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vereinbart, ist eine mündliche Erklärung gegenüber der Gesellschafterversammlung
ausreichend; die Annahme der Erklärung ist nicht erforderlich.591
III. Geschäftsführereigenschaft bestimmter Formen von directors
1. Corporate director als Geschäftsführer
Aus s. 289 CA 1985592 ergibt sich, dass auch eine juristische Person director einer
Ltd. sein kann (sog. corporate director), insbesondere eine andere Ltd. Demgegenüber lässt § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG als Geschäftsführer einer deutschen GmbH
nur natürliche Personen zu. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, der corporate
director einer Ltd. könne nicht „Geschäftsführer“ i.S.d. § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG
sein, weil dem GmbHG die Vertretung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung
durch juristische Personen fremd sei, denn auch eine deutsche GmbH kann durch
eine juristische Person als Organ vertreten werden,593 nämlich während der Liquidation. Das folgt daraus, dass der für den Liquidator geltende § 66 Abs. 4 GmbHG
nicht auf § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG verweist.
Ist der Liquidator einer deutschen GmbH eine juristische Person, so ist nach § 71
Abs. 4 i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG unmittelbar nur die juristische Person zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet, nicht aber deren vertretungsberechtigtes
Organ. Die Strafbarkeit des vertretungsberechtigten Organs der juristischen Person
stellt jedoch § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB sicher, welcher dem Organ die Eigenschaft des
Liquidators zurechnet.
Nichts anderes gilt hinsichtlich des directors einer Ltd., der keine natürliche Person ist, denn § 14 Abs. 1 StGB erlaubt auch die Zurechnung besonderer persönlicher
Merkmale ausländischer Rechtsträger.594 Der director ist entweder „vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person“ oder „Mitglied eines solchen Organs“
i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Der strafrechtlichen Verantwortlichkeit wegen Insolvenzverschleppung kann auch nicht ausgewichen werden, indem zwei Gesellschaften sich gegenseitig als director einsetzen, denn auch bei dieser Konstruktion
wird letztlich eine natürliche Person die Leitung der Gesellschaften innehaben und
somit faktisches Organ sein. Es ist dann eine Frage des Einzelfalls, ob die natürliche
Person faktisches Organ der insolventen Gesellschaft ist oder faktisches Organ der
diese vertretenden Gesellschaft. Im zuletzt genannten Fall wird dem faktischen
Organ die Geschäftsführereigenschaft nach § 14 Abs. 1 StGB zugerechnet.
591 Zum Sonderfall der resignation eines first directors vgl. POW Services v Clare [1995]
2 BCLC 440 ff.
592 Bzw. ab 01.10.2008 s. 155(1) CA 2006.
593 Allgemeine Ansicht, vgl. Scholz/K. Schmidt, § 66 Rn. 3a, m.w.N.
594 Vallender, ZGR 2006, 425 (458); M-G/B/Müller-Gugenberger, § 23 Rn. 116; Rönnau,
ZGR 2005, 839 (844). Grundsätzlich zustimmend, aber mit Bedenken wegen der Niederlassungsfreiheit Sandrock/Wetzler/Hoffmann, S. 227 (253); Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (15).
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2. De facto und shadow director als Geschäftsführer
Nach der Rechtsprechung des BGH in Strafsachen liegt faktische Geschäftsführung
vor, „wenn sowohl betriebsintern als auch nach außen alle Dispositionen weitgehend
von dem faktischen Geschäftsführer ausgehen und er im Übrigen auf sämtliche
Geschäftsvorgänge bestimmenden Einfluss nimmt“, seine Unternehmensführung
durch das Einverständnis der Gesellschafter gedeckt ist, „das als eine konkludente
Bestellung zu werten ist“, und der faktische Geschäftsführer „gegenüber dem formellen Geschäftsführer die überragende Stellung in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung einnimmt oder zumindest das deutliche Übergewicht hat.“595 Ausreichend ist die Billigung der faktischen Geschäftsführung durch die für eine wirksame
Bestellung erforderliche Mehrheit der Gesellschafter.596 Der BGH leitet aus § 6
Abs. 2 S. 1 GmbHG ab, dass nur eine natürliche Person faktischer Geschäftsführer
einer GmbH sein könne.597
Dass nicht nur ein (vermeintlich) wirksam bestelltes Organ, sondern auch ein
faktisches Organ „Geschäftsführer“ i.S.d. des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG ist, gilt
grundsätzlich auch für eine englische Ltd. Es ist jedoch zu beachten, dass die Rechtsprechung die Voraussetzungen faktischer Geschäftsführung ausdrücklich oder stillschweigend anhand der für den Geschäftsführer einer deutschen GmbH geltenden
gesellschaftsrechtlichen Vorschriften bestimmt. Würde diese Rechtsprechung uneingeschränkt auf die Insolvenzverschleppung bei einer englischen Ltd. übertragen,
käme auf die Ltd. mittelbar das – nach Internationalem Gesellschaftsrecht unanwendbare – deutsche Gesellschaftsrecht zur Anwendung. Um zu verhindern, dass
nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG bestraft wird, wer sich wegen Fehlverhaltens in der
Insolvenz mangels Organstellung nach englischem Recht nicht zu verantworten
hätte, sind daher die Voraussetzungen der faktischen Geschäftsführung bei einer Ltd.
