5,6 Milliarden Schweizer Franken über Rückstellungen und
6,3 Milliarden Schweizer Franken über den Entsorgungsfonds abgesichert werden.
Die gesamten noch ausstehenden Entsorgungskosten sollen demnach nach derzeitigen Schätzungen rund 11,9 Milliarden Schweizer Franken betragen. 822
Bisher wurden für die Entsorgung der bereits angefallenen radioaktiven Betriebsmittel und abgebrannten Brennelemente in den dezentralen und zentralen Zwischenlagern ungefähr 3,4 Milliarden Schweizer Franken ausgegeben.823 Diese Kosten wurden über die laufenden Rechnungen oder durch die Auflösung von Rückstellungen von den Eigentümern der Kernanlagen beglichen. Der weitaus größte Teil
der Entsorgungskosten wird aber voraussichtlich erst in einigen Jahrzehnten, wenn
ein Endlager errichtet und betrieben wird, anfallen.
1. Finanzierung der Entsorgungskosten vor der Außerbetriebnahme des Kernkraftwerks
Zur Sicherstellung der Finanzierung der in Zukunft noch vor der Außerbetriebnahme
der Kernanlagen anfallenden Entsorgungskosten müssen die Eigentümer Rückstellungen gem. Art. 82 Abs. 1 KEG i. V. m. Art. 669 des Obligationsrechts824 in ihren Handels- und Steuerbilanzen bilden.
822 Nuklearforum Schweiz, Finanzierung der nuklearen Entsorgung und der Stilllegung von
Kernkraftwerken, „www.nuklearforum.ch/_upl/files/Faktenblatt_Entsorgung_2006 d.pdf“
Stand: Mai 2006, besucht am: 10.08.2007.
823 Aebersold, Die Finanzierung von Stilllegung und Entsorgung, in: energie extra, Juni 2002,
S. 8, „www.bfe.de.admin.ch/php/modules/publikationen/stream.php?extlang=de_
522739093.pdf“; Stand: Juni 2002; besucht am 1.07.2007.
824 Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil:
Obligationsrecht „OR“) vom 30. März 1911 (Stand 1. Mai 2007) (SR 220).
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a) Bildung von Verbindlichkeitsrückstellung nach schweizerischem Recht
Zentrale Rechtsnorm für die Bilanzierung von Rückstellungen ist Art. 669 Abs. 1
OR. Hiernach sind Aktiengesellschaften verpflichtet, in ihren Handelsbilanzen insbesondere dann Rückstellungen zu bilden, wenn ungewisse Verbindlichkeiten zu
decken sind. Diese Pflicht zur Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen gilt aufgrund des ebenfalls in der Schweiz gültigen Maßgeblichkeitsprinzip auch für das
Steuerrecht.825
Die Voraussetzungen für die Bilanzierung einer Verbindlichkeitsrückstellung unterscheiden sich dabei nicht von denen, die der BFH im deutschen Recht aufgestellt
hat.826 Demnach sind für alle ungewissen Außenverpflichtungen, die im Bilanzjahr
wirtschaftlich verursacht worden sind und mit dessen Inanspruchnahme der Bilanzierende ernsthaft rechnen muss, Rückstellungen zu bilden.827 Bei den Entsorgungsverpflichtungen sind diese Voraussetzungen erfüllt, denn die Pflicht zur
Entsorgung nach Art. 31 Abs. 1 KEG ist eine der Höhe nach ungewisse Außenverpflichtung, die mit dem Einsatz der Brennelemente oder Betriebsmittel im Reaktor
wirtschaftlich und rechtlich entstanden ist und an dessen Inanspruchnahme, aufgrund der großen Aufmerksamkeit der Behörden und der Öffentlichkeit kein Zweifel
besteht. Eine restriktive Rechtsprechung bezüglich öffentlich-rechtlicher Verbindlichkeiten, wie sie der deutsche Bundesfinanzhof vertritt, existiert in der Schweiz
nicht, so dass für die Entsorgungskosten nach Art. 669 Abs. 1 OR zweifellos Rückstellungen zu bilden sind.828 Über den Verweis in Art. 82 Abs. 1 KEG gilt diese
Pflicht nicht nur für die Eigentümer, die als Aktiengesellschaften organisiert sind,
sondern für alle Eigentümer von Kernanlagen unabhängig vom Gesellschaftstypus.
b) Bewertung der Entsorgungsrückstellungen
Die Bewertung der Entsorgungsrückstellungen erfolgt gem. Art. 82 Abs. 1 KEG auf
der Grundlage von Schätzungen des nachstehend zu erörternde Entsorgungsfonds.
Hierfür wird die Höhe der Entsorgungskosten alle fünf Jahre für jedes Kernkraftwerk einzeln berechnet. Grundlage der Schätzungen sind die bei der Berechnung
gültigen Preise, die unter Berücksichtigung der mutmaßlichen Kostenentwicklung
bis zum angenommen Anfall der Entsorgungskosten hochgerechnet werden. Demnach sind die voraussichtlichen Erfüllungskosten der Maßstab für die Bemessung
825 Stoll, Die Rückstellung im Handels- und Steuerrecht, S. 240 f.
826 Siehe zu den einzelnen Voraussetzungen für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung
in Deutschland, oben Drittes Kapitel, E. II.
827 Stoll, Die Rückstellung im Handels- und Steuerrecht, S. 90.
828 BBl 2001, S. 2748.
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der Höhe der Rückstellungsbeträge. Für die Berechnung wird eine Betriebsdauer
von 40 Jahren angenommen.829
Die Bildung der Entsorgungsrückstellungen beginnt mit dem Einsatz von Brennelementen bzw. von radioaktiven Betriebsmitteln im Reaktor. Sobald diese ausgebaut und entsorgt werden müssen, werden die hierfür gebildeten Rückstellungen in
Anspruch genommen.
Eine Abzinsung der Rückstellungsbeträge, wie es das deutsche Steuerrecht seit
dem sog. Steuerentlastungsgesetz vorsieht, ist nach dem schweizerischen Recht
nicht vorgeschrieben.
c) Beschränkungen bei der Verfügung über die Rückstellungen
Grundsätzlich können die rückstellenden Unternehmen in der Schweiz über die
durch die Bildung von Rückstellungen angesammelten Gelder frei verfügen. Für die
Bildung von Entsorgungsrückstellungen sind durch Art. 82 Abs. 2, 3 KEG aber einige Kontrollmaßnahmen eingeführt worden, die gewährleisten sollen, dass die
durch die Rückstellungen angesammelten Beträge auch in dem Zeitpunkt zur Verfügung stehen, indem sie benötigt werden.
So müssen die Eigentümer der Kernanlagen gem. Art. 82 Abs. 2 KEG dem Bundesamt für Energie einen Rückstellungsplan zur Genehmigung unterbreiten und entsprechende Aktiven bezeichnen, die für die Entsorgungskosten zweckgebunden
sind.
Die Einhaltung dieses Rückstellungsplans überwacht die Revisionsstelle, die hierfür Einsicht in die langfristigen Finanz- und Investitionspläne der Kernkraftwerkbetreiber nimmt und prüft, ob die finanziellen Mittel für die vor der Außerbetriebnahme der Kernkraftwerke entstehenden Entsorgungskosten zur Verfügung
stehen und die Rückstellungen gemäß Rückstellungsplan getätigt wurden.830
2. Finanzierung der Entsorgungskosten nach der Außerbetriebnahme
Bis vor einigen Jahren basierte die gesamte Finanzierungsvorsorge für die Entsorgungskosten in der Schweiz auf Rückstellungen.831 Erst im Jahr 2000 hat der Bundesrat zur Sicherstellung der nach dem Betriebsende eines Kernkraftwerks anfallenden Entsorgungskosten einen Entsorgungsfonds analog zu dem schon erwähnten Stilllegungsfonds errichtet.832 Auch bei dem Entsorgungsfonds handelt es sich
um eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit, die von Bei-
829 Zurzeit plant allerdings die Schweiz die Betriebslaufzeiten der Kernkraftwerke auf 50 Jahre
zu verlängern. Dadurch würde sich natürlich auch der Zeitraum für die Ansammlung der Beiträge ändern und die jährlichen Beiträge würden niedriger ausfallen.
