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dadurch zum Ausdruck, dass der Geschäftsführer für ordnungsgemäße Angaben auf
Geschäftsbriefen zu sorgen hat (§ 35a Abs. 4, § 79 Abs. 1 GmbHG).
Der „Geschäftsführer“ ist somit eine Person, die aufgrund wirksamer oder vermeintlich wirksamer Bestellung ein nach dem Gesellschaftsrecht vorgeschriebenes
Amt innehat, das zur gesetzlichen Vertretung der Gesellschaft verpflichtet und – in
begrenzbarem Umfang – berechtigt, und die nach außen die Verantwortung für das
ordnungsgemäße Auftreten der Gesellschaft im Rechtsverkehr trägt.
II. Director als Geschäftsführer einer englischen Ltd.
1. Stellung des directors einer Ltd.
Der director einer englischen Ltd. erfüllt die vorstehend genannten Anforderungen
an den Geschäftsführer einer ausländischen GmbH:582
Jede englische Ltd. muss mindestens einen director haben, s. 154(1) CA 2006.
Ferner ist die Bestellung (appointment) eines directors ein körperschaftlicher Organisationsakt, der sich nach gesellschaftsrechtlichen Vorschriften bzw. der Satzung
(articles of association)583 richtet und vom Abschluss eines Dienstvertrags (service
contract, vgl. ss. 227 ff. CA 2006) zwischen dem director und der Gesellschaft zu
unterscheiden ist.
Der director bzw. die Gesamtheit der directors, das board of directors, vertritt die
Ltd.584 Dabei ist die Art der Vertretung nicht gesetzlich geregelt, sondern wird in den
articles of association bestimmt. Die Mustersatzung (model articles, Table A) geht
von der Vertretung durch das board of directors aus, lässt aber die Ermächtigung
einzelner directors zu. Die Rechtslage stimmt also mit der bei einer deutschen
GmbH überein, deren Geschäftsführer entsprechend dem Rechtsgedanken des § 78
AktG grundsätzlich nur gemeinschaftlich zur Vertretung berechtigt sind. Wie bei der
Ltd. kann aber auch der deutsche GmbH-Geschäftsführer zur Einzelvertretung ermächtigt werden. Der Unterschied beschränkt sich darauf, dass bei mehreren directors das board of directors zwischengeschaltet ist, wodurch das board aber nicht
zum Geschäftsführer wird.
Der director bzw. das board of directors ist auch Organ der Ltd. Zwar wird der
director im englischen Recht traditionell als Bevollmächtigter (agent) verstanden.585
Diese Ansicht ist aber durch höherrangiges Gemeinschaftsrecht unvertretbar gewor-
582 Vgl. BGH, NJW 2007, 2328 (2329): „[...] dem Geschäftsführer einer inländischen GmbH
gleichstehenden director [...]“.
583 Reichen die Gesellschafter keine Satzung beim Companies House ein, gilt nach s. 8 CA 1985
(ab dem 01.10.2009: s. 20 CA 2006) die Mustersatzung Table A, deren artt. 76-79 die Bestellung und Abberufung behandeln.
584 Anders als bei der public company limited by shares (Plc.) ist bei der Ltd. ein director ausreichend, vgl. s. 154 (1), (2) CA 2006, so dass ein board of directors nicht zwingend ist.
585 Umfassend dazu Dreibus, S. 64 ff.
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den: Die auch für die Ltd. geltende Publizitätsrichtlinie586 spricht ausdrücklich vom
vertretungsberechtigten Organ der Gesellschaft. Die englische Rechtsprechung geht
im Ergebnis ebenfalls von der Organstellung aus, indem Kenntnisse und Delikte der
directors nach der directing minds theory und der organic theory als solche der Ltd.
behandelt werden.587
2. Bestellung und Abberufung
Sobald die Ltd. entsteht, muss sie mindestens einen director haben. Um dies sicherzustellen, ist in den zur Gründung beim registrar of companies einzureichenden
Unterlagen eine Person als sog. first director zu benennen, vgl. s. 10(2)(a)
CA 1985588. Mit der incorporation ist er gemäß s. 13(5) CA 1985589 bestellt. Dagegen erfolgt die spätere Bestellung weiterer directors nicht durch Anzeige gegenüber
dem registrar of companies, sondern richtet sich nach dem in den articles of association vorgesehenen Verfahren. In der Regel ist ein einfacher Beschluss (ordinary
resolution) der Gesellschafterversammlung (general meeting) erforderlich, die Bestellung kann aber auch dem board of directors übertragen werden. Die Wirksamkeit
der Bestellung eines neuen directors hängt nicht von der nach s. 288(2) CA 1985590
vorgeschriebenen Anzeige beim registrar of companies ab.
Nach s. 168(1) CA 2006 kann die Gesellschafterversammlung einen director jederzeit ohne besonderen Grund abberufen (removal). Die Abberufung ist schon vor
Ablauf eines in den articles vorgesehenen Zeitraums möglich. Darauf kann nicht
wirksam verzichtet werden. Besonderheiten gelten, wenn der director zugleich Gesellschafter ist. Dann kann er sich in der Gesellschafterversammlung ausreichend
Stimmen einräumen lassen, um seine Abberufung zu verhindern, oder er ficht die
Abberufung gemäß s. 994(1) CA 2006 gerichtlich mit der Begründung an, sie benachteilige ihn als Gesellschafter (unfair prejudice). Der Dienstvertrag endet mit der
Abberufung nicht automatisch. Der Vertrag kann aber zugleich gekündigt werden,
auch konkludent. Durch die Möglichkeit der jederzeitigen Abberufung wird nicht
ausgeschlossen, dass die Entlassung des directors als wrongful dismissal zu beurteilen ist und einen Ersatzanspruch gegen die Gesellschaft auslöst, vgl. s. 168(5)
CA 2006.
Die Amtsniederlegung (resignation) ist dem director auch ohne eine entsprechende Regelung in den articles of association jederzeit möglich. Ist nicht Schriftform
586 Erste gesellschaftsrechtliche Richtlinie 687151/EWG vom 09.03.1968 (ABl. EG 1968
Nr. L 65/8).
587 Vgl. dazu Lowry/Dignam, S. 274 ff., und Meridian Global Funds Management Asia v Securities Commission [1995] 2 BCLC 116, 120 ff.; El Ajou v. Dollar Land Holdings plc [1994]
BCC 143, 150 ff.
588 Ab 01.10.2009 s. 12(1)(a) CA 2006.
589 Ab 01.10.2009 s. 16(6)(a) CA 2006.
590 Ab 01.10.2009 s. 167(1)(a) CA 2006.
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vereinbart, ist eine mündliche Erklärung gegenüber der Gesellschafterversammlung
ausreichend; die Annahme der Erklärung ist nicht erforderlich.591
III. Geschäftsführereigenschaft bestimmter Formen von directors
1. Corporate director als Geschäftsführer
Aus s. 289 CA 1985592 ergibt sich, dass auch eine juristische Person director einer
Ltd. sein kann (sog. corporate director), insbesondere eine andere Ltd. Demgegenüber lässt § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG als Geschäftsführer einer deutschen GmbH
nur natürliche Personen zu. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, der corporate
director einer Ltd. könne nicht „Geschäftsführer“ i.S.d. § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG
sein, weil dem GmbHG die Vertretung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung
durch juristische Personen fremd sei, denn auch eine deutsche GmbH kann durch
eine juristische Person als Organ vertreten werden,593 nämlich während der Liquidation. Das folgt daraus, dass der für den Liquidator geltende § 66 Abs. 4 GmbHG
nicht auf § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG verweist.
Ist der Liquidator einer deutschen GmbH eine juristische Person, so ist nach § 71
Abs. 4 i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG unmittelbar nur die juristische Person zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet, nicht aber deren vertretungsberechtigtes
Organ. Die Strafbarkeit des vertretungsberechtigten Organs der juristischen Person
stellt jedoch § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB sicher, welcher dem Organ die Eigenschaft des
Liquidators zurechnet.
Nichts anderes gilt hinsichtlich des directors einer Ltd., der keine natürliche Person ist, denn § 14 Abs. 1 StGB erlaubt auch die Zurechnung besonderer persönlicher
Merkmale ausländischer Rechtsträger.594 Der director ist entweder „vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person“ oder „Mitglied eines solchen Organs“
i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Der strafrechtlichen Verantwortlichkeit wegen Insolvenzverschleppung kann auch nicht ausgewichen werden, indem zwei Gesellschaften sich gegenseitig als director einsetzen, denn auch bei dieser Konstruktion
wird letztlich eine natürliche Person die Leitung der Gesellschaften innehaben und
somit faktisches Organ sein. Es ist dann eine Frage des Einzelfalls, ob die natürliche
Person faktisches Organ der insolventen Gesellschaft ist oder faktisches Organ der
diese vertretenden Gesellschaft. Im zuletzt genannten Fall wird dem faktischen
Organ die Geschäftsführereigenschaft nach § 14 Abs. 1 StGB zugerechnet.
591 Zum Sonderfall der resignation eines first directors vgl. POW Services v Clare [1995]
2 BCLC 440 ff.
592 Bzw. ab 01.10.2008 s. 155(1) CA 2006.
593 Allgemeine Ansicht, vgl. Scholz/K. Schmidt, § 66 Rn. 3a, m.w.N.
594 Vallender, ZGR 2006, 425 (458); M-G/B/Müller-Gugenberger, § 23 Rn. 116; Rönnau,
ZGR 2005, 839 (844). Grundsätzlich zustimmend, aber mit Bedenken wegen der Niederlassungsfreiheit Sandrock/Wetzler/Hoffmann, S. 227 (253); Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (15).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach noch herrschender Meinung kann der director einer englischen private company limited by shares (Ltd.) nicht wegen Insolvenzverschleppung nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG bestraft werden. Dem tritt der Autor entgegen und zeigt, dass mit dieser Strafvorschrift sehr wohl gegen gläubigergefährdendes Verhalten des directors einer Ltd. vorzugehen ist.
Denn die Auslegung des Begriffs „Geschäftsführer“ ergibt, dass dieser die Organe ausländischer Gesellschaften mit beschränkter Haftung einbezieht. Für die Organe solcher Gesellschaften besteht auch eine Insolvenzantragspflicht nach § 64 Abs. 1 GmbHG, weil diese Vorschrift dem Insolvenzrecht zuzuordnen und über Art. 4 Abs. 1 EuInsVO anwendbar ist.
Darauf aufbauend werden die Besonderheiten des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG im Fall der Insolvenz einer Ltd. dargestellt, z.B. die Strafbarkeit nach der dissolution, die Begehung durch einen shadow director, die Aufstellung des Überschuldungsstatus und die Antragstellung im Ausland. Abschließend wird die Vereinbarkeit der Insolvenzantragspflicht und ihrer Strafbewehrung mit dem Recht der EG behandelt. Die gefundenen Ergebnisse sind im Wesentlichen auf § 15a Abs. 4 InsO n.F. übertragbar.