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1.Kapitel: Reichweite der gesetzlichen Gläubigerschutzinstrumente
Nach dem die „Bremer-Vulkan“-Rechtsprechung vorbereitenden Beitrag des ehemaligen Vorsitzenden des II. Zivilsenats am BGH Röhricht32 soll mit der Existenzvernichtungshaftung ein Verhalten der Gesellschafter sanktioniert werden, das der
GmbH „unter Verstoß gegen die Mindeststandards seriösen kaufmännischen Verhaltens die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzieht“. Der Abzug der in der Gesellschaft gebündelten wertvollen Vermögensgegenstände, um den Gesellschaftsgläubigern anschließend nur noch „einen seiner Funktion als Haftungsträger beraubten
Gesellschaftsmantel zu überlassen“, könne nicht als legitim angesehen werden.33
Gegenüber solchem Verhalten dürfe sich die Rechtsordnung nicht blind stellen.34
Diese Sichtweise Röhrichts ist beredtes Beispiel dafür, dass die meisten Stellungnahmen zum Problem der Existenzvernichtung zumindest implizit davon ausgehen,
ohne die Entwicklung eines Existenzvernichtungsverbots halte die Rechtsordnung
gegenüber dem soeben beschriebenen gläubigergefährdenden Gesellschafterverhalten keine wirksamen Mittel bereit. Dabei wird der Frage, ob und inwieweit die
Rechtsordnung das als nicht tolerabel empfundene Gesellschafterverhalten tatsächlich sanktionslos hinnimmt, wenig Aufmerksamkeit geschenkt.35
Bevor man aber die Entwicklung einer Existenzvernichtungshaftung im Wege der
Rechtsfortbildung in Erwägung zieht, sollte man sich zunächst einmal Klarheit dar-
über verschaffen, inwieweit die Auswirkungen existenzvernichtender Eingriffe bereits mit den vom Gesetz zur Verfügung gestellten Instrumenten bewältigt werden
können. Erst wenn ein Überblick über die gesetzlichen Instrumente gewonnen ist,
kann beurteilt werden, inwieweit Anlass besteht, über Rechtsfortbildung nachzudenken. Ein solcher Überblick soll im Folgenden gegeben werden. Es wird darzustellen
sein, wie weit der durch die Instrumente der Kapitalerhaltungsvorschriften, der Regelung des § 826 BGB und des Anfechtungsrechts der InsO und des AnfG gewährleistete Schutz reicht und inwiefern eine Haftung für existenzvernichtende Eingriffe
über diesen Schutz hinausgehen würde.
32 FS 50 Jahre BGH (2000), S. 83, 101.
33 Röhricht, FS 50 Jahre BGH (2000), S. 83, 102.
34 Röhricht, FS 50 Jahre BGH (2000), S. 83, 102.
35 Anders aber etwa Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz (1998),
insbes. § 2 und § 4 zur insoweit ähnlichen Frage der Haftung von Konzernunternehmen
für Schulden eines anderen insolventen Konzernunternehmens; anders auch Nassall, ZIP
2003, 969, 972 ff; Rubner, „Solvat socius“ statt „caveat creditor“? (2005), S. 217ff; Khonsari, Die Haftung des GmbH-Gesellschafters aus existenzvernichtendem Eingriff (2007),
S. 47 ff; Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH
(2006), S. 75 ff. Von Röhricht selbst, FS 50 Jahre BGH (2000), S. 83, 92 ff werden die
„Defizite des gesetzlichen Einzelausgleichssystems“ immerhin kurz erörtert.
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A. Kapitalerhaltungsvorschriften
Begonnen werden soll mit der Untersuchung der Kapitalerhaltungsvorschriften der
§§ 30, 31 GmbHG, die zusammen mit den Kapitalaufbringungsvorschriften das
Kernstück der Haftungsverfassung des GmbH-Rechts bilden. Dabei werden zunächst Funktionsweise und Reichweite der Kapitalerhaltungsvorschriften in ihren
Grundzügen dargestellt, um im Anschluss daran einen Überblick über die Existenzvernichtungsfälle geben zu können, die von den §§ 30, 31 GmbHG nicht erfasst
werden. Einzugehen ist im Rahmen dieser Untersuchung aber auch auf diejenigen
Vorschläge in der Literatur, die den Anwendungsbereich der Kapitalerhaltungsvorschriften durch eine modifizierende oder analoge Anwendung erweitern wollen, um
auf diese Weise den Schutz vor existenzvernichtenden bzw. existenzgefährdenden
Maßnahmen zu verbessern. Dabei verstehen die Vertreter dieser Ansätze ihre jeweilige Lösung wohl durchweg als Alternative zu einer eigenständigen, von den §§ 30,
31 GmbHG unabhängigen Existenzvernichtungshaftung.36
I. Konzeption der Kapitalerhaltungsvorschriften
§ 30 GmbHG schützt das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen
vor Auszahlungen an die Gesellschafter. Zur Erhaltung des Stammkapitals ist dabei
dasjenige Aktivvermögen erforderlich, das der Summe aus den Verbindlichkeiten
der Gesellschaft einschließlich der durch Rückstellungen37 (§ 249 HGB) zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten und der Stammkapitalziffer rechnerisch entspricht.38
Ist also das Reinvermögen der Gesellschaft (Aktiva minus echte Passiva) nicht höher als die Stammkapitalziffer, dann ist es den Geschäftsführern verboten, Vermögensgegenstände der Gesellschaft an die Gesellschafter wegzugeben.
1. Grundsatz der rein rechnerischen Wertbindung
Das Gesellschaftsvermögen wird nicht in seiner gegenständlichen Zusammensetzung geschützt.39 Erhalten werden soll nicht „das Stammkapital“, das kein bestimm-
36 Deutlich insoweit etwa Beinert, Die Konzernhaftung für die satzungsmäßig abhängig
gegründete GmbH (1995), S. 74 ff; Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1065 ff.
37 Zum Begriff der Rückstellungen und den hiervon zu unterscheidenden Rücklagen Großfeld, Bilanzrecht 3. A. (1998), Rn. 323 ff und 365 ff.
38 Lutter/ Hommelhoff- Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 16. A. (2004), § 30 Rn. 2a; Hachenburg- Goerdeler/ Müller, GmbHG 8. A. (1992), § 30 Rn. 28; Baumbach/ Hueck- Hueck/
Fastrich, GmbHG 17. A. (2000), § 30 Rn. 4 f.
39 Das ist im Grundsatz weitestgehend anerkannt, BGH Urt. v. 5. 2. 1990 - II ZR 114/89 -
NJW 1990, 1730, 1732; siehe etwa Hachenburg- Goerdeler/ Müller, GmbHG 8. A. (1992),
§ 30 Rn. 28; Lutter/ Hommelhoff- Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 16. A. (2004), § 30 Rn.
2a; zu denjenigen, die im Hinblick auf existenzgefährdende Auszahlungen die Kapitaler-
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ter Gegenstand, sondern bloßer Rechnungsposten in der Bilanz der Gesellschaft ist,
sondern ein der Stammkapitalziffer wertmäßig entsprechendes Vermögen. Das Prinzip des § 30 GmbHG ist ein Prinzip des Vermögensschutzes. Es handelt sich um
eine rein rechnerische Wertbindung.40 Von einem einzelnen Gegenstand aus dem
Gesellschaftsvermögen lässt sich damit nicht sagen, dass er als solcher zur Erhaltung
des Stammkapitals erforderlich sei.41
2. Handelsbilanzielle Betrachtungsweise42
Im Ausgangspunkt ist weitestgehend anerkannt, dass die Berechnung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens nicht auf Grundlage eines besonderen Vermögensstatus mit Bilanzansätzen zu Verkehrs- oder Liquidationswerten,
sondern nach denselben Bilanzierungsgrundsätzen erfolgt, wie sie für den Jahresabschluss (§ 42 GmbHG i.V.m. §§ 242, 246 ff, 264 ff HGB) gelten.43 Danach sind die
Ansätze der Handelsbilanz des letzten Jahres auf den Auszahlungszeitpunkt fortzuschreiben. Stille Reserven dürfen hierbei grundsätzlich nicht angesetzt werden.44
Von einem früher ausgeübten Bilanzierungswahlrecht darf nicht abgewichen werden. Vom Grundsatz her anerkannt ist weiterhin, dass die Wertansätze unter der
Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit zu erfolgen haben, und daher
Fortführungswerte und nicht Liquidationswerte anzusetzen sind (sog. Prinzip des
going concern).45 Denn der Schutz des § 30 GmbHG ist, wie sich schon aus seiner
systematischen Stellung ergibt, auf die lebende Gesellschaft ausgerichtet.
haltungsvorschriften im Wege der Rechtsfortbildung zu einem präventiven Kapitalschutz
erweitern wollen und auf diese Weise zu einem auch gegenstandsbezogenen Vermögensschutz gelangen, ausführlich unten 1. Kapitel A II; auch die Auffassungen von Ulmer, FS
Pfeiffer (1988), S. 853, 868 ff und Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1066 ff haben einen
gegenstandbezogenen Vermögensschutz zur Folge, dazu sogleich 1. Kapitel A I 3 und 5.
40 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 4. A. (2002), § 37 III 1 b, S. 1132; Sotiropoulos, Kredite
und Kreditsicherheiten der GmbH zugunsten ihrer Gesellschafter und nahestehender Dritter (1996), S. 35; eingehend und nachdrücklich Joost, ZHR 148 (1984), 27, 27 ff.
41 Joost, ZHR 148 (1984), 27, 27.
42 Zur sog. „Novemberrechtsprechung“ des BGH (Urt. v. 24.11.2003 - II ZR 171/01- NJW
2004, 1111, 1111 f.), die für den Fall der Ausreichung eines Darlehens der GmbH an ihre
Gesellschafter eine Abweichung von der rein bilanzrechtliche Betrachtungsweise für geboten hält, unten 1. Kapitel A I 7; dort auch zur voraussichtlichen Rücknahme dieser
Rechtsprechung durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG).
43 BGH, Urt. v. 11. 12. 1989 - II ZR 78/89 - BGHZ 109, 334, 337 f ; Lutter/ Hommelhoff-
Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 16. A. (2004), § 30 Rn. 15; Baumbach/ Hueck- Hueck/
Fastrich, GmbHG 17. A. (2000), § 30 Rn. 6; Rowedder- Pentz, GmbHG 4. A. (2002), § 30
Rn. 51; Hachenburg- Goerdeler/ Müller, GmbHG 8. A. (1992), § 30 Rn. 29 f.
44 Näher dazu Hachenburg- Goerdeler/ Müller, GmbHG 8. A. (1992), § 30 Rn. 32.
45 Siehe auch § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB für die Jahresbilanz, der für die Bewertung der Vermögensgegenstände anordnet, dass von Fortführungswerten auszugehen ist, soweit dem
nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen.
22
3. Keine Liquidationswerte bei existenzgefährdenden Auszahlungen
Teilweise wird allerdings vertreten, die Wertansätze könnten sich nicht mehr an den
Fortführungswerten der Jahresbilanz orientieren, wenn eine Prognose ergebe, dass
die in Aussicht genommene Auszahlung an einen Gesellschafter die Existenzgrundlage der Gesellschaft und damit ihren Fortbestand gefährde.46 Dann sei vielmehr den
besonderen, der GmbH aus der existenzgefährdenden Maßnahme drohenden Risiken
durch entsprechende Wertberichtigung auf der Aktivseite (Liquidations- statt Fortführungswert) sowie durch die Bildung von Rückstellungen zur Abdeckung der mit
dem Zusammenbruch der GmbH verbundenen Zusatzbelastungen (z.B. durch einen
Sozialplan) Rechnung zu tragen. Als Parallele zu dieser an den Zukunftsaussichten
der GmbH orientierten Berechnungsmethode weist Ulmer auf die Konkursantragspflicht bei Überschuldung nach § 63 GmbHG a. F. hin, bei der für die Ermittlung
der Überschuldung ebenfalls eine Fortbestehensprognose anzustellen sei.47 § 63
GmbHG ist zwar inzwischen aufgehoben und der Überschuldungstatbestand auch
inhaltlich verändert worden, die Fortbestehensprognose spielt gemäß § 19 Abs. Satz
2 InsO bei der Feststellung der Überschuldung aber weiterhin eine wichtige Rolle.
Durch eine derart modifizierte Bilanz soll gerade den durch existenzgefährdende
Eingriffe verursachten Gefahren entgegengewirkt werden. Folgt man dieser Auffassung, so würden zwar längst nicht alle Maßnahmen, die unter dem Stichwort der
Existenzvernichtung diskutiert werden, von § 30 GmbHG erfasst (etwa, weil es an
der nach § 30 GmbHG erforderlichen Auszahlung an einen Gesellschafter fehlt oder
das Stammkapital auch dann noch nicht angegriffen wird), aber doch ein erheblicher
Teil. Auf diese Weise wäre jedenfalls ein weitaus größerer Teil des Gesellschaftsvermögens durch § 30 GmbHG vor Zugriffen der Gesellschafter geschützt, als dies
nach dem herkömmlichen Verständnis dieser Vorschrift der Fall ist.
Es erscheint zunächst einsichtig, sich dann nicht mehr an den vom Fortbestehen
der Gesellschaft ausgehenden Buchwerten zu orientieren, wenn zu erwarten ist, dass
die Gesellschaft in Folge der Auszahlung in absehbarer Zeit nicht mehr weiter wirtschaften kann. Diese Auffassung würde jedoch nicht nur einen Vermögensstatus
einführen, der dem bisherigen Recht fremd ist (er entspricht nicht etwa der Überschuldungsbilanz),48 sondern es würden mit der Fortbestehensprognose und den
Schwierigkeiten bei der Wertberichtigung erhebliche Unsicherheitsmomente in § 30
GmbHG hineingetragen, die dieser Vorschrift nach herkömmlicher Auffassung nicht
46 So zuerst Ulmer, FS Pfeiffer (1988), S. 853, 868 ff; dem folgend Kleffner, Erhaltung des
Stammkapitals und Haftung nach §§ 30, 31 GmbHG (1994), S. 31 f und 95 ff ; Beinert,
Die Konzernhaftung für die satzungsmäßig abhängig gegründete GmbH (1995), S. 86 f;
Scholz- Westermann, GmbHG 9. A. (2000), § 30 Rn. 16; offenlassend Gätsch, Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern (1997), S. 78.
47 Ulmer, FS Pfeiffer (1988), S. 853, 869.
48 Darauf verweist Röhricht, FS 50 Jahre BGH (2000), S. 83, 95.
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innewohnen.49 Denn oft wird sich schwer und nur unter Hinzuziehung von Sachverständigen feststellen lassen, ob die Gesellschaft trotz der in Aussicht genommenen
Auszahlung noch lebensfähig ist. Das gilt insbesondere dann, wenn erst nachträglich
beurteilt werden soll, ob bei einer in der Vergangenheit liegenden Auszahlung von
der Fortführung des Unternehmens ausgegangen werden durfte.50 Die Gesellschafter
und Geschäftsführer brauchen aber für die Frage, ob die Auszahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter zulässig ist, eine hinreichend klare und einfach zu handhabende Entscheidungsgrundlage.51 Die für die Zulässigkeit einer Auszahlung maßgebliche Bilanz verträgt prognostische Elemente und Unsicherheiten
bei der Bewertung des Gesellschaftsvermögens weit weniger, als diejenige, die für
die Feststellung einer Überschuldung maßgeblich ist. Denn alle von der verspäteten
Stellung des Insolvenzantrags ausgelösten Haftungsfolgen sind verschuldensabhängig.52 Fehleinschätzungen bei der Erstellung der Überschuldungsbilanz führen damit
nur dann zur Haftung, wenn sie unter Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt
getroffen wurden (§ 64 GmbHG).
Bei der Auszahlung von Gesellschaftsvermögen unter Verstoß gegen § 30
GmbHG hängt dagegen nur die Haftung des Geschäftsführers vom Verschulden ab,
§ 43 Abs. 1 GmbHG. Hingegen sind die Erstattungspflicht des die Auszahlung empfangenden Gesellschafters aus § 31 Abs. 1 GmbHG und insbesondere auch die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter nach § 31 Abs. 3 GmbHG, vom Ausnahmefall des
§ 31 Abs. 2 GmbHG abgesehen, verschuldensunabhängig. Es fehlt damit ein Korrektiv, das die Belastung der Gesellschafter mit einer unsicheren Prognose abmildern könnte.53 Das zeigt, dass zu dem durch § 30 GmbHG gewährleisteten Vermögensschutz prognostische Elemente und Unsicherheiten bei der Vermögensbewertung nicht passen. Insgesamt erscheint es damit vorzugswürdig, die Lösung des
materiellrechtlichen Problems existenzvernichtender Eingriffe nicht in einer modifizierenden bilanziellen Betrachtung zu suchen, sondern auf andere Weise einer Lösung zuzuführen.54 Damit ist daran festzuhalten, dass bei der Berechnung des zur
Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens die Ansätze der Buchwerte
der Handelsbilanz auf den Auszahlungszeitpunkt fortzuschreiben sind.55
49 Lutter/ Hommelhoff- Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 16. A. (2004), § 30 Rn. 15; Falkenstein, Grenzen für die Entnahmerechte der GmbH-Gesellschafter (1992), S. 69.
50 Fleck, ZGR 1990, 31, 41; Gribbohm, ZGR 1990, 1, 27.
51 Lutter/ Hommelhoff- Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 16. A. (2004), § 30 Rn. 15.
52 Falkenstein, Grenzen für die Entnahmerechte der GmbH-Gesellschafter (1992), S. 69 f.
53 Falkenstein, Grenzen für die Entnahmerechte der GmbH-Gesellschafter (1992), S. 70.
54 So auch Röhricht, FS 50 Jahre BGH (2000), S. 83, 96.
55 So im Ergebnis auch die ständige Rechtsprechung des BGH, siehe etwa Urt. v. 11. 12.
1989 - II ZR 78/89 - BGHZ 109, 334, 337 f (dort auch weitere Nachweise) und die überwiegende Auffassung in der Literatur, etwa Baumbach/ Hueck- Hueck/ Fastrich, GmbHG
17. A. (2000), § 30 Rn. 6; Rowedder- Pentz, GmbHG 4. A. (2002), § 30 Rn. 51; Roth/
Altmeppen- Altmeppen, GmbHG 4. A. (2003), § 30 Rn. 10; Stimpel, FS 100 Jahre
GmbHG (1992), S. 335, 340.
24
4. Herbeiführung oder Vertiefung einer Unterbilanz oder Überschuldung
Ergibt sich aus der (auf den Auszahlungszeitpunkt fortgeschriebenen) Handelsbilanz, dass das Reinvermögen der Gesellschaft die Stammkapitalziffer nicht erreicht
und eine Auszahlung damit verboten ist, spricht man von einer Unterbilanz. Bei der
Frage, ob nicht nur eine Unterbilanz, sondern sogar eine Überschuldung der Gesellschaft vorliegt, ist hingegen, wie bereits angedeutet, ein besonderer Vermögensstatus aufzustellen und anhand dessen zu prüfen, ob entsprechend der Legaldefinition
der Überschuldung in § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO, „das Vermögen des Schuldners die
bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt“.56 Aus dem Prinzip der rechnerischen Wertbindung folgt, dass § 30 GmbHG auch und gerade dann eingreift, wenn
die Gesellschaft bereits überschuldet ist.57 Denn der Rechnungsposten Stammkapital
ist auch dann noch zu schützen, wenn das Aktivvermögen der Gesellschaft nicht
mehr die vorhandenen Verbindlichkeiten deckt. Somit lässt sich das Verbot aus § 30
GmbHG auch so formulieren, dass jede Auszahlung von Gesellschaftsvermögen an
die Gesellschafter unterbleiben muss, durch die eine Unterbilanz oder eine Überschuldung herbeigeführt oder vertieft wird. Nach herkömmlichem Verständnis muss
die Auszahlung dabei die Unterbilanz oder Überschuldung unmittelbar herbeiführen
oder vertiefen.
5. Kein Verzicht auf das Erfordernis der Unmittelbarkeit
Hartmann will dagegen auch die mittelbare Verursachung einer Unterbilanz ausreichen lassen.58 Auf diese Weise sollen solche Zuwendungen an Gesellschafter erfasst
werden, die der Gesellschaft existenznotwendige Vermögensgegenstände entziehen
und damit in absehbarer Zeit zum Verlust des Stammkapitals führen. Das Ziel des §
30 GmbHG, einer Schmälerung der garantierten Kapitalsumme zu Lasten der Gläubiger zu wehren, soweit sie zugunsten der Gesellschafter erfolge, lasse sich nur
effektiv erreichen, wenn auch solche Auszahlungen erfasst würden, die erst im späteren Geschehensverlauf zum Verlust des Stammkapitals führten. Auch mit dem
Wortlaut des § 30 GmbHG sei es durchaus vereinbar, schon die mittelbare Verursachung einer Unterbilanz ausreichen zu lassen.59
56 Näher dazu etwa Lutter/ Hommelhoff- Lutter/ Kleindiek, GmbHG 16. A. (2004), § 64 Rn.
11 ff; Goette, Die GmbH 2. A. (2002), § 3 Rn. 18 ff.
57 BGH Urt. v. 5. 2. 1990 - II ZR 114/89 - NJW 1990, 1730, 1732; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 4. A. (2002), § 37 III 1 d, S. 1135 f; Baumbach/ Hueck- Hueck/ Fastrich,
GmbHG 17. A. (2000), § 30 Rn. 9 (inzwischen ganz h.M.); nach früherer Rechtsprechung
des BGH, etwa im Urt. v. 29. 3. 1973 - II ZR 25/70 - BGHZ 60, 324 329 f, sollten die §§
30, 31 GmbHG (insbesondere um die Anwendung von § 31 Abs. 3 GmbHG zu vermeiden) im Falle der Überschuldung dagegen allenfalls analog anwendbar sein.
58 Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1066 ff.
59 Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1067.
25
Wie Hartmann selbst erkennt, stellt sich hier, genauso wie bei der Auffassung,
die bei existenzgefährdenden Entnahmen eine Liquidationsbilanz erstellen will, das
Problem der Prognoseunsicherheit, das er allerdings dadurch abmildern will, dass
nur solche Auszahlungen verboten sein sollen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit und
in absehbarer Zeit zum Verlust des Stammkapitals führen.60
Sähe man aber auch schon die mittelbare Verursachung einer Unterbilanz als ausreichend an, so hätte dies nicht (nur) einen Schutz vor existenzgefährdenden Auszahlungen, sondern bereits einen Schutz vor stammkapitalgefährdenden Auszahlungen
zur Folge. Das wird insbesondere dann relevant, wenn die GmbH über ein einigermaßen hohes Stammkapital verfügt. Entzieht etwa ein Gesellschafter einer GmbH
mit einem Reinvermögen von € 550.000 und einem Stammkapital von € 500.000
Liquidität in Höhe von € 50.000 und wird dadurch das Reinvermögen nicht nur um
diese € 50.000 vermindert, sondern sinkt das Vermögen wegen des dadurch hervorgerufenen Liquiditätsengpasses vorhersehbar weiter ab, so wäre der Gesellschafter
bei konsequenter Anwendung der Auffassung Hartmanns zur Erstattung dieses
mittelbar verursachten Vermögensverlustes verpflichtet. Eine Ausnahme von dem
Grundsatz, dass das Gesellschaftsvermögen oberhalb der Stammkapitalziffer zur
Dispositionsfreiheit der Gesellschafter steht, sollte aber allenfalls dann greifen,
wenn das Interesse der Gläubiger an der Befriedigung ihrer Forderungen manifest
betroffen ist und nicht schon bei einer mittelbar verursachten künftigen Beeinträchtigung des Stammkapitals. Die Auffassung Hartmanns ist damit abzulehnen. Vielmehr ist mit der ganz herrschenden Meinung zu fordern, dass die Auszahlung eine
Unterbilanz oder Überschuldung unmittelbar herbeiführt.
6. Im Stadium der Unterbilanz: Bindung des Gesellschaftsvermögens in seinem
realen Wert
Wie schon angedeutet, kann der für die Berechnung des gebundenen Vermögens
maßgebliche Buchwert im Vergleich zum realen Verkehrswert der Vermögensgegenstände höher oder niedriger sein: niedriger, weil stille Reserven nicht aufgedeckt
werden dürfen; höher, weil den Gläubigern im Falle der Insolvenz meist nur der
geringere Zerschlagungswert zur Verfügung stehen wird.61 Bliebe man bei einer rein
bilanziellen Betrachtungsweise stehen, so hätte dies etwa zur Konsequenz, dass eine
GmbH mit einem Stammkapital von € 100.000 und einem Reinvermögen von €
70.000 - ohne gegen § 30 GmbHG zu verstoßen - ein mit einem Buchwert von €
20.000 ausgewiesenes Gesellschaftsgrundstück zum Preis von € 20.000 an einen
Gesellschafter verkaufen könnte, auch wenn der Verkehrswert € 40.000 betragen
und die Gesellschaft real einen Vermögenswert von € 20.000 verlieren würde.62
60 Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1068.
61 Beinert, Die Konzernhaftung für die satzungsmäßig abhängig gegründete GmbH (1995),
S. 51.
62 Das Beispiel stammt von Stimpel, FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 335, 337.
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Um ein solches Ergebnis zu vermeiden, hat sich zu Recht die Auffassung durchgesetzt, dass dann, wenn sich die Gesellschaft bereits im Stadium der Unterbilanz
oder gar der Überschuldung befindet, das Gesellschaftsvermögen nicht nur vor bilanzwirksamem, sondern vor jedem realen Wertverlust durch das Auszahlungsverbot aus § 30 GmbHG geschützt werden muss.63 Die Regelung des § 30 GmbHG will
das durch die Stammkapitalziffer festgelegte und im Handelsregister offenbarte
Mindestvermögen als Betriebskapital und als Mindestreserve für die Gesellschaftsgläubiger erhalten und deshalb wenigstens jedem privaten Zugriff der Gesellschafter
entziehen.64 Mit Sinn und Zweck dieser Vorschrift wäre es daher unvereinbar, wenn
ein Gesellschafter trotz Vorliegens einer Unterbilanz das Vermögen der Gesellschaft
noch real mindern dürfte. Damit darf im Stadium der Unterbilanz kein Gegenstand
mehr zum Buchwert an einen Gesellschafter veräußert werden, wenn der Verkehrswert den Buchwert übersteigt. Die Gegenleistung des Gesellschafters muss vielmehr
dem Markt- oder Verkehrswert entsprechen, also dem Preis, der bei einem Dritten
erzielbar wäre. Demzufolge gilt dann für die Überlassung von Gesellschaftsvermögen zum Selbstkostenpreis, dass ein Verstoß gegen § 30 GmbHG vorliegt, wenn die
Gesellschaft auf einen anderweitig erzielbaren Gewinn verzichtet, nicht aber dann,
wenn gar kein „hypothetischer Dritter“ existiert, der einen höheren als den Selbstkostenpreis zu zahlen bereit wäre.65
Die bilanzielle Betrachtung wirkt damit also zugunsten der Gesellschaft, insofern
stille Reserven oder sonstige nicht aktivierbare Vermögenswerte66 (wie jedenfalls
grundsätzlich etwa Patente, Markenrechte, Warenzeichen oder der Firmenwert) bei
der Ermittlung des Aktivvermögens nicht angesetzt werden dürfen, nicht aber zugunsten des Gesellschafters, der seiner Gesellschaft bei Unterbilanz stille Reserven
oder sonstige nicht bilanzierbare Vermögenswerte entziehen will.67 Hervorzuheben
ist noch einmal, dass die Bindung des gesamten Aktivvermögens in seinem realen
Wert erst dann eintritt, wenn das Stadium der Unterbilanz bereits erreicht ist. Für die
Bestimmung der Grenze hingegen, von der an die Schwelle zur Unterbilanz überschritten ist, ist die Handelsbilanz mit auf den Auszahlungszeitpunkt fortgeführten
Buchwerten maßgebend.
63 Stimpel, FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 335, 340; Hachenburg- Goerdeler/ Müller,
GmbHG 8. A. (1992), § 30 Rn. 41; Lutter/ Hommelhoff- Lutter/ Hommelhoff, GmbHG
16. A. (2004), § 30 Rn. 12; Baumbach/ Hueck- Hueck/ Fastrich, GmbHG 17. A. (2000), §
30 Rn.7; Mülbert, ZGR 1995, 578, 598 in Fußn. 71; Rowedder- Pentz, GmbHG 4. A.
(2002), § 30 Rn. 11; Roth/ Altmeppen- Altmeppen, GmbHG 4. A. (2003), § 30 Rn. 12 und
77; wenngleich etwas zurückhaltender auch Scholz- Westermann, GmbHG 9. A. (2000), §
30 Rn. 16.
64 Stimpel, FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 335, 340; Rowedder- Pentz, GmbHG 4. A.
(2002), § 30 Rn. 11.
65 Roth/ Altmeppen- Altmeppen, GmbHG 4. A. (2003), § 30 Rn. 78; ausführlich Stimpel, FS
100 Jahre GmbHG (1992), S. 335, 343 ff.
66 Dazu Großfeld, Bilanzrecht 3. A. (1998), Rn. 110 ff.
67 Hachenburg- Goerdeler/ Müller, GmbHG 8. A. (1992), § 30 Rn. 42; Roth/ Altmeppen-
Altmeppen, GmbHG 4. A. (2003), § 30 Rn. 12.
27
7. Kreditgewährungen der GmbH an ihre Gesellschafter
Die Gewährung eines Darlehens der GmbH an ihre Gesellschafter ist im Falle eines
vollwertigen Rückzahlungsanspruchs als bloßer Aktiventausch bilanzrechtlich neutral, weshalb in diesem Falle bei einer rein handelsbilanziellen Betrachtungsweise
auch kein Verstoß gegen § 30 GmbHG vorliegt. Mit der sog. „Novemberrechtsprechung“68 hat der BGH aber entschieden, dass eine rein bilanzrechtliche Betrachtungsweise zu kurz greife und Kreditgewährungen, die zu Lasten des gebundenen
Vermögens der GmbH erfolgten, auch dann grundsätzlich als verbotene Auszahlung
von Gesellschaftsvermögen zu bewerten seien, wenn der Rückzahlungsanspruch
gegen den Gesellschafter vollwertig sein sollte. Der Austausch liquider Haftungsmasse gegen eine zeitlich hinausgeschobene Forderung verschlechtere die Vermögenslage der Gesellschaft und die Befriedigungsaussichten ihrer Gläubiger. Bei
Unterbilanz der Gesellschaft sei daher nicht nur der bilanzielle Wert des Gesellschaftsvermögens zu wahren, sondern auch dessen reale Substanz zusammenzuhalten.69 Richtigerweise war diese Rechtsprechung dabei so zu interpretieren, dass das
Kreditvergabeverbot nur im Stadium der Unterbilanz gelten sollte.70
Dagegen sieht der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Modernisierung des
GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) in bewusster Umkehrung der Novemberrechtsprechung „eine eindeutige Rückkehr zum bilanziellen
Denken“ vor.71
Mit dieser Rückkehr will der Regierungsentwurf insbesondere das für ökonomisch sinnvoll erachtete sog. „cash pooling“72 aus dem Anwendungsbereich des §
68 BGH, Urt. v. 24.11.2003 - II ZR 171/01- NJW 2004, 1111, 1111 f.
69 BGH, Urt. v. 24.11.2003 - II ZR 171/01- NJW 2004, 1111, 1111.
70 Aufgrund ihres weiten Leitsatzes wurde die Novemberrechtsprechung abweichend hiervon teilweise so interpretiert, dass Kredite der GmbH an ihre Gesellschafter nur noch aus
freien Rücklagen gewährt werden dürften ; in diesem Sinne etwa Wessels, ZIP 2004, 793,
794 f; Seidel, DStR 2004, 1130, 1130. Bei diesem Verständnis würde § 30 GmbH auch
das ungebundene Vermögen schützen, was den Anwendungsbereich dieser Vorschrift in
eindeutig unzulässiger Weise ausdehnen würde; ausführlich dazu Koch, Die Abkehr von
der „bilanziellen Betrachtungsweise“ und ihre Auswirkungen auf die Existenzvernichtungshaftung (2007), S.85 ff.
71 Begründung des Regierungsentwurfs v. 23.05.2007, BT-Drucksache 16/ 6140, S. 94; § 30
Abs. 1 GmbHG soll danach folgende Fassung erhalten (S. 8 des Entwurfs): „Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die zwischen den Vertragsteilen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch
gegen den Gesellschafter gedeckt sind. Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen."; siehe hierzu auch
Winter, NJW-Spezial 2006, 267, 267 f.
72 Das sog. „cash pooling“ ist ein Element des zentralen cash managements im Konzern.
Beim hier allein interessierenden „echten“ oder „physikalischen“ cash pooling führen die
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30 GmbHG herausnehmen,73 dessen Durchführung nach der Novemberrechtsprechung - zumindest grundsätzlich74 - einen Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften begründete. Das MoMiG ist am 26.06.2008 vom Bundestag beschlossen
worden und wird voraussichtlich im Oktober/November 2008 in Kraft treten. Mit
Inkrafttreten des MoMiG wird die Kreditvergabe an einen Gesellschafter bei Vollwertigkeit der Rückzahlungsforderung nicht mehr als Verstoß gegen § 30 GmbHG
angesehen werden können.
8. Verbotene Auszahlung an Gesellschafter
Unter den Begriff der Auszahlung i.S.v. § 30 GmbHG fallen nicht nur Geldleistungen, sondern weitergehend alle Leistungen, die das Gesellschaftsvermögen verringern.75 Dabei muss die Auszahlung aufgrund des Mitgliedschaftsverhältnisses (causa
societatis) vorgenommen worden sein.76 Verkehrsgeschäfte der Gesellschaft, die ein
nach kaufmännischen Grundsätzen handelnder Geschäftsführer auch mit einem
Nichtgesellschafter abgeschlossen hätte, sind damit nicht als Auszahlung zu qualifizieren. Wird ein „Verkehrsgeschäft“ hingegen dazu benutzt, eine Ausschüttung an
den Gesellschafter zu verschleiern, etwa indem die Gesellschaft für Leistungen des
Gesellschafters einen überhöhten Preis bezahlt oder umgekehrt der Gesellschafter
eine Leistung unter Verkehrswert erhält, dann greift § 30 GmbHG ein, wenn durch
die verdeckte Zuwendung das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen angegriffen wird.77 Denn auch in diesen Fällen erfolgt die Zuwendung aufgrund des Mitgliedschaftsverhältnisses. Maßgebender Zeitpunkt für die Frage, ob
hieran teilnehmenden Konzerngesellschaften überschüssige Liquidität an ein - zumeist bei
der Konzernmutter geführtes - Zielkonto (den cash pool) ab, können dafür aber auf die
Mittel im cash-pool zurückgreifen, soweit dies zur Erhaltung des Stammkapitals oder ihrer
wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit notwendig ist; näher dazu Koch, Die Abkehr von der
„bilanziellen Betrachtungsweise“ und ihre Auswirkungen auf die Existenzvernichtungshaftung (2007), S. 95 ff; Gottschalk, Die Existenzvernichtungshaftung des GmbH-
Gesellschafters (2007), S. 165 f.
73 Begründung des Regierungsentwurfs v. 23.05.2007, BT-Drucksache 16/ 6140, S. 93 ff.
74 Der BGH selbst formulierte schon in der „Novemberentscheidung“ einen Ausnahmetatbestand, nach dem die Gewährung eines Darlehens aus dem gebundenen Vermögen ausnahmsweise dann zulässig sein könne, wenn die Darlehensvergabe im Interesse der Gesellschaft liege, die Darlehensbedingungen einem Drittvergleich standhielten und die Kreditwürdigkeit des Gesellschafters selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe außerhalb jedes
vernünftigen Zweifels stehe oder die Rückzahlung durch werthaltige Sicherheiten voll
gewährleitstet sei (BGH, Urt. v. 24.11.2003 - II ZR 171/01- NJW 2004, 1111,1112); ausführlich zur Anwendbarkeit der Novemberrechtsprechung auf das „cash pooling“, Koch,
Die Abkehr von der „bilanziellen Betrachtungsweise“ und ihre Auswirkungen auf die Existenzvernichtungshaftung (2007), S. 95 ff.
75 Lutter/ Hommelhoff- Lutter/ Hommelhoff, GmbHG 16. A. (2004), § 30 Rn. 8.
76 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 4. A. (2002), § 37 III 1 b, S. 1132; näher dazu Kleffner,
Erhaltung des Stammkapitals und Haftung nach §§ 30, 31 GmbHG (1994), S. 74 ff.
77 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 4. A. (2002), § 37 III 1 c, S. 1132 f; Grunewald, Gesellschaftsrecht 5. A. (2002), S. 357.
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das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen berührt wird, ist die
effektive Auszahlung und damit nicht der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts,
sondern der Zeitpunkt der Erfüllung.78 Die Beweislast dafür, dass die Auszahlung
auf Kosten des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens erfolgt
ist, trifft die Gesellschaft.79
§ 30 GmbHG verbietet nur Auszahlungen an den Gesellschafter.80 Maßgebender
Zeitpunkt für die Beurteilung der Gesellschaftereigenschaft ist dabei zumindest
grundsätzlich81 der Zeitpunkt, zu dem die Verpflichtung der Gesellschaft zur Leistung begründet wird.82 Empfänger der Auszahlung ist ein Gesellschafter dabei stets
auch dann, wenn aus dem Vermögen der GmbH zwar an einen Dritten geleistet
wird, darin aber mittelbar eine Leistung an den Gesellschafter liegt.83 Eine solche
mittelbare Auszahlung an den Gesellschafter liegt z.B. vor, wenn die Gesellschaft
eine den Gesellschafter treffende Verbindlichkeit erfüllt. Zahlungen der Gesellschaft
auf Veranlassung eines Gesellschafters an einen Dritten sind immer dann Auszahlungen an den Gesellschafter, wenn dem Dritten kein Anspruch gegen die Gesellschaft zusteht.84 Leistungen an Dritte, die keine mittelbaren Leistungen an die Gesellschafter darstellen, werden hingegen grundsätzlich nicht vom Auszahlungsverbot
erfasst. Eine Ausnahme wird aber für solche Dritte gemacht, die aufgrund wirtschaftlicher oder verwandtschaftlicher Verbundenheit dem Gesellschafter besonders
nahe stehen (sog. qualifiziertes Näheverhältnis). Eine solche Ausnahme wird allgemein für den Treugeber angenommen85 (auch der Treuhänder haftet kraft seiner
formalrechtlichen Stellung als Gesellschafter). Weitere Anwendungsfälle dieses
Ausnahmetatbestandes können Leistungen an mit der GmbH verbundene Unternehmen i.S.d. § 15 AktG oder an bestimmte nahe Angehörige, wie den Ehegatten oder
78 Baumbach/ Hueck- Hueck/ Fastrich, GmbHG 17. A. (2000), § 30 Rn. 11; Roth/ Altmeppen- Altmeppen, GmbHG 4. A. (2003), § 30 Rn. 15; Hachenburg- Goerdeler/ Müller,
GmbHG 8. A. (1992), § 30 Rn. 63.
79 Baumbach/ Hueck- Hueck/ Fastrich, GmbHG 17. A. (2000), § 30 Rn. 7; Goette, Die
GmbH 2. A. (2002), § 3 Rn. 52; Hachenburg- Goerdeler/ Müller, GmbHG 8. A. (1992), §
30 Rn. 64; Rowedder- Pentz, GmbHG 4. A. (2002), § 30 Rn. 43.
80 Die Gesellschaftereigenschaft bestimmt sich dabei nach § 16 GmbHG. Soweit ein Gesellschafterwechsel stattgefunden hat, kommt es also auf Anmeldung und Nachweis des Übergangs des Geschäftsanteils an.
81 Umstritten bei Auszahlungen an verbundene Unternehmen; für die Maßgeblichkeit des
Zeitpunkts der Erfüllung, BGH Urt. v. 13. 11. 1995 - II ZR 113/ 94 - NJW 1996, 589, 590;
dagegen etwa Goette, Die GmbH 2. A. (2002), § 3 Rn. 37; Roth/ Altmeppen- Altmeppen,
GmbHG 4. A. (2003), § 30 Rn. 28.
82 Baumbach/ Hueck- Hueck/ Fastrich, GmbHG 17. A. (2000), § 30 Rn. 20; Hachenburg-
Goerdeler/ Müller, GmbHG 8. A. (1992), § 30 Rn. 55; Roth/ Altmeppen- Altmeppen,
GmbHG 4. A. (2003), § 30 Rn. 24.
83 Lutter/ Hommelhoff- Lutter/ Hommelhoff, GmbHG 16. A. (2004), § 30 Rn. 23; K.
Schmidt, Gesellschaftsrecht 4. A. (2002), § 37 III 1 e, S. 1136; Hachenburg- Goerdeler/
Müller, GmbHG 8. A. (1992), § 30 Rn. 47.
84 Hachenburg- Goerdeler/ Müller, GmbHG 8. A. (1992), § 30 Rn. 47.
85 Statt aller Roth/ Altmeppen- Altmeppen, GmbHG 4. A. (2003), § 30 Rn. 32 ff.
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die Kinder des Gesellschafters, sein.86 Zu prüfen ist hier stets, ob nicht schon eine
mittelbare Leistung an den Gesellschafter vorliegt. Wird das Auszahlungsverbot auf
diese Dritten erstreckt, stellt sich dann die weitere Frage, gegen wen sich der Erstattungsanspruch der Gesellschaft aus § 31 GmbHG richtet.
9. Erstattungsanspruch der Gesellschaft aus § 31 GmbHG
Nach § 31 Abs. 1 GmbHG müssen Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30
GmbHG zuwider geleistet worden sind, der Gesellschaft erstattet werden. Schuldner
ist derjenige, an den die unzulässige Zahlung als Gesellschafter erbracht wurde. Bei
Leistungen an einen Dritten haftet nur der Gesellschafter, wenn die Leistung an den
Dritten mittelbar eine Leistung an den Gesellschafter darstellt. Bei denjenigen Dritten, die in einem qualifizierten Näheverhältnis zu dem Gesellschafter stehen, haftet
der Dritte nach wohl überwiegender Auffassung neben dem Gesellschafter als Gesamtschuldner.87 Erfolgt die Auszahlung nur zum Teil aus dem durch § 30 GmbHG
gebundenen Vermögen, dann ist nur dieser Teilbetrag vom Empfänger zu erstatten.88
Wird durch die Auszahlung nicht nur eine Unterbilanz sondern sogar eine Überschuldung der Gesellschaft herbeigeführt, kann der zu erstattende Betrag auch höher
sein als die Stammkapitalziffer. Zahlt danach eine GmbH mit einem Stammkapital
von 25.000 € und einem Reinvermögen von 30.000 € an ihren Gesellschafter 40.000
€ aus, hat der Gesellschafter der GmbH 35.000 € zurückzuerstatten. Der Anspruch
entsteht unmittelbar mit der gegen § 30 GmbHG verstoßenden Auszahlung und ist
sofort fällig. Sein Erlass ist nach der zwingenden Regel des § 31 Abs. 4 GmbHG
ausgeschlossen. Zurückzugewähren ist nach richtiger Ansicht trotz der rein wertmä-
ßigen Vermögensbindung grundsätzlich der Auszahlungsgegenstand in Natur.89
Ist das Gesellschaftsvermögen nach der Auszahlung etwa durch Gewinn oder die
Auflösung von Rückstellungen zwischenzeitlich wieder nachhaltig aufgefüllt wor-
86 Näher dazu etwa Kleffner, Erhaltung des Stammkapitals und Haftung nach §§ 30, 31
GmbHG (1994), S.83 ff und 146 ff.
87 Hier ist noch manches ungeklärt; näher Lutter/ Hommelhoff- Lutter/ Hommelhoff,
GmbHG 16. A. (2004), § 31 Rn. 5, ausführlich Roth/ Altmeppen- Altmeppen, GmbHG 4.
A (2003), § 30 Rn. 31 ff.
88 Goette, Die GmbH 2. A. (2002), § 3 Rn. 17.
89 BGH Urt. v. 8. 7. 1985 - II ZR 269/84 - BGHZ 95, 188, 193; Goette, Die GmbH 2. A.
(2002), § 3 Rn. 46; näher dazu Hommelhoff, FS Kellermann (1991), S. 165, 168, der für
die Konzentration des Kapitalschutzes nach einer verbotenen Auszahlung auf den Auszahlungsgegenstand insbesondere geltend macht, dass nur so die Problematik von Wertschwankungen beim Auszahlungsgegenstand angemessen gelöst werden könnte; a.A. etwa
Joost, ZHR 148 (1984), 27, 53 f, der für einen Anspruch auf Wertausgleich eintritt und zur
Begründung u.a. darauf verweist, dass die Gegenansicht die unbillige Konsequenz habe,
dass der Empfänger bei unverschuldeter Unmöglichkeit der Herausgabe des Auszahlungsgegenstandes von jeder Leistungsverpflichtung frei werde; dem folgend Wilhelmi, Der
Grundsatz der Kapitalerhaltung im System des GmbH- Rechts (2001), S. 198 f.
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den, hat dies kein Erlöschen des Erstattungsanspruchs ipso iure zur Folge.90 Allerdings erhalten GmbH und Gesellschafter durch die Wiederauffüllung des Stammkapitals hinsichtlich der über die Stammkapitalziffer hinausgehenden Vermögenswerte
ihre Dispositionsfreiheit zurück, mit der Folge, dass mit diesem freien Vermögen
etwa eine Aufrechnung möglich ist oder auch ein Erlass, wenn § 30 GmbHG einer
Wiederausschüttung des zurückzugewährenden Vermögensgegenstandes nicht entgegensteht.91 Ein solches Vorgehen stellt keinen Verstoß gegen § 31 Abs. 4 GmbHG
oder § 19 Abs. 2 GmbHG analog dar.92
Der Erstattungsanspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG ist verschuldensunabhängig. §
31 Abs. 2 GmbHG spielt für Fälle der Existenzvernichtung keine Rolle, da die Erstattungsbeträge hier immer zur Gläubigerbefriedigung benötigt werden.93 Hinzuweisen ist schließlich noch auf die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter nach § 31
Abs. 3 GmbHG. Mitgesellschafter ist dabei jeder, der der Gesellschaft im Zeitpunkt
der verbotenen Auszahlung angehört. Die Haftung der Mitgesellschafter nach § 31
Abs. 3 GmbHG greift nur dann ein, wenn die Erstattung vom Empfänger nicht zu
erlangen und zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Sie ist
also eine subsidiäre Haftung. Weiter handelt es sich dabei nicht um eine gesamtschuldnerische, sondern um eine Haftung pro rata nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile. Nach Auffassung des BGH ist die Ausfallhaftung nach § 31 Abs. 3
GmbHG zudem nach oben hin auf den Betrag der Stammkapitalziffer beschränkt
und erfasst damit nicht den gesamten durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag.94 Eine noch weitergehende Beschränkung, etwa auf den Stammeinlagebetrag
des jeweiligen Mitgesellschafters oder auf den Betrag des Stammkapitals abzüglich
der eigenen Einlage des betreffenden Mitgesellschafters, hat der BGH allerdings
90 BGH Urt. v. 22. 9. 2003 - II ZR 229/02 - NJW 2003, 3629, 3631; BGH Urt. v. 29. 5. 2000
- II ZR 118/98 - BGHZ 144, 336, 336; Hommelhoff, FS Kellermann (1991), S. 165, 165
ff; Lutter/ Hommelhoff- Lutter/ Hommelhoff, GmbHG 16. A. (2004), § 31 Rn. 11 f; Roth/
Altmeppen- Altmeppen, GmbHG 4. A. (2003), § 31 Rn. 11 ff; Brandner, FS Fleck (1988),
S. 23, 30 ff; anders noch die frühere Rechtssprechung des BGH, Urt. v. 11. 5. 1987 - II ZR
226/86 - NJW 1988, 139, 139.
91 Ulmer, FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 363, 387 f; Baumbach/ Hueck- Hueck/ Fastrich,
GmbHG 17. A. (2000), § 31 Rn. 6; Roth/ Altmeppen- Altmeppen, GmbHG 4. A. (2003), §
31 Rn. 13 ff; nach Hommelhoff, FS Kellermann (1991), S. 165, 176 f und Lutter/
Hommelhoff- Lutter/ Hommelhoff, GmbHG 16. A. (2004), § 31 Rn. 12 soll nur der Geschäftsführer aufrechnen dürfen.
92 Näher dazu Ulmer, FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 363, 387 f.
93 Zur Insolvenz der GmbH als notwendige Voraussetzung der Existenzvernichtungshaftung
unten 4. Kapitel D.
94 BGH Urt. v. 25. 2. 2002 - II ZR 196/00 - BGHZ 150, 61, 61 (1. Leitsatz); BGH Urt. v. 22.
9. 2003 - II ZR 229/02 - NJW 2003, 3629, 3632; für eine unbegrenzte Haftung dagegen
Gätsch, BB 1999, 701, 704 ff; Kleffner, Erhaltung des Stammkapitals und Haftung nach
§§ 30, 31 GmbHG (1994), S. 177 ff.
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nunmehr ausdrücklich abgelehnt.95 Obergrenze der Ausfallhaftung nach § 31 Abs. 3
GmbHG ist nach dem BGH also der volle Betrag der Stammkapitalziffer.
II. Keine Erweiterung der Kapitalerhaltungsvorschriften
In der Literatur ist vorgeschlagen worden, die §§ 30, 31 GmbHG sinnentsprechend
in Richtung eines vorbeugenden Kapitalschutzes fortzuentwickeln, um den Gesellschaftern auf diese Weise existenzgefährdende Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen zu verbieten.96 Danach wäre es den Geschäftsführern verboten, betriebsnotwendiges Gesellschaftsvermögen wie z.B. Maschinen, Patente oder Liquidität an die
Gesellschafter wegzugeben, wenn dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit und in
absehbarer Zeit der wirtschaftliche Zusammenbruch der Gesellschaft heraufbeschworen wird. Diese Ansicht hat somit einen gegenstandsbezogenen Vermögensschutz zur Folge. Zur Begründung wird auf die Befriedigungsaussichten der Gläubiger verwiesen: Diese würden nicht erst durch unmittelbar zu Lasten des Stammkapitals gehende Auszahlungen akut gefährdet, sondern ebenso durch Auszahlungen, die
der Gesellschaft solch betriebsnotwendiges Vermögen oberhalb der Stammkapitalziffer entziehen und damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährden. Dabei will
Fleck das Verbot existenzgefährdender Eingriffe auf solche Maßnahmen beschränken, die sich als Auszahlung i.S.d. § 30 GmbHG einordnen lassen und diese existenzgefährdenden Auszahlungen in „erweiternder Rechtsanwendung“ unmittelbar in
den Anwendungsbereich von § 30 GmbHG einbeziehen.97
Inwieweit die Kapitalerhaltungsvorschriften als Wertungsgrundlage für die Entwicklung eines Existenzvernichtungsverbots herangezogen werden können, wird an
anderer Stelle noch zu untersuchen sein.98 Entgegen Fleck ist es aber nicht angängig,
existenzgefährdende Auszahlungen, bei denen kein zur Stammkapitalerhaltung erforderliches Vermögen an die Gesellschafter fließt, unmittelbar in den Anwendungsbereich der §§ 30, 31 GmbHG einzubeziehen.99 Nach ihrer Konzeption sind
die Kapitalerhaltungsvorschriften darauf beschränkt, einen durch die Stammkapitalziffer festgelegten Vermögensstock vor Auszahlungen an die Gesellschafter zu si-
95 BGH Urt. v. 22. 9. 2003 - II ZR 229/02 - NJW 2003, 3629, 3632; noch offengelassen
zuvor in BGH Urt. v. 25. 2. 2002 - II ZR 196/00 - BGHZ 150, 61, 66; eine ausführliche
Übersicht über die zahlreichen Ansätze in der Literatur liefert Blöse, GmbHR 2002, 1107,
1107 ff.
96 Fleck ZGR 1990, 31, 36 ff; ders., FS 100 Jahre GmbHG, S. 391, 398 f; ähnlich Mülbert,
DStR 2001, 1937, 1942 ff; Falkenstein, Grenzen für die Entnahmerechte der GmbH-
Gesellschafter (1992), S. 185 ff; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG 15. A. (2000), § 30 Rn. 5;
siehe auch dieselben, GmbHG 16. A. (2004), § 30 Rn. 5 ff.
97 Fleck, FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 391, 399.
98 Unten 2. Kapitel D IV 1.
99 So auch Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1067.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Seit dem „Bremer Vulkan“-Urteil des BGH vom 17.09.2001 ist die Frage nach einer Gesellschafterhaftung für existenzvernichtende Eingriffe eines der meist diskutierten Probleme im GmbH-Recht. Während in den Stellungnahmen zu diesem Problemkreis zumeist ohne weiteres davon ausgegangen wird, dass das gesetzliche Schutzinstrumentarium zur Bewältigung der Folgen existenzvernichtender Eingriffe nicht ausreichend sei, setzt sich der Autor ausführlich mit diesen Instrumenten, insbesondere den Möglichkeiten des insolvenzrechtlichen Anfechtungsrechts, auseinander; er untersucht eingehend, ob die für die rechtsfortbildende Entwicklung einer solchen Haftung erforderliche planwidrige Gesetzeslücke vorliegt. Im Ergebnis hält er – ebenso wie die Rechtsprechung und die meisten Literaturstimmen – die Etablierung einer Existenzvernichtungshaftung für methodologisch zulässig und rechtspolitisch sinnvoll. Anders als der BGH, der die Existenzvernichtungshaftung zunächst als Durchgriffshaftung und später als besondere Fallgruppe des § 826 BGB eingeordnet hat, sieht der Verfasser die dogmatische Grundlage der Haftung aber in der mitgliedschaftlichen Sonderverbindung des Gesellschafters zur GmbH.