unter Berücksichtigung des englischen Rechts zu bestimmen.
Nach englischem Recht kann in der Insolvenz einer Ltd. nicht nur der wirksam
bestellte sog. de jure director als Organ belangt werden, sondern auch der shadow
director und der de facto director: Gemäß s. 214(7) IA 1986 kann der shadow director wegen wrongful trading in Anspruch genommen werden. Die Rechtsprechung
wendet s. 214 IA 1986 auf den de facto director an.598 Die fiduciary duties gelten für
den shadow director599 und den de facto director600.
595 BGHSt 46, 62 (64 f.), m.w.N. Vgl. auch den „Sechs-von-Acht-Test“ des BayObLG, NJW
1997, 1936.
596 OLG Karlsruhe, NJW 2006, 1364.
597 BGHZ 150, 61 (68).
598 Re Hybrodam (Corby) Ltd [1994] 2 BCLC 180, 182.
599 Yukong Line Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998]
2 BCLC 485, 502; Hannigan, Companies Act, S. 1099; Mayson/French/Ryan, 16.3 (S. 515);
einschränkend Ultraframe (UK) Ltd v Northstar Systems Ltd (in liquidation) [2005] EWHC
1638 (Ch) Rn. 1279 ff.
600 Re Simmons Box (Diamonds) Ltd [2000] BCC 275, 286; Mayson/French/Ryan, 16.3 (S. 515).
Zur Buchführungspflicht auch Re Kaytech International plc [1999] 2 BCLC 351, 406.
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Im Gegensatz zum de jure director einer Ltd. sind der de facto director und der
shadow director nicht wirksam bestellt. De facto director ist, wer nach außen als
director auftritt und intern die Geschäfte wie ein de jure director führt. Damit entspricht der de facto director in etwa dem faktischen Geschäftsführer. Nach der Legaldefinition in s. 251 IA 1986601 ist shadow director eine natürliche oder juristische
Person, deren Anweisungen von den directors der Ltd. befolgt werden.602 Im Unterschied zum de facto director handelt er aber nicht selbst, sondern durch andere.603
Zudem tritt der shadow director nach außen nicht als director auf. Wegen dieser
Unterschiede ist in der Rechtsprechung eine strikte Trennung beider Rechtsfiguren
vertreten worden,604 deren praktische Bedeutung aber fraglich ist.605
Wie beim faktischen Geschäftsführer einer deutschen GmbH besteht auch beim
de facto director bzw. shadow director die Schwierigkeit darin, die Anforderungen
an die tatsächliche Leitungsmacht allgemein zu bestimmen, um der Rechtsprechung
den Einzelfallcharakter zu nehmen. Gesichert ist sowohl für die shadow directorship
als auch die de facto directorship, dass „real influence“ erforderlich ist.606 Die vornehmlich zur shadow directorship diskutierten Fälle zeigen jedoch, dass die Anforderungen geringer sind als bei der faktischen Geschäftsführung einer deutschen
GmbH. Wie sich schon aus der Legaldefinition des shadow director ergibt, ist die
berufsbedingte Beratung der Ltd., z.B. durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater,
zwar nicht ausreichend, eine Bank kann aber grundsätzlich shadow director eines
Kunden sein.607 Ferner kann sich die shadow directorship aus einer Geschäftsbeziehung ergeben, denn die in England üblichen Sicherungsmittel erlauben es, dass
ein Gläubiger zum shadow director wird, wenn er durch seine Sicherheiten maßgeblich auf die Geschicke der Ltd. Einfluss nimmt. Denkbar ist auch, dass eine Mutter-
601 „In relation to the company ‘shadow director’ means a person in accordance with whose
directions or instructions the directors of a company are accustomed to act (but so that person is not deemed by reason only that the directors act on advice given by him in a professional capacity).“ Entsprechende Definitionen finden sich in s. 251 CA 2006 und s. 22 (5)
CDDA 1986.
602 Eine Rechtsprechungsübersicht und einen Katalog der maßgeblichen Kriterien zum shadow
director bietet die Entscheidung Secretary of State for Trade and Industry v Deverell [2000]
2 BCLC 133, 141-146. Vgl. ferner Noonan/Watson, JBL 2006, 763 ff; Keay, Responsibilities,
S. 6-8.
603 Zur Frage, wie viele de jure directors ihm folgen müssen vgl. Lord v Sinai Securities Ltd
[2004] EWHC 1764 (Ch) Rn. 27 („consistent majority“); Ultraframe (UK) Ltd v Northstar
Systems Ltd (in liquidation) [2005] EWHC 1638 (Ch) Rn. 1272; Re Unisoft Group Ltd (No 3)
[1994] 1 BClC 609, 620 („governing majority“).
604 Re Hybrodan (Corby) Ltd [1994] 2 BCLC 180, 182 f. Zustimmend Hannigan, Companies
Act, S. 1099; Morse/Morse, S. 237; Sealy/Milman, S. 275; Keay, Responsibilities, S. 8.
605 Kritisch Re Kaytech International plc [1999] 2 BCLC 351, 424. In Re Manlon Trading Ltd
[1988] 4 BCC 455, 456; Re Tasbian Ltd (No. 3) [1992] BCC 358, 364; Re Pantone 485 Ltd
[2002] BCLC 266, 277, wurde nicht unterschieden.
606 Re Kaytech International plc [1999] 2 BCLC 351, 424; Secretary of State for Trade and
Industry v. Deverell [2000] 2 BCLC 133, 145.
607 Vgl. Re a Company (No 005009 of 1987) [1989] BCLC 13, 16; Re MC Bacon (No 2) [1990]
BCLC 607; Kuwait Asia Bank EC v National Mutual Life Nominees Ltd [1990] BCLC 868.
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gesellschaft shadow director einer Tochtergesellschaft ist,608 was aber nicht bedeutet, dass der director der Muttergesellschaft zugleich shadow director der Tochtergesellschaft ist.609 Der director einer Ltd., die corporate director einer anderen Ltd.
ist, muss auch nicht de facto director dieser zweiten Ltd. sein.610 Schließlich erklärt
sich die über die deutsche Rechtsprechung zum faktischen Geschäftsführer hinausgehende englische Rechtsprechung auch daraus, dass der director bzw. das board of
directors vorbehaltlich anderslautender Bestimmungen in den articles of association
nicht weisungsgebunden ist.611 Was bei einer deutschen GmbH noch als Weisung der
Gesellschafter angesehen wird, kann bei einer Ltd. in England schon die directorship begründen.612
Festzuhalten ist, dass als Geschäftsführer auch solche Personen gemäß § 84
Abs. 1 Nr. 2 GmbHG bestraft werden können, die nach englischem Recht als shadow oder de facto director einer Ltd. gelten.613
3. Managing, executive und non-executive director als Geschäftsführer
In der englischen Rechtspraxis werden die Begriffe managing director sowie –
vornehmlich bei größeren Gesellschaften – executive director und non-executive
director verwendet. Mit ihnen werden Unterschiede hinsichtlich der Aufgaben und
Befugnisse der directors zum Ausdruck gebracht.
Das Bedürfnis für die Begriffe managing director und executive director ergibt
sich daraus, dass die articles of association grundsätzlich die Geschäftsführung und
Vertretung der Ltd. durch das board of directors vorsehen. Diese Gesamtgeschäftsführung bzw. -vertretung ist jedoch im Geschäftsverkehr ungeeignet, weshalb einigen directors Einzelvertretungsbefugnis und Geschäftsführungsbefugnis für bestimmte Bereiche eingeräumt wird. Wie diese als managing bzw. executive directors
bezeichneten Geschäftsführer voneinander abzugrenzen sind, ist nicht eindeutig.614
Für Außenstehende ist die Differenzierung unerheblich, weil ihnen eine Beschränkung der Vertretungsmacht wegen s. 35A(1) CA 1985615 grundsätzlich nicht entgegengehalten werden kann. Mit dem Begriff non-executive director wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das englische Recht kein eigenständiges Aufsichtsorgan neben dem board of directors vorsieht (sog. monistische System). Der non-
608 Re Hybrodam (Corby) Ltd [1994] 2 BCLC 180, 184.
609 Re Hybrodam (Corby) Ltd [1994] 2 BCLC 180, 184.
610 Secretary of State for Trade and Industry v Hall [2006] EWHC 1995.
611 Howard Smith Ltd v Ampol Petroleum Ltd [1974] AC 821, 837.
612 Vgl. Secretary of State for Trade and Industry v Deverell [2000] 2 BCLC 133, 146.
613 Vgl. Fritz/Hermann/Hermann, Rn. 264: Auch den shadow director treffen Pflichten des deutschen Insolvenzrechts.
614 Vgl. dazu Dreibus, S. 104 f.
615 Ab 01.10.2009 s. 40(1) CA 2006.
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executive director ist daher Ersatz für den Aufsichtsrat und mit der Beratung und
Überwachung der Ltd. bzw. des boards betraut.616
Angesichts dieser Differenzierungen ist fraglich, welche directors Geschäftsführer i.S.d. § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG sind. Nach einer Ansicht entspricht nur der
managing director „in etwa“ dem deutschen GmbH-Geschäftsführer.617 Teilweise
wird der executive director für mit dem Geschäftsführer einer deutschen GmbH
vergleichbar gehalten.618 Eine weitere Meinung stellt sowohl den managing director
als auch den executive director dem deutschen Geschäftsführer gleich.619 Richtigerweise ist die Differenzierung für den Begriff des Geschäftsführers bei einer Ltd.
ohne Bedeutung,620 denn die Aufgabenverteilung wirkt nur im Verhältnis der directors zueinander und vielleicht noch zur Ltd. Im Verhältnis zu Dritten und in Bezug
auf die Wahrnehmung gesetzlicher Pflichten kommt es allein auf die Bestellung zum
director an. Wer director ist, hat auch die Pflichten eines directors wahrzunehmen.621 Die Geschäftsverteilung oder Delegation bestimmter Aufgaben befreit
nicht von der Überwachung.622 Daher kann sich auch ein non-executive director als
Geschäftsführer nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG strafbar machen.
4. Board of directors als vertretungsberechtigtes Organ
Nach § 15 Abs. 1 InsO ist „jedes Mitglied des Vertretungsorgans“ zum Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer juristischen Person
„berechtigt“. Entgegen seinem Wortlaut schafft § 15 Abs. 1 InsO kein Antragsrecht,
das zu dem der insolventen juristischen Person aus § 13 Abs. 1 S. 2 InsO hinzukommt, sondern regelt die Vertretungsbefugnis dergestalt, dass jedes Mitglied des
Vertretungsorgans befugt ist, die juristische Person bei dem Antrag auf Eröffnung
616 Aus der Entscheidung Cohen v Selby [2001] 1 BCLC 176, 186, ergibt sich, dass der nonexecutive director der einzige director der Ltd. sein kann.
617 Bücker, S. 22, 50. Die Ausführungen beziehen sich allerdings auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des CA 1985.
618 Neuling, S. 78, 115; ebenso Hartmann, S. 183.
619 Schwilden, S. 8.
620 Vgl. Süß/Wachter/Ebert/Levedag, S. 573 (694), Rn. 585. Nach s. 250 CA 2006 ist es zudem
unerheblich, wie ein director bezeichnet wird, z.B. als CEO.
621 Vgl. Dorchester Finance Co Ltd v Stebbing [1989] BCLC 498, 505; Re Westmind Packing
Services Ltd [1998] 2 BCLC 646, 653 f.; Re Stephenson Cobbold Ltd (in liquidation) [2000]
2 BCLC 614, 625; Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [2001] 1 BCLC 275, 309 f.; Rushworth, S. 6.
622 Re Westmind Packing Services Ltd [1998] 2 BCLC 646, 653; Re Barings plc (No 5) [1999]
1 BCLC 433, 435 f.; Re Kaytech International plc [1999] 2 BCLC 351, 407; Pennington,
S. 735. Ebenso BGHZ 133, 370 (377) zum GmbH-Geschäftsführer. Vgl. zur Insolvenzantragspflicht des „unzuständigen“ Geschäftsführungsorgans BGH, NJW 1994, 2149
(2150 f.).