830 Art. 82 Abs. 3 KEG.
831 BBl. 2001, S. 2748.
832 Jagmetti, Energierecht, Rdnr. 5519.
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trägen der Eigentümer der Kernanlagen gespeist wird. Rechtsgrundlage des Fonds
ist die am 6. März 2000 erlassenen Entsorgungsfondsverordnung, die sich bis zum
Inkrafttreten des Kernenergiegesetzes auf Art. 10 des Bundesbeschlusses zum
Atomgesetz stützte.
a) Entstehungsgeschichte des Entsorgungsfonds
Mit der Verabschiedung des Bundesbeschlusses zum Atomgesetz vom 6. Oktober
1978 wurde der Bundesrat durch Art. 10 Abs. 3 BB ermächtigt „die Erzeuger radioaktiver Abfälle zur Mitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft und
zur Leistung angemessener Beiträge an die Sicherstellung der aus der Abfallbeseitigung erwachsenen Kosten zu verpflichten“. Von dieser Kompetenz hatte der
Bundesrat bis zum Erlass der Entsorgungsfondsverordnung am 6. März 2000 keinen
Gebrauch gemacht. Bis dahin hatten die entsorgungspflichtigen Kernkraftwerkbetreiber zur Sicherstellung der Entsorgungskosten sowohl für die vor der Außerbetriebnahme wie auch für die nach dem Betriebsende anfallenden Entsorgungskosten
Rückstellungen gebildet. Diese Rückstellungen summierten sich bis Ende 1999 auf
7,6 Milliarden Schweizer Franken.833 Nachdem die Kritik an dieser Form der Finanzierungsvorsorge stark zunahm, gab das Bundesamt für Energie auf Veranlassung
der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) des Nationalrats
im Sommer 1997 ein Gutachten über die „Sicherstellung der Kosten der Entsorgung
radioaktiver Abfälle“ in Auftrag. Die Gutachter kamen zu dem Schluss, dass das bis
dahin praktizierte System der Rückstellungen für die Entsorgungskosten zwar dem
geltenden Recht entspreche, doch erhebliche Finanzierungsrisiken, insbesondere im
Fall der Zahlungsunfähigkeit eines entsorgungspflichtigen Kernkraftwerkbetreiber
oder im Falle eines Störfalls berge. Im Gutachten wurden deswegen verschiedene
mögliche Modelle für die Sicherstellung der Finanzierung der Entsorgungskosten
dargestellt.834
Aufgrund dieses Gutachtens und angesichts der damaligen Ungewissheit über die
Dauer der Totalrevision der Atomgesetzgebung schlug der Bundesrat Ende der 90er
Jahre den Erlass einer Entsorgungsfondsverordnung vor, auf dessen Grundlage ein
Entsorgungsfonds errichtet werden sollte. Zweifelhaft war damals, ob die Errichtung
eines Entsorgungsfonds auf Art. 10 Abs. 3 KEG gestützt werden konnte. Denn
Art. 10 Abs. 3 KEG enthielt nur eine rechtliche Grundlage für eine Zwangskörperschaft und für Beitragsleistungen, nicht aber für einen Fonds; bei dem es sich gerade
nicht um eine Körperschaft, sondern um eine Anstalt handelt.835 Trotz dieser Zweifel
hat der Bundesrat die Entsorgungsfondsverordnung am 6. März 2000 verabschiedet
und einen Entsorgungsfonds gegründet. Die entsorgungspflichtigen Kernkraftwerkbetreiber wurden durch Art. 22 EntsFV verpflichtet, ihre bisherigen Rückstellungen
833 BBl 2001, S. 2748.
834 BBl 2001, S. 2748.
835 Jagmetti, Energierecht, Rdnr. 5519 (in Fußnote 735).
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für die Entsorgungskosten, die nach der Außerbetriebnahme der jeweiligen Kernanlagen anfallen, innerhalb von fünf Jahren in den Fonds einzubringen.
Infolge des Inkrafttretens des Kernenergiegesetzes am 1. Februar 2005 wurde der
Bundesbeschluss aufgehoben und mit Art. 77 Abs. 2 KEG eine neue rechtliche
Grundlage für die Entsorgungsfondsverordnung geschaffen. Hierdurch hat sich der
Streit über die Rechtmäßigkeit der Entsorgungsfondsverordnung erledigt, denn
Art. 77 Abs. 2 KEG schreibt im Gegensatz zu Art. 10 Abs. 3 BB ausdrücklich die
Errichtung eines Entsorgungsfonds vor.836
b) Rechtliche Ausgestaltung des Entsorgungsfonds
Nachdem zunächst darüber nachgedacht worden war, den Stilllegungsfonds um die
Kosten der Entsorgung zu erweitern, hat sich der Bundesrat nach längeren Beratungen für einen eigenen Entsorgungsfonds entschieden, der rechtlich vom Stilllegungsfonds unabhängig ist.837
Bei der Ausgestaltung des Entsorgungsfonds orientierte sich der Bundesrat jedoch
stark am Stilllegungsfonds. So entspricht die Struktur des Entsorgungsfonds weitgehend der des Stilllegungsfonds.
