29
Steuern an, wenn deren Aufkommen dem allgemeinen Staatshaushalt zufließt
und dort endgültig verbleiben soll.87 Diese essentielle Voraussetzung einer
Steuer erfüllt die Medienabgabe erkennbar nicht. Die Einnahmen aus ihr sollen nicht dem allgemeinen Staatshaushalt zufließen und dort verbleiben, sondern – wie bisher schon die Rundfunkgebühr – unmittelbar den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten zur Verfügung stehen. Angesichts dieses eindeutigen Befundes kann dahin stehen, ob die Medienabgabe nicht schon auch
deshalb keine Steuer sein kann, weil ein Steueraufkommen begriffsnotwendig
im Staatshaushalt zu veranschlagen ist, jegliche Zuweisung eines Abgabenaufkommens außerhalb des Staatshaushalts – wie bei der Medienabgabe –
mithin den Steuercharakter von vornherein ausschließt.88
Einer Qualifikation als Gebühr oder Beitrag ist die Medienabgabe von vornherein dadurch entzogen, dass sie – im Gegensatz zur Rundfunkgebühr – nicht
mehr an die tatsächliche oder potenzielle Inanspruchnahme einer Gegenleistung durch die »Gesamtveranstaltung Rundfunk« gebunden ist, sondern sich
durch ihre Geräteunabhängigkeit von den bisherigen Grundlagen der Gebührenpflicht vollständig löst.89.
Für die Frage nach der finanzverfassungsrechtlichen Grundlage einer Medienabgabe folgt aus diesem Befund ihres Abgleichs mit den klassischen Abgabeformen, dass sich ihre Einführung weder auf steuerrechtliche Kompetenzen
der Länder noch auf den Gedanken gebühren- bzw. beitragsrechtlicher Annexkompetenzen der Länder stützen kann. Die Medienabgabe bedarf mithin einer
anderen kompetenziellen Grundlage, um zulässigerweise an die Stelle der bisherigen Rundfunkgebühr treten zu können.
2) Sonderabgaben als eigenständige Finanzierungsform
a) Grundsätzliche Zulässigkeit von Sonderabgaben
Neben den klassischen Abgabeformen (Steuer, Gebühr, Beitrag) hat sich in
der Staatspraxis schon seit geraumer Zeit die Sonderabgabe etabliert.90 Nach
87 So BVerfGE 67, 256 (287). Zur Einnahmenerzielung für den allgemeinen Finanzbedarf des
Gemeinwesens als begriffliches Wesensmerkmal der Steuer siehe BVerfGE 82, 159 (178);
91, 186 (201); 108, 186 (212); 113, 128 (146).
88 Nach BVerfGE 101, 141 (148) ist der Zufluss in den allgemeinen Haushalt Voraussetzung
für die Steuer; zurückhaltend jetzt BVerfGE 108, 186 (213).
89 Siehe dazu oben Teil A. II. 1).
90 Zur Entwicklung von Staatspraxis und Rspr. in Bezug auf die Sonderabgabe zusammenfassender Überblick etwa bei Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz,
30
Auffassung des Bundesverfassungsgerichts91 und der ganz überwiegenden
Meinung in der Literatur92 handelt es sich bei der Sonderabgabe um eine
eigenständige Abgabenart zur Finanzierung besonderer Aufgaben außerhalb
des allgemeinen Staatshaushalts. Sie steht – unter restriktiven Voraussetzungen93 – sowohl Bund als auch Ländern94 als zusätzliche Finanzierungsform
neben Steuern, Gebühren, Beiträgen und sonstigen Abgaben95 als spezifisch
geprägter Abgabentypus zur Verfügung. Ihre spezifische Kontur erhält die
Sonderabgabe dadurch, dass sie zwar der Finanzierung öffentlicher Aufgaben
dient, jedoch nur besonderen Gruppen von Abgabepflichtigen auferlegt und
typischerweise außerhalb des Staatshaushalts durch gesonderte Fonds verwaltet wird.96 In Teilen der Literatur wird die Sonderabgabe hingegen nicht als
eigenständiger Abgabentypus, sondern als genereller Auffangtatbestand für
alle Sonderlasten angesehen, die nicht den klassischen Abgabekategorien
zuzuordnen sind.97 Entsprechend dem methodischen Ansatz dieser Untersuchung98 wird den folgenden Überlegungen jedoch die für die Staatspraxis
letztlich allein maßgebliche Sicht des Bundesverfassungsgerichts zugrunde
gelegt, die die Sonderabgabe nicht als Auffangtatbestand versteht, sondern
neben ihr als spezifischer Abgabeform – über Gebühr und Beitrag hinaus –
weitere sonstige außersteuerliche Abgaben zulässt.99
Im Hinblick auf die abgabenrechtliche Zuordnung der Medienabgabe ist
damit von vornherein klargestellt, dass ihre eindeutige Abgrenzung von den
klassischen Abgabeformen (Steuer, Gebühr, Beitrag) sie nicht zwangläufig
der Kategorie der Sonderabgabe zuweist und deren restriktiven Zulässigkeitsvoraussetzungen unterstellt, sondern weitere Optionen ihrer abgabenrechtlichen Zuordnung denkbar sind.100
90
Losebl., Nov. 1997, Vorbem. zu Art. 104a-115, Rn. 436 ff.; P. Kirchhof, Nichtsteuerliche
Abgaben, in: HStR V, 3. Aufl. 2007, § 119 Rn. 69 ff.; H. Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, vor Art. 104a Rn. 147 ff.
91 BVerfGE 81, 156 (186 f.); 82, 159 (181).
92 Ausführliche Nachweise bei P. Lerche, Verfassungsfragen zum Solidarfonds Abfallrückführung, in: Der Betrieb, Beilage Nr. 10/95, S. 5.
93 Dazu näher unten Teil B. II. 2) c).
94 Zur Geltung der von der Rspr. entwickelten Grundsätze auch für Sonderabgaben der Länder
BVerfGE 92, 91 (115 f.); 101, 141 (148); 108, 186 (217).
95 Zu den sonstigen Abgaben näher unten Teil B. II. 4).
96 BVerfGE 81, 156 (186 f.); 82, 159 (181).
97 Nachweise bei F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts, 2. Aufl. 2001, Rn. 20.
98 Dazu oben Teil A. III.
99 Dazu näher unten Teil B. II. 4) a).
100 Dazu unten Teil B. II. 4) c).
31
b) Zum Begriff der Sonderabgabe
Trotz ihrer mittlerweile erheblichen praktischen Bedeutung101 steht eine
genaue Begriffsdefinition der Sonderabgabe noch aus.102 Im Gegensatz zu
den Abgabeformen Steuer, Gebühr und Beitrag fehlt es an einer Legaldefinition bzw. an gefestigten Kriterien, die die Sonderabgabe bereits begrifflich
von anderen Abgabeformen trennscharf unterscheidet.
Erste Konturen gewinnt der Begriff der Sonderabgabe allerdings dadurch,
dass ihre Besonderheiten vor dem Hintergrund vorhandener Gemeinsamkeiten mit Steuer, Gebühr und Beitrag herausgestellt werden.
Mit der Steuer stimmt die Sonderabgabe zunächst insofern überein, als beide
Abgabeformen voraussetzungslos, d.h. ohne Rücksicht auf eine korrespondierende Gegenleistung der öffentlichen Hand, auferlegt werden. Aus diesem
Grunde gerät jede Sonderabgabe zwangsläufig in Konkurrenz zu dem verfassungsrechtlich umfassend geregelten Institut der Steuer.103 Im Unterschied
zur Steuer wird die Sonderabgabe jedoch nicht aus einer eigenen spezifischen
Abgabenkompetenz erhoben, wie sie für die Steuergesetzgebung von Bund
und Ländern in Art. 105 GG enthalten ist, sondern unter Inanspruchnahme
von Kompetenzen zur Regelung bestimmter Sachmaterien gemäß Art. 70 ff.
GG, die ihrer Art nach nicht auf Abgabenerhebung bezogen sind.104 Das Bundesverfassungsgericht sieht daher voraussetzungslos auferlegte Geldleistungspflichten immer nur dann als Sonderabgaben an, wenn es zu einer Konkurrenzsituation mit der ebenfalls voraussetzungslos geschuldeten Steuer
kommt und damit typischerweise ein Konflikt mit den Regelungen der
Finanzverfassung droht.105
Die Abgrenzung der Sonderabgabe zu Gebühr und Beitrag ist demgegenüber
unter Hinweis auf die der Sonderabgabe fehlende individuelle Gegenleistungsbezogenheit vergleichsweise problemlos. Der Sonderabgabe fehlt das
Element der individuellen Äquivalenz, das für Gebühr und Beitrag als Vor zugslasten begriffsprägend und legitimierend ist.
Als begriffsprägende Merkmale der Sonderabgabe erweisen sich damit
101 Übersicht zu den Sonderabgaben des Bundes und deren Aufkommen im Bundeshaushaltsplan 2007, S. 91 ff.
102 So G. Schiller, Sonderabgaben mit einer wirtschaftslenkenden Antriebs- und Sanktionsfunktion in der Wirtschafts- und Finanzverfassung des Grundgesetzes, 2000, S. 5; ähnlich
im Ergebnis R. Staudacher, Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Sonderabgaben, 2004,
S. 34 ff.
103 BVerfGE 67, 256 (274 ff.); 78, 249 (267); 81, 156 (186 f.); 89, 132 (144); 108, 186 (217).
104 BVerfGE 75, 108 (147); 81, 156 (186 f.).
105 BVerfGE 55, 274 (298, 300); 67, 256 (274 f.); 75, 108 (147); 78, 249 (267); 81, 156 (186 f.);
89, 132 (144).
32
– ihre kompetenzielle Abstützung auf eine Sachzuständigkeit, die ihrer Art
nach nicht auf Abgabenerhebung bezogen ist,106
– die Voraussetzungslosigkeit ihrer Erhebung,
– die Belastung nur einer bestimmten Gruppe und
– die Ertragsverwendung zur Finanzierung einer öffentlichen Aufgabe
außerhalb des staatlichen Haushalts.107
c) Zulässigkeitsvoraussetzungen für Sonderabgaben
Die Zulässigkeit von Sonderabgaben wird vom Bundesverfassungsgericht seit
der Entscheidung zur Berufsbildungsabgabe108 und in ständiger Rechtsprechung seither109 an enge Voraussetzungen gebunden, um sicherzustellen, dass
Sonderabgaben gegenüber den in Art. 105 ff. GG umfassend geregelten Steuern die seltene Ausnahme bleiben. 110
Schlagwortartig verkürzt ist die Auferlegung einer Sonderabgabe unter folgenden Voraussetzungen zulässig:111 Zur Finanzierung einer besonderen Aufgabe darf eine Sonderabgabe nur erhoben werden von (1) einer homogenen
Gruppe, wenn (2) eine Sachnähe zwischen den Abgabepflichtigen und dem
mit der Abgabe verfolgten Zweck besteht, aus der sich (3) eine Gruppenverantwortung für die Erfüllung dieses Zwecks ergibt. Das Abgabeaufkommen
muss in der Regel (4) gruppennützig verwendet werden. Als Ausnahmeinstrument bedarf die Sonderabgabe zudem (5) der fortlaufenden Legitimation und
Überprüfung durch den Gesetzgeber. Diese Anforderungen hat das Bundesverfassungsgericht neuerdings um das Erfordernis erweitert, dass der Gesetzgeber die erhobenen Sonderabgaben (6) haushaltsrechtlich vollständig dokumentieren muss.112
Diese Zulässigkeitsvoraussetzungen gelten grundsätzlich für alle Arten von
Sonderabgaben, unabhängig davon, ob diese primär als Finanzierungsinstrument ausgestaltet sind oder darüber hinaus z.B. ausgleichende, lenkende oder
106 BVerfGE 75, 108 (147); 81, 156 (186 f.).
107 So auch die Begriffsumschreibung der Sonderabgabe bei P. Lerche, Verfassungsfragen zum
Solidarfonds Abfallrückführung, in: Der Betrieb, Beilage 10/95, S. 5.
108 BVerfGE 55, 274 (298).
109 Überblick zur Rspr. etwa bei Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz,
Losebl., Nov. 1997, Vorbem. zu Art. 104a-115 Rn. 436 ff.; zuletzt BVerfGE 113, 128
(149 f.).
110 St. Rspr. seit BVerfGE 55, 274 (308); zuletzt BVerfGE 113, 128 (150).
111 Siehe H.-G. Henneke, Öffentliches Finanzwesen. Finanzverfassung, 2. Aufl. 2000, Rn. 435;
näher zu den Anforderungen der einzelnen Voraussetzungen etwa P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V, 3. Aufl. 2007, § 119 Rn. 78 ff.; Tipke/Lang, Steuerrecht,
18. Aufl. 2005, § 3 Rn. 21 ff.
112 BVerfGE 108, 186 (218); 110, 370 (389).
33
fördernde Gestaltungswirkungen entfalten sollen.113. In seiner neueren Rechtsprechung114 unterscheidet das Bundesverfassungsgericht allerdings zwischen Sonderabgaben im engeren Sinn und Sonderabgaben im weiteren Sinn
und bindet die Zulässigkeit von Sonderabgaben im weiteren Sinn an weniger
strenge Voraussetzungen.115
Für die Frage einer etwaigen Zuordnung der Medienabgabe zur Kategorie der
Sonderabgabe ist diese Differenzierung allerdings ohne Belang. Die Aufweichung der restriktiven Zulässigkeitsvoraussetzungen kommt nämlich lediglich den Sonderabgaben mit Lenkungszweck (Sonderabgaben im weiteren
Sinn) zugute, nicht jedoch den Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion
(Sonderabgaben im engeren Sinn).116 Für letztere gelten nach übereinstim mender Ansicht beider Senate des Bundesverfassungsgerichts117 weiterhin
die besonders strengen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht
vornehmlich zum Schutz der grundgesetzlichen Finanzverfassung in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat.118 Nur bei Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion besteht aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts die spezifische Gefährdungslage für die finanz- und haushaltsverfassungsrechtlichen
Vorgaben des Grundgesetzes durch die Auferlegung von Sonderabgaben. Für
die Annahme einer Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion genügt es
jedoch, dass die Finanzierungsfunktion Nebenzweck ist, so dass lediglich diejenigen Sonderabgaben abgeschwächten Zulässigkeitsanforderungen unterliegen, bei denen nicht die Finanzierung einer besonderen Aufgabe Anlass zu
ihrer Einführung war.119
Für die Medienabgabe stünde damit außer Frage, dass sie – für den Fall ihrer
begrifflichen Einstufung als Sonderabgabe120 – die besonders strengen Vor-
113 Zur Vielgestaltigkeit der Sonderabgaben Überblick bei P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V, 3. Aufl. 2007, § 119 Rn. 90 ff.
114 BVerfGE 92, 91 (129); 108, 186 (217); 113, 128 (149).
115 Zu Tendenzen einer Aufweichung der Zulässigkeitsvoraussetzungen bei Sonderabgaben im
weiteren Sinn Chr. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: HStR V,
3. Aufl. 2007, § 116 Rn. 93 unter Hinweis auf BVerfGE 110, 370 (392) und BVerfGE 113,
128 (152).
116 Näher dazu M. Elicker, Der Grundsatz der Lastengleichheit als Schranke der Sonderabgaben, Inpflichtnahmen und Dienstleistungspflichten, NVwZ 2003, S. 304 ff. (305 f.);
H. Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, vor Art. 104
Rn. 167 ff.
117 Zu den im Übrigen teilweise unterschiedlichen Sichtweisen beider Senate J. Wieland,
Finanzverfassung, Steuerstaat und föderaler Ausgleich, in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, 2001, Bd. II, S. 771 ff. (778 ff.).
118 So ausdrücklich BVerfGE 108, 186 (217); 113, 128 (149). Aus der Zusammenschau beider
Entscheidungen ergibt sich auch, dass das BVerfG unter Sonderabgaben im engeren Sinn
die Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion versteht.
119 Dazu H. Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, vor
Art. 104a Rn. 167 ff.