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des Insolvenzverfahrens einzeln zu vertreten.623 Diese Einzelvertretungsbefugnis ist
eine Voraussetzung dafür, dass jedes Mitglied des Vertretungsorgans die Insolvenzantragspflicht einzeln erfüllen kann.624
Da die Ltd. eine juristische Person ist, und das board of directors ihr Vertretungsorgan ist, dessen Mitglieder die directors sind, wäre bei Anwendbarkeit des § 15
Abs. 1 InsO jeder director befugt, einzeln die Eröffnung des Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Ltd. zu beantragen. Der Insolvenzantragspflicht aus § 64 Abs. 1 GmbHG könnte jeder director auch ohne die Mitwirkung der
übrigen directors nachkommen. Dass die directors nach englischem Gesellschaftsrecht – wie in art. 72 Table A vorausgesetzt – grundsätzlich nur gemeinsam zur Vertretung der Ltd. befugt sind, nämlich als board of directors, wäre dann unbeachtlich.
In der Literatur wird dagegen die Ansicht vertreten, der einzelne director könne
nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen, wenn nur das board of
directors zur Vertretung berechtigt sei.625 Zur Begründung heißt es, die Berechtigung, für die Gesellschaft wirksam einen Insolvenzantrag zu stellen, sei gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren.626 Demnach könnte einer von mehreren directors
mangels Einzelvertretungsbefugnis nicht verpflichtet sein, einzeln die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens zu beantragen. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen, weil § 15
Abs. 1 InsO eine auf die Antragstellung beschränkte Einzelvertretungsbefugnis
begründet, die lediglich an die gesellschaftsrechtlichen Vertretungsverhältnisse anknüpft, und als Insolvenzverfahrensrecht insolvenzrechtlich zu qualifizieren ist.627
Soweit das englische Gesellschaftsrecht oder die Satzung Regelungen enthalten, die
die Gesamtvertretung vorsehen, werden diese durch § 15 Abs. 1 InsO verdrängt.628
Die Insolvenzantragspflicht trifft somit jeden einzelnen director.
Ist der director selbst keine natürliche Person (sog. corporate director), ist jedes
Mitglied des Vertretungsorgans des corporate directors einzeln befugt, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Ltd. zu beantragen. Zwar gilt
§ 15 Abs. 1 InsO seinem Wortlaut nach in solchen Fällen mehrstufiger Vertretung
nicht, d.h., die Mitglieder des Vertretungsorgans des corporate directors müssten
diesen bei der Antragstellung gemeinsam vertreten. Die Regelung des § 15 Abs. 3
InsO, der in Fällen mehrstufiger Vertretung bei Gesellschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit gilt, zeigt jedoch, dass der Gesetzgeber bei einem Schuldner, für
dessen Verbindlichkeiten keine natürliche Person unbeschränkt haftet, stets allen
623 Braun/Bußhardt, § 15 Rn. 2; MK-InsO/Schmahl, § 15 Rn. 10; Hess/Hess, § 15 Rn. 9; Uhlenbruck/Hirte, § 15 Rn. 1; GK-InsO/H.-F. Müller, § 15 Rn. 2.
624 Vgl. Uhlenbruck/Hirte, § 15 Rn. 1; GK-InsO/H.-F. Müller, § 15 Rn. 2.
625 Süß/Wachter/Süß, § 1 Rn. 83; Vallender, ZGR 2006, 425 (439); Holzer, ZVI 2005, 457 (463);
unklar Riedemann, GmbHR 2004, 345 (347).
626 Vallender, ZGR 2006, 425 (439).
627 MK-InsO/Schmahl, § 15 Rn. 44.
628 Vgl. Eidenmüller/Eidenmüller, § 9 Rn. 23; Triebel/v. Hase/Melerski/v. Hase, Rn. 602;
Fritz/Hermann/Hermann, Rn. 262; Hirte/Bücker/Hirte, § 1 Rn. 73; Hirte/Bücker/Mock/
Schildt, § 17 Rn. 64; Mock/Schildt, ZIP 2003, 396 (399); Wilms, S. 121; Hess/Hess, Anhang G Rn. 97 f.; Bachner, S. 64 (zu § 69 der österreichischen KO).
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unmittelbar oder mittelbar zur Vertretung des Schuldners berechtigten natürlichen
Personen die Befugnis zur Einzelvertretung geben wollte. Im Gesetzgebungsverfahren wurde lediglich übersehen, dass Fälle mehrstufiger Vertretung auch bei
juristischen Personen auftreten können. Es wurden die Vertretungsverhältnisse bei
werbenden deutschen Kapitalgesellschaften zugrunde gelegt,629 bei denen die Mitglieder des Vertretungsorgans natürliche Personen sein müssen, vgl. § 6 Abs. 2 S. 1
GmbHG, § 76 Abs. 3 S. 1 AktG. Um diese Lücke zu schließen, ist § 15 Abs. 3 InsO
entsprechend auf die Vertretungsbefugnis bei juristischen Personen – wie einer
Ltd. – anzuwenden.630
IV. Vertretungsberechtigtes Organ der Ltd. in besonderen Stadien
Sobald die Ltd. mit der incorporation Rechtspersönlichkeit erlangt hat, ist ihr director Geschäftsführer i.S.d. § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG. Es stellt sich jedoch die
Frage, ob der director auch dann noch Geschäftsführer ist, wenn die Ltd. in einem
voluntary winding up nach englischem Recht abgewickelt wird oder wenn sie nach
der dissolution in Deutschland als Liquidationsgesellschaft fortbesteht.
1. Vertretungsberechtigtes Organ nach dissolution
Wie dargestellt, besteht eine Ltd. nach der dissolution als Liquidationsgesellschaft
englischen Rechts fort, wenn in Deutschland noch Vermögen belegen ist. Allerdings
soll die Vertretungsbefugnis der bisherigen directors mit der dissolution entfallen.631
Bis zur Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Zuständigkeitsergänzungsgesetz wurde die
Ansicht vertreten, die Gesellschaft werde durch einen in entsprechender Anwendung
dieser Vorschrift zu bestellenden Abwesenheitspfleger vertreten.632 Nunmehr kommt
die Bestellung eines Prozesspflegers nach § 57 ZPO633, eines Pflegers nach § 1913
629 Vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 114; BT-Drs. 12/7302, S. 156.
630 MK-InsO/Schmahl, § 15 Rn. 39.
631 Krömker/Otte, BB 2008, 964 (965); Vallender, ZGR 2006, 425 (437); Süß, DNotZ 2005, 180
(189); Schulz, NZG 2005, 415; Happ/Holler, DStR 2004, 730 (736); Mansel, L.A. Kegel,
S. 111 (122); Triebel/v. Hase/Melerski/v. Hase, Rn. 622; Hirte/Bücker/Hirte, § 1 Rn. 77a;
einschränkend Röder, RIW 2007, 866 (886). Anders Lamprecht, ZEuP 2008, 289 (309), und
Lutter/U. Huber, AuslGes, S. 307 (338), dem zufolge für den Geschäftsführer – nicht den
Liquidator – weiterhin die Insolvenzantragspflicht besteht.
632 Vallender, ZGR 2006, 425 (437 f.); Süß, DNotZ 2005, 180 (189); Schulz, NZG 2005, 415
(416); Happ/Holler, DStR 2004, 730 (736); Mansel, L.A. Kegel, S. 111 (122); Hirte/Bücker/
Mock/Schildt, § 17 Rn. 131. So wurde bereits bei den infolge Enteignung entstandenen Restund Spaltgesellschaften verfahren, vgl. BGH, IPRspr. 1977 Nr. 4; BGHZ 39, 81.
633 Vgl. Hirte/Bücker/Hirte, § 1 Rn. 77a; Lamprecht, ZEuP 2008, 289 (311).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach noch herrschender Meinung kann der director einer englischen private company limited by shares (Ltd.) nicht wegen Insolvenzverschleppung nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG bestraft werden. Dem tritt der Autor entgegen und zeigt, dass mit dieser Strafvorschrift sehr wohl gegen gläubigergefährdendes Verhalten des directors einer Ltd. vorzugehen ist.
Denn die Auslegung des Begriffs „Geschäftsführer“ ergibt, dass dieser die Organe ausländischer Gesellschaften mit beschränkter Haftung einbezieht. Für die Organe solcher Gesellschaften besteht auch eine Insolvenzantragspflicht nach § 64 Abs. 1 GmbHG, weil diese Vorschrift dem Insolvenzrecht zuzuordnen und über Art. 4 Abs. 1 EuInsVO anwendbar ist.
Darauf aufbauend werden die Besonderheiten des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG im Fall der Insolvenz einer Ltd. dargestellt, z.B. die Strafbarkeit nach der dissolution, die Begehung durch einen shadow director, die Aufstellung des Überschuldungsstatus und die Antragstellung im Ausland. Abschließend wird die Vereinbarkeit der Insolvenzantragspflicht und ihrer Strafbewehrung mit dem Recht der EG behandelt. Die gefundenen Ergebnisse sind im Wesentlichen auf § 15a Abs. 4 InsO n.F. übertragbar.