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im Rahmen des o.g. Spannungsverhältnisses zu566. Trennscharf läßt sich das
erlaubte Risiko jedoch nicht bezeichnen. Der BFH hat klargestellt, daß eine
»Sicherung des wirtschaftlichen Erfolges« ebensowenig wie ein »vernünftiges
kaufmännisches Ermessen« objektivierbar ist567. Das erlaubte Risiko liegt somit
im Ermessen der zuständigen Stiftungsorgane und unterliegt lediglich einer
Grenzkontrolle anhand der kaufmännischen Verkehrsanschauung. Es ist Aufgabe
des Stifters im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit grundsätzliche
Vorgaben im Hinblick auf das zulässige Risiko und die Grenzen des Ermessensspielraums in der Satzung vorzugeben568.
Besondere Beachtung verdient die Frage, ob es den Landesgesetzgebern
gestattet ist, im o.g. Spannungsverhältnis Grundsätze zwischen Risiko und Rendite aufzustellen, die den Entscheidungsspielraum der Stiftungsorgane einschränken. Dies ist dann der Fall, wenn die Bundesnormen zu dieser Frage nicht
abschließend sind, sondern landesrechtlicher Konkretisierung zugänglich sein
sollen. Die Bundesnormen zeichnen nur das o.g. Spannungsverhältnis auf, es
wird eine flexible Regelung getroffen, die den Stiftungsvorstand in der Wahl der
Vermögensanlage nicht beschränkt, ihm allerdings auch keinen konkreten
Anhaltspunkt im Einzelfall gibt. Es läßt sich keine Formel benennen, mit der dieses Spannungsverhältnis optimal ausgeglichen wird. Jede Form der Vermögensanlage kann stiftungszweckwidrig sein, wenn entweder die Pflicht zur Vermögenserhaltung durch zu großes Risiko verletzt wird, oder wenn die Pflicht zur
Stiftungszweckerfüllung mißachtet wird, weil die gewählte Vermögensanlageform zu wenige Erträge einbringt. Da die bundesrechtliche Regelung immer auf
den Einzelfall angewandt werden muß, kann eine landesrechtliche Ergänzung
nicht konkreter als Bundesrecht sein ohne dabei Regelungsgehalt zu verlieren.
Eben die Flexibilität der Bundesregelung macht es erforderlich, alleine das Spannungsverhältnis zwischen Risiko und Rendite aufzuzeigen und eine optimale
Ausgleichung desselben im Einzelfall vom Stiftungsvorstand zu verlangen. Die
Bundesnormen sind mithin abschließend, landesrechtliche Konkretisierungen
sind nicht möglich.
III. Sonstige Pflichten
Eine eigentliche Selbstverständlichkeit ist neben den o.g. Pflichten die Treuhänderstellung des Vorstands und die damit verbundene Treuepflicht gegenüber der
Stiftung569. So darf der Vorstand nicht auf Kosten der Stiftung eigene Interessen
566 v.Rotberg, § 7, Anm.1b; dieser ist jedoch gerichtlich überprüfbar, vgl. Andrick, DVBl.
2003, 1246, 1249.
567 BFH, Urteil v. 15. Juli 1998 – IR 156/94 = BStBl. II 2002, 162.
568 So auch Jakob, ZSt 2006, 63, 71; Henß, ZSt 2004, 83, 87 f., 89.
569 MüKo/Reuter (5. Auflage), § 86, Rn. 16; Schwintek, S. 153 f.
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oder die Interessen Dritter verfolgen570. Daher sind Insichgeschäfte i.S.v.
§ 181 BGB mit für die Stiftung nachteiligem Inhalt stets Pflichtverletzungen des
Stiftungsvorstands571.
Die Stiftung ist insolvenzfähig572. Der Stiftungsvorstand ist aus § 42 II BGB
verpflichtet573, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen,
sofern ein Insolvenzgrund vorliegt574. Diese Pflicht trifft nicht nur den Stiftungsvorstand als Gesamtheit, sondern jedes einzelne Vorstandsmitglied575. Dabei bleiben satzungsmäßige Vertretungsbefugnis und interne Kompetenz- und Zuständigkeitsverteilungen außer Betracht576. Sobald allerdings ein berechtigtes Organmitglied einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenverfahrens gestellt hat, entbindet
dies die anderen Organmitglieder von der Antragspflicht577.
IV. Zusammenfassung
Die bisherige Untersuchung zeigt, daß die bundesrechtlichen Vorgaben die essentiellen Bestandteile des Stiftungsrechts zumeist abschließend regeln, die wesentlichen Fragen in Bezug auf Vorstandspflichten lassen sich durch Auslegung des
Bundesrechts ermitteln. Die vielfach bereits als Selbstverständlichkeit hingenommenen Grundregeln des Stiftungsrechts bilden die Basis, auf der jede weitere
ergänzende Regelung fußen muß. Aus Bundesrecht stammt die Pflicht zur Stiftungszweckerfüllung ebenso wie die Pflicht zur Vermögenserhaltung. Wichtige
Erkenntnis ist dabei, daß Stiftungszweck und Stiftungsvermögen in einem Über-
Unterordnungsverhältnis zueinander stehen. Jegliche Pflicht zur Vermögenserhaltung steht immer im Schatten der Stiftungszweckerfüllung, d.h. sobald mit der
Vermögenserhaltung das Ziel der Stiftungszweckerfüllung nicht zumindest mittelbar erreicht wird, steht diese im Widerspruch zu den §§ 80 ff. BGB.
570 Schwintek, S. 164; Reuter, Non Profit Law Yearbook 2002, 157, 158 f.; Kiethe, NZG 2007,
810, 811.
571 Reuter, Non Profit Law Yearbook 2002, 157, 159.
572 Bach/Knof, ZInsO 2005, 729 ff.
573 Oepen, NZG 2001, 209, 210.
574 Prütting, Non Profit Law Yearbook 2002, 137, 142.
575 Prütting, Non Profit Law Yearbook 2002, 137, 142.
576 Stingl, S. 108; MüKo-InsO/Schmahl, § 15, Rn. 72.
577 Stingl, S. 109.
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References
Zusammenfassung
Die Stiftung des bürgerlichen Rechts wird vom Stiftungsvorstand als grundsätzlich einzigem Organ verwaltet. Die oft immensen Vermögensmassen der Stiftungen sind damit der zunächst alleinigen Verantwortung des Vorstands übergeben. Da dieser zentralen Einfluss auf die Geschicke der Stiftung hat, ist es notwendig, einen Pflichtenkatalog zu formulieren, der die Aufgaben und Spielräume des Stiftungsvorstands zusammenfasst und verständlich erläutert. Im Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung wird daher mit diesem Buch geklärt, welche grundlegenden Pflichten der Stiftungsvorstand hat, wo diese ihre rechtlichen Grundlagen finden und welche haftungsrechtlichen Folgen sich bei Pflichtverletzungen des Stiftungsvorstands ergeben können.
Dabei ist es gelungen, Abstimmungsfehler zwischen Bundes- und Landesrecht aufzuzeigen, die zur formellen Verfassungswidrigkeit zahlreicher Landesnormen im Stiftungsrecht geführt haben. Dies hat Auswirkungen sowohl auf die Arbeit des Stiftungsvorstands als auch auf die Arbeit der Stiftungsaufsichtsbehörde, deren Aufgabe es ist, die Mitgliederlosigkeit der Stiftung durch staatliche Kontrolle und Fürsorge auszugleichen.