aa) Beitragspflicht und Höhe der Beiträge
Beitragspflichtig waren bis zum Inkrafttreten des Kernenergiegesetzes nur die Inhaber der fünf Kernkraftwerke in der Schweiz.838 Dieser Kreis der Betragspflichtigen
ist durch das neue Kernenergiegesetz auf alle Eigentümer von Kernanlagen ausgedehnt worden. Demnach gehört seit dem 1. Februar 2005 gem. Art. 77 Abs. 3 KEG
neben den vier Eigentümern der Kernkraftwerke auch die ZWILAG als Betreiberin
des Zwischenlagers in Würenlingen zum Kreis der Beitragspflichtigen.839
Die Eigentümer der Kernanlagen werden gem. Art. 3 Abs. 2 EntsFV verpflichtet,
jährliche Beiträge an den Fonds zu leisten. Die Festlegung der Höhe der jährlichen
Beiträge erfolgt durch die Verwaltungskommission des Entsorgungsfonds. Hierfür
werden alle fünf Jahre die Entsorgungskosten neu geschätzt. Auf der Grundlage dieser Schätzungen und unter Berücksichtigung der mutmaßlichen Kostenentwicklung
und des Fondsvermögens, legt die Verwaltungskommission für jedes Kernkraftwerk
die jährlichen Beiträge für eine Veranlagungsperiode von fünf Jahren fest. Die Bei-
836 Siehe Geschichte des Entsorgungsfonds: BBl 2001, S. 2747 ff.
837 BBl 2001, S. 2749.
838 Jagmetti, Energierecht, Rdnr. 5519.
839 Nicht erfasst werden die Verursacher von radioaktiven Abfällen aus Medizin, Industrie und
Forschung. Diese sogenannten MIF-Abfälle werden nicht über den Entsorgungsfonds finanziert, sondern vom Schweizer Staat übernommen. Siehe hierzu: Jagmetti, Energierecht,
Rdnr. 5519.
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träge sollen dabei so bemessen werden, dass am Ende der Betriebslaufzeit die notwendigen Finanzmittel möglichst gleichmäßig angesammelt worden sind.
Wie auch beim Stilllegungsfonds können die beitragspflichtigen Eigentümer der
Kernanlagen die Beiträge durch Bareinlagen oder durch Einbringung von Versicherungsansprüchen und Garantien entrichten. Die Einlage von Versicherungsansprüchen und Garantien unterliegt dabei allerdings der Zustimmung und Kontrolle
der Verwaltungskommission, die prüft, ob die in Art. 7 des Reglements zur Entsorgungsfondsverordnung aufgestellten Voraussetzungen840 erfüllt sind.
bb) Leistungen des Fonds
Den Aktiva des Entsorgungsfonds steht ein entsprechender Anspruch jedes beitragspflichtigen Eigentümers auf Deckung der Entsorgungskosten nach Maßgabe seiner
Beiträge, vermehrt um die Kapitalerträge des Fonds, vermindert um die Verwaltungskosten gegenüber. Erfasst werden die Kosten des Transports, der Konditionierung, der Zwischen- und Endlagerung und allen hiermit eng zusammenhängenden
Kosten. Fallen die Entsorgungskosten an, so führt der entsorgungspflichtige Kernkraftwerkbetreiber die notwendigen Entsorgungsarbeiten durch und erhält gem.
Art. 8 Abs. 1 des Reglements zur Entsorgungsfondsverordnung gegen Vorlage einer
Rechnung, von der Verwaltungskommission den notwendigen Aufwand erstattet.
Dieser Anspruch darf nach Art. 78 Abs. 1 S. 2 KEG genauso wie der Anspruch
gegenüber dem Stilllegungsfonds nicht veräußert, gepfändet oder zur Konkursmasse
herangezogen werden. Nur für den Fall, dass das Kernkraftwerk aus einer Konkursmasse übernommen wird, geht der Anspruch gegenüber dem Entsorgungsfonds auf
den neuen Eigentümer über; dieser muss dafür im Gegenzug die noch ausstehenden
Beiträge leisten.
Stellt sich nach der Durchführung aller Entsorgungsarbeiten heraus, dass der Anspruch gegenüber dem Fonds die geleisteten Zahlungen des Fonds übersteigt, wird
der Überschuss nach der Schlussabrechnung zurückerstattet.
cc) Nachschusspflicht
Reicht das angesammelte Kapitel bei der Außerbetriebnahme einer Kernanlage nicht
aus, werden die Kosten durch den Entsorgungsfonds gedeckt.841 Den Differenz-
840 Nach Art. 7 des Reglements zur Entsorgungsfondsverordnung werden Versicherungsansprüche und Garantien nur anerkannt, wenn sie u. a. dem Fond einen unwiderruflichen und unbedingten Anspruch gewähren, der Versicherer Gewähr für eine längerfristige Zahlungsfähigkeit bietet und der Anspruch des Fonds gegen den Versicherer nicht untergeht, falls der Beitragspflichtige seinen Verpflichtungen gegenüber dem Versicherer nicht mehr nachkommt.
841 Art. 79 Abs. 1 KEG.
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betrag muss der beitragspflichtige Eigentümer des Kernkraftwerks innerhalb von
drei Jahren samt einem marktüblichen Zins zurückbezahlen.842
Sollte der Eigentümer hierzu nicht in der Lage sein, waren die Eigentümer der
anderen Kernanlagen bisher, anders als beim Stilllegungsfonds, nicht zur solidarischen Mitfinanzierung verpflichtet.843 Dies hat sich mit dem Inkrafttreten des neuen
Kernenergiegesetzes geändert. Durch Art. 80 Abs. 2 und Abs. 3 KEG sind die übrigen Beitragspflichtigen und Anspruchsberechtigten verpflichtet worden, den entsprechenden Differenzbetrag im Verhältnis ihrer Beiträge durch Nachschüsse zu decken.844 Lediglich für den Fall, dass die Nachschüsse für die anderen Beitragspflichtigen wirtschaftlich nicht tragbar sind, kann die Bundesversammlung eine
staatliche Beteiligung an den nicht gedeckten Kosten beschließen. Hierdurch wurde
die „solidarische“ Nachschusspflicht auch auf die Entsorgungskosten erweitert. Damit wurde der größte Unterschied zwischen den Regelungen über den Stilllegungsfonds und den Regelungen des Entsorgungsfonds durch das neue Kernenergiegesetz beseitigt.
dd) Organisation des Entsorgungsfonds
Die Organisationsstruktur des Entsorgungsfonds entspricht der des Stilllegungsfonds. Der Fonds ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit und Sitz in Bern. Geleitet wird der Entsorgungsfonds von der Verwaltungskommission und dem Sekretariat des Stilllegungsfonds. Dabei übernimmt die Verwaltungskommission insbesondere die Aufgaben, die Entsorgungskosten alle fünf
Jahre zu überprüfen, die Beiträge hiernach zu veranlagen und das Fondsvermögen
anzulegen.845 Das Sekretariat unterstützt die Verwaltungskommission dabei, indem
es die Sitzungen der Verwaltungskommission vorbereitet und deren Beschlüsse ausführt.846 Beaufsichtigt wird die Arbeit der Verwaltungskommission und des Sekretariats bei beiden Fonds vom UVEK.
ee) Anlagenpolitik des Entsorgungsfonds
Auch wenn die Verwaltung der beiden Fonds durch dieselben Organe erfolgt, muss
das Fondsvermögen der beiden Fonds streng getrennt voneinander verwaltet werden.
Ein Vermischen der Fondsbeiträge ist untersagt.847 Die Anlagenpolitik des Entsor-
842 Art. 80 Abs. 1 KEG.
843 Jagmetti, Energierecht, Rdnr. 5519.
844 Der Grund für die Nichtleistung kann dabei entweder mangelnde Liquidität oder auch der
Konkurs des entsorgungspflichtigen Unternehmens sein, denn nach Art. 80 Abs. 2 und Abs. 3
KEG besteht in beiden Fällen eine solidarische Nachschusspflicht.
845 Art. 10 Abs. 1 des Reglements zur Entsorgungsfondsverordnung.
846 Art. 17 EntsFV.
847 BBl 2001, S. 2795.
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gungsfonds ist deswegen von der des Stilllegungsfonds zu trennen. Sie unterliegt
jedoch den gleichen Zielen und Beschränkungen wie die Anlagenpolitik des Stilllegungsfonds. So ist das Ziel nach Art. 7 EntsFV, „die Aktiva des Fonds so anzulegen,
dass ihre Sicherheit sowie eine angemessene Verzinsung und Zahlungsbereitschaft
je Kernkraftwerk gewährleistet ist“. Dabei dürfen nach Art. 11 des Reglements zur
Entsorgungsfondsverordnung die Mittel des Fonds weder in Unternehmen der beitragspflichtigen Eigentümer noch in Unternehmen, deren Aktiva mehrheitlich in
Kernanlagen investiert sind, angelegt werden. Nach diesen Vorgaben arbeitet die
Verwaltungskommission eine Richtlinie für die Anlagenstrategie aus, die vom
UVEK überprüft wird. Nach der Genehmigung dieser Richtlinie legt die Verwaltungskommission die angesammelten Gelder dementsprechend an. Die aus der Anlage erzielten Kapitalerträge erhöhen das Fondsvermögen und sind genauso wie die
des Stilllegungsfonds gem. Art. 81 Abs. 4 KEG steuerfrei.
ff) Gesamtsituation des Entsorgungsfonds
In den Entsorgungsfonds mussten die Kernkraftwerkbetreiber erstmals im Jahr 2001
einzahlen. Nach einer Übergangsfrist müssen die von den Unternehmen bisher selbst
verwalteten Rückstellungen für die nachbetrieblichen Entsorgungskosten in den
Fonds einbezahlt sein. Diese Transaktionen wurden für die Kernkraftwerke Beznau,
Mühleberg und Gösgen im Jahr 2005 abgeschlossen. Für Leibstadt wird es im Jahr
2010 so weit sein. Ende 2006 betrug das Vermögen im Entsorgungsfonds 3,029 Milliarden Schweizer Franken.848 Damit sind fast die Hälfte der nachbetrieblichen Entsorgungskosten in Höhe von voraussichtlich 6,3 Milliarden Schweizer Franken angesammelt.849
Bis zum Jahr 2025 soll der Fonds genügend Kapital aufweisen, um die Bezahlung
der noch ausstehenden Entsorgungskosten sicherzustellen.
Ebenso wie der Stilllegungsfonds hat die Anlagenrendite des Entsorgungsfonds
seit der Gründung die Erwartungen übertroffen. Sie liegt mit 3,6 Prozent über 1,6
Prozent über der von der Verwaltungskommission in ihren Richtlinien vorgegebenen effektiven Anlagenrendite von 2 Prozent.850 Allein im letzten Jahr konnte
der Entsorgungsfonds Erträge aus der Vermögensverwaltung in Höhe von 194,3
Millionen Schweizer Franken verzeichnen. Abzüglich der jährlich anfallenden Ver-
848 Verwaltungskommission des Entsorgungsfonds, Jahresbericht 2006, S. 13,
„www.entsorgungsfonds.ch/ de/dokumente/Jahresbericht2006_EntsF_d.pdf“; besucht am
11.09.2007.
849 Nuklearforum Schweiz, Finanzierung der nuklearen Entsorgung und der Stilllegung von
Kernkraftwerken, „www.nuklearforum.ch/_upl/files/Faktenblatt_Entsorgung_2006d.pdf“
Stand: Mai 2006, besucht am: 10.08.2007.
850 Verwaltungskommission des Entsorgungsfonds, Jahresbericht 2006, S. 13,
„www.entsorgungsfonds.ch/ de/dokumente/Jahresbericht2006_EntsF_d.pdf“; besucht am
11.09.2007.
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mögensverwaltungskosten in Höhe von 9,5 Millionen Schweizer Franken, blieb somit ein Gewinn von rund 184,8 Millionen Schweizer Franken.
Die Höhe der jährlichen Beiträge für die neue Veranlagungsperiode von 2007 bis
2012 wird zurzeit noch von der Verwaltungskommission des Entsorgungsfonds berechnet.
V. Zusammenfassung
Im Gegensatz zum deutschen Recht tragen die Kernkraftwerkbetreiber in der
Schweiz die Verantwortung für den gesamten Entsorgungsprozess, einschließlich
der Errichtung und des Betriebs eines Endlagers. Eine Aufgabenaufteilung zwischen
der Realisierungsverantwortung und der finanziellen Verantwortung im Endlagerbereich gibt es im schweizerischen Recht nicht. Der Staat ist jedoch in vielfältiger
Weise in die Entscheidungsprozesse bezüglich der Endlagerung eingebunden. Der
Bundesrat legt in einem sog. Sachplan die Kriterien für das notwendige Such- und
Auswahlverfahren fest. Der Bundesversammlung ist es vorbehalten, die endgültige
Entscheidung über einen Endlagerstandort zu treffen. Die Durchführung der Entsorgung obliegt aber den Kernkraftwerkbetreibern, die sich hierfür in der NAGRA zusammengeschlossen haben.
Bei der Finanzierung der Entsorgungskosten ist zwischen den Entsorgungskosten,
die vor der Außerbetriebnahme und denen, die nach der Außerbetriebnahme eines
Kernkraftwerks entstehen, zu unterscheiden. Für die Kosten, die vor der Außerbetriebnahme eines Kernkraftwerks anfallen, müssen die schweizerischen Kernkraftwerkbetreiber Rückstellungen bilden. Im Gegensatz zum deutschen Recht unterliegt die Verfügung über die Rückstellungsgegenwerte allerdings einigen Beschränkungen, die sicherstellen sollen, dass die notwendigen Finanzmittel im Bedarfsfall zur Verfügung stehen.
Die Kosten nach der Außerbetriebnahme werden dagegen von einem öffentlichrechtlichen Entsorgungsfonds bezahlt. Beitragspflichtig sind alle vier Betreiber von
Kernkraftwerken in der Schweiz. Sie müssen, während der Betriebslaufzeit ihrer
Kernkraftwerke, die Gelder für die Entsorgungskosten in den Fonds einzahlen, die
voraussichtlich nach der Außerbetriebnahme anfallen werden. Der Fonds legt die
eingezahlten Finanzmittel so an, dass sie im Bedarfsfall verfügbar sind. Aus diesem
Fonds werden dann die von der NAGRA in Rechnung gestellten Entsorgungskosten
bezahlt. Für den Fall, dass ein Kernkraftwerkbetreiber die notwendigen Finanzmittel
nicht bereitstellen kann, sind seit dem Inkrafttreten des neuen Kernenergiegesetzes
die anderen Kernkraftwerkbetreiber verpflichtet, einen entsprechenden Betrag nachzuschießen. Insofern existiert mittlerweile auch für den Entsorgungsfonds eine sog.
solidarische Nachschusspflicht, die die Finanzierungssicherheit erhöhen soll.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die nukleare Entsorgung und die Stilllegung von Kernkraftwerken ist nicht nur eine technische, sondern auch eine finanzielle Herausforderung. Die hohen Kosten und der lange Zeitraum, über den sich die notwendigen Stilllegungs- und Entsorgungsmaßnahmen erstrecken, stellen besondere Anforderungen an die finanzielle Vorsorge.
Dieses Buch analysiert die gesetzlichen Vorschriften, nach denen in Deutschland und der Schweiz finanzielle Vorsorge für die Stilllegung und Entsorgung betrieben wird, da diese beiden Länder unterschiedliche Wege gewählt haben, die weltweit exemplarisch für die unterschiedliche Herangehensweise an dieses Problem sind. In Deutschland basiert die Finanzierungsvorsorge auf einer unternehmensinternen Lösung durch die Bildung von Rückstellungen bei den kernkraftwerkbetreibenden Unternehmen. Diese Art der Finanzierungsvorsorge führt zu erheblichen Wettbewerbsvorteilen zugunsten der Kernkraftwerkbetreiber. Inwieweit diese mit dem nationalen und dem europäischen Recht vereinbar sind, bildet ein Schwerpunkt dieses Buchs. Ein anderer Schwerpunkt ist der Vergleich mit dem unternehmensexternen Finanzierungssystem, das die Schweiz zur Finanzierungsvorsorge gewählt hat.