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Diesen verfassungsrechtlich vorgegebenen Zusammenhang von Funktionsauftrag und funktionsgerechter Finanzausstattung formuliert § 12 Abs. 1
RStV deklaratorisch dahingehend, dass die Finanzausstattung den öffentlichrechtlichen Rundfunk in die Lage zu versetzen hat, seine verfassungsmäßigen
und gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen und überdies den Bestand und die Ent wicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu gewährleisten. Konsequenz dieses Junktims ist eine finanzielle Gewährleistungspflicht der (kompetenziell zuständigen) Länder für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. 64
2) Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks
Das Rundfunkverfassungsrecht ist neben dem Gebot einer funktionsgerechten Finanzierung geprägt vom Strukturprinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks.65
Die verfassungsrechtlich gebotene Staatsfreiheit des Rundfunks ist auch für
die nähere Ausgestaltung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von Relevanz, da nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts
Finanzierungsentscheidungen des Staates ein besonders wirksames Mittel zur
indirekten Einflussnahme auf die Programmgestaltung der Rundfunkanstalten
und damit auch die Konkurrenzfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind. Folglich verlangt die Rundfunkfreiheit Sicherungsmechanismen,
die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk effektiv davor schützen, dass Ent scheidungen der Länder über die Finanzausstattung zu politischen Einflussnahmen auf das Programm genutzt werden.66 Diesen verfassungsrechtlichen
Vorgaben einer strikten Trennung von medienpolitischen Entscheidungen
und solchen der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
wird de lege lata durch das mehrstufige Gebührenfestsetzungsverfahren unter
maßgeblicher Einbindung der unabhängigen KEF Rechnung getragen,
wodurch dem Entscheidungsspielraum der Länder bei der staatlichen Gebührenfestsetzung enge Grenzen gesetzt werden.67
64 Zu dieser Gewährleistungspflicht BVerfGE 87, 181 (198).
65 Dazu näher T. Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks – Grundlagen und Grenzen eines
Strukturprinzips am Beispiel der Aufsichtsgremienbesetzung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, in: FS Dittmann, 2005, S. 29 ff.
66 BVerfGE 90, 60 (90 ff.); BVerfGE 119, 181 (221).
67 Hierzu näher F. Ossenbühl, Rechtsfragen zur Festsetzung der Rundfunkgebühr, Rechtsgutachten, 2003, S. 30 ff.; kritisch T. Scheel, Die staatliche Festsetzung der Rundfunkgebühr,
2007, S. 113 ff., S. 141 ff., S. 149 ff.
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3) Vereinbarkeit der Medienabgabe mit den rundfunkverfassungsrechtlichen Anforderungen
Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch eine geräteunabhängige Medienabgabe wird diesen grundsätzlichen rundfunkverfassungsrechtlichen Anforderungen an eine funktionsgerechte und hinreichend
staatsfrei gestaltete Finanzausstattung gerecht.
Dies gilt zunächst für das Erfordernis einer funktionsgerechten Finanzausstattung. Die mit der Einführung der Medienabgabe verbundene Änderung des
Anknüpfungspunktes für die Auslösung der Abgabepflicht vom Bereithalten
eines Rundfunkempfangsgeräts zum Innehaben eines Haushalts bzw. einer
Betriebsstätte hat insoweit keine zwingenden Auswirkungen auf das Finanzvolumen für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten insgesamt. Das
Aufkommen muss und kann auch weiterhin so bemessen werden, dass die
funktionsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gesichert bleibt. Die Medienabgabe ist lediglich eine Modifikation der Art und
Weise, wie das funktionserforderliche Gesamtvolumen durch individuelle
Abgabepflichten aufgebracht wird, tangiert aber nicht die mit dem Erfordernis
einer funktionsgerechten Finanzierung angesprochene Schutzfunktion zugunsten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.
Auch die gelegentliche Äußerung des Bundesverfassungsgerichts, dass die
Gebührenfinanzierung die dem öffentli ch-rechtlichen Rundfunk gemäße Art
der Finanzierung sei,68 ist nicht dahingehend zu verstehen, dass nur die
Gebührenfinanzierung eine funktionsgerechte Finanzausstattung sichere.
Denn zum einen steht dem Gesetzgeber für die Ausgestaltung der Rundfunkordnung ohnehin ein weiter Gestaltungsspielraum offen69 und zum anderen
hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber für die Finanzierung des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausdrücklich auch andere Finanzierungsmodelle zugestanden.70
Die verfassungsrechtlich gebotene Staatsfreiheit des Rundfunks gerät durch
den Übergang zur Medienabgabe ebenfalls nicht in Gefahr. Diese bleibt schon
deshalb gesichert, weil die insoweit maßgeblichen Regelungen des bisherigen
KEF-Verfahrens für die Festsetzung der Medienabgabe unverändert beibehalten werden und sie daher die ihnen vom Bundesverfassungsgericht vor allem
zugedachte Sicherung der Staatsfreiheit des Rundfunks auch bei der Medienabgabe weiterhin erfüllen können. Ein zunehmender staatlicher Einfluss auf
68 BVerfGE 87, 181 (199); 90, 60 (90).
69 St. Rspr. des BVerfG seit BVerfGE 12, 205 (262 f.); zuletzt BVerfGE 119, 181 (214).
70 So BVerfGE 87, 181 (198); ähnlich bereits zuvor BVerfGE 74, 297 (342).
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References
Zusammenfassung
Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Rundfunkgebühr ist in die Kritik geraten und soll nach dem Willen der Länder ab 2013 durch eine andere Form der Finanzierung ersetzt werden. In der Diskussion ist dabei u. a. eine geräteunabhängige Haushalts- und Betriebsstättenabgabe (Medienabgabe), die die Abgabepflicht von jeglichem Geräte- und Gegenleistungsbezug löst und allein an die Innehabung eines Haushalts bzw. einer Betriebsstätte bindet.
Der Autor legt dar, dass es sich bei der Medienabgabe nicht um eine Sonderabgabe handelt, sondern um eine durch die Rundfunkhoheit der Länder sachkompetenziell legitimierte Abgabe, die den rundfunkverfassungsrechtlichen Anforderungen an die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ebenso genügt wie den finanzverfassungs- und grundrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes.
Der Autor ist ordentlicher Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hohenheim und seit 1992 Vorstandsmitglied der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg.