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5) Zwischenergebnis
Die finanzverfassungsrechtliche Bewertung der Medienabgabe führt zu dem
Ergebnis, dass sie sich als sachkompetenzimplizite nichtsteuerliche Abgabe in
das System grundgesetzlich zulässiger Abgaben einfügt. Durch ihre spezifisch rundfunkverfassungsrechtliche Prägung
– steht die Medienabgabe nicht in einer unzulässigen Konkurrenz zur
Steuer,
– ist die Medienabgabe weder als Sonderabgabe einzustufen noch deren restriktiven Zulässigkeitsvoraussetzungen zu unterwerfen und
– erfüllt die Medienabgabe als sachkompetenzimplizite Abgabe alle finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht
an die Zulässigkeit »sonstiger Abgaben« stellt.
III. Grundrechtliche Anforderungen an eine geräteunabhängige Medienab gabe
Die bisherige verfassungsrechtliche Abklärung der Medienabgabe hat ergeben, dass diese Form der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
sowohl den rundfunkverfassungsrechtlichen als auch den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht und damit verfassungskonformer Teil der
gesetzlich ausgestalteten positiven Rundfunkordnung ist. Die weitgehende
Freiheit, die das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung aufgrund der Differenzierung von grundgesetzlichen Ausgestaltungs- und Schrankenregelungen zubilligt,245 entbindet
jedoch nicht von einer zusätzlichen grundrechtlichen Überprüfung dann,
wenn sich die rundfunkrechtliche Ausgestaltung zugleich als grundrechtlich
relevanter Eingriff darstellt.246
Diese Ambivalenz ist bei der Medienabgabe dadurch gegeben, dass sie die
funktionsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch
die hoheitliche Auferlegung einer Geldleistungspflicht bei einem nur
begrenzten Personenkreis sicherstellen soll. Ein derartiger Eingriff hat Grundrechtsrelevanz zumindest im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 2
245 Zuletzt BVerfGE 119, 181 (214). Hierzu näher H. Gersdorf, Grundzüge des Rundfunkrechts, 2003, Rn. 70 ff.
246 So zutreffend S. Jutzi, Informationsfreiheit und Rundfunkgebührenpflicht, NVwZ 2008,
S. 603 ff. (604 ff.).
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Abs. 1 GG und bedarf daher auch insoweit einer verfassungsrechtlichen
Abklärung.
1) Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz – Art. 3 Abs. 1 GG
a) Problemansatz
Wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit außersteuerlicher Abgaben
ist die Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen, die sich aus den
Grundsätzen des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG
ergeben und die sich für das Abgabenrecht speziell im Prinzip der Belastungsgleichheit konkretisieren. Aus dieser Orientierung an Art. 3 Abs. 1 GG ergibt
sich die grundsätzliche Verpflichtung, dass jegliche finanzielle Sonderbelastung einzelner oder einzelner Gruppen rechtfertigungsbedürftig ist.247 Für
die tatbestandliche Anknüpfung der Medienabgabepflicht an die Innehabung
eines Haushalts bzw. einer Betriebsstätte248 bedarf es mithin einer Abklärung
der Frage, inwieweit die Zahlungsverpflichtung gerade dieses Personenkreises mit den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes vereinbart werden kann. Diese Frage ist umso drängender, als mit dem Aufkommen der nur
von einem begrenzten Personenkreis erhobenen Medienabgabe die »Gesamtveranstaltung Rundfunk« finanziert werden soll, die – weit über den Kreis der
Abgabepflichtigen hinaus – der Allgemeinheit in einem doppelten Sinne
zugute kommt: als von jedermann nutzbares öffentliches Gut und als schlechthin konstitutives Element der privaten und öffentlichen Meinungsbildung.249
Diese personale Inkongruenz von finanzieller Inpflichtnahme und Belastung
nur Einiger und individueller Nutznießung Vieler bzw. der Allgemeinheit
bedarf – nach ihrer finanzverfassungsrechtlichen Abklärung250 – vor dem
Hintergrund von Art. 3 Abs. 1 GG einer besonderen Rechtfertigung.
b) Normative Ausgangslage
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG soll die rechtliche
Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Lebenssituationen sicherstellen. Die Norm enthält ein Grundrecht des Einzelnen und folglich ein sub-
247 Zu dieser verfassungsrechtlichen Bindung des Abgabengesetzgebers etwa. P. Kirchhof,
Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V, 3. Aufl. 2007, § 119 Rn. 14, 17 ff.