120 Dazu unten Teil B. II. 3).
34
aussetzungen erfüllen müsste, die das Bundesverfassungsgericht insbesondere mit den Stichworten »Homogenität der belasteten Gruppe«, »Gruppenverantwortung und Sachnähe« sowie »gruppennütziger Aufkommensverwendung«121 an die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Sonderabgaben (im
engeren Sinn) mit Finanzierungsfunktion stellt. Ihre Zuordnung zu den Sonderabgaben (im weiteren Sinn) mit Lenkungs- oder Ausgleichsfunktion scheidet für die Medienabgabe jedenfalls von vornherein aus, weil aufgrund der
rundfunkverfassungsrechtlich gebotenen Staatsfreiheit des Rundfunks die
hoheitlich auferlegte Medienabgabe nicht zu einer rundfunkspezifischen Verhaltenslenkung der Bürger instrumentalisiert werden darf und sie wegen ihrer
Geräteunabhängigkeit auch nicht im Sinne einer Ausgleichsleistung konzipiert ist. Übrig bliebe damit nur eine Einordnung der Medienabgabe als Sonderabgabe mit (ausschließlicher) Finanzierungsfunktion.122 Diese Qualifikation entspräche prima facie auch dem Sinn und Zweck der Medienabgabe, die
für die Veranstaltung von öffentlich-r echtlichem Rundfunk erforderlichen
Finanzmittel zu erheben und damit den rundfunkverfassungsrechtlichen
Gewährleistungsauftrag einer funktionsgerechten Finanzausstattung123 einzulösen.
Erhält der Begriff der Sonderabgabe durch den Vergleich mit den klassischen
Abgabeformen (Steuer, Gebühr, Beitrag) bereits erste eigenständige Konturen124 und wird ihr Erscheinungsbild durch den Blick auf die besonderen
Zulässigkeitsvoraussetzungen weiter geklärt, so verbleibt doch eine gewisse
begriffliche Unschärfe,125 die eine endgültige Entscheidung über die etwaige
Zuordnung der Medienabgabe zur Finanzierungsform der Sonderabgabe an
dieser Stelle noch nicht zulässt. Vor einer solchen Entscheidung ist es geboten, nach der »ratio« zu fragen, die hinter der erkennbaren Zurückhaltung von
Rechtsprechung und Literatur der Sonderabgabe gegenüber steht, um auf dem
Wege einer derartigen teleologischen Analyse die dogmatische Grundlage zu
verbreitern, auf der dann die endgültige abgabenrechtliche Qualifikation der
Medienabgabe erfolgen kann.126
121 Zu Einzelheiten dieser und weiterer Anforderungen etwa P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V, 3. Aufl. 2007, § 119 Rn. 78 ff.
122 Ebenso für eine Einordnung einer geräteunabhängigen Medienabgabe (»Bürgerabgabe«) als
Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion H.-D. Jarass, Verfassungsrechtliche Fragen einer
Reform der Rundfunkgebühr, Rechtsgutachten, 2007, S. 43.
123 Dazu bereits oben Teil B. I. 1).
124 Dazu oben Teil B. II. 2) b).
125 So mit weiteren Nachweisen etwa H. Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, vor Art. 104 Rn. 149. Ähnlich P. Lerche, Verfassungsfragen zum Solidarfonds Abfallrückführung , in: Der Betrieb, Beilage 10/95, S. 5.
126 Siehe dazu nun Teil B. II. 2) d).
35
d) Zur »ratio« der restriktiven Zulässigkeitsvoraussetzungen für Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den restriktiven Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion für zulässig erachtet werden, erklärt sich in einem allgemeinen
Sinne daraus, dass das Grundgesetz ausweislich seiner Bestimmungen über
das Finanzwesen in den Art. 105 ff. die Besteuerung eindeutig in den Mittelpunkt der Staatsfinanzierung stellt und daneben ausdrücklich nur noch die
Gebühr und den Beitrag als Formen hoheitlich auferlegter Abgaben
erwähnt.127 Auch wenn sich aus dieser Entscheidung für den »Steuerstaat«128
kein verfassungsrechtlicher numerus clausus zulässiger Abgabeformen
ergibt,129 so bedarf doch jede über die Trias von Steuer, Gebühr und Beitrag
hinausgehende Abgabenbelastung im Hinblick auf die finanzverfassungsrechtlich intendierte Formenklarheit und Formenbindung130 einer besonderen
Rechtfertigung,131 um ergänzend neben die grundgesetzlich vorgesehenen
Geldleistungspflichten treten zu können.
(1) »Gefährdungspotenzial« der Sonderabgabe
Tragendes Motiv für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu
den restriktiven Voraussetzungen speziell der Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion ist die Sorge, dass die sachkompetenziell132 begründete Auferlegung voraussetzungsloser Geldleistungspflichten in Konkurrenz zum Institut der Steuer treten und dadurch vor allem
– die Normen und Institutionen der bundesstaatlichen Finanzverfassung,
– der Grundsatz der staatsbürgerlichen Lastengleichheit und
– das parlamentarische Budgetrecht
unterlaufen werden könnten.133 Die grundgesetzliche Finanzverfassung
(Art. 104a-115 GG) verlöre ihren Sinn und ihre Funktion, wenn unter Rück -
127 Siehe dazu bereits oben Teil B. II. 1) a).
128 BVerfGE 78, 249 (267) im Anschluss an K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: HStR I,
1987, § 27; erneut BVerfGE 93, 319 (342).
129 So zuletzt BVerfGE 113, 128 (147).
130 So BVerfGE 67, 256 (288).
131 So zuletzt BVerfGE 113, 128 (147).
132 Zur Sachkompetenz als Grundlage von Sonderabgaben siehe bereits oben Teil B. II. 2) b).
133 Seit BVerfGE 55, 274 (308) st. Rspr.; zuletzt BVerfGE 113, 128 (147 ff.). Zusammenfassend zum Gefährdungspotenzial der Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion etwa
P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V, 3. Aufl. 2007, § 119 Rn. 75 ff.; Vogel/
Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Losebl., Nov. 1997, Vorbem. zu
Art. 104a-115 Rn. 436 ff.
36
griff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern beliebig
nichtsteuerliche Abgaben unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen
Verteilungsregeln begründet werden könnten und damit zugleich ein weiterer
Zugriff auf die Ressourcen der Bürger eröffnet würde. Ebenso wird der Ver fassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans (Art. 110 Abs. 1
GG) berührt, wenn der Gesetzgeber mit dem typischerweise fondsgebundenen und daher »haushaltsflüchtigen« Ertrag der Sonderabgabe Einnahmenund Ausgabenkreisläufe außerhalb des Budgets organisiert und damit die parlamentarische Kontrolle über das staatlich verfügbare Finanzvolumen ebenso
gefährdet wie den Überblick über die dem Bürger insgesamt 134 hoheitlich auferlegte Abgabenlast.135 Die Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion signalisiert insofern einen »Krisentatbestand«136 und eine Gefährdungslage für
– die Ordnungsfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung,
– die Haushaltsgrundsätze und das parlamentarische Budgetrecht sowie
– den Schutz des Staatsbürgers vor üb ermäßiger Belastung durch hoheitlich
auferlegte Lasten.137
(2) Schutzfunktion der restriktiven Zulässigkeitsvoraussetzungen
Vor dem Hintergrund dieser Gefahrenlage ist es die ratio der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten restriktiven Zulässigkeitsvoraussetzungen für
Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion, die »Abgabenerfindungsphantasie« des Gesetzgebers einzudämmen und Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion nur als seltene Ausnahme zuzulassen.138
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist erkennbar von der
Sorge getrieben, dass der sachkompetente Gesetzgeber ohne diese Restriktionen neben dem System der klassischen Abgabeformen durch die »Erfindung«
neuer Abgaben eine weitere, vom Grundgesetz nicht vorgesehene apokryphe
Finanzverfassung etablieren könnte. In der Entscheidung zur baden-württem -
134 Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, bei der Auferlegung von Geldleistungspflichten die
Gesamtbelastung des Bürgers zu berücksichtigen und eine Überbelastung zu vermeiden,
lässt sich in einem allgemeinen Sinne dem Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG entnehmen;
dazu etwa H. Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 4. Aufl. 2007,
Art. 106 Rn. 17.
135 So zusammenfassend zuletzt BVerfGE 113, 128 (147 ff.); 114, 196 (250).
136 So der Ausdruck bei P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V, 3. Aufl. 2007,
§ 119 Rn. 105.
137 Zusammenfassende Nachweise zur Entwicklung dieser Sichtweise des BVerfG etwa bei
M. Elicker, Der Grundsatz der Lastengleichheit als Schranke der Sonderabgaben, Inpflichtnahmen und Dienstleistungspflichten, NVwZ 2003, S. 304 ff. (305).
138 Skeptisch zur Effizienz dieses Ansatzes H. Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Kommentar zum
Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, vor Art. 104a Rn. 173.
37
bergischen und bayerischen Feuerwehrabgabe hat das Bundesverfassungsgericht diese Sorge ausdrücklich dahingehend präzisiert, dass die Länder sich
ohne diese Restriktionen »neue« Abgabequellen unter Umgehung der grundgesetzlichen Finanzverfassung erschließen und dadurch die bundesstaatliche
und grundrechtliche Garantiefunktion der Finanzverfassung aushöhlen könn ten.139
In der Konsequenz dieser Absicht, (neue) Abgaben zu verhindern, die die
Schutzfunktionen des grundgesetzlich austarierten Systems der Finanzverfassung gefährden könnten, liegt es, dass das Bundesverfassungsgericht die Geltung der Restriktionen zwar grundsätzlich für alle Sonderabgaben betont, hinsichtlich der Intensität ihrer Geltung jedoch Abstufungen danach vornimmt,
ob die jeweilige Sonderabgabe zu einer Gefährdung der bundesstaatlichen
Finanzverfassung und einer Umgehung ihrer Verteilungsregelungen führen
kann oder nicht.140 Die begriffliche Differenzierung von Sonderabgaben im
engeren Sinn und Sonderabgaben im weiteren Sinn greift diesen Gedanken
auf141, indem den Sonderabgaben im engeren Sinn die als finanzverfassungsrechtlich besonders problematisch eingestuften Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion zugewiesen und weiterhin an restriktive Zulässigkeitsvoraussetzungen gebunden werden, während für Sonderabgaben im weiteren Sinn142
diese Maßstäbe nur eingeschränkt gelten.143
Dieser differenzierende Ansatz des Bundesverfassungsgerichts ist vor dem
Hintergrund der grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit des demokratisch legitimierten Gesetzgebers bei der Inanspruchnahme seiner grundgesetzlich eingeräumten Regelungskompetenz144 auch verfassungsrechtlich geboten. Die
restriktiven Voraussetzungen, an die das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit von Sonderabgaben bindet, werden mit der bestehenden Gefährdung
von Ordnungs- und Schutzfunktionen der grundgesetzlichen Finanzverfassung durch Sonderabgaben begründet. Soweit dieses Schutzbedürfnis tatsäch -
139 BVerfGE 92, 91 (115 f.); zur bundesstaatlichen und grundrechtlichen Ordnungs- bzw. Garantiefunktion der Finanzverfassung in der Sicht des BVerfG Nachweise bei M. Elicker, Der
Grundsatz der Lastengleichheit als Schranke der Sonderabgaben, Inpflichtnahmen und
Dienstleistungspflichten, NVwZ 2003, S. 304 ff. (305).
140 So die Analyse der Rspr. des BVerfG bei H.-G. Henneke, Öffentliches Finanzwesen. Finanzverfassung, 2. Aufl. 2000, Rn. 450 f.
141 Zu dieser begrifflichen Differenzierung in der Rspr. des BVerfG bereits oben
Teil B. II. 2) c).
142 Zum Verständnis der Sonderabgaben im weiteren Sinn als Abgaben, bei denen nicht die Finanzierung einer besonderen Aufgabe Anlass zu ihrer Einführung gibt, bereits oben
Teil B. II. 2) c).
143 BVerfGE 57, 139 (167); 67, 256 (278).
144 Zur grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit des demokratisch legitimierten Gesetzgebers etwa
P. Badura, Die Verfassung im Ganzen der Rechtsordnung und die Verfassungskonkretisierung durch Gesetz, in: HStR VII, 1992, § 163 Rn. 7 ff.
38
lich besteht, ist die damit verbundene Beschränkung der Gestaltungsfreiheit
des parlamentarischen Gesetzgebers verfassungsrechtlich legitimiert.145
Diese Beschränkung verliert ihre Legitimation jedoch in dem Maße, in dem
von einer Gefährdung der verfassungsrechtlichen Schutzgüter nicht mehr
gesprochen werden kann. Für den Abgabengesetzgeber bedeutet dies, dass
seine grundsätzliche Gestaltungsfreiheit in dem Maße wieder auflebt, in dem
die Gefährdung der Finanzverfassung durch die konkret in Frage stehende
Abgabe nicht mehr gegeben ist. Es ist letztlich ein Gebot des Ausgleichs
widerstreitender verfassungsrechtlicher Positionen im Sinne praktischer Konkordanz, die Gestaltungsfreiheit des Abgabengesetzgebers nur insoweit einzuschränken, als dies unabdingbar geboten ist, tatsächlichen Gefährdungen
der Finanzverfassung zu begegnen, sie im Übrigen jedoch unangetastet zu
lassen.
Diese Aspekte werden zu beachten sein, wenn es im Folgenden um die
etwaige Zuordnung der Medienabgabe zu den Sonderabgaben geht.
3) Die Medienabgabe – Keine Sonderabgabe
Die gelegentlich geäußerte Auffassung, dass es sich bei einer Medienabgabe
i.S.d. hier vorliegenden Modells einer geräteunabhängigen Haushalts- und
Betriebsstättenabgabe naheliegender Weise um eine Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion handele, die nur schwerlich den vom Bundesverfassungsgericht für Sonderabgaben entwickelten Zulässigkeitsvoraussetzungen entspräche,146 vermag aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen.
a) Keine zwangsläufige Zuordnung der Medienabgabe zur Kategorie der
Sonderabgabe
Zunächst ist bereits in einem allgemeinen Sinne vorab noch einmal daran zu
erinnern, dass die Sonderabgabe keinen Auffangtatbestand für alle nichtsteuerlichen Abgaben darstellt, die weder als Gebühr noch als Beitrag zu qualifizieren sind, sondern eine spezifisch geprägte Abgabeform ist, neben der auch
145 Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit P. Badura,
Die Verfassung im Ganzen der Rechtsordnung und die Verfassungskonkretisierung durch
Gesetz, in: HStR VII, 1992, § 163 Rn. 18 ff.
146 So H.-D. Jarass, Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform der Rundfunkgebühr, Rechtsgutachten, 2007, S. 43 f. in Bezug auf eine geräteunabhängige Bürgerabgabe aller volljährigen Personen, deren Aufkommen unmittelbar den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
zufließt. Ähnlich auch Chr. Degenhart, Rechtsfragen einer Neuordnung der Rundfunkgebühr, Rechtsgutachten, 2007, S. 64; Zweifel de lege lata ebenso bei S. Jutzi, Informationsfreiheit und Rundfunkgebührenpflicht, NVwZ 2008, S. 603 ff. (608).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Rundfunkgebühr ist in die Kritik geraten und soll nach dem Willen der Länder ab 2013 durch eine andere Form der Finanzierung ersetzt werden. In der Diskussion ist dabei u. a. eine geräteunabhängige Haushalts- und Betriebsstättenabgabe (Medienabgabe), die die Abgabepflicht von jeglichem Geräte- und Gegenleistungsbezug löst und allein an die Innehabung eines Haushalts bzw. einer Betriebsstätte bindet.
Der Autor legt dar, dass es sich bei der Medienabgabe nicht um eine Sonderabgabe handelt, sondern um eine durch die Rundfunkhoheit der Länder sachkompetenziell legitimierte Abgabe, die den rundfunkverfassungsrechtlichen Anforderungen an die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ebenso genügt wie den finanzverfassungs- und grundrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes.
Der Autor ist ordentlicher Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hohenheim und seit 1992 Vorstandsmitglied der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg.