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Schutz des Rechtsverkehrs die Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands klar erkennbar sein muß. Wenn schon eine Begrenzung der Handlungsspielräume keine Einschränkung der Vertretungsmacht bewirken kann, kann
diese erst recht nicht aus der allgemeinen Zwecksetzung der Stiftung oder des
Vereins abgeleitet werden.
Eine Begrenzung der Vertretungsmacht durch den Stiftungszweck scheidet
damit aus Verkehrsschutzgesichtspunkten aus1545. Konsequenterweise folgt daher
für die Vertreterstellung des Stiftungsvorstands die Anwendung der Grundsätze
über den Mißbrauch der Vertretungsmacht1546. Im Innenverhältnis bindet der Stiftungszweck den Stiftungsvorstand sehr wohl, so daß Rechtsgeschäfte abseits des
Stiftungszwecks eine Pflichtverletzung des Stiftungsvorstands darstellen, im
Außenverhältnis aber wirksam bleiben. Nur in Fällen der Evidenz und Kollusion
kann die Unwirksamkeit des fraglichen Rechtsgeschäfts die Folge sein. Im Falle
der Kollusion wird mit dem Rechtsgedanken der §§ 242, 138 BGB eine Nichtigkeit des vorgenommenen Rechtsgeschäfts die Folge sein, während bei evidentem
Mißbrauch der Vertretungsmacht die §§ 177 f. BGB Anwendung finden. Schwintek meint, daß eine Heilung der schwebenden Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Falle der Stiftung von vornherein ausgeschlossen sei1547. Üblicherweise wird es an einer Gestattungsmöglichkeit fehlen, wenn neben dem Vorstand
keine weiteren satzungsmäßigen Stiftungsorgane eingesetzt sind. Sofern ein Kontrollorgan vom Stifter eingesetzt wurde, kommt diesem zwar durchaus die Möglichkeit einer Genehmigung eines solchen Rechtsgeschäfts zu. Da das Kontrollorgan aber seinerseits an die Erfüllung des Stiftungszwecks gebunden ist1548, wäre
auch diese Zustimmung eine objektive Pflichtverletzung des Kontrollorgans und
ein ebenso evidenter Mißbrauch der Vertretungsmacht, so daß erneut §§ 177 f.
BGB Anwendung fänden.
3. Vertretungsbescheinigungen
Zum Nachweis im Rechtsverkehr werden von den Stiftungsbehörden sog. Vertretungsbescheinigungen ausgestellt1549. Diese werden mangels anderer Nachweismöglichkeiten auch allgemein anerkannt1550. Soweit diese nicht in den Landesstiftungsgesetzen vorgesehen sind1551, soll nach Reuter ein Rechtsanspruch auf
Erteilung einer Vertretungsbescheinigung aus dem Grundrecht der Stiftung auf
1545 MüKo/Reuter (5. Auflage), § 86, Rn. 11; Bamberger/Roth/Schwarz (1. Auflage), § 86 Rn.
3; § 26 Rn. 15; Seifart/v.Campenhausen/Hof, § 9 Rn. 33; Staudinger/Rawert, § 86 Rn. 8;
Schwintek, S. 181; Meyn/Richter, Rn. 546; Kaper, S. 114 f.; im Ergebnis auch Wernicke,
ZEV 2003, 301, 302.
1546 So Schwintek, S. 182; Coing, S. 18 f.
1547 Schwintek, S. 182.
1548 Gebel/Hinrichsen, § 4, Anm.3.
1549 Vgl. dazu VG Gießen, Urt. v. 6.1.1999, Az. 10 E 1856/98 (2), ZSt 2007, 187 f.
1550 Fischer, BWNotZ 2005, 97, 107.
1551 So aber etwa in § 8 III StiftG Schleswig-Holstein.
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Handlungsfreiheit folgen1552, da die Stiftung ohne ein entsprechende Bescheinigung im Rechtsverkehr u.U. handlungsunfähig sei (z.B. im Registerrecht,
vgl. §§ 29 GBO, 12 HGB)1553. Die Erteilung solcher Vertretungsbescheinigungen
gehöre daher auch ohne gesetzliche Anforderungen zu den Aufgaben der Stiftungsaufsicht1554.
Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen. Die Handlungsfreiheit der Stiftung
ist durch ausreichenden Nachweis der Vertretungsberechtigung gewahrt. Im Falle
der §§ 29 GBO, 12 HGB ist ein Nachweis der Vertretungsmacht mittels öffentlicher Urkunden notwendig. Eine öffentliche Urkunde in diesem Sinne ist in § 415
ZPO definiert als schriftliche Verkörperung eines rechtlich erheblichen Gedankens, die von einer Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Befugnisse oder von
einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen wird1555.
Bereits die Stiftungssatzung kann diesen Anforderungen schon genügen, so daß
es einer Vertretungsbescheinigung nicht mehr bedarf; ihre Qualität als schriftliche Verkörperung eines rechtlich erheblichen Gedankens wird mit Blick auf die
Vertretungsregelungen in der Stiftungssatzung nicht zu beanstanden sein. Die
Eigenschaft als öffentliche Urkunde kommt der Stiftungssatzung dann zu, wenn
sie von der Stiftungsbehörde im Anerkennungsprozeß als öffentliche Urkunde
i.S.d. § 415 ZPO aufgenommen wird.
Aber auch wenn die Stiftungssatzung nicht schon als öffentliche Urkunde gilt,
ist die Handlungsfähigkeit der Stiftung dennoch gesichert. Wie für jede andere
juristische Person besteht für die Stiftung die Möglichkeit gem. § 21 I 2 Nr. 2
BNotO eine notarielle Vertretungsbescheinigung einzuholen, die dem Erfordernis
der öffentlichen Urkunde genügt1556. Auch im Fall des § 12 HGB genügt eine
notarielle Vertretungsbescheinigung1557. Die Stiftung ist mithin auch ohne entsprechende behördliche Vertretungsbescheinigung handlungsfähig; eine Pflicht
zur Ausstellung solcher Vertretungsbescheinigungen seitens der Stiftungsaufsichtsbehörde entfällt daher.
Reuter diskutiert ebenfalls die Wirkung von Vertretungsbescheinigungen, die
denen von Vollmachtsurkunden gem. § 172 BGB entsprechen soll1558.
Auch dem ist nicht zuzustimmen. Eine solche behördliche Vertretungsbescheinigung ähnelt einer Bestallungsurkunde gem. §§ 1791, 1897, 1915 BGB des
gesetzlichen Vertreters, da auch diese nicht vom Vertretenen selbst, sondern vom
Gericht bzw. einer Behörde stammen. Auf Bestallungen findet § 172 BGB aber
1552 MüKo/Reuter (5. Auflage), Vor § 80, Rn. 85.
1553 Ebenso Staudinger/Rawert, Vorbem. zu §§ 80 ff., Rn. 80.
1554 Seifart/v. Campenhausen/Hof, § 9, Rn. 36, 37, 38 m.w.N.
1555 Bauer/v. Oefele/Knothe, § 29, Rn. 69, 74.
1556 BayObLG, NJW-RR 2000, 161, 161 ff.; Eylmann/Vaasen/Limmer, BNotO, § 21, Rn. 32
m.w.N.; a.A. OLG Frankfurt, MittRhNotK 1996, 53, 53 f., wonach die notarielle Vertretungsbescheinigung nicht als Nachweis gem. § 29 GBO genügt.
1557 MüKo-HGB/Krafka, § 12, Rn. 13.
1558 MüKo/Reuter (5. Auflage), Vor § 80, Rn. 85.
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nach einhelliger Meinung keine Anwendung1559. § 172 BGB führt zudem zur
gesetzlichen Fiktion der Vertretungsmacht; nach Rechtsscheinsgrundsätzen, die
in § 172 BGB eine gesetzliche Verankerung gefunden haben, muß sich nämlich
derjenige, der zurechenbar einen an einen Rechtsscheinsträger gebundenen
Rechtsschein in die Welt setzt, aus Vertrauensschutzgesichtspunkten1560 so behandeln lassen, als entspräche dieser Rechtsschein der tatsächlichen Rechtslage1561.
Im Falle der Vertretungsbescheinigungen fehlt es aber an der Zurechenbarkeit1562 des Rechtsscheins zur Stiftung. Für die Zurechenbarkeit ist es entscheidend, daß der Vertretene in der Lage gewesen wäre, das Handeln des Vertreters
zu unterbinden, mithin die Entstehung des gesetzten Rechtsscheins zu verhindern
oder diesen zu zerstören1563. Im Fall der Stiftung würde dies bedeuten, daß sie in
der Lage hätte sein müssen, die Ausstellung der Vollmachtsurkunde zu verhindern bzw. eine fehlerhafte Vollmachtsurkunde zu vernichten1564. Genau dies ist
aber nicht der Fall, da die Stiftung nur durch ihren Vorstand handeln kann, welcher im Falle fehlerhafter Vertretungsbescheinigungen diese selten angreifen
wird. Letztlich wäre die Stiftung der Entscheidung der Stiftungsaufsicht ausgeliefert, die anstelle der Stiftung die Gewähr dafür übernehmen würde, daß die
Vertretungsbescheinigung der tatsächlichen Rechtslage entspricht. Gleichwohl
würden die Rechtswirkungen, die sich aus einer Anwendbarkeit von § 172 BGB
auf behördliche Vertretungsbescheinigungen ergäben, nur von der Stiftung getragen werden. Die Aufsichtsbehörde würde also mittelbar eine Verantwortung für
die Stiftung begründen können und damit letztlich in organähnlicher Eigenschaft
tätig werden. Die Stiftungsaufsicht ist jedoch eben kein Organ der Stiftung, sondern nur Rechtsaufsichtsbehörde1565.
Die Zurechnung eines von der Aufsichtsbehörde gesetzten Rechtsscheins zur
Stiftung käme einer Organstellung der Stiftungsaufsicht gleich. Auch würde die
Stiftungsaufsicht mit Vertretungsbescheinigungen rechtswidriges Handeln des
Stiftungsvorstands oder sogar jedes Dritten im Verhältnis zur Stiftung legitimieren können. Überspitzt formuliert könnte die Aufsichtsbehörde jedem Dritten
fehlerhaft eine Vertretungsbescheinigung ausstellen, der dann mit der in § 172
BGB fixierten Rechtsscheinsvollmacht ausgestattet wäre. Die Stiftung müßte
sich jedes von diesem Dritten getätigte Rechtsgeschäft zurechnen lassen.
Die Wirkung der Vertretungsbescheinigungen beschränkt sich daher auf die
zusätzliche Anspruchsgrundlage des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, die dem
potentiellen Gläubiger der Stiftung zusteht, wenn dieser auf eine fehlerhaft aus-
1559 RGZ 74, 263, 265; Bamberger/Roth/Habermeier (2. Auflage), § 172, Rn. 3; Palandt/Heinrichs, § 172, Rn. 2; MüKo/Schramm, § 172, Rn. 19; Staudinger/Schilken, § 172, Rn. 1.
1560 BGH NJW 1962, 1003, 1003; Palandt/Heinrichs, § 172, Rn. 6.
1561 Staudinger/Schilken, § 172, Rn. 1 ff.; § 167, Rn. 34 ff.
1562 Ausführlich zum Erfordernis der Zurechenbarkeit Staudinger/Schilken, § 167, Rn. 40 ff.
1563 Staudinger/Schilkenk, § 167, Rn. 40; MüKo/Schramm, § 167, Rn. 63.
1564 Dementsprechend ist bei direkter Anwendung des § 172 BGB verlangt, daß die ausgestellte Vollmachtsurkunde echt, d.h. vom Vertretenen ausgestellt ist, vgl. Staudinger/Schilken, § 172, Rn. 1.
1565 BVerwGE 40, 347, 348 ff.
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gestellte Vertretungsbescheinigung vertraut hat und ihm dadurch ein Schaden entstanden ist.
4. Haftung aus § 179 BGB
Der Vollständigkeit halber ist die Haftung des Stiftungsvorstands aus § 179 BGB
zu nennen. Diese tritt dann ein, wenn der Vorstand als falsus procurator, d.h. als
Vertreter ohne Vertretungsmacht handelt. Der Stiftungsvorstand haftet dann nach
Wahl des Geschäftspartners wahlweise auf Erfüllung bzw. auf Ersatz des positiven Interesses1566, während eine Verpflichtung der Stiftung nicht möglich ist. Für
die Stiftung ergeben sich insoweit keine Besonderheiten.
1566 Seifart/v.Campenhausen/Hof, § 9, Rn. 26; Hüttemann/Herzog, Non Profit Law Yearbook
2006, 33, 50.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Stiftung des bürgerlichen Rechts wird vom Stiftungsvorstand als grundsätzlich einzigem Organ verwaltet. Die oft immensen Vermögensmassen der Stiftungen sind damit der zunächst alleinigen Verantwortung des Vorstands übergeben. Da dieser zentralen Einfluss auf die Geschicke der Stiftung hat, ist es notwendig, einen Pflichtenkatalog zu formulieren, der die Aufgaben und Spielräume des Stiftungsvorstands zusammenfasst und verständlich erläutert. Im Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung wird daher mit diesem Buch geklärt, welche grundlegenden Pflichten der Stiftungsvorstand hat, wo diese ihre rechtlichen Grundlagen finden und welche haftungsrechtlichen Folgen sich bei Pflichtverletzungen des Stiftungsvorstands ergeben können.
Dabei ist es gelungen, Abstimmungsfehler zwischen Bundes- und Landesrecht aufzuzeigen, die zur formellen Verfassungswidrigkeit zahlreicher Landesnormen im Stiftungsrecht geführt haben. Dies hat Auswirkungen sowohl auf die Arbeit des Stiftungsvorstands als auch auf die Arbeit der Stiftungsaufsichtsbehörde, deren Aufgabe es ist, die Mitgliederlosigkeit der Stiftung durch staatliche Kontrolle und Fürsorge auszugleichen.