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5.2. Beschränkung des Antikonzentrationsrechts auf einen Mediensektor
Eine zweite Kategorie stellen Mitgliedstaaten dar, die über ein monomedial ausgerichtetes Antikonzentrationsrecht verfügen.174 Hier wird Meinungsmacht nicht als
crossmediales Problem verstanden, sondern auf einen medialen Subsektor beschränkt.175 Typischerweise wird dieser Konzeption zufolge die besondere Suggestivkraft des Mediums Fernsehen zum Anlass genommen für Beteiligungsgrenzen an
Fernsehveranstaltern oder Beschränkungen auf den Erwerb von Anteilen an nur
einem Fernsehender nach dem „One-Man-One-Show“-Prinzip. Besondere Vorschriften zur Verhinderung crossmedialer Meinungsmacht bestehen aber vielfach
nicht.
5.3. Publizistische Gewaltenteilung
Eine weitere Gruppe stellen die Länder dar, deren Rechtsordnungen absolute Verschränkungsverbote im Sinne einer publizistischen Gewaltenteilung vorsehen.176
Hier ist die gleichzeitige Betätigung in verschiedenen medialen Subsektoren per se
verboten.177 Solche Beteiligungsverbote können sich auf ganz unterschiedliche
Mediensektoren erstrecken. In Slowenien ist beispielsweise ein gleichzeitiges unternehmerisches Engagement bei Hörfunk- und Fernsehsendern untersagt.178 In Estland
reichen die Antikonzentrationsbestimmungen noch weiter. Hier gilt eine strikte
publizistische Gewaltenteilung: Weder ein Unternehmen noch eine Privatperson
dürfen hier gleichzeitig an einem Fernsehsender, Radiostation und einer Tages- oder
Wochenzeitung beteiligt sein.179
5.4. Schwellenwertlösungen
In anderen Mitgliedstaaten wird ein crossmediales Betätigungsverbot an das Erreichen bestimmter Schwellenwerte in einem spezifischen Mediensektor geknüpft:180 So besteht in den Niederlanden beispielsweise eine Marktanteilsbeschränkung für das Engagement in Printmärkten in Höhe von 25% gegenüber Rundfunk-
174 Siehe KEK, 3. Konzentrationsbericht, S. 404. Dazu zählen etwa Belgien, Luxemburg, Portugal, Spanien, Schweden, Lettland, Polen oder Tschechien.
175 Zu den Defiziten einer monomedialen Vielfaltsicherung oben, 2.4.
176 In Deutschland hat das BVerfG klargestellt, dass sich aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ein solches
Verschränkungsverbot nicht ableiten lässt. Siehe BVerfGE 73, 118 (175) – Niedersachsen.
177 Siehe insbesondere die Nachweise bei Iliopoulos-Strangas, in: Stern/Prütting, Kultur- und
Medienpolitik im Kontext des Entwurfs einer europäischen Verfassung, 29 (46).
178 Siehe KEK, 3. Konzentrationsbericht, S. 404.
179 Europäische Kommission, Arbeitsdokument Medienvielfalt, S. 35.
180 KEK, 3. Konzentrationsbericht, S. 404.
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References
Zusammenfassung
Meinungsvielfalt ist für die Demokratie in der Informationsgesellschaft unverzichtbar. Bedroht wird sie durch eine zunehmende Uniformität der Berichterstattung und Medienkonzentration. Zwar haben sich die meisten Mitgliedstaaten der EU zur Schaffung antikonzentrationsrechtlicher Bestimmungen entschieden, diese beschränken sich aber auf die Erfassung nationaler Meinungsmacht. Grenzüberschreitendes Engagement von Medienkonzernen wird regulatorisch kaum berücksichtigt.
Es stellt sich daher die Frage, ob und in welcher Weise die Europäische Gemeinschaft Pluralismussicherung betreiben soll. Dabei geht es zunächst darum, welchen Gefahren die Meinungsvielfalt in der Informationsgesellschaft ausgesetzt ist und welche Mediensektoren von einer Pluralismussicherung erfasst sein sollten. Weitere Schwerpunkte liegen auf der europarechtlichen Legitimation der Materie sowie auf der kontrovers diskutierten Frage, ob sich die Gemeinschaft auf ihre Koordinierungsbefugnis aus Art. 47 Abs. 2 und Art. 55 EGV berufen kann oder Kompetenzausübungsschranken entgegenstehen. Die Publikation richtet sich an Medien- und Europarechtler sowie Kommunikations- und Politikwissenschaftler.