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Anspruch gegen die Insolvenzmasse hätte, das Finanzamt als Steuergläubiger hingegen schon. Dies ist trotz des oft gewollten Vorrangs des Fiskus seltsam.
Deshalb sollte das Finanzamt nicht besser gestellt werden als die anderen Neugläubiger des Schuldners. Würde der Schuldner seine Erwerbstätigkeit nicht fortführen
und dabei neue Geschäfte tätigen, könnte das Finanzamt überhaupt keine Steueransprüche geltend machen. Diese zusätzlichen Steuereinnahmen dürfen nicht zu Lasten
der Insolvenzmasse und damit auch der Altgläubiger gehen. Insofern ist das Finanzamt – ebenso wie beim Sanierungsgewinn511 – nicht schutzwürdig. Das Finanzamt hat
deshalb – entgegen der Mindermeinung – seine Ansprüche gegenüber dem Schuldner
persönlich geltend zu machen.
C. Fortführung im Zeitraum zwischen Schlussrechnung und Beginn der
Wohlverhaltensperiode
I. Beendigung der Abwicklung und weitere Einnahmen
1. Allgemeiner Ablauf für die Beendigung des Insolvenzverfahrens
Mit dem Abschluss der Verwertung der Insolvenzmasse mit Ausnahme des laufenden
Einkommens kann der Insolvenzverwalter die Schlussverteilung nach Maßgabe der
§§ 196 ff. InsO einleiten. Die Schlussverteilung stellt die Ausschüttung der nach Abschluss der Verwertungsmaßnahmen und der Vornahme von Abschlagsverteilungen
sowie der Befriedigung vorrangiger Gläubiger noch vorhandenen Teilungsmasse an
die einfachen Insolvenzgläubiger dar.512 Die Schlussverteilung erfolgt auf Grundlage
des so genannten Schlussverzeichnisses, welches zusammen mit dem Schlussbericht
und der Schlussrechnung beim Insolvenzgericht eingereicht wird. Das Insolvenzgericht muss der Schlussverteilung gemäß § 196 Abs. 2 InsO zustimmen. Vor dieser
Entscheidung muss das Insolvenzgericht die Schlussrechnung nach § 66 Abs. 2 InsO
ordnungsgemäß auslegen und etwaige Stellungnahmen abwarten.
Nach der Zustimmung des Insolvenzgerichts und der Niederlegung auf der Geschäftsstelle nach § 188 InsO hat der Insolvenzverwalter die Schlussverteilung öffentlich bekannt zu machen, um dadurch die Ausschlussfrist der §§ 189 ff. InsO in Gang
zu setzen. Nach Abhaltung des Schlusstermins erfolgt die Schlussverteilung durch
den Insolvenzverwalter. Sobald die Schlussverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht gemäß § 200 Abs. 1 InsO die Aufhebung des Insolvenzverfahrens.
511 Siehe dazu oben, § 3 I. 1. a.) d.), S. 76 f.
512 Gottwald-Klopp/Kluth, § 22 Rn. 63; H/W/F, Hdb., Kap. 8 Rn. 40.
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2. Beendigung der Abwicklung trotz weiterer Einnahmen
Wird die Kanzlei eines Rechtsanwalts fortgeführt, so stellt sich die Frage nach der
Abwicklung des Insolvenzverfahrens. Schließlich will der Rechtsanwalt in der Regel
seine selbstständige Tätigkeit über die Dauer des Insolvenzverfahrens hinaus fortführen. Damit kann der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht – wie im Falle der Einstellung der selbstständigen Tätigkeit – mit der Beendigung der Verwertung der gesamten vom Insolvenzbeschlag erfassten Gegenstände im Schlusstermin erfolgen. Es
muss vielmehr nach einer Lösung gesucht werden, wie die Fortführung der Tätigkeit
durch den Rechtsanwalt sinnvoll mit dem Insolvenzverwalter abgerechnet werden
kann.
Der laufende Kanzleibetrieb verursacht Einnahmen und Ausgaben. Die laufenden
Einnahmen stehen einer Beendigung des Insolvenzverfahrens jedoch nicht entgegen,
da das laufende Einkommen des Schuldners gemäß § 196 Abs. 1 InsO bei der Feststellung des Abschlusses der Verwertungsmaßnahmen außer Acht zu bleiben hat.
II. Weiterführung der Kanzlei zwischen Einreichung der Schlussrechnung und
Schlusstermin
Es besteht aber das Problem, was mit dem Kanzleibetrieb im Zeitraum zwischen Einreichung der Schlussrechnung und Abhaltung des Schlusstermins, in dem das Insolvenzverfahren aufgehoben wird, passiert. Dieser Zeitraum kann sich auf Grund der
Belastung der Insolvenzgerichte auf einige Monate belaufen. Der Insolvenzverwalter
kann deshalb aber nicht einfach die Überwachung beenden. Hat der Insolvenzverwalter die Schlussrechnung erstellt und mit der Vorlage beim Insolvenzgericht um die
Anberaumung eines Schlusstermins gebeten, so kann er in der Zwischenzeit die
Kanzlei fortführen und die Einnahmen und Ausgaben abwickeln. Der Schlusstermin
stellt nach der Insolvenzordnung nämlich nicht das Ende der Verfahrensabwicklung
dar. Im Gesetz ist in § 203 InsO eine Nachtragsverteilung vorgesehen, die für den Fall
eines nachträglichen Massezuflusses513 auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines
Insolvenzgläubigers stattfinden kann. Daneben haben die Gläubiger gemäß § 197
Abs. 1 Nr. 3 InsO im Schlusstermin über nicht verwertbare Gegenstände zu entscheiden. Weist die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter an, einen erneuten
Verwertungsversuch bestimmter Art zu unternehmen514, so können dadurch Verwertungskosten entstehen. Diese sind trotz erstellter Schlussrechnung auch noch zu bezahlen. Der Insolvenzverwalter kann also in dieser Zwischenphase die Kontrolle über
den Kanzleibetrieb weiterhin ausüben. Problematisch ist nur, wie er die Fortführung
in dieser Zwischenphase abrechnen soll.
513 KP-Holzer, § 203 Rn. 8 ff.
514 KP-Holzer, § 197 Rn. 13.
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III. Lösung durch Schlussverteilungsbericht
Die Lösung des Problems stellt die Erstellung eines Schlussverteilungsberichts dar.515
Zur Einreichung eines Schlussverteilungsberichts ist der Insolvenzverwalter nach allgemeiner Meinung verpflichtet, denn das Insolvenzgericht hat die Schlussverteilung
zu überwachen.516 In diesem Schlussverteilungsbericht, den der Insolvenzverwalter
nach der Schlussverteilung beim Insolvenzgericht einreicht, stellt der Insolvenzverwalter den Massebestand vor und nach der Schlussverteilung dar. Darin weist er die
auf Masseverbindlichkeiten entfallenden Beträge aus.517 Aus dem Schlussverteilungsbericht muss sich auch ergeben, ob noch eine Nachtragsverteilung gemäß § 203 InsO
stattfinden kann.518 Das Insolvenzgericht kann nach pflichtgemäßem Ermessen von
der Anordnung einer Nachtragsverteilung absehen, wenn es sich um einen geringfügigen Betrag handelt, der im objektiven Missverhältnis zu den Kosten der Nachtragsverteilung steht, § 203 Abs. 3 S. 1 InsO.
Auf diese Weise kann der Insolvenzverwalter die Kanzlei nach Einreichung von
Schlussbericht und Schlussrechnung fortführen. Die nach Einreichung des Schlussberichts und der Schlussrechnung erfolgenden Einnahmen und Ausgaben werden gegeneinander verrechnet. So ergibt sich, ob ein Überschuss besteht. Dieser kann dann gegebenenfalls im Rahmen einer Nachtragsverteilung ausgekehrt werden.
D. Fortführung während der Wohlverhaltensperiode
I. Wohlverhaltensperiode
Besonderheiten bei der Fortführung der Kanzlei durch den Rechtsanwalt ergeben sich
im Hinblick auf die Pflichten und Obliegenheiten des Rechtsanwalts in der Wohlverhaltensperiode.
Als Wohlverhaltensperiode wird diejenige Phase bezeichnet, die sich an das Insolvenzverfahren anschließt und während der sich der Rechtsanwalt nach Kräften zu bemühen hat, seine Gläubiger soweit wie möglich zu befriedigen.519 Hat der Rechtsanwalt also die Restschuldbefreiung nach § 287 InsO beantragt und das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung angekündigt, §§ 289 ff. InsO, so beginnt – gerechnet ab
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – die sechsjährige Wohlverhaltensperiode.
Zentrale Norm für den selbstständigen Rechtsanwalt ist die Vorschrift des § 295
Abs. 2 InsO. Der selbstständig tätige Rechtsanwalt muss danach für die Dauer der
Wohlverhaltensperiode Zahlungen an den Insolvenzverwalter leisten. Diese sechsjäh-
515 Runkel, FS-Gerhardt, 839, 853.
516 Braun-Kießner, § 196 Rn. 24; KP-Holzer, § 196 Rn. 24.
517 Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 196 Rn. 16.
518 Braun-Kießner, § 196 Rn. 24; KP-Holzer, § 196 Rn. 24; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO,
§ 196 Rn. 16.
519 Wenzel, NZI 1999, 15, 16 (für den Schuldner im Allgemeinen).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Insolvenz des selbstständigen Rechtsanwalts zeichnet sich durch eine Kollision von insolvenz- und berufsrechtlichen Regelungen aus. Zuvorderst ist für den Rechtsanwalt in der Insolvenz der Erhalt seiner Zulassung von Bedeutung. Daneben stellen sich Fragen rund um die Verwertung, Freigabe oder Fortführung der Kanzlei, Sanierungsmöglichkeiten vor und in der Insolvenz, den Unterhalt des Rechtsanwalts im laufenden Insolvenzverfahren sowie den möglichen Schutz und Erhalt seiner Altersvorsorge. In berufsrechtlicher Hinsicht werden in dieser Arbeit neben Fragen rund um die Zulassung, wie Erhalt und Wiedererlangung der Zulassung, die Auswirkungen der Schweigepflicht des Rechtsanwalts im Insolvenzverfahren und das Verhältnis des Insolvenzverwalters zum Kanzleiabwickler untersucht. Dabei werden auch allgemeine Überlegungen zur Insolvenz des Selbstständigen und des Freiberuflers angestellt. Das Buch wendet sich insbesondere an Insolvenzrechtler und Rechtsanwälte.