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halten nach dem Federal False Claims Act geahndet werden.624 Mehrfach haben in
der Vergangenheit die Regierung oder frühere Forschungskollegen und andere Informanten als qui tam Kläger gleichzeitig im Namen und Interesse des Staates Ansprüche auf Schadensersatz geltend gemacht.625
II. Sanktionsmaßnahmen der Forschungseinrichtungen
Die Forschungseinrichtungen sind nach Maßgabe ihrer Verfahrensordnungen ebenfalls berechtigt, sowohl vorläufige institutsinterne Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und staatlicher Finanzmitteln und Ausstattung als auch – in
Reaktion auf die Feststellung wissenschaftlichen Fehlverhaltens – geeignete endgültige Maßnahmen zu ergreifen.626 Die Sanktionsentscheidung obliegt im Regelfall
einem senior institutional official der betroffenen Einrichtung oder dem zuständigen
dean.627 Die häufigsten Sanktionsmaßnahmen sind im Verhältnis zum wissenschaftoder betrügerische Äußerungen oder Darstellungen tätigt oder ein Schriftstück oder eine Urkunde in dem Wissen anfertigt oder gebraucht, dass diese falsche, fiktive oder betrügerische
Äußerungen enthält. Dabei reicht es aus, dass die Handlung geeignet ist, die Aufgabenwahrnehmung einer agency zu beeinflussen. Jeder Antrag um Forschungsgelder und jeder Bericht,
der in Kenntnis des darin enthaltenen gefälschten Datenmaterials im Rahmen der Einwerbung
von Forschungsgeldern an eine agency weitergeleitet wird, beinhaltet eine Verletzung dieses
Gesetzes. Infolgedessen wurde etwa der Wissenschaftler Stephen Breuning wegen Verstoßes
gegen das False Statement Statute verurteilt, United States v. Breuning, Criminal No. K-88-
0135 (D.C.Md. Nov. 10, 1988). Darüber hinaus kommt in Fehlverhaltensfällen regelmäßig
eine Strafbarkeit nach § 18 U.S.C. section 287, dem Criminal False Claims Statute, in Betracht. Dies setzt das Geltendmachen eines tatsächlich nicht bestehenden Anspruchs gegenüber einem department oder einer agency voraus. Vgl. zur zivil- und strafrechtlichen Sanktionierung von wissenschaftlichem Fehlverhalten weiter Sise, San Diego Law Review Vol. 28
(1991), S. 401 (418 ff.); Edgar, in: National Con-ference of Lawyers and Scientists No. 3,
S. 139; Protti, Journal of Information Ethics Spring 1996, S. 59 (66 ff.).
624 Nicht nur einzelne Wissenschaftler sondern auch nachlässige Forschungseinrichtungen werden bisweilen in Anspruch genommen, z.B. United States ex rel. Zissler v. Regents of the
University of Minnesota, 992 F.Supp.1097 (D. Minn. 1998); Mishkin, Science and Engineering Ethics (1999) Vol. 5 (1999), S. 283 (285 ff.); Stankovic, Wisconsin Law Review
2004, S. 975 (995).
625 Der Civil False Claims Act, 31 U.S.C. §§ 3729-3733 (1988), ermächtigt den Staat oder einen
privaten „qui tam“ Kläger zur Erhebung einer Schadensersatzklage, um den aufgrund eines
false claims entstandenen Verlust auszugleichen. Eine qui tam action ist eine Klage, die von
einer Person im eigenen und im Interesse des Staates erhoben werden kann, um eine Geldstrafe beizutreiben, von der gesetzlich ein Teil dem Kläger zugesprochen wird, während der
Restbetrag dem Staat zusteht, Mishkin, Science and Engineering Ethics Vol. 5 (1999), S. 283
(286 ff.); Sise, San Diego Law Review Vol. 28 (1991), S. 401 (423 ff.). kritisch Perzan,
Washington Law Quaterly Vol. 70 (1992), S. 639 (655 ff., 660 ff.).
626 So die Vorgaben des Department of Health and Human Services (DHHS), Public Health
Service Policies on Research Misconduct, 70 Fed. Reg. 28370 (28389) (May 17, 2005),
§ 93.304 (h) und (j).
627 CHPS Consulting, Final Report, Analysis of Institutional Policies for Responding to Allegation of Scientific Misconduct, S. 7-1.
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lichen Lehrkörper oder zu Forschungsmitarbeitern die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die Abmahnung oder die Auferlegung einer Bewährungsfrist und Beschränkungen der beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten.628 Einige institutional policies sehen die Suspendierung des Betroffenen sowie die Herabsetzung in der dienstlichen Rangordnung verbunden mit Kürzungen des Gehalts vor. Studenten droht
zumeist der Ausschluss von der Universität.
H. Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen der Federal Agencies
Im gerichtlichen Verfahren angreifbar sind nur verfahrensabschließende Verwaltungsentscheidungen (final agency action) der federal agencies, da vorhergehende
Zwischenschritte im administrativen Verfahren keine Rechtsgültigkeit entfalten.
Beispielsweise sind die staatlichen Gerichte nicht zuständig, die bloße Veröffentlichung des Namens eines betroffenen Wissenschaftlers in dem PHS Alert System zu
überprüfen, solange dieser daraus keine gegenwärtige Beeinträchtigung ableiten
kann.629 Die final decision des ASH kann theoretisch einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden630, welche sich allerdings überwiegend auf Rechts- und
Verfahrensfragen konzentriert. In Bezug auf Tatsachenfragen sind die Kontrollmöglichkeiten limitiert, weil die Gerichte in Verwaltungssachen regelmäßig nicht
selbst Tatsachen durch Beweiserhebung klären, sondern lediglich die Beweiserhebung der Verwaltung überprüfen. Das Verhältnis zwischen Verwaltung und Gerichten gleicht in den USA insoweit dem zwischen Tatsacheninstanz und Revisionsinstanz.631 Aus diesem Grund sind im Regelfall die courts of appeal die Eingangsinstanz bei Verwaltungsstreitigkeiten.632 In Fehlverhaltensfällen, die naturgemäß ein
Übergewicht an Tatsachenfragen oder jedenfalls mixed questions der Anwendbarkeit
und Auslegung von rechtlichen Normen beinhalten, haben aber die federal agencies
die systembedingt größere Kompetenz zur angemessenen Fallbehandlung. Die Anfechtung von final decisions über Fehlverhalten und Sanktionsmaßnahmen vor den
Gerichten ist daher selten.
Verschiedentlich haben betroffene Wissenschaftler jedoch versucht, unabhängig
vom Ausgang ihrer Fehlverhaltensuntersuchungen, die am Verfahren beteiligten
Personen, Forschungseinrichtungen oder agencies ihrerseits für ihr Handeln auf
Zahlung von Schadensersatz nach dem False Claims Act in Anspruch zu nehmen
und auf diesem Wege eine gerichtliche Entscheidung in der Sache zu erzielen.633
628 CHPS Consulting, Final Report, Analysis of Institutional Policies for Responding to Allegation of Scientific Misconduct, S. 7-3.
629 Abbs v. Sullivan, 963 F.2d 918 (17th Cir.1992).
630 Administrative Procedure Act (APA), 5 U.S.C.A. § 1631.
631 Jarass, DÖV 1985, S. 377 (386).
632 Gellhorn/Levin, Administrative Law and Process, S. 347; Pierce/Shapiro/Verkuil, Administrative Law and Process, S. 121, 123.
633 Goldner, American Journal of Law and Medicine Vol. 24 (1998), S. 293 (322 ff.); Mishkin,
Science and Engineering Ethics Vol. 5 (1999), S. 283 (286 ff.). Siehe auch die Fälle in: De-
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wissenschaftliches Fehlverhalten ist kein neuartiges, aber ein in Deutschland lange unbeachtetes Phänomen. Die Autorin vergleicht verschiedene nationale Standards und Verfahrensmodelle des Umgangs mit wissenschaftlichem Fehlverhalten und erkennt Tendenzen einer allgegenwärtigen zunehmenden Verkomplizierung und zugleich Internationalisierung von Regulierungssystemen in diesem Bereich.