248 Dazu näher oben Teil A. II. 1).
249 St. Rspr. seit BVerfGE 12, 205 (260); zuletzt BVerfGE 119, 181 (214).
250 Dazu ausführlich oben Teil B. II.
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jektives Recht. Gleichzeitig stellt der allgemeine Gleichheitssatz einen in allen
Bereichen geltenden Verfassungsgrundsatz dar, der über den Anwendungsbereich der subjektiv-rechtlichen Seite hinaus Bedeutung hat.251
Insofern ist zu prüfen, ob die Medienabgabe aus Sicht der Abgabepflichtigen
mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes
vereinbar ist.
Problematisch ist hierbei auf den ersten Blick, dass der Anknüpfungspunkt für
die Zahlungspflicht der Medienabgabe das Innehaben eines Haushaltes bzw.
einer Betriebsstätte ist,252 die Einnahmen aus der Medienabgabe aber der
Finanzierung des öffentlichen Rundfunks zugute kommen und damit der
Erfüllung einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe dienen sollen.253 Ist die
bisherige Rundfunkgebühr durch das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes und damit durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme öffentlichrechtlicher und privater Rundfunkdarbietungen im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz als Vorzugslast bzw. Ausgleichsleistung für einen individuellen Vorteil verfassungsrechtlich gerechtfertigt,254 so fehlt es der Medienabgabe an einer derartigen beitragsspezifischen Legitimation. Erforderlich ist
mithin eine neue Legitimationsgrundlage, die diese Sonderstellung rechtfertigen könnte.
Allerdings ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung in neuerer Zeit auch schon die Legitimation der
bisherigen Rundfunkgebühr vom beitragsrechtlichen Äquivalenz- und Ausgleichsprinzip gelöst hat. So führte das Bundesverwaltungsgericht in mehreren jüngeren Entscheidungen explizit aus, dass das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete und für das Abgabenrecht den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
ausprägende Äquivalenzprinzip für die Überprüfung der gesetzlichen
Abgrenzung des Kreises der Rundfunkgebührenpflichtigen nicht heranzuziehen und als Überprüfungsmaßstab vielmehr nur Art. 3 Abs. 1 GG maßgeblich
ist.255 Auch das Bundesverfassungsgericht hatte bereits in früheren Entscheidungen zur Legitimation der Rundfunkgebührenpflicht nicht mehr explizit
auf den Gedanken des individuellen Vorteilsausgleichs abgehoben, sondern
die »Gebühr« – ohne jegliche Äquivalenzerwägungen – als das von den Län-
251 H.-D. Jarass, in: ders./Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl. 2007, Art. 3 Rn. 1.
252 Hierzu oben Teil A. II. 1).
253 Dazu oben Teil B. I. 1).
254 Hierzu BVerfG 90, 60 (106).
255 BVerwGE 108, 108, 111; BVerwG Beschluss vom 4.4.2002, Az. 6 B 1.02, und Beschluss
vom 5.4.2007, Az. 6 B 15.07, in Abkehr von seiner früheren Rspr., etwa BVerwGE 79, 90;
der neuen Rspr. des BVerwG zustimmend A. Naujock, in: Hahn/Vesting (Hrsg.), Beck’scher
Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2008, § 1 RGebStV Rn. 11. Zur Erosion des Äquivalenzgedankens als Legitimationsgrundlage der Gebührenpflicht zusammenfassend
A. Hasse, Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2005, S. 162 ff.
61
dern eingeführte Mittel zur Finanzierung der »Gesamtveranstaltung Rundfunk« akzeptiert256 und damit unausgesprochen hingenommen, dass diese
»Gesamtveranstaltung Rundfunk« nicht von allen finanziert wird, die aus ihr
Nutzen ziehen können.
Diese erkennbare Bereitschaft der Rechtsprechung, den Grundsatz der Belastungsgleichheit bei der Rundfunkfinanzierung zu relativieren und den legitimierenden Rückgriff auf die Nutzungsmöglichkeit in den Hintergrund treten
zu lassen, entbindet jedoch nicht von der Verpflichtung, die spezifische Inanspruchnahme nur der Haushalts- und Betriebsstätteninhaber durch die Medienabgabe dennoch an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Auch wenn es nicht zu den
Aufgaben dieses Gutachtens gehört, den objektiven sowie subjektiven Tatbestand der Medienabgabe abschließend zu definieren, also zu umschreiben,
was letztlich als Haushalt bzw. Betriebsstätte gilt und wer als jeweiliger
Abgabenschuldner anzusehen ist,257 so ist für die verfassungsrechtliche Legitimation der Medienabgabe am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG zu berücksichtigen, dass der Tatbestand der Abgabepflicht umso eher den Anforderungen
des allgemeinen Gleichheitssatzes entspricht, je weiter er gefasst und dadurch
die Inkongruenz von Abgabepflichtigen und Nutznießern bereits tatbestandlich verringert wird – sich die Medienabgabe also im Ergebnis einer Finanzierung des Rundfunks durch die Allgemeinheit annähert. Umgekehrt wird die
Medienabgabe gleichheitsrechtlich umso problematischer, je enger die
Begriffe des Haushalts- bzw. Betriebsstätteninhabers gefasst werden und sich
dadurch die Inkongruenz zwischen abgabepflichtigen und nicht abgabepflichtigen Personen ausweitet.
c) Ungleichbehandlung durch die Medienabgabe
Der sachliche Schutz- bzw. Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG setzt
zunächst eine Ungleichbehandlung voraus, d.h. eine unterschiedliche
Behandlung zweier vergleichbarer Sachverhalte durch den gleichen Hoheitsträger.258 Die für die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 GG vorausgesetzte
Vergleichbarkeit unterschiedlicher Sachverhalte wird von der Rechtsprechung nur verneint, wenn die Sachverhalte unterschiedlichen rechtlichen Ordnungsbereichen angehören und in anderen systematischen und sozialge-
256 BVerfGE 31, 314 (330); 87, 181 (201); 90, 60 (90 f.). – Zum Abschied vom Gegenleistungsprinzip als Legitimationsgrund der Rundfunkgebühr näher H. Gersdorf, Rechtsfragen des
Teilnehmerentgeltsystems nach bayerischem Rundfunkrecht, BLM – Schriftenreihe 42,
1997, S. 67 ff.
257 Siehe oben Teil A. II. 2).
258 H.-D. Jarass, in: ders./Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl. 2007, Art. 3 Rn. 4 f.
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schichtlichen Zusammenhängen stehen,259 also letztlich nicht »vergleichbar«
sind.
Bei der Medienabgabe ist diese Vergleichbarkeit problemlos gegeben. Indem
lediglich Haushalts- und Betriebsstätteninhaber mit einer Zahlungspflicht zur
Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks belegt werden – andere
Personengruppen hingegen nicht –, ergibt sich eine finanzielle Benachteiligung der Haushalts- und Betriebsstätteninhaber im Vergleich zu anderen
Kreisen der Bevölkerung, obwohl auch diese Nutznießer der »Gesamtveranstaltung Rundfunk« sind bzw. sein können. Damit führt die Medienabgabe zu
einer verfassungsrechtlich legitimationsbedürftigen Ungleichbehandlung im
Ansatz vergleichbarer Lebenssachverhalte.
d) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung
(1) Allgemeine Grundsätze
Die Ungleichbehandlung von Haushalts- und Betriebsstätteninhabern im
Vergleich zu anderen Personengruppen kann nur durch hinreichend gewichtige Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden.260 Als verfassungsrechtlich zulässige Differenzierungsgründe kommen zunächst alle vernünftigen Erwägungen des Gesetzgebers in Betracht. Es ist grundsätzlich Sache
des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft, wenn und soweit seine
Auswahl sachlich vertretbar und nicht sachfremd ist.261 Hierbei muss der
Gesetzgeber nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung
wählen.262 Erforderlich ist nur, dass ein innerer Zusammenhang zwischen
den vorgefundenen Unterschieden und der differenzierenden Regelung
besteht.263
Bei der spezifisch gleichheitsrechtlich anzustellenden Abwägung spielen
sodann Grund und Grenzen der Zulässigkeit typisierender gesetzlicher Regelungen eine zentrale Rolle.264 So steht dem Gesetzgeber nicht nur die Befugnis (und wegen Art. 19 Abs. 1 GG auch die Pflicht) zu, gesetzliche Regelungen zu generalisieren. Er ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auch ermäch-
259 BVerfGE 40, 121, 139 f.
260 Allgemein hierzu BVerfGE 100, 138 (174); H.-D. Jarass, in: ders./Pieroth, Kommentar
zum Grundgesetz, 9. Aufl. 2007, Art. 3 Rn. 14.
261 BVerfGE 90, 145 (196); 94, 241 (260); 103, 242 (258); zuletzt BVerfG, Beschluss vom
15.1.2008, Az. 1 BvL 2/04, Rn. 80.
262 BVerfGE 83, 395 (401); 110, 412 (436)
263 BVerfGE 42, 374 (388).
264 L. Osterloh, in: Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 3 Rn. 104.
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tigt, dergestalt »vereinfachend« zu normieren, dass er seine Regelungen an
den Zielen der Praktikabilität des Gesetzesvollzugs ausrichten darf.265 Denn
Praktikabilität und Einfachheit des Rechts gehören gerade bei der Ordnung
von Massenerscheinungen zu den notwendigen Voraussetzungen eines
gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs.266 Dies gilt im Besonderen für den
Bereich des Abgabenrechts,267 in dem Aspekte der Verwaltungsökonomie
und der Verwaltungsrationalität erhebliche Bedeutung haben.268 Bei der Neuregelung schwer überschaubarer komplexer Lebenssachverhalte kommt dem
Gesetzgeber dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zu,269 den er erst dann
überschreitet, wenn er sich bei seiner Regelung nicht realitätsgerecht am typischen sondern an einem atypischen Fall als Leitbild orientiert.270
(2) Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers
Bei einer tatbestandlichen Anknüpfung der Medienabgabe an das Innehaben
eines Haushaltes bzw. einer Betriebsstätte spricht vieles dafür, dass der
Gesetzgeber damit die normativen Voraussetzungen für einen einfachen,
effektiven und individualrechtsschützenden Gesetzesvollzug schafft und deshalb seine Entscheidung von Erwägungen getragen ist, die den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG entsprechen.
Die Umstellung von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr auf die geräteunabhängige Medienabgabe ist – wie gezeigt271 – mit der Erwartung verbunden, dass durch die erleichterte Erfassung der Abgabepflichtigen über den
Datentransfer der Einwohnermeldeämter272 der Kontrollaufwand minimiert
und zugleich eine konsequentere Einhebung der Abgabepflicht erreicht wird.
Hierin kann der wesentliche Vorteil der geräteunabhängigen Medienabgabe
gegenüber der bisherigen Rundfunkgebühr liegen.
265 BVerfG, Beschluss vom 15.1.2008, Az. 1 BvL 2/04, Rn. 83.
266 BVerfGE 96, 1 (6 f.).
267 BVerfG, Beschluss vom 15.1.2008, Az. 1 BvL 2/04, Rn. 83.
268 BVerfGE 13, 331 (341); 78, 214 (226 f.) und besonders deutlich am Beispiel der Gebührenerhebung und -bemessung BVerfGE 108, 1 (19): »Er (i.e.: der Gesetzgeber) darf generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, die verlässlich und effizient
vollzogen werden können.«
269 BFH Urteil vom 31.5.2005, Az. I R 107/04, Rn. 17.
270 BVerfG, Beschluss vom 15.1.2008, Az. 1 BvL 2/04, Rn. 83.
271 Siehe dazu oben Teil A. I.
272 Die derzeitige Regelung in § 4 Abs. 6 RGebStV und die ergänzenden melderechtlichen Bestimmungen der Länder (z.B. § 35 bad.-württ. MeldeG) müssten entsprechend fortgeschrie ben werden. Für die Erfassung der Betriebsstätteninhaber ist de lege ferenda an eine Regelung zu denken, die sich die umfassende gewerberechtliche Anzeigepflicht nach § 14 GewO
zu Eigen macht und z.B. die GEZ in den Kreis der Übermittlungsberechtigten nach § 14
Abs. 9 GewO aufnimmt.
64
Soweit über diese faktischen Auswirkungen und damit über die Vollzugseffi zienz der Medienabgabe rechtstatsächliche Unsicherheiten bestehen sollten,
ist zu sehen, dass jeder gesetzlichen Regelung bestimmte tatsächliche Annahmen über Gegebenheiten und die anzunehmenden Auswirkungen eines Gesetzes zugrunde liegen. Wo zukünftige Umstände, Abläufe und Wirkungen einzuschätzen sind, beruht die Entscheidung des Gesetzgebers also stets auf einer
Prognose. Dabei ist die Ungewissheit über die Auswirkungen eines Gesetzes
zugleich Ungewissheit über den Regelungsgehalt des Gesetzes selbst. Für das
Wahrscheinlichkeitsurteil, das eine derartige Prognose enthält und dessen
Grundlagen ausgewiesen werden können und müssen, verfügt der Gesetzge ber über eine Einschätzungsprärogative,273 mit der zugleich eine nur
begrenzte gerichtliche Kontrolldichte bezüglich der gesetzgeberischen Entscheidung korrespondiert.274 Dieses Vorrecht des Gesetzgebers bei der
Ermittlung der Tatsachen und ihrer Bewertung275 beruht auf dem in
Art. 20 Abs. 2 GG verankerten Demokratieprinzip und dem damit einhergehenden Respekt vor dem unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber
und ist folglich Ausdruck des verfassungsrechtlichen Eigengewichts der
Legislative.276
Diese Einschätzungsprärogative kommt auch dem Gesetzgeber zugute, der
die Rundfunkgebühr durch eine geräteunabhängige Medienabgabe ersetzen
will und sich davon eine effizientere und gleichmäßigere Durchsetzung der
Abgabepflicht verspricht.
Wie bereits dargestellt,277 werden derzeit verschiedene Modelle einer künftigen Rundfunkfinanzierung erörtert – von einer Modifikation der Rundfunkgebühr über ein Beitragsmodell bis hin zu verschiedenen Formen einer Steuer lösung. Von diesen Modellen steht dem Gesetzgeber bei seiner Entscheidung
jede Variante offen, die mit höherrangigen Vorgaben – insbesondere des
Rundfunk- und Finanzverfassungsrechts – vereinbar ist. Soweit der Gesetzgeber also die in diesem Zusammenhang mit den alternativen Finanzierungsformen verbundenen und erkennbaren Vor- und Nachteile abwägt und in seine
Entscheidungsfindung mit einbezieht, kann es ihm rechtlich nicht zum Vorwurf gereichen, wenn seine Entscheidung letztlich eventuell doch auf einer
tatsächlich unzutreffenden Prognose beruht und folglich nicht zu der erwarte-
273 P. Badura, Die Verfassung im Ganzen der Rechtsordnung und die Verfassungskonkretisierung durch Gesetz, in: HStR VII, 1992, § 163 Rn. 25 ff.
274 Zu dieser Interdependenz etwa F. Ossenbühl, Bundesverfassungsgericht und Gesetzgebung,
in: FS BVerfG, Bd. I, 2001, S. 33 ff. (52 f.).
275 Eingehend F. Ossenbühl, Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und Prognoseentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht, in: FG BVerfG, 1976, S. 458 ff.
276 Vgl. F. Ossenbühl, Bundesverfassungsgericht und Gesetzgebung, in: FS BVerfG, Bd. I,
2001, S. 33 ff.
277 Siehe oben Teil A. I. 2).
65
ten, möglichst optimalen Problemlösung führt. 278 Auf die Problematik einer
möglichst optimalen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
bezogen bedeutet dies, dass sich der Gesetzgeber bei der Einführung einer
geräteunabhängige Medienabgabe jedenfalls im Rahmen seiner ihm verfassungsrechtlich zugewiesenen Einschätzungsprärogative bewegt, da dieses
Finanzierungsmodell nicht von vornherein und evident weniger geeignet ist
als andere denkbare Finanzierungssysteme, sondern – ganz im Gegenteil –
deutliche Vorteile gegenüber dem derzeitigen Modell der Gebührenfinanzierung aufweist.
(3) Generalisierungsbefugnis des Gesetzgebers
Die an das Innehaben eines Haushaltes bzw. einer Betriebsstätte anknüpfende
Medienabgabe entspricht auch der im Abgabenrecht besonders betonten
Generalisierungsfunktion gesetzlicher Regelungen.
Mit Haushalt und Betriebsstätte werden praktikable Anknüpfungstatbestände
geschaffen, die einen effektiven Gesetzesvollzug gewährleisten. So führt die
Medienabgabe im Vergleich zur bisherigen Rundfunkgebühr zu einer größe ren Vollzugsgerechtigkeit, da rechtliche Streitigkeiten etwa um die Einordnung neuartiger Empfangsgeräte zu den gebührenpflichtigen Rundfunkempfangsgeräten obsolet werden. Zudem bedarf es keines Eindringens in die Privatsphäre der Rundfunkteilnehmer mehr, um das (Nicht-)Bereithalten eines
Rundfunkempfangsgerätes zu kontrollieren. Gerade dieser Aspekt faktisch
nur begrenzter oder nur mit erheblicher Eingriffsintensität verbundener
Überprüfungsmöglichkeiten führt bei der Rundfunkgebühr zur Akzeptanz
einer Schwarzhörer- bzw. Schwarzseherquote von ca. 10%279 und damit
letztlich zu einer verfassungsrechtlich problematischen Vollzugsungerechtigkeit.280
Überdies kann davon ausgegangen werden, dass sich in nahezu jedem Haushalt bzw. in fast jeder Betriebsstätte zumindest ein Rundfunkempfangsgerät
befindet,281 so dass es auch insofern sachlich begründet ist, die Abgabepflicht gerade an das Innehaben eines Haushalts bzw. einer Betriebsstätte
anzuknüpfen. Auch wenn nach der Struktur der geräteunabhängigen Medien-
278 Zumindest aus rechtspolitischen Gründen skeptisch K. Rauber, Konzentration auf die Gebühr, in: FS Raff, 2008, S. 33 ff. (36).
279 So die Einschätzung der ARD/ZDF-Arbeitsgruppe »Rundfunkfinanzierung«, Zwischenbericht, Juli 2000, S. 22.
280 Dazu näher unten Teil B. III. 1) d) (2) (d).
281 Vgl. dazu GEZ-Dokumentation »Rundfunkfinanzierung. Ertragsauswirkungen von diskutierten Modellveränderungen auf Basis des Rundfunkgebührenmodells der Staatskanzlei
Thüringen vom 27.8.2007«, Versionsnummer 1.1 vom 28.9.2007, S. 21 f.
66
abgabe die Zahlungspflicht gerade nicht an einer vermuteten Empfangsmöglichkeit anknüpft, so besteht doch bei typisierender Betrachtungsweise ein
innerer Zusammenhang zwischen der Gruppe der Zahlungspflichtigen und
der aus dem Aufkommen der Medienabgabe zu finanzierenden Aufgabe.
Andererseits legitimiert sich der Verzicht auf eine Abgabepflicht anderer
Personengruppen aus dem Argument eines andernfalls erhöhten Vollzugsaufwandes.
Mit der Einführung der Medienabgabe bewegt sich der Gesetzgeber also auch
im Hinblick auf die Anforderungen einer sachgerechten Differenzierung i.S.v.
Art. 3 Abs. 1 GG innerhalb der ihm zustehenden Gestaltungsmöglichkeiten.
Die Belastung nur der Haushalts- und Betriebsstätteninhaber mit einer Abgabepflicht und die Verschonung anderer Personengruppen sind aus Gründen
der Vollzugseffizienz hinreichend sachlich legitimiert.
Diese Sachgerechtigkeit der Medienabgabe zeigt sich auch daran, dass der
Gesetzgeber mit ihrer Einführung im Grunde genommen lediglich eine
Rechtslage ausdrücklich positiviert, die eigentlich auch schon bisher infolge
einer weitgehenden Zweitgerätebefreiung in Privathaushalten faktisch zu
einer »Haushaltsabgabe« geworden war.282 Im Gegensatz zur tatbestandlich
einfachen Medienabgabe ist diese faktische »Haushaltsabgabe« jedoch aufgrund höchst differenzierter Befreiungstatbestände mit erheblichen Auslegungsschwierigkeiten und dementsprechend hohem Streitpotenzial befrachtet.283 Die Umstellung auf die Medienabgabe wirkt auch hier entlastend und
belegt damit auch insoweit ihre besondere Vollzugstauglichkeit.
(4) Verbleibende Gleichheitsprobleme
Die Einführung einer Medienabgabe führt im Vergleich zur bisherigen Rund funkgebühr durch die leichtere Erfassung der Abgabepflichtigen – wie
gezeigt284 – zu einer spürbaren Vereinfachung des Abgabenvollzugs und findet darin ihre wesentliche sachliche Rechtfertigung. Im Rahmen seiner Generalisierungsbefugnis ist der Gesetzgeber vor dem Hintergrund dieses legitimen verwaltungsökonomischen Ziels auch befugt, eine auf den ersten Blick
ungerechte Behandlung einzelner Fälle hinzunehmen, solange die durch die
Typisierung eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist.285 Für die Beurteilung der verfassungsrecht-
282 Dazu bereits oben Teil A. II. 1).
283 Siehe dazu oben Teil A. I. 1).
284 Siehe oben Teil A. II. 1).
285 BVerfGE 84, 348 (360); 91, 93 (115).
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lichen Grenzen der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers ist entscheidend,
ob die erkannten Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sind. In diesem
Zusammenhang können namentlich auch praktische Verwaltungserfordernisse von Bedeutung sein.286
Die Frage einer potenziell unzulässigen »Übertypisierung« des Abgabentatbestandes durch den Gesetzgeber kann sich eventuell auch bei der Medienabgabe stellen – etwa bei der Abgabepflicht eines Haushaltsinhabers, der
zugleich einen oder mehrere weitere Haushalt(e) und/oder eine bzw. mehrere
Betriebsstätte(n) führt. Als Lösungsansatz kommt hierbei zunächst – in Fortschreibung der gegenwärtigen Rundfunkgebührenregelung (§§ 2 Abs. 2,
5 Abs. 2 RGebStV) – eine mehrfache Zahlungspflicht mit dem Argument in
Betracht, dass eine solche Person den Tatbestand der Medienabgabe eben in
mehrfacher Hinsicht erfüllt. Möglich erschiene aber auch eine nur einfache
Zahlungspflicht, um eine finanzielle Überlastung des Betroffenen zu vermeiden. Schließlich ist es aber ebenso denkbar, die Abgabenlast einer solchen
Person davon abhängig zu machen, ob Haushalt und Betriebsstätte an einem
Ort geführt werden oder ortsverschieden sind und z.B. nur bei örtlicher Trennung von Haushalt und Betriebsstätte eine doppelte Zahlungspflicht vorzusehen.
Mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sind im Ansatz
alle hier dargestellten Lösungsvarianten vereinbar, da sich das tatbestandliche
Anknüpfen der Medienabgabe an das Innehaben eines Haushaltes oder einer
Betriebsstätte in den Grenzen einer zulässigen Typisierung durch den Gesetzgeber bewegt. Diese Grenzen gesetzgeberischer Gestaltungsbefugnis werden
erst dann überschritten, wenn sich der generalisierte Normalfall einer Abgabepflicht als Haushalts- oder Betriebsstätteninhaber als nicht hinreichend
typisch erweist, was nach Auffassung der Rechtsprechung bei Abweichungsquoten von über 7,5%287 bzw. über 10%288 der Fall ist. Überträgt man diese
Vorgaben auf die Medienabgabe, stellte sich diese im Hinblick auf Art. 3
Abs. 1 GG allenfalls dann als gleichheitsrechtlich problematisch dar, wenn
sich in etwa jedem zehnten Fall eine Personenidentität von Haushalts- und
Betriebsstätteninhabern und damit eine grundsätzlich doppelte Zahlungspflicht herausstellen sollte.289
286 L. Osterloh, in: Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 3 Rn. 109.
287 BVerfGE 17, 1 (25).
288 BVerwGE 68, 36 (38).
289 Ob eine solche Personenidentität von Haushalts- und Betriebsstätteninhaber in der Praxis
häufig oder weniger häufig auftritt, hängt wiederum nicht zuletzt davon ab, wie eng bzw.
weit die jeweiligen Tatbestandsmerkmale in der gesetzlichen Abgabenregelung gefasst werden. Zu diesem Problem auch bereits oben Teil A. II. 2).
68
Einer solchen Gefährdung der Gleichheits- und damit Verfassungsmäßigkeit
des Abgabentatbestandes kann der Gesetzgeber jedoch dadurch zuvorkommen, dass bei einer Personalunion von Haushalts- und Betriebsstätteninhaber
von vornherein entweder nur eine oder eine reduzierte zweite Medienabgabe
zu entrichten ist. Eine derart pauschale und tatbestandlich eindeutige gesetzliche Regelung hätte den Vorzug der Verwaltungsvereinfachung und würde
Vollzugsprobleme vermeiden, die typischerweise mit einzelfallbezogenen
Härtefallregelungen verbunden sind.290
Eine solche von Art. 3 Abs. 1 GG vorgezeichnete gesetzliche Regelung
würde auch nicht die mit der Medienabgabe anvisierte Vereinfachung des
Abgabenvollzuges in Frage stellen, da es insofern nur eines einfachen
Abgleichs der Daten der Einwohnermeldeämter mit denen der zuständigen
berufs- und wirtschaftsständischen Kammern bedarf. Dies stellt einen wesentlich geringeren und auch deutlich weniger grundrechtsrelevanten Verwaltungsaufwand dar als das heutige Überprüfen des (Nicht-)Bereithaltens von
Rundfunkempfangsgeräten.
(5) Gleichheit im Belastungserfolg
Für die Legitimation einer weitgehend typisierenden und damit vollzugsfreundlichen Abgabepflicht spricht – gerade auch vor dem Hintergrund von
Art. 3 Abs. 1 GG – die Gewähr einer größeren Kongruenz von gesetzlichem
Abgabentatbestand einerseits und behördlichem Abgabenvollzug andererseits. Eine gravierende Problematik der bisherigen Rundfunkgebühr besteht
nämlich darin, dass trotz erheblichen Kontrollaufwands von einer Schwarzhörer- bzw. Schwarzseherquote von ca. 10% auszugehen ist.291
Die Hinnahme einer solchen Diskrepanz zwischen gesetzlichem Anspruch
und Vollzugsrealität ist verfassungsrechtlich problematisch. Für das Steuerrecht hat das Bundesverfassungsgericht inzwischen unter Hinweis auf
Art. 3 Abs. 1 GG mehrfach und nachhaltig betont, dass Steuerpflichtige durch
ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden müssen,
Gleichheit also auch im Belastungserfolg sichergestellt sein muss,292 eine
Vorgabe, die infolge ihrer grundrechtlich fundierten Schutzfunktion293 konsequenterweise auch auf nichtsteuerliche Abgabentatbestände zu übertragen ist.
290 Siehe etwa die Nachweise zur Anwendung der derzeitigen Härtefallregelung in § 6 Abs. 3
RGebStV bei Gall/Siekmann, in: Hahn/Vesting (Hrsg.), Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2008, § 6 RGebStV Rn. 48 ff.
291 Siehe bereits oben Teil B. III. 1) d) (2) (b).
292 BVerfGE 84, 239 (268 ff.) – »Zinsbesteuerung«; 110, 94 (112 ff.) – »Spekulationssteuer«.
293 Zum Gebot der Belastungsgleichheit auch bei nichtsteuerlichen Abgabe P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V, 3. Aufl. 2007, § 119 Rn. 14.
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Auch wenn in derartigen Fällen eines defizitären Gesetzesvollzuges die
Grenze der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes erst dann überschritten wird,
wenn die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des
Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt wird – übliche Vollzugsmängel also
hinzunehmen sind294 – bleibt es Pflicht des Gesetzgebers, das materielle Steuergesetz in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet. Selbst wenn die mit einer
Schwarzhörer- bzw. Schwarzseherquote von ca. 10% zu veranschlagende
Diskrepanz von derzeitiger gesetzlicher Rundfunkgebührenpflicht und tatsächlicher Rundfunkgebührenerhebung noch im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen liegt, führt die geräteunabhängige Medienabgabe – verglichen
mit dem bisherigen Rechtszustand – doch zu einer deutlich größeren
Deckungsgleichheit von gesetzlichem Abgabentatbestand und behördlichem
Abgabenvollzug. Damit steht die Medienabgabe insoweit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1
GG deutlich näher als das derzeitige Rundfunkgebührensystem und erscheint
auch von daher vorzugswürdig.
2) Vereinbarkeit mit der allgemeinen Handlungsfreiheit – Art. 2 Abs. 1 GG
a) Eingriff in den grundrechtlichen Schutzbereich
Neben dem Problem der bereits erörterten Belastungsgleichheit stellt sich aus
Sicht der zahlungspflichtigen Haushalts- und Betriebsstätteninhaber in grundrechtlicher Hinsicht auch die Frage, ob die Medienabgabe mit dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar
ist. Dieses Grundrecht schützt im Ansatz jedes menschliche Verhalten vor
staatlichen Eingriffen und garantiert deshalb die allgemeine Handlungsfreiheit einer jeden Person ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung des Grundrechtsträgers zukommt.
Art. 2 Abs. 1 GG fungiert damit als Auffanggrundrecht für den Fall, dass der
Schutzbereich eines spezielleren Freiheitsgrundrechts durch eine bestimmte
staatliche Maßnahme nicht beeinträchtigt wird.295
Im Hinblick auf die Auferlegung staatlicher Abgaben ist umstritten, inwieweit
derartige Geldleistungspflichten möglicherweise eine Beeinträchtigung der
spezielleren Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG darstellen können,
wodurch die Anwendung des subsidiären Art. 2 Abs. 1 GG ausgeschlossen
294 Zuletzt BVerfGE 110, 94 (112 f.).
295 H.-D. Jarass, in: ders./Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 2.
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References
Zusammenfassung
Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Rundfunkgebühr ist in die Kritik geraten und soll nach dem Willen der Länder ab 2013 durch eine andere Form der Finanzierung ersetzt werden. In der Diskussion ist dabei u. a. eine geräteunabhängige Haushalts- und Betriebsstättenabgabe (Medienabgabe), die die Abgabepflicht von jeglichem Geräte- und Gegenleistungsbezug löst und allein an die Innehabung eines Haushalts bzw. einer Betriebsstätte bindet.
Der Autor legt dar, dass es sich bei der Medienabgabe nicht um eine Sonderabgabe handelt, sondern um eine durch die Rundfunkhoheit der Länder sachkompetenziell legitimierte Abgabe, die den rundfunkverfassungsrechtlichen Anforderungen an die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ebenso genügt wie den finanzverfassungs- und grundrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes.
Der Autor ist ordentlicher Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hohenheim und seit 1992 Vorstandsmitglied der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg.