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Da der Stiftung die Haftung des Vorstands vollständig über § 31 BGB zugerechnet wird, würde die Stiftung, wenn Stiftung und Vorstand zusammen mit
einem Dritten Gesamtschuldner wären, mit dem Vorstand eine Haftungseinheit
bilden, da die Verursachungsbeiträge von Vorstand und Stiftung identisch
wären1384. Dies folgt daraus, daß die Verursachungsbeiträge meist nur von einem
der beiden zu 100% geleistet werden, der andere aber aufgrund einer Zurechnungsnorm in gleichem Umfang dafür einzustehen hat1385. Bei der Stiftung muß
dieses Ergebnis notwendigerweise eintreten, da die Stiftung mangels eigener
Handlungsfähigkeit keine eigenen Verursachungsbeiträge neben dem Stiftungsvorstand leisten kann1386. Im Innenverhältnis untereinander hat regelmäßig der für
Eigenverschulden haftende Gesamtschuldner den für Fremdverschulden einstehenden Gesamtschuldner von der Haftung freizustellen1387.
Auf die Stiftung und den Vorstand übertragen bedeutet das, daß der Stiftungsvorstand, der die Haftung der Stiftung über § 31 BGB i.V.m. Deliktsrecht begründet, die Stiftung gem. 426 I BGB vollständig von der Haftung freizustellen hat.
Die Stiftung hat daher einen Regreßanspruch zu 100% gegenüber dem Stiftungsvorstand, wenn sie von einem Dritten wegen deliktisch zugefügtem Schaden über
§ 31 BGB in Anspruch genommen wird.
4. Haftung aus Landesrecht
Einige Landesstiftungsgesetze sehen eigene Schadensersatzansprüche der Stiftung gegenüber dem Stiftungsvorstand für den Fall vor, daß der Stiftungsvorstand
die ihm obliegenden Pflichten verletzt1388. In Bayern nach alter Rechtslage1389 und
1384 Zur Haftungseinheit bei Gesamtschuldnern vgl. BGH NJW-RR 1989, 918, 920; BGHZ 55,
344, 349; 61, 214, 220; Palandt/Grüneberg, § 426, Rn. 11; Jauernig/Stürner, § 426, Rn.
10; Staudinger/Noack, § 426, Rn. 83 ff.
1385 MüKo/Bydlinski (5. Auflage), § 426, Rn. 32.
1386 Dies gilt nicht, wenn und soweit die Stiftung aufgrund anderer satzungsmäßig berufener
Organe unabhängig vom Stiftungsvorstand handlungsfähig ist.
1387 Staudinger/Noack, § 426, Rn. 92.
1388 Art. 14 S. 2 StiftG Bayern i. d. F. v. 19. Dezember 2001 (GVBl. 2002, S. 10), in der Neufassung durch Gesetz vom 22. Juli 2008 (GVBl. 2008, S. 473) ist diese eigenständige Haftungsnorm entfernt; § 8 StiftG Hessen: »Die Mitglieder der Stiftungsorgane sind zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Stiftungsvermögens verpflichtet. Bei einer vorsätzlichen
oder grob fahrlässigen Verletzung ihrer Obliegenheiten sind sie unbeschadet von Haftungsvorschriften in anderen Gesetzen der Stiftung gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet.«
1389 Art. 14 S. 2 StiftG Bayern i. d. F. v. 19. Dezember 2001 (GVBl. 2002, S. 10): »Organmitglieder, die ihre Obliegenheiten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzen, sind der Stiftung zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.«
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in Hessen1390 tritt eine solche Haftung bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger
Pflichtverletzung des Stiftungsvorstands ein. Problematisch an diesen landesrechtlichen Regelungen ist erneut, daß hier Schadensersatzrecht als ein zentrales
Gebiet des bürgerlichen Rechts geregelt wird. Entgegen vorgebrachter Ansicht
handelt es sich bei den landesrechtlichen Schadensersatznormen nicht um spezialgesetzliche Ausführungen zum allgemeinen Schuldrecht1391. Diese Materie unterfällt gem. Art. 74 I Nr. 1 GG der konkurrierenden Gesetzgebung, der Bund hat
mit den §§ 280, 281, 86, 27 III BGB eine ausreichende Haftungsgrundlage für
das Verhältnis zwischen Stiftung und Aufsicht geschaffen. Den Ländern fehlt es
insoweit an einer Gesetzgebungskompetenz1392. Das Schuldverhältnis zwischen
Stiftung und Vorstand unterfällt ungeachtet seiner konkreten Ausgestaltung dem
Haftungsgefüge aus §§ 280, 281 BGB, welches eine komplexe und abschlie-
ßende Schadensersatzregelung bietet. Landesrechtliche Schadensersatznormen
sind daher unwirksam. Die Länder haben keine Befugnis hier regelnd einzugreifen1393.
Wehnert widerspricht dem abschließenden Charakter des Bundesrechts in Haftungsfragen und glaubt an eine landesrechtliche Regelungskompetenz1394. Dies
wird damit begründet, daß mit der Verweisung auf das Auftragsrecht in
§ 27 III BGB keine Rechtsfolge normiert werde. Wehnert kritisiert, daß in der
Literatur ohne weitere Begründung § 280 I BGB zur Anwendung komme und
damit eine mittelbare Verweisung von § 27 III BGB auf § 280 BGB angenommen
werde, die dort nicht enthalten sei1395. Vielmehr sei das organschaftliche Rechtsverhältnis nicht durch Auftragsrecht charakterisiert; dieses sei schließlich vom
Anstellungsverhältnis zu trennen, ggf. sei § 280 I BGB analog heranzuziehen1396.
Wehnert1397 übersieht dabei eine offensichtliche Lücke in ihrer Argumentation.
Für eine Anwendbarkeit von § 280 I BGB ist es völlig egal, ob § 27 III BGB das
organschaftliche Verhältnis oder das Anstellungsverhältnis charakterisiert. In
jedem Fall müßte es klar sein, daß zwischen Stiftung und Vorstand eine schuldrechtliche Beziehung besteht. Dieses muß nicht zwangsläufig durch Auftragsrecht charakterisiert sein. § 280 I BGB ist aber in jedem Fall auf Schuldverhältnisse auch ohne vorherige Verweisung anwendbar, es sei denn, es existierten –
wie in diesem Fall eben nicht – vorrangige bundesrechtliche Schadensersatznor-
1390 § 8 StiftG Hessen: »Die Mitglieder sind zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Stiftungsvermögens verpflichtet. Bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung ihrer
Obliegenheiten sind sie unbeschadet von Haftungsvorschriften in anderen Gesetzen der
Stiftung gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet.«
1391 Blydt-Hansen, S. 160.
1392 Vgl. Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019, 2021; Staudinger/Rawert, § 86, Rn. 13; unkritisch Richter (Diss.), S. 347.
1393 Rawert, BB-Beilage 6/1991, 13, 14 f.; BVerfGE 7, 342, 354 f.; vgl. auch BVerfGE 45, 297,
341, 345.
1394 Wehnert, ZSt 2007, 67, 68.
1395 Wehnert, ZSt 2007, 67, 68.
1396 Wehnert, ZSt 2007, 67, 73.
1397 Wehnert, ZSt 2007, 67, 68.
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men1398. Wehnert führt dagegen an, daß das organschaftliche Schuldverhältnis
eben kein »klassisches« Schuldverhältnis sei, sondern im Rahmen eines Sonderrechtsverhältnis bestünde, das Rechte und Pflichten des Organs begründe1399.
Worin nun aber genau der Unterschied zum Schuldverhältnis im Rahmen des
§ 280 I BGB liegen soll, bleibt in Wehnerts Ausführungen im Dunkeln.
Aber selbst nach Wehnerts These müßte bei konsequenter Fortführung die
Nichtigkeit des Landesrechts die Folge sein. So geht Wehnert von einer zumindest
analogen Anwendung von § 280 I BGB aus1400. Dieser soll allerdings nur greifen,
wenn Landesrecht nicht einschlägig sei. Diese Auffassung mißachtet die Kompetenzverteilung aus Art. 74 I Nr. 1 GG. Wenn nämlich eine abschließende bundesrechtliche Rechtsgrundlage existiert, auch wenn diese nur im Rahmen einer Analogie besteht, bleibt für landesrechtliche Normen kein Raum mehr, diese sind
wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz unwirksam.
5. Enthaftung durch Entlastung
Eine Enthaftung des Stiftungsvorstands kommt durch Entlastung in Betracht. Bei
der Entlastung handelt es sich nach Reuter nicht um einen Anspruchsverzicht,
sondern um das Bekunden der Zufriedenheit mit der Amtsführung1401. Diese Bekundung führe dann zu einem Anspruchsverlust der Stiftung, wenn die Bekundung der Zufriedenheit von dem autonomen Organ der juristischen Person, das
zur Verfügung über Ansprüche der juristischen Person befugt ist, vorgenommen
werde. Dieses würde sich demnach widersprüchlich verhalten, wenn es das Handeln, auf das sich die Zufriedenheit bezieht, zum Gegenstand eines Regreßbegehrens machte1402. Im Stiftungsrecht bedeutet diese Auffassung, daß die Aufsichtsbehörde keine Entlastung des Stiftungsvorstands bewirken kann1403: die Behörde
ist kein Organ der Stiftung1404 und auch nicht zur Verfügung über die Ansprüche
der Stiftung befugt1405.
Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Eine Entlastungsfunktion der Stiftungsaufsichtsbehörde würde sich nicht mit der Stellung der Stiftungsaufsicht als reiner
1398 Dies mag u.U. auch der Grund dafür sein, daß die Literatur eine Anwendbarkeit von § 280
I BGB ohne Begründung annimmt.
1399 Wehnert, ZSt 2007, 67, 68, 69.
1400 Wehnert, ZSt 2007, 67, 73.
1401 Reuter, Non Profit Law Yearbook 2002, 157, 167; Schmidt, ZGR 1978, 425, 434 ff.
1402 Reuter, Non Profit Law Yearbook 2002, 157, 167.
1403 a.A. allerdings Soergel/Neuhoff, § 86, Rn. 13, der aus einer »Motivierungsfunktion« der
Aufsichtsbehörde das Recht zur Entlastung (= Lob) des Stiftungsvorstands ableitet. Dabei
wird abgesehen von dogmatischen Hinderungsgründen übersehen, daß die motivierende
Aufsichtsbehörde den Vorstand auch loben kann, ohne einen Anspruchsverlust der Stiftung
herbeiführen zu müssen.
1404 BVerwGE 40, 347, 352.
1405 Reuter, Non Profit Law Yearbook 2002, 157, 167; Hüttemann/Herzog, Non Profit Law
Yearbook 2006, 33, 49 f.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Stiftung des bürgerlichen Rechts wird vom Stiftungsvorstand als grundsätzlich einzigem Organ verwaltet. Die oft immensen Vermögensmassen der Stiftungen sind damit der zunächst alleinigen Verantwortung des Vorstands übergeben. Da dieser zentralen Einfluss auf die Geschicke der Stiftung hat, ist es notwendig, einen Pflichtenkatalog zu formulieren, der die Aufgaben und Spielräume des Stiftungsvorstands zusammenfasst und verständlich erläutert. Im Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung wird daher mit diesem Buch geklärt, welche grundlegenden Pflichten der Stiftungsvorstand hat, wo diese ihre rechtlichen Grundlagen finden und welche haftungsrechtlichen Folgen sich bei Pflichtverletzungen des Stiftungsvorstands ergeben können.
Dabei ist es gelungen, Abstimmungsfehler zwischen Bundes- und Landesrecht aufzuzeigen, die zur formellen Verfassungswidrigkeit zahlreicher Landesnormen im Stiftungsrecht geführt haben. Dies hat Auswirkungen sowohl auf die Arbeit des Stiftungsvorstands als auch auf die Arbeit der Stiftungsaufsichtsbehörde, deren Aufgabe es ist, die Mitgliederlosigkeit der Stiftung durch staatliche Kontrolle und Fürsorge auszugleichen.