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aber nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen und muß durch eine Befugnisnorm
gedeckt sein.
Den Destinatären steht de lege lata keine Möglichkeit zu, die Ansprüche der
Stiftung gegen die Vorstandsmitglieder im Klageweg durchzusetzen1418, sofern
ihnen keine eigenen Schadensersatzansprüche gegen den Stiftungsvorstand
zustehen1419. Eine Einflußnahme auf die Geltendmachung der Ansprüche ist den
Destinatären somit entweder faktisch durch Information der Aufsichtsbehörde
oder rechtlich durch Beantragung eines Notvorstands gem. §§ 86, 29 BGB beim
zuständigen Amtsgericht möglich1420.
II. Haftung des Stiftungsvorstands im Verhältnis zu den Destinatären
1. Haftung aus §§ 280, 281 ff. BGB
Eine Haftung aus §§ 280, 281 ff. BGB kommt zwischen Stiftungsvorstand und
den Destinatären grundsätzlich nicht in Betracht. Vereinzelt wird – basierend auf
einer alten Entscheidung des Reichsgerichts1421 – eine Haftung des Stiftungsvorstands ggü. den Destinatären i.V.m. einer schuldrechtlichen Beziehung zwischen
Vorstand und Destinatären bejaht1422. Dies soll zumindest dann gegeben sein,
wenn den Destinatären klagbare Ansprüche auf Stiftungsleistungen zustehen. Die
Entscheidung des Reichsgerichts war jedoch von den Besonderheiten des preußischen Familienrechts (vgl. Art. 2 pr. AGBGB) geprägt und läßt sich mit den
Grundsätzen des heutigen Schadensersatzrechts nicht mehr vereinbaren1423. Die
Relativität der Schuldverhältnisse steht im Widerspruch zu dieser Rechtsprechung; aus einer schuldrechtlichen Dreiecksbeziehung zwischen Stiftung, Vorstand und Destinatären wird ein schuldrechtliches Interesse der Destinatäre an einem bestimmten Vorstandshandeln hergeleitet, ohne daß dies durch die dogmatischen Rechtsverhältnisse, die das BGB zugrunde legt, gedeckt wäre. Etwaige Ansprüche der Destinatäre bestehen nur im Verhältnis zur Stiftung, und auch dies
nur, wenn der Stifter eine entsprechende Satzungsbestimmung aufgenommen
hatte1424. Der Stiftungsvorstand ist allein der Stiftung im besonderen Schuldverhältnis des Anstellungs- oder Auftragsverhältnisses verpflichtet. Eine besondere
1418 Blydt-Hansen, S. 178 f.; Überlegungen de lege ferenda bzgl. einer Stärkung der Stellung
der Destinatäre zum Ausgleich solcher aufsichtlichen Defizite finden sich bei MüKo/Reuter (5. Auflage), § 85, Rn. 20 ff.; ebenso bei Muscheler ZRP 2000, 390, 393.
1419 Vgl. dazu unter D II, S. 210 ff.
1420 Blydt-Hansen, S. 179.
1421 RG JW 1909, 160.
1422 Soergel/Neuhoff, § 85, Rn. 15.
1423 Blydt-Hansen, S. 165.
1424 BGH, NJW 1957, 708, 708; OLG Hamburg, NJW-RR 1992, 451, 452 f.; OLG Hamm, MDR
1992, 949, 950; für Kontroll- und Verwaltungsbefugnisse der Destinatäre, vgl. BGHZ 99,
344, 353; OLG Hamburg, ZIP 1994, 1950, 1950 ff. mit zustimmenden Anmerkungen von
Rawert; BAG, NJW 1991, 514, 515.
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schuldrechtliche Beziehung zu den Destinatären besteht nach hM nicht1425. Das
Vorstandshandeln erfolgt im Interesse der Stiftung. Die Rechtsstellung der Destinatäre resultiert alleine aus einem Rechtsreflex1426. Selbst wenn der Stifter einen
Anspruch der Destinatäre gegen den Stiftungsvorstand in der Stiftungssatzung
normierte, würde darin sogar ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter zu sehen
sein. Zwar ist der Stiftungsvorstand Organ der Stiftung und dieser im Außenverhältnis zuzurechnen. Im Innenverhältnis beurteilt sich das Rechtsverhältnis zwischen Stiftung und Vorstand aber nach bürgerlich-rechtlichen und insbesondere
schuldrechtlichen Grundsätzen. Würde der Stifter Dritten einen Anspruch auf
ordnungsgemäßes Handeln gegen den Stiftungsvorstand einräumen, würde er direkte Ansprüche zwischen zwei Dritten begründen, ohne von einer der beiden
Parteien dazu ermächtigt zu sein. Es steht dem Stifter aber nur zu, über Rechte
und Verfassung der Stiftung zu verfügen. Der Vorstand als haftungsrechtliche
Personengruppe kann vom Stifter nicht mit einer zusätzlichen Haftungspflicht belegt werden – plakativ formuliert könnte sonst der Stifter über das private Vermögen der Vorstandsmitglieder verfügen. Eine Haftung des Stiftungsvorstands aus
schuldrechtlichen Schadensersatznormen gegenüber den Destinatären scheidet
daher aus.
Soweit den Destinatären in der Stiftungssatzung ein klagbarer Anspruch gegen
die Stiftung auf Stiftungsleistungen zuerkannt wird, kann sich allerdings ein allgemeiner Auskunftsanspruch gegen den Stiftungsvorstand aus § 242 BGB ergeben, wenn die Destinatäre als Beteiligte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang ihrer Rechte im Ungewissen sind, die benötigten Informationen nicht anderweitig zu beschaffen sind und der Vorstand diese unschwer
erteilen kann1427. Eine Pflichtverletzung im Rahmen dieses Schuldverhältnisses
kann daher eine Schadensersatzpflicht des Vorstands ggü. den Destinatären aus
§§ 280, 281 BGB auslösen. Im Regelfall dürfte eine Haftung des Vorstands hier
aber dennoch zu verneinen sein, da es am Schaden bei den Destinatären im Rahmen einer solchen Verletzung fehlen dürfte. Die Destinatäre mit eigenen Klagerechten gegen die Stiftung sind jedoch insoweit geschützt, als Schadensersatzansprüche, die die Stiftung gegen Vorstandsmitglieder wegen fehlerhafter
Geschäftsführung hat, zum Vermögen der Stiftung gehören und die Destinatäre
im Rahmen der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Stiftung die Abtretung
dieser Ansprüche verlangen können.
Eine Haftung aus §§ 280 I, 311 III, 241 II BGB des Stiftungsvorstands ggü.
der Stiftung wäre zumindest theoretisch gegeben, wenn der Stiftungsvorstand
besonderes persönliches Vertrauen bei Vertragsverhandlungen mit Dritten in
Anspruch nimmt1428. Allerdings wird dieser Fall kaum eintreten, da der Stiftungs-
1425 Schwintek, S. 206; Blydt-Hansen, S. 165 f; Jeß, S. 145 f.; vgl. auch MüKo/Reuter (5. Auflage), § 85, Rn. 24 ff.
1426 Blydt-Hansen, S. 163.
1427 BGH NJW 1986, 1244, 1245; MüKo/Reuter (5. Auflage), § 85, Rn. 30; ebenso Blydt-Hansen, S. 121 f.; Muscheler, WM 2003, 2213, 2217.
1428 Hüttemann/Herzog, Non Profit Law Yearbook 2006, 33, 50.
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vorstand nur für die Stiftung handelt und daher regelmäßig keine Basis für besonderes persönliches Vertrauen bestehen wird1429.
2. Haftung aus Deliktsrecht
a. § 823 I BGB
Grundsätzlich gelten die deliktischen Haftungsnormen gegenüber jedermann, somit auch im Verhältnis zwischen Vorstand und Destinatären. Die Haftung des
Stiftungsvorstands tritt dann ein, wenn er Destinatäre in einem Rechtsgut des
§ 823 I BGB verletzt1430. Die Stellung eines Dritten als Destinatär als solchem ist
allerdings kein »sonstiges Recht« i.S.v. § 823 I BGB1431, so daß alleine aus der
Mißachtung von Satzungsbestimmungen zugunsten der Destinatäre kein deliktischer Schadensersatz zu leisten ist1432. Dies gilt auch dann, wenn den Destinatären
ein klagbarer Anspruch auf Stiftungsleistungen zukommt.
b. § 823 II BGB
Für die deliktische Haftung des Stiftungsvorstands gegenüber den Destinatären
ist vor allem § 823 II BGB interessant. Eine derartige Haftung des Stiftungsvorstands kommt dann in Betracht, wenn Bundes- oder Landesnormen als Schutzgesetze zugunsten der Destinatäre fungieren. Schutzgesetze sind alle Rechtsnormen, die zumindest auch1433 dazu dienen sollen, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen1434.
(1) Bundesrechtliche Schutzgesetze
Keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 II BGB sind die Vermögenserhaltungspflicht
und die Pflicht zur ordnungsgemäßen Stiftungszweckerfüllung aus § 80 II BGB.
Da die Destinatäre keine eigenen Klagerechte besitzen, sofern ihnen diese nicht
1429 Hüttemann/Herzog, Non Profit Law Yearbook 2006, 33, 50.
1430 Hüttemann/Herzog, Non Profit Law Yearbook 2006, 33, 50.
1431 RGZ 57, 358; RG JW 1909, 160; Blydt-Hansen, S. 166; Ebersbach, S. 112.
1432 Schwintek, S. 206 m.w.N.
1433 RGZ 128, 298, 300; BGHZ 12, 146, 148; 19, 114, 125; 22, 293, 297; 29, 100, 102; 29,
344, 350; 46, 17, 23; 105, 121, 124; 106, 204, 206; 116, 7, 13; BGH NJW 1975, 47, 48;
RGRK/Steffen, § 823, Rn. 541; Staudinger/Hager, § 823, Rn. G 19; Palandt/Sprau, § 823,
Rn. 56; Blydt-Hansen, S. 166.
1434 BGHZ 28, 359, 365; 39, 366, 368; 64, 232, 237; 66, 388, 390; 69, 1, 16; 84, 312, 314;
BGH NJW 1991, 418, 419; BFH NJW 1997, 1725, 1727; Staudinger/Hager, § 823, Rn. G
19.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Stiftung des bürgerlichen Rechts wird vom Stiftungsvorstand als grundsätzlich einzigem Organ verwaltet. Die oft immensen Vermögensmassen der Stiftungen sind damit der zunächst alleinigen Verantwortung des Vorstands übergeben. Da dieser zentralen Einfluss auf die Geschicke der Stiftung hat, ist es notwendig, einen Pflichtenkatalog zu formulieren, der die Aufgaben und Spielräume des Stiftungsvorstands zusammenfasst und verständlich erläutert. Im Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung wird daher mit diesem Buch geklärt, welche grundlegenden Pflichten der Stiftungsvorstand hat, wo diese ihre rechtlichen Grundlagen finden und welche haftungsrechtlichen Folgen sich bei Pflichtverletzungen des Stiftungsvorstands ergeben können.
Dabei ist es gelungen, Abstimmungsfehler zwischen Bundes- und Landesrecht aufzuzeigen, die zur formellen Verfassungswidrigkeit zahlreicher Landesnormen im Stiftungsrecht geführt haben. Dies hat Auswirkungen sowohl auf die Arbeit des Stiftungsvorstands als auch auf die Arbeit der Stiftungsaufsichtsbehörde, deren Aufgabe es ist, die Mitgliederlosigkeit der Stiftung durch staatliche Kontrolle und Fürsorge auszugleichen.