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schlussverfahrens und des Urteilsverfahrens. Aus dem Vergleich der durchschnittlichen Verfahrensdauer ließen sich allerdings nur mittelbare Rückschlüsse ziehen. Entsprechendes gilt im Übrigen für die vom Gesetzgeber angestrebten Ef? zienzgewinne
der Gerichte. Insoweit können ebenfalls nur aus der Ermittlung der durchschnittlichen
Verfahrensdauer Rückschlüsse gezogen werden.
V. Zur gegenwärtigen Situation
Untersucht man die gegenwärtige Situation des Berufungsverfahrens anhand der genannten Kriterien, ergibt sich folgendes Bild:
1. Zur durchschnittlichen Dauer des Berufungsverfahrens
Betrachtet man zunächst die Entwicklung der durchschnittlichen Dauer des Berufungsverfahrens anhand der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Zahlen, zeigt
sich, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer seit der ZPO-Reform leicht rückläu? g
ist. Während die durchschnittliche Dauer des Berufungsverfahrens vor dem Landgericht im Jahr 2001 noch 5,6 Monate und vor dem Oberlandesgericht 8,8 Monate betrug, lag diese im Jahr 2005 bei nur noch 4,9 bzw. 7,5 Monaten. Einschränkend ist
allerdings festzuhalten, dass die Zahl der insgesamt erledigten Verfahren im gleichen
Zeitraum ebenfalls rückläu? g war. Dieser Umstand spricht indes nicht gegen eine verfahrensbeschleunigende Wirkung der Zivilprozessreform. Die Anzahl der insgesamt
erledigten Verfahren war auch schon vor dem Inkrafttreten der Zivilprozessreform
rückläu? g, ohne dass dies zu einem Rückgang der Verfahrensdauer führte. Im Gegenteil: Die durchschnittliche Verfahrensdauer des Berufungsverfahrens nahm trotz sinkender Erledigungszahlen bis Ende 2002 zu und war erst ab 2003 rückläu? g, wie die
nachstehenden, auf dem Datenmaterial des Statistischen Bundesamtes beruhenden
Gra? ken belegen.
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Festzuhalten ist, dass die durchschnittliche Dauer des Berufungsverfahrens sowohl
vor dem Landgericht als auch vor dem Oberlandesgericht seit dem Jahr 2002 und damit seit dem Inkrafttreten der Zivilprozessreform rückläu? g ist. Die vom Bundesrat
befürchtete Mehrbelastung der Gerichte und eine damit einhergehende Verlängerung
der durchschnittlichen Verfahrensdauer durch die Umgestaltung des Berufungsverfahrens ist folglich nicht eingetreten.
Durschschnittliche Dauer des Berufungsverfahren
- Landgericht -
5,5 5,5 5,6 5,7 5,3
4,9 4,9
98.866
94.341
90.452
84.134
74.586
71.383
66.725
0,0
1,0
2,0
3,0
4,0
5,0
6,0
7,0
8,0
9,0
10,0
´99 ´00 ´01 ´02 ´03 ´04 ´05
Dauer
in Monaten
50.000
55.000
60.000
65.000
70.000
75.000
80.000
85.000
90.000
95.000
100.000
Anzahl der
erl. Verfahren
Durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten Erledigte Verfahren
Durschschnittliche Dauer des Berufungsverfahren
- Oberlandesgericht -
8,0
8,4
8,8 8,8
8,4
7,7 7,5
68.434
65.533
64.244 63.243
61.079
59.037
56.737
0,0
1,0
2,0
3,0
4,0
5,0
6,0
7,0
8,0
9,0
10,0
´99 ´00 ´01 ´02 ´03 ´04 ´05
Dauer
in Monaten
50.000
55.000
60.000
65.000
70.000
75.000
80.000
85.000
90.000
95.000
100.000
Anzahl der
erl. Verfahren
Durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten Erledigte Verfahren
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2. Zur durchschnittlichen Dauer des Beschlussverfahrens
Bislang nicht untersucht wurde die Frage, ob die Zurückweisung der Berufung durch
Beschluss die Erledigung des zweitinstanzlichen Verfahrens im Vergleich zum Urteilverfahren tatsächlich beschleunigt. Um diese Frage beantworten zu können, war es
erforderlich, eine maschinelle Sonderauswertung bei dem Statistischen Bundesamt in
Auftrag zu geben. Die Sonderauswertung hat ergeben, dass die durchschnittliche Dauer des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO deutlich hinter der durchschnittlichen Dauer
des Urteilverfahrens zurückblieb, und dies, obwohl die durchschnittliche Dauer des
Urteilverfahrens im Jahr 2005 den niedrigsten Stand seit vielen Jahren erreicht hat. So
betrug die durchschnittliche Dauer des Urteilverfahrens vor den Landgerichten im
Jahr 2005 6,8 Monate, die des Beschlussverfahrens hingegen nur 4,0 Monate. Noch
gravierender fallen die Unterschiede bei dem Oberlandesgericht aus. Hier betrug die
durchschnittliche Verfahrensdauer des Urteilverfahrens 10,3 Monate, wohingegen das
Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO durchschnittlich nur 5,7 Monate dauerte. Zugleich
ist allerdings festzustellen, dass die durchschnittliche Dauer des Beschlussverfahrens
zunimmt, seit der prozentuale Anteil der Beschlusszurückweisung an den insgesamt
erledigten Berufungsverfahren ansteigt. Dies zeigen die nachstehenden Gra? ken, die
die Entwicklung der letzten Jahre widerspiegeln.
Durchschnittliche Dauer des Berufungsverfahrens
- Landgericht -
7,4 10,7 12,12,4
46,0 39,3 34,5 32,8
6,86,7
7,17,2
4,03,93,7
3,2
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
´02 ´03 ´04 ´05
Erledigungsart
in Prozent
3,0
4,0
5,0
6,0
7,0
8,0
9,0
10,0
11,0
12,0
13,0
14,0
Dauer
in Monaten
Sonstige Erledigungsarten
Urteil
§ 522 Abs. 2 ZPO
Ø Verfahrendsdauer in Monaten bei Erledigung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO
Ø Verfahrendsdauer in Monaten bei Erledigung durch streitiges Urteil
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References
Zusammenfassung
Die Abhandlung gibt Antwort auf nahezu alle Fragen, die sich bei der Anwendung der Vorschriften über die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss im Zivilprozess stellen (§ 522 Abs. 2 und 3 ZPO). Sie geht nicht nur auf die Frage der zutreffenden Auslegung des § 522 Abs. 2 ZPO ein, sondern untersucht auch die rechtstatsächliche Situation vor und nach der Einführung des unanfechtbaren Zurückweisungsbeschlusses. Anhand der Justizgeschäftsstatistiken des Statistischen Bundesamtes wird nachgewiesen, dass die Einführung des Beschlussverfahrens zu einer erheblichen Verkürzung der Verfahrensdauer geführt hat. Kritisch hinterfragt wird die Auslegung des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO durch die Rechtsprechung sowie die stark unterschiedliche Praxis der Berufungsgerichte bei der Anwendung der Vorschriften über die Beschlusszurückweisung. Die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften wird gleichwohl nicht in Frage gestellt. Wegen des unterschiedlichen Zugangs zur Revisionsinstanz fordert der Autor allerdings die Abschaffung der Regelung des § 522 Abs. 3 ZPO über die Unanfechtbarkeit des Zurückweisungsbeschlusses.